Jesus-Manifest

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Ein lebendiges Manifest

Im Folgenden möchten wir Ihren Blick für und Ihr Verständnis von Jesus Christus schärfen. Dabei hoffen wir, unseren Herrn so darzustellen, dass Sie nicht umhinkönnen, ihn zu lieben, zu seinen Füßen niederzufallen und sich für immer ihm hinzugeben – nicht aus einem Schuldgefühl heraus und auch nicht aus Zwang, Pflicht oder Angst, sondern weil Sie einen Blick auf die großartigste Person aller Zeiten, auf Jesus Christus, geworfen haben. Aus solcher Liebe ergibt sich alles andere.

Im Gegensatz dazu distanzieren wir uns von jedem billigen, lustig-lockeren und leichtfertigen „Jesus-Geschwafel“, das so viele religiöse Gespräche heute prägt. Nach unserer Überzeugung lässt sich der Name Jesus auf mancherlei Weise „missbrauchen“ (vgl. 2 Mo 20,7; 5 Mo 5,11), so zum Beispiel, wenn man ihn benutzt, ohne Jesus wirklich zu kennen. Es muss unseren Herrn geradezu peinlich anmuten, wenn sein Name als eine Art Talisman oder als Magie benutzt wird.

Wir haben dieses Buch bewusst in einem alten erbaulichen Stil geschrieben, den wir, wie wir finden, in der heutigen Gemeinde leider vermissen. Auf diese Weise soll der Unterschied zwischen dem Missbrauch des Jesus-Namens und einer Verwendung, die seine Schönheit offenbart und ihn ehrt, hervorgehoben werden. Kurz gesagt: Wir glauben, dass Jesus heute um die ihm zustehende Ehre gebracht wird, und diesen Trend möchten wir gerne umkehren.

Am Ende ihres Lebens haben einige der größten Denker dieser Welt zu einer Einfachheit zurückgefunden, die man in ihren Anfangswerken noch vermisst. Ludwig Wittgenstein, beispielsweise, der zu den größten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts zu rechnen ist, krönte sein Lebenswerk mit der Entdeckung des „Hasen-Enten-Kopfes“4, jenem umkehrbaren Bild, in dem man, je nach Blickwinkel, eine Ente oder einen Hasen erkennen kann. Wittgenstein hatte den Eindruck, dass diese eine Zeichnung, die beweist, dass etwas nicht gleichzeitig Ente und Hase sein kann (oder, präziser formuliert, nicht zeitgleich als solches „wahrgenommen“ werden kann), mehr Wahrheit vermittelte als seine größten philosophischen Schriften.5

Karl Barth, einer der größten Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts, soll auf die Bitte, seine vielbändige Kirchliche Dogmatik zusammenzufassen, mit einem alten englischen Kinderlied geantwortet haben: „Jesus loves me, this I know, for the Bible tells me so.“ („Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies.“)6

Heute muss die Gemeinde zu ihrer in Vergessenheit geratenen „ersten Liebe“ zurückkehren: „Jesus liebt mich ganz gewiss.“7 Die theologisch präziseste Bekräftigung des christlichen Glaubens ist das kurze Glaubensbekenntnis des Jesus-Mani­fests, das wir in 1. Johannes 4,16 finden: „Wir glauben an die Liebe, die Gott für uns hat.“8 Es ist eine Liebe, die nicht als ein abstraktes Prinzip erschienen ist, sondern die in der Gestalt einer wirklichen Person, nämlich in Gottes eigenem Sohn zu uns gekommen ist.

Achten Sie auf die Worte des Apostels Johannes: „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1 Joh 4,19).

Doch wie sollen wir unser Leben als Nachfolger Christi leben? Die Antwort findet sich zwischen den beiden zuletzt genannten Versen: „Denn wie er [Jesus] [ist], sind auch wir in der Welt“ (1 Joh 4,17). Die Bibel verheißt uns nicht einfach nur „ewiges Leben“ (vgl. Joh 3,16), sondern bietet uns auch das Geschenk eines durch Christus gelebten Lebens an: „… damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4,9). Hat uns die Beliebtheit eines einzigen Bibelverses (Johannes 3,16) mit seiner vermeintlichen Betonung des künftigen „ewigen Lebens“ blind gemacht für das, was die Bibel über das Leben im Heute aussagt?

Sie und ich sollen ein lebendiger Brief – das heißt ein „Jesus-Manifest“ – in unserer Welt sein: Eine Stadt auf einem Berg, Salz und Licht.9 Deshalb haben wir das vorliegende Buch geschrieben.

Thomas von Aquin, einer der größten Lehrer und Philosophen der Kirche, sagte, seine Summa Theologica10 sei nichts als Stroh, da Worte auch nicht annähernd das Strahlen des göttlichen Geheimnisses wiederzugeben vermochten. So ist auch dieses Buch nichts weiter als trockenes Stroh, wenngleich es den König der Könige und den Herrn aller Herren zum Thema hat.11 Gleichwohl hoffen wir, dass es in Ihrem Leben ein neues Staunen und neue Einsicht hervorruft – sowohl über den irdischen als auch über den erhöhten und ebenso den innewohnenden Jesus. Aber darüber hinaus ist es unser Wunsch, dass Sie nicht anders können, als sich von seiner Liebe, die er aus Gnade über Sie ausgeschüttet hat, anstecken zu lassen und in Ihrem eigenen Umfeld zu einem Jesus-Manifest zu werden.

Leonard Sweet und Frank Viola

1 Christologie bezeichnet das theologische Nachdenken über Person und Heilswirken Jesu Christi, ihre Auffassungen und Deutungen im Christentum. Die Christologie als zentraler Teilbereich der Systematischen Theologie will die Frage nach der Identität („Natur“) und Bedeutung („Relevanz“) von Jesus Christus für dessen Gemeinschaft, die Kirche, für den einzelnen Gläubigen und für die Welt beantworten (Quelle: wikipedia).

2 Nach Hebr 6,18-20 ist Jesus der Anker unserer Seelen. In Kolosser 1,15-18 schreibt Paulus, dass alles durch ihn besteht.

3 Mt 16,15 (REÜ); [Hervorh. d. Verf.].

4 Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Suhrkamp, Frankfurt 2003, Teil II.

5 Ludwig Wittgenstein, Last Writings on Philosophy and Psychology: Preliminary Studies, Basil Blackwell, Oxford 1982, 1:61-65, 68-69, 90, 97.

6 Martin Rumscheidt im Nachwort des Herausgebers zu Karl Barth, Fragments Grave and Gay, Collins, London 1971, S. 124.

7 „Jesus Loves Me, this I know“ wurde 1860 von Anna B. Warner geschrieben.

8 Frei übersetzt.

9 Vgl. 2 Kor 3,3 und Mt 5,13-16.

10 Deutsch: Summe der Theologie oder Höchste Theologie. Infolge einer tiefen Gottesbegegnung schrieb Thomas: „Ich kann nicht mehr schreiben. Verglichen mit dem, was ich gesehen habe, kommt mir alles, was ich verfasst habe, wie Stroh vor.“ (Peter Kreeft [Hg.], A Shorter Summa: The Essential Philosophical Passages of St. Thomas Aquinas’ Summa Theologica, Ignatius Press, San Francisco 1993, S. 37).

11 Vgl. 1 Tim 6,15; Offb 19,16.

Kapitel 1: Womit alle Dinge erfüllt sind

Zentrum und auch Peripherie des christlichen Lebens ist nichts und niemand anderes als die Person Jesus Christus selbst. Seine Einzigartigkeit stellt alle anderen Dinge – auch die, die mit ihm verbunden sind – in den Schatten. Mit der Sonne als Mittelpunkt unseres Sonnensystems hat Gott uns ein Sinnbild dafür gegeben, was Christus für uns ist. Ohne die Sonne gäbe es kein Leben auf unserem Planeten. Wir sind ganz und gar von ihr abhängig. Und so, wie die Sonne das Zentrum unseres Sonnensystems ist, ist Christus das Zentrum des Universums und auch unseres eigenen Lebens.

Dietrich Bonhoeffer stellt einmal fest, dass Jesus „Mitte der menschlichen Existenz, Mitte der Geschichte und … Mitte der Natur“ ist.1 Die Geschichte ist seine Geschichte.2 Diese Zusammenhänge hat der britische Autor H. G. Wells folgendermaßen kommentiert: „Ich bin Historiker und nicht gläubig. Dennoch muss ich als Historiker bekennen, dass jener mittellose Prediger aus Nazareth unwiderruflich die Mitte der Geschichte ist. Zweifellos ist Jesus Christus die beherrschende Gestalt der gesamten Geschichte.“3

Doch lässt sich Christus nicht nur in der Mitte finden, sondern auch in den Winkeln und an den Rändern, so, wie die Sonne den ganzen Erdkreis erleuchtet. Ja, Jesus ist nicht nur Herr über das Zentrum und die Außenbezirke – er ist der Gott von allem, was ist. Als der helle Morgenstern erleuchtet er alles Existierende (vgl. Offb 22,16).

Nach zweitausend Jahren leuchtet Jesus heller als je zuvor, und die Strahlen seines Lichts dringen bis in die Schattenreiche der Finsternis. Christus in der Tiefe und tatsächlich zu kennen, ist das vorrangige Ziel des Christseins. Der Herr wünscht sich mehr als alles andere, dass wir ihn erkennen.4 Wir sind „in die Gemeinschaft seines [Gottes] Sohnes berufen worden“.5

Gottes Interesse gilt weniger der Reparatur all dessen, was in unserem Leben schiefgegangen ist; weit mehr möchte uns Gott in unserer Zerbrochenheit finden und mit Christus beschenken. Wenn Christus nicht die Mitte und das Höchste unseres Lebens ist, gerät alles aus der Bahn und aus dem Gleichgewicht. Deshalb ist es die erste Aufgabe jedes Christen, Jesus zu erkennen. Aus solcher Erkenntnis erwächst dann Liebe zu ihm und, damit verbunden, der Wunsch, Christus zu verehren, ihn zu bezeugen und ihn zum Ausdruck zu bringen.

 

Womit die himmlischen Räume erfüllt sind

Die gesamten himmlischen Welten – der Vater, der Heilige Geist mitsamt den Engelscharen – sind von Christus durchdrungen. Die zweite Person der Dreieinigkeit ist kein nachträglicher Einfall Gottes: Dem Sohn galt die ganze Aufmerksamkeit der Gottheit von Anfang an. An nur wenigen Stellen in den Evangelien spricht Gott der Vater hörbar, und jedes Mal gilt sein Reden seinem Sohn:

Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (Mt 3,17 LUT).

Während er noch redete, kam plötzlich eine leuchtend helle Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke sprach eine Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn. An ihm habe ich Freude, und auf ihn sollt ihr hören!“ (Mt 17,5 NGÜ).6

Einmal sagte Jesus: „Aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34 ELB). Immer wenn Gott der Vater spricht, redet er von seinem Sohn, da Christus in seinem Herzen den ersten Rang einnimmt. Das Brot des Lebens lässt sich in „jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ schmecken (vgl. Mt 4,4). Ja, wenn Gott sich selbst zum Ausdruck bringt, kommt Christus hervor. Zu Recht lässt sich daher behaupten, dass Gott sich in der Person des Herrn Jesus ins menschliche Leben hineingesprochen hat. Deshalb bezeichnet Johannes Christus als den Logos, als das lebendige Wort Gottes.7 Gottes Wort ist eine Person. Der eine wahre Gott hat sich umfassend und endgültig in Jesus offenbart: „Niemand hat Gott je gesehen. Doch sein einziger Sohn, der selbst Gott ist, ist dem Herzen des Vaters ganz nahe; er hat ihn uns [offenbart].“8

Auf ähnliche Weise offenbart auch der Heilige Geist, der große Offenbarer, Christus. Und Christus ist das Einzige, was der Geist offenbart, denn er hat nichts anderes zu enthüllen. Der Geist macht uns mit Jesus bekannt – gewöhnlich auf eine neue Weise.9

Wenn der Helfer kommen wird, wird er mein Zeuge sein – der Geist der Wahrheit, der vom Vater kommt und den ich zu euch senden werde, wenn ich beim Vater bin (Joh 15,16).

Doch wenn der Helfer kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch zum vollen Verständnis der Wahrheit führen. Denn was er sagen wird, wird er nicht aus sich selbst heraus sagen; er wird das sagen, was er hört. Und er wird euch die zukünftigen Dinge verkünden. Er wird meine Herrlichkeit offenbaren; denn was er euch verkünden wird, empfängt er von mir. Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Aus diesem Grund sage ich: Was er euch verkünden wird, empfängt er von mir (Joh 16,13-15).

Man mag einwenden: „Hat Jesus nicht gesagt, dass der Heilige Geist die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts überführen würde?“ Gewiss. Doch Jesus erklärt sich selbst zum Bezugspunkt dieser Dinge (vgl. Joh 16,8-11). Folglich lautet die Frage: Wie überführt der Geist die Welt?

Er tut dies, indem er der Welt Christus vor Augen stellt.10 Der Heilige Geist ist gekommen, um den Herrn Jesus Christus zu offenbaren, zu verherrlichen, vorzustellen, groß zu machen und zu erhöhen. Er nimmt das, was auf Christus zutrifft, und macht es im Leben der Menschen real und lebendig. Dazu ist der Geist berufen, das ist seine Lebensaufgabe und sein Beruf.

Aber da ist noch mehr: Der Vater war so sehr von Christus eingenommen, dass es ihm gefiel, die ganze Fülle der Gottheit in ihm wohnen zu lassen:

Es ist doch Christus, in dem die ganze Fülle von Gottes Wesen in leiblicher Gestalt wohnt (Kol 2,9).

Gott hat beschlossen, mit der ganzen Fülle seines Wesens in ihm zu wohnen (Kol 1,19).

Und schließlich existieren all die Engelscharen, um den Herrn Jesus anzubeten und ihm zu dienen. Auch sie sind ganz von Christus eingenommen und mit ihm beschäftigt. In Hebräer 1,6 (ELB) heißt es:

Wenn er [Gott] aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: „Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“11

Mit einem Wort: Jesus ist sowohl die Leidenschaft des Himmels als auch das, womit der Himmel erfüllt und beschäftigt ist.

Womit die Schöpfung erfüllt ist

Von Paulus erfahren wir, dass das gesamte Universum von Christus, durch Christus, für Christus und auf Christus hin erschaffen wurde. Mehr noch: Alle Dinge im Himmel und auf der Erde werden in Christus zusammengehalten und eines Tages in ihm unter einem Haupt zusammengefasst werden. Folglich ist die Schöpfung von Christus erfüllt und mit ihm beschäftigt.

Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht durch ihn (Kol 1,16-17 ELB).12

Sobald die Zeit dafür gekommen war: Unter ihm, Christus, dem Oberhaupt des ganzen Universums, soll alles vereint werden – das, was im Himmel, und das, was auf der Erde ist (Eph 1,10).

Betrachten Sie einmal die sieben Schöpfungstage im Licht des Neuen Testaments und Sie werden feststellen, dass die gesamte sichtbare Schöpfung ein Abbild von Jesus ist. Zum Beispiel:

• Christus ist Licht (vgl. Joh 8,12).

• Christus ist Wasser (vgl. Joh 4,10; 7,38).

• Christus ist das Leben, das am dritten Tag, nachdem das Festland von den Wassern des Himmels geschieden worden war, hervortrat (vgl. 1 Mo 1,9-13; 1 Kor 15,4).13

• Christus ist der wahre Weinstock (vgl. Joh 15,1; 6,57).

• Christus ist der Weizen und das Brot des Lebens (vgl. Joh 12,24; 6,35).

• Christus ist die Sonne (vgl. Mal 3,20), der Mond (vgl. Kol 2,16-17) und der Morgenstern (vgl. 2 Petr 1,19; Offb 22,16).

• Christus ist das wahre Lamm (vgl. Joh 1,29; Offb 5).

• Christus ist der vorbildliche Mensch (vgl. Röm 5,14; 1 Kor 15,47).

• Christus ist der wahre Sabbat (vgl. Kol 2,16-17).

In den „Blutbahnen“ des Universums pulsiert Jesus der Herr. In allem, was der Schöpfer gemacht hat, finden wir Christus. Was aus den Lungen Gottes hervorging, als er die Welten ins Leben sprach, war Jesus. Das gesamte Universum trägt sein wunderbares Bild.

Der Kirchenvater Tertullian gebrauchte die einzigartige Metapher, Christus (der Logos) durchdringe die Welt wie Honig die Wabe. Das sollte uns nicht überraschen, wurde doch, wie wir gesehen haben, die gesamte Weltordnung von, in, durch und auf Christus hin geschaffen. Und die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, dass Jesus sie von der Knechtschaft des Gefallenseins erlöse und sie mit seiner unendlichen Süße erfülle (vgl. Röm 8,19-23; Eph 4,10).

Schönster Herr Jesu

Schönster Herr Jesu,

Herrscher aller Herren,

Gottes und Marien Sohn,

dich will ich lieben,

dich will ich ehren,

du meiner Seele Freud und Wonn!

Schön sind die Wälder,

schöner sind die Felder

in der schönen Frühlingszeit,

Jesus ist schöner,

Jesus ist reiner,

der unser traurig Herz erfreut.

Schön leucht´ die Sonne,

schöner leucht der Monde

und die Sternlein allzumal;

Jesus leucht schöner,

Jesus leucht´ reiner

als alle Engel im Himmelssaal.

Schön sind die Blumen,

schöner sind die Menschen

in der frischen Jugendzeit;

sie müssen sterben,

müssen verderben,

doch Jesus lebt in Ewigkeit.

Alle die Schönheit

Himmels und der Erden

ist verfasst in dir allein;

nichts soll mir werden

lieber auf Erden

als du, der schönste Jesu mein.14

Wovon das Alte Testament durchdrungen ist

Und wie ist es mit der Heiligen Schrift? Jesus selbst hat die Frage beantwortet, indem er behauptete, die hebräischen Schriften handelten und zeugten von ihm:

Ihr forscht in der Schrift, weil ihr meint, durch sie das ewige Leben zu finden. Aber gerade die Schrift weist auf mich hin (Joh 5,39).

Dann ging er mit ihnen die ganze Schrift durch und erklärte ihnen alles, was sich auf ihn bezog – zuerst bei Mose und dann bei sämtlichen Propheten … Da wurden ihnen die Augen geöffnet, und sie erkannten ihn (Lk 24,27.31).

Dann sagte er zu ihnen: „Nun ist in Erfüllung gegangen, wovon ich sprach, als ich noch bei euch war; ich sagte: Alles, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben ist, muss sich erfüllen.“ Dann öffnete er ihnen den Sinn, sodass die die Schrift verstehen konnten (Lk 24,44-45).

Jesus Christus macht die Heilige Schrift verständlich, denn er ist der Schlüssel, der uns den ganzen biblischen Kanon aufschließt. Dies wird aus der sorgfältigen Lektüre des Neuen Testaments ersichtlich. So ist beispielsweise die gesamte Geschichte Israels im Grunde die Geschichte des Messias Jesus. Christus ist das neue Israel, der neue Jakob.

Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. So erfüllte sich, was der Herr durch den Propheten vorausgesagt hatte: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (Mt 2,15; vgl. Hos 11,1).

Genauso verhält es sich mit den Zusagen, die Abraham und seiner Nachkommenschaft gemacht wurden. Übrigens sagt Gott nicht: „… und deinen Nachkommen“ – als würde es sich um eine große Zahl handeln. Vielmehr ist nur von einem Einzigen die Rede: „deinem Nachkommen“, und dieser Eine ist Christus (Gal 3,16; vgl. Jes 49).

Jakob hatte zwölf Söhne, aus denen die zwölf Stämme Israels hervorgegangen sind. Auch Jesus berief zwölf Jünger als seine Nachfolger.

Israel wurde vierzig Jahre lang in der Wüste versucht. Jesu Versuchung in der Wüste dauerte vierzig Tage. Ja, die gleichen Versuchungen, mit denen Israel während der Wüstenwanderung konfrontiert war, erlebte auch Christus in der Wüste. Um den Versuchungen zu begegnen, zitierte Jesus gegenüber Satan interessanterweise dieselben Worte, die Mose dem Volk Israel zugesprochen hatte, als dieses versucht worden war.15

Das 1. Buch Mose macht überdies deutlich, dass die Heilige Schrift Christus zum Inhalt hat. Die ersten beiden Kapitel waren nie dazu gedacht, der Auseinandersetzung zwischen Kreationisten und Evolutionisten ein Schlachtfeld zu bieten. Vielmehr sind sie dazu bestimmt, Christus und seine Gemeinde zu enthüllen: Jesus ist der neue Adam, die Gemeinde ist die neue Eva, und das Johannesevangelium ist das neue 1. Buch Mose (vgl. 1. Mose 1–2 mit Johannes 1–2).16

Der Tod herrschte bereits in der Zeit von Adam bis Mose über die Menschen, selbst wenn sie … nicht auf dieselbe Weise sündigten wie Adam. Adam nun steht dem, der kommen sollte, dem Messias, als Gegenbild gegenüber (Röm 15,14).

So steht auch geschrieben: „Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele“, der letzte Adam zu einem lebendig machenden Geist. Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch vom Himmel (1 Kor 15,45.47 ELB).

Deswegen wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß, ich aber deute es auf Christus und die Gemeinde (Eph 5,31-32 ELB).

Ist Ihnen schon aufgefallen, wie häufig das Neue Testament die hebräischen heiligen Schriften zitiert? Schlagen Sie das Alte Testament auf und lesen Sie die zitierten Stellen. Dabei werden Sie feststellen, dass die neutestamentlichen Schreiber sich einer Interpretationsmethode bedienten, die heute den meisten wissenschaftlichen Auslegern größtes Kopfzerbrechen bereiten würde, ist doch dieser Ansatz ganz und gar nicht zeitgemäß. Es kommt einem vor, als würden sie sämtliche Texte aus ihrem Zusammenhang reißen.

 

Genau das taten sie aber nicht. Vielmehr lasen sie das Alte Testament durch eine einzige Brille: durch Christus. Nehmen wir als Beispiel Kolosser 2,16-17: „So richte euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats, die ein Schatten der künftigen Dinge sind, der Körper selbst aber ist des Christus.“17

Beachten Sie, wie Jesus die Schrift auslegte und auf sich bezog. Und dann kombinieren Sie das mit der Art und Weise, wie die vier Evangelisten, Paulus von Tarsus und der Verfasser des Hebräerbriefes Christus in den hebräischen Schriften entdeckten.18 Wenn Sie diesem Ansatz folgen, ist das, wie wenn Sie das Alten Testaments mit einer neue Brille lesen würden. Christus wird Ihnen auf nahezu jeder Seite begegnen. Mit Jesus Christus als Deutungsvorlage ersteht das Alte Testament zu einem lebendigen Kunstwerk und verwandelt sich zum Bilderbuch Gottes, das uns den einzigartigen Christus vor Augen führt.19

In seinem Kommentar zum Johannesevangelium schreibt Johannes Calvin: „Beim Lesen der Heiligen Schrift sollten wir in ihr bewusst nach Christus Ausschau halten. Wer sich von diesem Ziel abbringen lässt, wird nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen, mag er sich ein Leben lang noch so sehr darum bemühen; denn welche Weisheit lässt sich ohne die Weisheit Gottes erlangen?“20

Charles Spurgeon kommt zum gleichen Ergebnis: „Aus jedem Text der Bibel führt eine Straße in ihre Mitte: Christus. Lieber Bruder, wenn du dich mit einem Bibelwort befasst, besteht deine vornehmliche Aufgabe darin, danach zu fragen: ‚Welcher Weg führt zu Christus?‘ … Mir ist noch nie ein Wort der Heiligen Schrift begegnet, aus dem kein Weg zu Christus führte.“21

Beachten Sie bitte, dass wir von religiösen Juden nicht erwarten, dass sie Jesus im Alten Testament entdecken – obwohl wir uns freuen würden, wenn es so wäre. Für den jüdischen Glauben ist es allerdings kein Problem, wenn Jesus nicht entdeckt wird. Der christliche Glaube nimmt jedoch Schaden, wenn Christen beim Lesen des Alten Testaments Jesus dort nicht finden. Entweder ist das Alte Testament – die hebräische Bibel – Teil der christlichen Heiligen Schrift oder nicht.

Kurz gesagt: Die volle Bedeutung des Alten Testaments erschließt sich einem Christen erst dann, wenn er die Geschichte, die mit Christus beginnt, von ihrem Ende her liest. Die Anfänge bleiben ohne das Ende verborgen. Ohne die Offenbarung lässt sich die Genesis (das erste Buch Mose) nicht begreifen. An uns liegt es deshalb, das Alte Testament im Lichte Jesu Christi zu deuten. Er ist der Rosettastein der Bibel.22