Die Status Quo Autobiografie

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Die Status Quo Autobiografie
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Aus dem Englischen von Angelika Inhoffen


www.hannibal-verlag.de

Impressum

Die Autoren: Francis Rossi und Rick Parfitt mit Mick Wall

Deutsche Erstausgabe 2011

Titel der Originalausgabe:

“XS All Areas: The Status Quo Autobiography”

© 2005 by Duroc Media Ltd/Francis Rossi and Rick Parfitt

ISBN: 978-0330419628

Coverdesign der deutschen Version: © bürosüd°, München

Coverabbildung: © Jeany Savage

Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Übersetzung: Angelika Inhoffen

Lektorat und Korrektorat: Hollow Skai

© 2011 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-366-6

Auch als Paperback erhältlich: ISBN 978-3-85445-365-9

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Der Verlag und der Autor übernehmen weder die Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Schäden jeglicher Art, die durch den Gebrauch von in diesem Buch enthaltenen Informationen verursacht werden können. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Vorwort von Francis Rossi und Rick Parfitt zur deutschsprachigen Ausgabe

Francis Rossi 1

Rick Parfitt 1

Bildstrecke I

Francis Rossi 2

Rick Parfitt 2

Bildstrecke II

Francis Rossi 3

Rick Parfitt 3

Francis Rossi 4

Rick Parfitt 4

Bildstrecke III

Francis Rossi 5

Rick Parfitt 5

Was sonst noch geschah

Bildnachweis

Danksagung

Die Autoren

Das könnte Sie interessieren


Es ist viel passiert seit damals, als wir unsere Band gegründet und angefangen haben, die Musik zu machen, die wir bis heute lieben. Wir blicken zurück auf fast fünf Jahrzehnte, in denen Status Quo in der ganzen Welt Konzerte gaben und Hits hatten. Es war eine großartige, wunderbare Reise. Und wir freuen uns sehr, dass dieses Buch, in dem wir versucht haben, unser Leben als Rockmusiker offen und unterhaltsam zu schildern, nun zum ersten Mal auch in deutscher Sprache erhältlich ist.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden wir immer besonders herzlich empfangen. Wir standen in diesen drei Ländern unglaublich oft auf der Bühne und haben zig Kilometer im Tour-Bus zurückgelegt. So treue und enthusiastische Fans gibt es sonst kaum auf unserem Planeten. Ohne sie wäre die Geschichte von Status Quo bestimmt deutlich langweiliger verlaufen und wir hätten viel weniger Spaß gehabt.

In unserer gesamten Karriere hatten wir das Glück, in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Charts vertreten zu sein und in ausverkauften Hallen zu spielen. Die vielen Freunde, die wir dort haben, sorgen dafür, dass wir stets gerne dorthin zurückkehren – wie in diesem Jahr, in dem wir auch wieder eine super Zeit hatten. Unser aktuelles Album Quid Pro Quo wurde ebenfalls ein Erfolg, und so sind wir unseren Fans mehr als dankbar für ihre tolle Unterstützung.

Aber genug geredet über Zukünftiges oder das, was ist. Richten wir jetzt unseren Blick auf die Vergangenheit, auf die Zeit, als alles begann. Wir hoffen, unsere Fans haben ebenso viel Spaß beim Lesen wie wir, als wir das alles erlebt haben.

Dankeschön!


Obwohl ich italienische und irische Wurzeln habe, fühlte ich mich immer wie ein Junge aus dem Süden von London. Da bin ich geboren und aufgewachsen, und da lebe ich auch heute noch. Sobald ich mich irgendwo im Süden von London befinde, bin ich zu Hause.

In Wirklichkeit verhält es sich mit meiner familiären Herkunft aber nicht so einfach. Es ist viel komplizierter. Am 29. Mai 1949 erblickte ich das Licht der Welt, als erster von zwei Söhnen eines in England geborenen italienischen Vaters, Dominic Rossi, und einer anglo-irischen Mutter, Anne – oder Nancy, wie sie von ihren Freunden genannt wurde. Ihre Tochter Arselia starb ein paar Jahre, bevor ich geboren wurde, an einem Loch im Herzen. Daraufhin schwor meine Mutter, eine strenge Katholikin, dass sie, sollte sie jemals wieder ein Baby zur Welt bringen, dies auf den Namen Francis taufen würde – nach dem Heiligen Franz von Assisi, dem Begründer des Franziskanerordens. Um ganz sicher zu gehen, dass diesmal nichts schief ging, brachte sie auch noch die Namen aller anderen Heiligen, die ihr an dem Tag gerade in den Sinn kamen, ins Spiel, und so heiße ich schließlich Francis Dominic Nicholas Michael Rossi.

Ich war zwei Jahre alt, als mein Bruder Dominic geboren wurde. Da waren meine Eltern wohl an dem Punkt angelangt, an dem sie es aufgegeben hatten, noch über neue Namen nachzudenken. Dominic ist jetzt mein Finanzberater und eine echte Nervensäge, so wie das bei den besten Finanzberatern eben von Zeit zu Zeit der Fall ist.

1949 liegt schon sehr lange zurück, aber damals fing alles noch einmal von vorne an. Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Nahrungsmittel immer noch rationiert. Geld und Essen waren in den meisten Arbeiterfamilien rar. Wir hatten aber stets unser Auskommen wegen des Geschäfts, das unsere Familie betrieb – Rossis Eiswagen kannte in den Fünfzigern jeder im Süden von London.

Meine Eltern waren beide Katholiken, und so natürlich auch ich – Heilige Kommunion, Firmung, zur Beichte gehen, das volle Programm. Bei der ersten Heiligen Kommunion waren Jungs und Mädchen getrennt, doch aus irgendeinem Grund konnte ich nicht teilnehmen, ich war wohl erkältet, und so hatte ich stattdessen meinen großen Tag zusammen mit den Mädchen aus der örtlichen Klosterschule. Es war großartig! Wir gingen regelmäßig jeden Sonntag zur Messe in die Our Lady and St. Philip Neri -Kirche in Forest Hill. Die Leute, die ich im Musik-Business treffe, gucken manchmal ein bisschen komisch, wenn ich so etwas erzähle, und ich verstehe auch warum, aber als Kind war das für mich natürlich überhaupt nicht komisch. Ich hatte ja nie etwas anderes kennen gelernt. Für mich war das alles total normal und gehörte zum Leben wie das tägliche Frühstück.

Ein bisschen ins Schleudern kam ich mit meinem Katholizismus, als die Band in den Siebzigern erste Erfolge feierte. Ich war immer unterwegs auf Tour und hatte jeden erdenklichen Grund, um von der Kirche fernzubleiben. Aber ich habe das alles nie ganz überwunden – und auch nicht dieses Schuldgefühl, das du in den verschiedensten und verrücktesten Formen eingeimpft bekamst. In meinen Dreißigern bin ich wieder brav zur Messe gegangen. Ich besuchte regelmäßig den Sonntagsgottesdienst in meiner Kirche in Purley, John The Baptist, bis ich fast 50 war. Es ging sogar so weit, dass ich meine eigenen Kinder firmen ließ – die armen Tröpfe! Nur weil ich vor einigen Jahren mal ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Conversations with God in die Hand bekam, habe ich es schließlich geschafft, die Sache mit dem Katholizismus etwas gelassener zu sehen. Doch darauf kommen wir später noch.

Meine Mutter war in England geboren, aber ihre Familie gehörte zu den Millionen von Iren, die vor und nach dem Krieg nach Liverpool eingewandert waren. Die Familie wohnte in Crosby. Und gewöhnlich fuhren wir dorthin, um Urlaub zu machen. Ich kann nicht sagen, dass ich es sehr mochte. Von London nach Liverpool zu kommen, war ungefähr so, als würde man heute nach Amerika reisen. Es gab keine Autobahn und keine direkten Zugverbindungen. Es dauerte einen ganzen Tag, bis man am Ziel war. Deshalb haben wir diese Reise auch nicht allzu oft gemacht – Gott sei Dank. Ich erinnere mich vor allem noch daran, dass es in Crosby nur Gaslampen gab und deshalb alles ziemlich düster war. Mein Vater ging gewöhnlich in einem nahegelegenen Kanal in Birkenhead schwimmen. Bis wir eines Tages herausfanden, dass es ein Zulaufkanal der örtlichen Kläranlage war. Man schwamm quasi in seiner eigenen Scheiße.

 

Die meiste Zeit blieben wir aber zu Hause in Süd-London. Meine Eltern gingen nicht viel aus, da sie immer arbeiteten. Jegliches geselliges Beisammensein fand in der Regel bei uns zu Hause statt. Mein Vater war kein großer Trinker, aber die Leute hielten ihn oft für betrunken, weil er ein echter Party-Typ war. Er sorgte stets für Stimmung, war nie deprimiert und hatte immer einen Witz auf Lager. Er war eben ein echter Spaßvogel, aber auch ein phantastischer Koch. Viele Jahre später erzählte er mir einmal, wie er meine Mutter dazu brachte, dass sie Seidenstrümpfe und Strapse anzog und sich die Titten mit Lippenstift anmalte. Der Mann war eben Italiener, es lag in seinen Genen. Er war aber trotzdem ein wunderbarer Familienvater und hatte diesen speziellen italienisch angehauchten Cockney-Akzent; wenn er sich geärgert hatte, schimpfte er immer: „Arseholes!“ Aber die Art, wie er es aussprach, wie er sich in seinem Italienisch-Cockney das Wort aus dem Mund wrang, brachte es mit sich, dass es sich eher lustig als bedrohlich anhörte. Vor einigen Jahren ist er gestorben und manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich ihn nachahme, durchs Haus laufe und zu allem, was mir in die Quere kommt, „Arseholes!“ sage, in diesem lustigen Tonfall.

Aus ein paar ziemlich verwickelten Gründen nannten wir meine Großmutter väterlicherseits Mummy. Selbst Leute, die streng genommen gar nicht zur Familie gehörten, doch irgendwie zu einem Teil der Familie geworden waren, indem sie für sie arbeiteten, nannten unsere Großmutter Mummy. Sie stammte ursprünglich von einer kleinen italienischen Insel namens Atina und war eine Coppola – dieser Name ist offenbar schon ein Gütesiegel an sich. Mein Großvater, den wir Pop nannten, war dagegen eher normal. Und so blieb auch mein Vater, obwohl er in London das Licht der Welt erblickt hatte, auf seine Art immer der typische Italiener. Familie und Business waren unabdingbar miteinander verlinkt. Einem Teil der Familie schien damals halb Deptford zu gehören, dank des Geschäfts mit dem Eis. Außer den Eiswagen gab es noch den Laden am Catford Broadway, Rossis Ice-Cream. Er ist noch heute in Familienbesitz, wurde aber an ein Wettbüro verpachtet.

Ich erinnere mich noch an die Beerdigungen, wenn einer meiner Onkel starb und seine Brüder anschließend über die neue Streckeneinteilung der Eiswagen sprachen, so nach dem Motto, diese Straße gehört jetzt jenem und jene Straße einem anderen. Der Onkel war noch keine fünf Minuten unter der Erde, da teilten sie schon sein Geschäft untereinander auf.

Aus diesem Grund nehmen viele an, ich käme aus einem ziemlich begüterten Elternhaus. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, jemals arm gewesen zu sein, aber es gab dennoch Zeiten, in denen das Geld auch mal knapp war. Wir waren schließlich eine riesige Familie, und es gab viele Münder zu stopfen. Müßiggang konnte sich keiner erlauben. Meine Eltern besaßen ein eigenes Haus, und das war damals schon etwas Besonderes. Das ist es auch heute noch, aber damals zeigte es, wer etwas besaß und wer nicht. Obwohl wir also nicht reich waren, stammte ich auch nicht von einer Familie ab, die arm war.

Was auch immer meine Familie besaß, es war hart erarbeitet, so viel ist sicher. Meine Mutter und mein Vater waren den ganzen Tag mit dem Eiswagen unterwegs. Am Abend wandelten sie ihn in einen fahrenden Fish-and-Chip-Imbiss um und drehten erneut die Runde. Es waren schwierige Zeiten nach dem Krieg. Dennoch schien es immer noch eine Menge Leute zu geben, die es irgendwie schafften, ein paar Groschen für Eis und Chips aufzubringen. Es war, als würden sie sich damit ein ganz besonderes Vergnügen leisten – inmitten all der traurigen Schicksale und all des Trübsinns. Jeden Morgen um sechs Uhr fuhr mein Vater zum Beladen des Wagens zu meiner Großmutter rüber. Ein paar Stunden später kam er wieder nach Hause und frühstückte zusammen mit meiner Mutter. Dann machten sie sich gemeinsam mit dem Eiswagen auf den Weg. Ungefähr um sechs Uhr abends liefen sie wieder zu Hause ein und meine Mutter kochte gewöhnlich etwas für uns alle. Anschließend fuhren meine Eltern noch einmal los und drehten die Runde mit dem Fish-and-Chips-Imbiss-Wagen. Wenn sie nach Hause kamen, lag ich immer schon im Bett. Sie hatten einen langen Tag, aber so waren sie eben – sehr geschäftstüchtig. Man kann das bei vielen Immigranten-Gruppen beobachten.

Eigentlich gehörte das Eisgeschäft Mummy. Pop war Fußbodenleger von Beruf gewesen, und mein Vater hatte das ursprünglich auch gelernt. Doch es nahm ein schlimmes Ende, als er einen Unfall hatte, bei dem er beinahe seine Hand verlor. Sie waren wegen einer Auftragsarbeit irgendwo im Norden unterwegs gewesen. Pop war in London geblieben und arbeitete auf einer anderen Baustelle. Daher hatte er Dad und dessen jüngeren Bruder Albert – oder Chas, wie er immer genannt wurde – alleine losgeschickt. Unglücklicherweise ließ mein Dad Chas ans Steuer, damit dieser etwas Fahrpraxis bekam. Alles woran er sich dann noch erinnern konnte, war, wie das Auto eine Kreuzung passiert hatte und dabei mit einem Bus kollidiert war. Mein Vater, der auf dem Rücksitz saß, flog durch die Windschutzscheibe, und der Bus fuhr ihm über die Hand und zerquetschte sie. Sie mussten die einzelnen Fingerteile von der Straße aufsammeln. Anschließend wurde er fast 40 Mal auf die unterschiedlichste Art und Weise an der Hand operiert, weil man versuchte, sie zu retten. Die Chirurgie befand sich damals noch in der Pionierphase, und als ich ihn einmal im Krankenhaus besuchte, konnte ich meinen Augen schier nicht trauen – sie hatten ihm die Hand am Magen festgenäht, damit sie besser heilen konnte. Einige Zeit musste er dann mit einem großen Beutel am Bauch leben. Er sah aus wie ein Känguru. Sie versuchten alles Mögliche, am Ende musste er aber mit diesem schrecklich aussehenden Ding klarkommen. Ich war damals fünf und nahm das alles so hin, wie es Kinder nun einmal hinnehmen. Er gewöhnte sich auch relativ schnell daran und machte nie viel Aufhebens um diese Hand. Bis ich dann Jahre später einmal bemerkte, wie er sich auf einmal dafür schämte. Irgendjemand hatte wohl etwas Unschönes gesagt oder irgendetwas war passiert, weswegen er jetzt alles anders empfand. Was komisch war nach so vielen Jahren. Als wir Kinder waren, zeigte er uns die Hand immer stolz, aber vor seinen Enkeln verbarg er sie später.

Um die Geschichte von Anfang zu erzählen: Wir wohnten in einem riesigen Haus in der Mayow Road in Forest Hill. Meine stärkste Erinnerung daran ist, dass es immer voller Leute war – Onkel, Tanten, Cousins, Großeltern und eine ganze Reihe von Leuten, die entfernt zur Familie zählten. Ich wurde schon früh dazu ermuntert, auch ins Geschäft einzusteigen. Wenn ich Schulferien hatte, nahm mich mein Vater im Eiswagen mit. Das muss für andere Schulkinder wie ein Traumjob ausgesehen haben, aber es war einfach das, was mein Vater beruflich machte, seine Arbeit. Somit war es für mich nichts Außergewöhnliches. Meinen eigenen Kindern ergeht das genauso: ihre Freunde denken, es sei wunderbar, so einen berühmten Vater zu haben, aber meine Kinder haben es ja nie anders kennen gelernt, und so ist es nicht sonderlich bemerkenswert für sie.

Mein gesamter Background als Kind war also im Wesentlichen italienisch geprägt. Nicht dass mir das damals bewusst gewesen wäre. Erst als ich zur Schule ging und von den anderen Kindern ausgegrenzt wurde, weil ich „anders“ war, ist mir aufgefallen, dass nicht jeder gleich war. Heute gefällt mir das sehr, doch damals mochte ich das kein bisschen. Kein Kind will anders sein. Also versuchte ich alles, was mit meiner italienischen Herkunft zu tun hatte, herunterzuspielen – sogar wie ich ging und sprach. Heute bin ich stolz darauf, aber als Kind und eine Zeit lang auch als Erwachsener habe ich mich die meiste Zeit geschämt, Italiener zu sein.

Bei uns zu Hause wurde Englisch gesprochen. Die Älteren in der Familie verfielen aber dennoch des Öfteren ins Italienische. Als Kind konnte ich noch einiges davon verstehen, aber mit der Zeit hat es sich verloren. Was schade ist, denn heute wäre ich überglücklich, wenn ich italienisch sprechen und lesen könnte. Was ich auf dem Schulhof zu erleiden hatte, war zuweilen so gnadenlos, dass ich jahrelang versuchte, alles, womit ich mich als Italiener zu erkennen gab, an mir auszumerzen.

Ich hatte einen total fertigen Akzent, auf dem sofort herumgehackt wurde – eine Mischung aus dem Liverpooler Singsang meiner Mutter und dem breiten Italienisch-Cockney meines Vaters. Sie sagten, ich würde Würmer essen – so nannten sie die Spaghetti – und nach Knoblauch stinken. Meinem Bruder und unseren beiden Cousins erging es keinen Deut besser als mir. Wir waren ungefähr gleichaltrig, und für die anderen Kinder stanken wir einfach alle nach Knoblauch, aßen Würmer und sprachen komisch.

Herumgehackt wurde aber auch auf meinem Namen – jeder hänselte mich, weil ich Francis hieß. Es war schließlich ein Mädchenname. Was stimmt, aber es ist ebenso ein Jungenname. Aber erklär das mal einer Bande von überheblichen Strolchen, für die das Demütigen anderer ein Ritual war. Gegen den lustigen Akzent konnte ich etwas tun, und dass ich Würmer aß, konnte ich geheimhalten, aber an meinem Namen war nun mal nichts zu ändern. Ich versuchte mehrmals, die anderen dazu zu bringen, dass sie mich Frank oder Franny oder sogar einfach nur Fran nannten. Ich mochte diese Namen auch nicht besonders, aber alles andere war schließlich besser als Francis. Am Ende meiner Schulzeit nannten mich die meisten meiner Klassenkameraden einfach „Ross“. Und als es mit Status Quo losging, nannte ich mich in den ersten Jahren Mike Rossi. Bis heute werde ich mit den unterschiedlichsten Namen bedacht. Mit Francis spricht mich allerdings keiner an. Rick zum Beispiel nennt mich Frame – weil ich so dünn bin, erinnert ihn das wohl an einen Kleiderbügel aus Draht.

Ich habe aber rasch dazugelernt, so wie das Kinder immer tun müssen, wenn sie in der Schule überleben wollen, und versucht, mich in etwas zu verwandeln, wovon ich glaubte, dass es mich als ein richtiges englisches Kind ausweisen würde: Ich redete nur noch Cockney. Einige Jahre später stellte ich fest, dass die Verwandlung funktioniert hatte, als ich einmal bei Alan Lancaster, dem ersten Quo-Bassisten, war: Wir sahen mit seiner Familie zusammen fern, als ein wahrlich geschniegelter Typ ins Bild kam und anfing in genau dem misstönenden Italienisch-Cockney zu sprechen wie ich einst. Alan kam aus einer taffen altenglischen Familie aus dem südlichen London, aus Peckham, die eine schwarze Katze hatte, die sie Nigger nannten – und Alans Vater lachte und meinte: „Er spricht lustig, genau wie Ross.“ Alans Mutter erwiderte aber: „Nee, Ross ist jetzt einer von uns.“ Das erfüllte mich derart mit Stolz. Ich fühlte mich endlich voll akzeptiert. „Einer von uns!“ Das war, als wäre ich zum Ritter geschlagen worden, und allemal besser als „der stinkt nach Knoblauch“.

Das Sonderbare aber war, dass ich in meiner eigenen Familie schon immer als Engländer galt. Oder zumindest nicht als richtiger Italiener. Mummy nannte mich gewöhnlich Sangue-Bianco – Bleichgesicht. Auf Italienisch sagte sie: „Hier kommt das Bleichgesicht, pass auf, was du sagst, er ist wie seine Mutter.“ Was sie meinte: Ich verstand besser Italienisch als man dachte, war aber eben doch kein richtiger Italiener und daher mit Vorsicht zu genießen. Sie war eine lustige alte Frau. Mein Bruder hatte eine dunklere Haut und sah eher wie ein Italiener aus. Und so bekamen er und meine Cousins Pasta zu essen, während man mir ein Tomaten-Sandwich vorsetzte – englisches Essen für Bleichgesichter. Aber so war das einfach damals. Ich kannte nichts Besseres und so habe ich es einfach akzeptiert. Als Teenager war ich ein bisschen zu dünn und schüchtern, und das nervte mich, aber die meisten Erinnerungen an meine Kindheit sind im Prinzip glücklicher Art.

Nachdem ich auf der Welt war, lebten wir einige Jahre in der Mayow Road, dann wohnten wir für kurze Zeit in einer anderen Straße. Sie lag aber auch in Forest Hill. Infolgedessen habe ich diese Gegend immer sehr geliebt. Ich bin sogar später wieder dort hingezogen. Nachdem ich meine erste Frau geheiratet hatte, kaufte ich dort ein Haus, direkt neben dem meiner Tante. Es war ein ziemlicher Schlag für mich gewesen, als die gesamte Familie – ich war damals elf – von Forest Hill wegzog und sich in einem Laden an der Balham High Road einquartierte.

 

Im Vergleich dazu, was ich gewohnt war, konnte einem Balham ganz schön rau vorkommen. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie meine Mutter einschritt und versuchte, den Streit zweier Prostituierter zu schlichten, die sich zuweilen bei uns am Eingang versammelten. Die genaueren Umstände waren mir nicht bekannt, doch den Gedanken, der dahinter steckte, bekam ich schon mit: dass Prostituierte schlecht waren. Ich befand mich noch in einem Alter, in dem Sexualität noch keine Rolle spielte, und so konnte ich gar nicht verstehen, was diese ganze Aufregung sollte. Ich erinnere mich, dass mir und meinen Kameraden mal von älteren Jungs erzählt wurde, dass der Barbier in der oberen Straße gern unter dem Frisierumhang an Jungs herumwichste, während er ihnen die Haare schnitt. Sie erzählten, er würde jedem, der es mit sich machen ließ, einen Fünfer zustecken. Ha, wir fanden das alle phantastisch: „Great! Let’s go!“ Einen Fünfer! Das kam uns damals vor, als würden wir mit einer Million entlohnt! Sechs Monate später hätten wir das Ganze vielleicht mit anderen Augen gesehen. Aber wir waren eben noch in diesem zarten Jungenalter, in dem Sexualität noch nicht so sehr in irgendwelchen Schubladen steckte. Wichsen war wichsen, egal wer einen wichste. Und am Ende auch noch einen Fünfer dafür zu bekommen, war ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte.

Anders als die meisten Typen, mit denen ich gewöhnlich herumhing, habe ich mich nie wirklich für Fußball oder einen anderen Sport begeistern können. Mit Rugby habe ich es mal in der Schule versucht, aber es endete in einem Desaster. Auch wenn eben erst ein sturzbachartiger Regen heruntergekommen und der Boden so kalt war, dass der Matsch binnen kurzem zu Eisbrocken gefror, wurde trainiert. Logisch, dass an einem derart bitterkalten Wintertag, an dem meine Arme und Beine am Ende fast in Stücke zerhackt waren, dies mein erster und letzter Einsatz auf dem Rugby-Feld sein sollte. Ich fand die ganze Sache entsetzlich. Ein Brocken von einem Typen kam direkt auf einen zugerannt und der Trainer schrie: „Hack ihn um, Junge! Hack ihn um, den Bastard!“ „Entschuldigung, Sir, aber, wenn ich ihm die Beine unter dem Körper wegziehe, dann fällt er hin und tut sich richtig weh dabei.“ Der Trainer meinte: „Ja, und?“ Ich antwortete: „Nun, das ist kein Sport, das ist rohe Gewalt.“ Er geriet in Rage. „Raus aufs Feld mit dir, du verdammter Waschlappen!“, brüllte er. „Zeig, dass du ein Mann bist!“ Das Problem dabei war, dass ich bereits wusste, dass ich ein Mann war. Ich hatte nur keine Lust, so ein Mann zu sein. Seitdem habe ich mich nie wieder in der Nähe eines Sportplatzes blicken lassen.

Selbst heute noch schalte ich sofort ab, wenn ich mit der Band unterwegs bin, der Samstag sich nähert und das Gespräch im Tourbus sich unwillkürlich um Fußball oder was auch immer dreht. Ich interessiere mich einfach nicht dafür. Deshalb ist es mir als Kind vielleicht auch so leicht gefallen, mich auf die Musik zu konzentrieren und Gitarre spielen zu lernen. Ansonsten drehte sich ja immer alles um das Geschäft meiner Familie. Daneben gab es nicht viel. Ich mochte Filme und Comics und ich hörte Radio. Doch am meisten gefiel es mir, wenn mein Dad und meine Onkel dasaßen und am Ende des Tages ihre Einnahmen zählten. Es war weniger das Geld, das sie eingenommen hatten, was mich daran interessierte. Eher interessant war, wie viele Eistüten sie an dem Tag verkauft hatten. Hatten sie vielleicht den Rekord gebrochen? Ob es ein guter oder ein schlechter Tag gewesen war, bekamen wir dadurch mit, dass wir erfuhren, wie viele Eiswaffeln sie über die Theke gereicht hatten.

Ich liebe bis heute diese Idee mit dem Umsatz – den Verkaufserfolg nach der Stückzahl zu bemessen. Aber wiederum nicht wegen des Geldes, das dabei im Spiel ist, sondern weil es für mich immer noch das maßgebliche Barometer dafür ist, ob eine Platte oder eine Tour erfolgreich war oder nicht; einfach dadurch, dass ich mir anschaue, wie viele Platten oder Konzerttickets wir im Vergleich zu vorher verkauft haben. Dennoch gebe ich offen zu, dass ich im Musikgeschäft immer etwas gesehen habe, womit sich Geld verdienen lässt. Entweder das oder Eis verkaufen – in meinem Fall traf das auch buchstäblich zu. Wäre ich Peter Pan gewesen und mein Leben lang ein kleiner Junge geblieben, hätte ich mich für das Eis entschieden. Aber ich wuchs schnell zu einem großen Jungen heran und stellte rasch fest, dass ich mir für mein Leben mehr Aufregung wünschte.

Meine Mutter brüstete sich gerne damit und erzählte jedem, ich hätte mein musikalisches Talent von ihr geerbt. Aber als sie vor einigen Jahren starb und ich wieder mehr Kontakt zu meinem Vater hatte, fiel mir auf, dass dies nicht unbedingt zutraf. Mein Vater schaute mal bei mir vorbei und ich spielte ihm „Still The One“ von Shania Twain vor – einen wunderschönen Song, bei dem ich immer Gänsehaut bekomme. Sobald das Stück losging, geriet der gesamte Körper meines Vaters in Rotation, was mir auch immer passiert, wenn ich Musik höre, die mir wirklich gefällt. Er reagierte sehr euphorisch und fing an, sich in seinem Stuhl zu winden. Und ich dachte: Aha, daher hab’ ich es also.

Die ersten Songs, die mir gefallen haben und an die ich mich bewusst erinnern kann, waren von den LPs, die meine Eltern zu Hause spielten. Das erste Musikstück, auf das ich total abfuhr, war ein altes italienisches Lied. Es hieß „Papa Piccolino“. Meine Mutter hatte es mal für mich aufgelegt, als sie versuchte, mich zu besänftigen, nachdem ich ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen war. Ich war nicht schlimm verletzt, nur ein wenig unter Schock und verstört, aber sie legte diese „Papa Piccolino“-Platte auf und ich verliebte mich auf Anhieb in den Song. Nicht nur in den Song, sondern in den ganzen Wirbel, den meine Mutter wegen mir veranstaltete. Ich habe das alles so sehr genossen, dass ich mich am nächsten Tag gleich noch einmal die Treppe runterfallen ließ, damit meine Mum noch einmal „Papa Piccolino“ für mich spielte und wieder diesen Zauber veranstaltete. Am Tag darauf probierte ich es erneut, doch diesmal kam sie mir auf die Schliche und drohte, sie würde mir die Platte über den Schädel hauen, wenn ich das noch einmal machte.

Wie viel ich von dieser alten italienischen Musik, die bei uns zu Hause lief, in mich aufsog, bemerkte ich damals nicht, während ich auf die Aufmerksamkeit meiner Mutter hoffte. Jahrelang habe ich mich gewundert, woher diese Faszination für den Shuffle-Rhythmus kam – ob es nun die vom Blues abgeleitete Art war, auf die sich Bands wie Fleetwood Mac und Chicken Shack spezialisiert hatten, oder die Art von Shuffle, wie man sie ziemlich oft in der Country-Musik findet. Woher es auch gekommen sein mag, ich hatte immer eine totale Schwäche für diesen eindringlichen, schaufelnden Beat. Wenn man sich die klassischen Status-Quo-Songs anhöt, die ich geschrieben habe, findet man genau den. Er ist unser musikalisches Markenzeichen geworden, bis zu dem Punkt, dass selbst Ricks bekannteste Songs wie zum Beispiel „Whatever You Want“ eben diesen Shuffle-Rhythmus aufweisen.

Erst Mitte der Siebziger, als ich den ersten Teil von Coppolas Trilogie Der Pate sah und mir bei der Hochzeitsszene am Anfang auffiel, wie im Hintergrund diese alte italienische Traditionsband sägte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, woher alles kam – von diesem schaufelnden italienischen Rhythmus, den ich die ganze Zeit gehört hatte. Wenn ich heute zurückblicke, dann erscheint es mir offensichtlich, dass ich davon beeinflusst wurde. Aber ich habe lange gebraucht, bis mir das wirklich klar wurde – möglicherweise, weil ich immer so stark damit beschäftigt war, meine italienische Seite komplett zu leugnen. Dass ich genau damit einmal mein Glück machen würde, konnte ja nun wirklich keiner ahnen.

Das erste Instrument, auf dem ich herumhantierte, war eine Mundharmonika; damals war ich vier. Mit fünf bekam ich ein kleines Hohner-Mignon-Akkordeon, auf dem ich auch ein paar Unterrichtsstunden absolvierte. Der Unterricht fand bei uns im Wohnzimmer statt, und so konnte ich die ganze Zeit meinen Bruder und seine Kameraden durch die Balkontür draußen im Garten spielen sehen. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren und schmiss den Unterricht schon bald.

Ich war neun, als ich meine erste Gitarre bekam. Ich hatte es doch tatsächlich geschafft, der Mundharmonika und dem Akkordeon ein paar melodische Töne zu entlocken, und nun wollte ich die Sache weiter vorantreiben. Ich hatte die glorreiche Idee, ein Gitarrenduo mit meinem Bruder zu gründen, denn ich war verrückt nach den Everly Brothers. Von ihnen lernte ich, ein ganzes Stück durchzuhalten, ohne einen falschen Ton zu singen. Das muss wohl der Grund gewesen sein, warum ich nie ein verstärktes Interesse an der Leadgitarre entwickelt habe – obwohl es bei Status Quo immer meine hauptsächliche Aufgabe war. Singen und dabei ein bisschen auf der Gitarre schrammeln, das war so einfach, aber auf wundersame Weise effektiv.

Weitere Bücher von diesem Autor