Untergrundkirche und geheime Weihen

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Aus der Reihe: Erfurter Theologische Studien #115
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Geleitwort

Die Jahre der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei nach dem 2. Weltkrieg gehören zu den dunklen Kapiteln der Kirchengeschichte dieses Landes. Diese Zeit ist gekennzeichnet von dem Versuch des damaligen Staates, sich die katholische Kirche als Institution zu unterwerfen und für seine ideologischen Zielsetzungen gefügig zu machen. Dazu gehörte auch der konkrete Kampf gegen die religiösen Überzeugungen von Christen und die gesellschaftliche Diskriminierung derer, die sich dem widersetzten, ferner die Behinderung und oftmals totale Einschränkung des kirchlichen Lebens vor Ort, die Aufhebung der Orden, der Möglichkeiten eines sozial-caritativen Wirkens der Kirche und die Unterbindung aller kirchlichen Kontakte in die Weltkirche hinein, speziell zum Heiligen Stuhl.

Es ist das Verdienst der vorliegenden Arbeit von Frau Vybíralová, einer speziellen Frage aus dieser Zeit im Detail nachzugehen, die zu den wichtigsten Überlebensfragen einer bedrängten Ortskirche zählt: wie in einer Verfolgungssituation der Priesternachwuchs und damit die sakramentale Grundstruktur von Kirche abgesichert werden kann. Dabei hat die Untersuchung zunächst im Blick, was das kirchliche Recht grundsätzlich als Hilfe in solchen Not- und Verfolgungssituationen vorsieht. Es werden die Möglichkeiten erörtert, mit Hilfe von außerordentlichen römischen Vollmachten den bedrängten Bischöfen bzw. Ordinarien beizustehen. Die Autorin stellt die Geschichte und den Wandel solcher „Fakultäten“ (Sondervollmachten des Heiligen Stuhles) dar, besonders in der Zeit nach der Kodifizierung des Kirchenrechts für den lateinischen Westen im Jahr 1917 und angesichts der Veränderungen, die sich durch das veränderte Kirchenbild des 2. Vatikanischen Konzils (1962-1965), etwa im Blick auf die Stärkung der rechtlichen Stellung der Bischöfe, ergaben.

Das Hauptaugenmerk der Untersuchung gilt freilich der Erfassung und der Schilderung der näheren Umstände der geheimen Diakonen- und Priesterweihen. Die Weihekandidaten wurden meist im Land selbst unter konspirativen Bedingungen auf den Empfang der Weihen vorbereitet. Die Weihen wurden weithin durch Bischöfe aus den Nachbarländern, insbesondere aus Polen und der damaligen DDR unter z.T. abenteuerlichen Umständen vollzogen. Ich selbst gehörte in meiner Amtszeit zu jenen Bischöfen, wobei ich diese Praxis von meinem Vorgänger, Bischof Hugo Aufderbeck, übernahm und bis zum Ende der kommunistischen Zeit 1989 weiterführte.

Verdienstvoll an der vorliegenden Arbeit ist nicht nur das Sammeln und Zusammenstellen der einzelnen Weihen, sondern auch die Erforschung, Beschreibung und Einordnung dieser Weihen in der damaligen kirchlichen und gesellschaftlichen Situation. So hat Frau Vybíralová eine Vielzahl von erteilten Weihen aus diesen Jahren eruiert, wenn auch manchmal Unsicherheiten nicht ausgeräumt werden konnten. Das ist angesichts der damaligen Situation auch nicht verwunderlich. Besondere Würdigung muss freilich aus meiner Sicht das Bemühen der Autorin finden, auch mit den noch lebenden geheim geweihten Welt- und Ordensgeistlichen Kontakt aufzunehmen, deren Einschätzung ihres konkreten geistlich-kirchlichen Weges festzuhalten und ihr weiteres Wirken – zumindest kursorisch – zu skizzieren. So ergibt sich ein realistisches Gesamtbild der damaligen Praxis, die Ausbildung und Weihe von Priestern auf diesem Weg im Geheimen abzusichern. Dabei werden auch die Schwierigkeiten und Probleme, die diese Praxis mit sich brachten, nicht verschwiegen. Nach der „samtenen“ Revolution von 1989 war in manchen Fällen, in denen an der Gültigkeit einer Weihe aus verschiedensten Gründen Zweifel blieben, eine sorgsame kirchliche Überprüfung bzw. rechtliche Klärung erfolgter Weihehandlungen eine wichtige Hilfe für Betroffene, aber auch für die Ortskirchen.

Der Verfasserin ist zu danken, dass sie trotz vielfältiger beruflicher und familiärer Verpflichtungen dieses schwierige Einzelthema aus der jüngeren Kirchengeschichte ihrer Heimat aufgegriffen und so sorgfältig und im Urteil abgewogen zu Ende geführt hat. Möge aus dem leidgeprüften Glaubensmut derer, über die sie in dieser Arbeit berichtet, der tschechischen Kirche der Gegenwart reicher Segen erwachsen!

+ Joachim Wanke

Bischof emeritus von Erfurt

Einleitung

Es ist zur Regel geworden, dass sich Autoren, die sich mit dem Thema der verborgenen Kirche in der Tschechoslowakei beschäftigen, am Anfang ihrer Arbeit auch zu ihrer eventuellen persönlichen Beziehung zu diesem Teil der katholischen Kirche äußern. Für jeden nämlich, der sich in dieses Thema vertieft, wird es allmählich anstrengend, die notwendige Distanz zu halten. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Autoren, die dieses Thema wählten, ohne vorher enge Kontakte mit Leuten zu haben, die vor dem Jahr 1989 in der Untergrundkirche aktiv waren. Ich wusste selbstverständlich von der Verfolgung der Kirche, von den legendären geheimen Ferien mit Salesianern usw., aber von meiner nahen Umgebung beteiligte sich keiner daran. Ich erinnere mich noch, dass ich im Jahr 1997 mit einer Gruppe durch Brünn fuhr und ein Priester uns eine dortige Kirche mit den Worten zeigte: „Hier wirkt als Katechetin eine Frau, die zum Priester geweiht wurde.“ Das klang natürlich seltsam und ich wandte dagegen ein: „Das geht doch in unserer Kirche nicht.“ Darauf reagierte dieser Priester nur: „Und trotzdem ist das passiert.“ Zehn Jahre später fuhr ich mit meinem Kommilitonen Sebastian nach Münster an die Uni, wo wir kanonisches Recht studierten. Wir plauderten unterwegs über viele Themen, auch über die geheimen Weihen und die Untergrundkirche in der ehemaligen Tschechoslowakei. Auf meine Erzählung reagierte er mit den Worten: „Das wäre doch ein Thema für die Lizentiatsarbeit.“ Aus hauptsächlich familiären Gründen vollendete ich meine Dissertation erst weitere zehn Jahre später und jetzt bekommen die Leser diese Studie in die Hand.

Wie gesagt, am Anfang meiner Forschung über die Untergrundkirche in der Tschechoslowakei dachte ich mir, dass ich im Gegensatz zu anderen Autoren keine nähere Beziehung zu diesem Teil der Kirche habe und deswegen die besten Bedingungen für eine höchst objektive Arbeit erfülle. Bald darauf, schon in der Phase der ersten Einarbeitung in das Thema, wurde mir bewusst, wie sehr ich mich täusche – nämlich wie viele Menschen um mich herum mit der verborgenen Kirche verbunden waren. In meiner ursprünglichen Pfarrgemeinde (Mährisch Ostrau) wirkte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre P. Pavel Vácha, der ein griechisch-katholischer verheirateter Priester ist und gleichzeitig als Biritualist die Messe in beiden Riten zelebrieren durfte. Als verheirateter Mann mit einer Familie war er ein oft aufgesuchter Beichtvater. Erst mehr als zehn Jahre später stellte ich mit großer Überraschung fest, dass er von Bischof Felix Davídek geheim zum Priester geweiht worden war. Aber noch zwei weitere, verstorbene Kleriker meiner Pfarrgemeinde wurden ebenfalls geheim geweiht: P. Josef Freml SDB von Bischof Štěpán Trochta und Diakon Jozef Sotoniak in Polen. Außer dieser Geistlichen wirken in dieser Pfarrgemeinde als ihre aktiven Mitglieder Kinder und Enkelkinder von zwei anderen geheim geweihten verheirateten griechisch-katholischen Priestern. Dies alles erfuhr ich erst viele Jahre später. Spätestens in dem Moment wurde mir selbstverständlich klar, dass meine ursprüngliche Überzeugung über meine eigene Objektivität sich in eine ständige Bemühung um Selbstreflexion und einen genügend kritischen Zugang zum Thema verwandeln musste.

Am Anfang meiner Forschung über geheime Weihen in der Tschechoslowakei ahnte ich nicht, wie anspruchsvoll das Thema ist. Ich hatte keine deutliche Vorstellung über die Quellenlage. Mehrmals wurde ich gewarnt, dass ich zu den wichtigen Quellen überhaupt keinen Zugang bekomme und mir lieber ein anderes Thema wählen sollte. Die Warnung bestätigte sich teilweise – es gelang mir wirklich nicht, in Kontakt mit Repräsentanten der Gemeinschaft Koinótés zu treten, die vatikanischen Archive aus dem Pontifikat des Papstes Pius XII. wurden noch nicht geöffnet bzw. ich bekam keine Sondererlaubnis zur Forschung in diesen Archiven. Auf der anderen Seite verdiente die große Menge des Materials, das mir für meine Forschung zur Verfügung stand, eine viel ausführlichere Untersuchung, als mir letztendlich gelang. Das Thema meiner Forschung erwies sich als sehr breit, deswegen sollte der Titel eher lauten: Einige kirchenrechtliche Aspekte der geheimen Weihen. Es war unmöglich, sich mit allen kirchenrechtlichen Fragen bezüglich der geheimen Weihen auseinanderzusetzten. Das Thema musste ich der Quellenlage anpassen, ich arbeitete mit Akzent auf diejenigen Quellen, die mir zugänglich gemacht wurden.

Bewusst beschäftige ich mich in dieser Studie nicht mit den Fragen, ob überhaupt der Aufbau einer kirchlichen Geheimstruktur und geheime Weihen sinnvoll waren. Das Überleben der Kirche in Ostasien 300 Jahre ohne Priester ist zwar ein theologisch interessantes Faktum, jedoch ohne große Relevanz für meine Arbeit. Ebenfalls beschäftige ich mich nicht mit den theologischen Fragen der Motivation einiger Mitglieder der Untergrundkirche zu ihrem Handeln und verweise lieber auf diesbezüglich eingehendere Literatur. Ich befasse mich nicht mit den in der verborgenen Kirche anwesenden großen theologischen Visionen. Ich suche eher nach konkreten Fakten und versuche, eine Rekonstruktion und Analyse der kirchenrechtlich wichtigen Momente wie Übergabe der geheimen Fakultäten oder Anzweiflung der in der Linie von Bischof Felix Davídek erteilten Weihen zu unternehmen.

Die Fragen nach den geheimen Weihen werden auch heute noch von manchen Zeitgenossen und Zeugen als indiskret wahrgenommen. Ich wurde von mehreren geheim geweihten Klerikern mit meiner Bitte um ein Interview abgewiesen. Auch deswegen schätze ich alle meine Gesprächs- bzw. Korrespondenzpartner und bin ihnen sehr dankbar, dass sie zu einem Interview mit mir bereit waren. Zu der Wahrnehmung meiner Fragen als indiskret kommt auch die Tatsache, dass (nicht nur) ein Großteil der nachkonziliaren Untergrundkirche ihre spezifische, nämlich negative Sicht auf das Kirchenrecht hat. Das ist sicherlich mit der dominanten Stellung des Kirchenrechts vor dem Konzil („Kodex vor Bibel“), mit der Atmosphäre in der Kirche und in der Gesellschaft nach dem Konzil Ende der 1960er Jahre und letztendlich mit einer schlechten Erfahrung (Rechtspositivismus in der Kirche) einiger von ihnen verbunden.

 

Die Begriffe „Untergrundkirche“, „verborgene Kirche“, „geheime Kirche“, „verborgene Gemeinschaft“ usw. verwende ich in den meisten Fällen synonym (ebenfalls wie „geheime Weihe“, „klandestine Weihe“, „Weihe im Verborgenen“ usw.). Ich bezeichne so alle Aktivitäten der verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften innerhalb der einen katholischen Kirche in der Tschechoslowakei, die vor dem herumschnüffelnden Auge des kommunistischen Regimes verborgen bleiben sollten. Manche Autoren schlagen neue Begriffe wie z. B. „verborgenes Leben der Kirche“, „geheime kirchliche Strukturen“1 oder (kirchliche) „Untergrundbewegung“2 vor.

Um mich bei der Behandlung des aktuellen Stands der Forschung nicht zu wiederholen, fasse ich die für dieses Thema wichtigsten Werke zusammen. Der Geschichte der katholischen Kirche unter dem Kommunismus widmet sich, abgesehen von den ausgesprochen journalistischen Arbeiten, eine ganze Reihe von Autoren: Václav Vaško3 (der gleichzeitig ein prominenter Zeitzeuge ist), Karel Kaplan4, Jaroslav Cuhra5, Jiří Hanuš und Stanislav Balík6 u. a. Was konkret die Gemeinschaft Koinótés um Bischof Felix M. Davídek betrifft, sollte das Buch der Autoren Petr Fiala und Jiří Hanuš7 auch heute als Standardwerk gelten. Die Kenntnis dieses Werkes setze ich also voraus. An der zweiten Stelle wird meistens das Buch des damals jungen Studenten Ondřej Liška8 angeführt, der mit Hilfe und unter Leitung des Prager Kardinals Miloslav Vlk arbeitete. Sein Buch wird im gewissen Sinne von manchen als ein Gegensatz zu dem Werk von Fiala und Hanuš betrachtet. Liška widmet sich aufmerksam den Fragen nach der Übergabe der geheimen Fakultäten in der Untergrundkirche und der Gültigkeit der Jurisdiktion oder den Fragen nach Gründen der Zweifel hinsichtlich der von Bischof Felix Davídek erteilten Weihen. Deswegen ist auch die Kenntnis seines Buches für die Lektüre meiner Studie sehr nutzbringend. Weiter wurden mehrere Abschlussarbeiten dem Thema der Untergrundkirche gewidmet. Es ragen besonders solche Arbeiten hervor, die einen konkreten Teil oder ein bestimmtes Phänomen innerhalb der tschechoslowakischen Untergrundkirche bzw. auch aus Sicht der verschiedenen Fachrichtungen erforschen.9 Außerdem wurden bis heute zum Thema der verborgenen Kirche Memoiren-Bücher oder geführte Interviews veröffentlicht.10 Nicht zu vergessen ist die eigene mediale Plattform eines Teils der Untergrundkirche (Prager Gemeinde), die seit 1990 ihre eigene Zeitschrift Getsemany herausgibt, wo Mitglieder dieser Gruppe ihre eigenen Meinungen veröffentlichen.11

Was das Kirchenrecht betrifft, gibt es neben den allgemeinen kanonistischen Standardwerken weniger Arbeiten, die sich mit dem Kleriker- bzw. Ordinationsrecht beschäftigen.12 Die die Weihenichtigkeit betreffende Judikatur wird leider nicht publiziert. Die einzige rechtsgeschichtliche Abhandlung über die speziellen Fakultäten für die Tschechoslowakei verfasste Damián Němec.13 Mit dem Thema des Rituswechsels14 in der Tschechoslowakei beschäftigte sich aus der rechtsgeschichtlichen Sicht Miroslav Konštanc Adam.15 Weitere rechtliche Untersuchungen mit dem Schwerpunkt der unterdrückten katholischen Kirche in der Tschechoslowakei in den Jahren 1948-1989 wurden bis jetzt nicht unternommen.

Das Ziel meiner Forschung war der Vergleich aller „Typen“ der geheimen Weihen, sowohl der (nach 1989) anerkannten als auch der angezweifelten Weihen, in allen Weihestufen, die in der Zeit des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei bzw. im Ausland den tschechischen und slowakischen Weihekandidaten erteilt wurden, und zwar vor allem aus der Sicht des kanonischen Rechts.

Das erste Kapitel führt ins Thema des Weiherechts ein. Noch im 20. Jh. wurde sowohl die Form als auch der Inhalt des Weihesakramentes wesentlich modifiziert (Unklarheiten im Bezug auf die Sakramentalität der einzelnen Weihestufen, Abschaffung der Tonsur, der niederen Weihen und des Subdiakonats bzw. ihre Abänderung in ministeria, neue Vorschriften bezüglich der Materie und der Form des Weihesakraments, neue Weihegebete usw.). Das heutige Kirchenrecht stellt relativ wenig Bedingungen an eine gültige Erteilung des Weihesakraments: Weihespender – ein gültig geweihter Bischof, Weiheempfänger – ein gültig getaufter Mann, Materie: Handauflegung (kirchenrechtliche Frage, ob eine physische Berührung notwendig ist oder auch nur eine moralische Berührung reicht), Form: Weihegebet (konkreter Teil des Gebetes), die richtige Intention der beiden. Die niedrigen Bedingungen für einen gültigen Empfang der Weihe werden durch die weitreichenden Folgen einer Weihenichtigkeitserklärung (Ungültigkeit aller erteilten Sakramente bis auf die Taufen) begründet. Auch deswegen sind die ad liceitatem gestellten Bedingungen an einen Weihekandidaten relativ streng.

Das zweite Kapitel beschreibt die Ereignisse nach der Übernahme der Macht in der Tschechoslowakei durch die kommunistische Partei: Schauprozesse, Auflösung der Klöster, Auflösung der griechisch-katholischen Kirche, Auflösung der theologischen Seminare und Fakultäten, Schicksal der Bischöfe, Prager Frühling von 1968, Ostpolitik und Infiltration des Geheimdienstes in die Kirche. Weiter wird die erste Generation der Geheimbischöfe angeführt, deren Bischofsweihe nach der vorherigen Ernennung seitens des Apost. Stuhls stattfand. Da die meisten dieser Bischöfe sehr bald verraten wurden, werden in diesem Kapitel auch die Regeln der konspirativen Arbeit erwähnt.

Das dritte Kapitel beginnt mit einer Einführung in das Dispens- bzw. Fakultätenrecht. Weiter wird den sog. mexikanischen Fakultäten, ihrem Ursprung und ihrer Verbreitung Aufmerksamkeit geschenkt. Der Schwerpunkt liegt selbstverständlich auf der Vorstellung der einzelnen Fakultäten wie auch der Gebiete, die aus der Dispensmöglichkeit ausgenommen bleiben. Erwähnt werden Beispiele der konkreten Anwendung der Fakultäten. Der lateinische Text der Fakultäten befindet sich im Anhang dieser Studie.

Im weiteren Kapitel werden die Bischofsweihen behandelt, die ohne päpstliches Mandat bzw. später aufgrund der speziellen Fakultäten für die slowakischen Jesuiten und der sog. Fakultäten von Papst Paul VI. für die Gemeinschaft Koinótés gespendet wurden. Am Rande werden auch weitere Fakultäten erwähnt, die anderen Gruppen, Gemeinschaften oder Personen in der Tschechoslowakei erteilt wurden.

Das fünfte Kapitel stellt einen Exkurs zu den geheimen Weihen von Tschechen und Slowaken im Ausland dar. Es beschreibt die breiten geheimen Kontakte der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in der Tschechoslowakei zu ausländischen Bischöfen und deren geheimer Weihetätigkeit.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Phase nach der politischen Wende 1989, als mit der Differenzierung zwischen den geheim geweihten Klerikern in der Davídek-Linie und den anderen geheim Geweihten begonnen wurde. Spätestens seit 1992 (Erlass der Normae a Summo Pontifice approbatae pro solutione casuum qui ordinationes clandestinas respiciunt episcoporum et presbyterorum) wurde eine Weihe sub condicione16 von allen Klerikern aus der Davídek-Linie gefordert, die in die öffentliche Seelsorge eingegliedert werden wollten und konnten. Manche von ihnen lehnten eine solche bedingungsweise Weihe ab, weil u. a. ihre Notwendigkeit nicht begründet wurde. In diesem letzten Kapitel werden deswegen alle möglichen Gründe angeführt, die in der Literatur oder in Archiven auftauchten und die Glaubenskongregation zu ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit der Weihe sub condicione führen konnten. Diese Gründe werden detailliert analysiert. Das letzte Kapitel wurde um einen Exkurs über die Anwendung des Rituswechsels und des Biritualismus in der verborgenen Kirche ergänzt.

Zur Methode der wissenschaftlichen Arbeit: Für diese Studie musste eine Methodenvielfalt angewendet werden. Für den historischen Teil wurde die historischdeskriptive Methode mit Nutzung der oral history verwendet. Die Interviews mit Zeitzeugen wurden (teilweise) gesteuert. Die Methode oral history birgt selbstverständlich Risiken in sich – sie fordert von dem Forscher eine sehr solide Vorbereitung; eine große Rolle spielen die zwischenmenschliche Kommunikation, die Beobachtungsfähigkeit des Forschers oder auch manche unvorhersehbare Faktoren (der momentane Gesundheitszustand, Laune, wichtiges Telefongespräch usw.). Es besteht eine bemerkbare Grenze zwischen den Informationen, die die interviewten Personen „ins Mikrofon“ sagen, und solchen Informationen, die sie, wenn überhaupt, nur außerhalb der Aufnahme bereit sind mitzuteilen. Diese Grenze muss von dem Forscher respektiert werden. In der vorgelegten Dissertation werden außerdem folgende Gesprächssituationen unterschieden: Interview (mit Audio-Aufnahme), Gespräch, Treffen, Telefonat (ohne Aufnahme).

Ein weiterer Schritt ist die kritische Arbeit mit Archivmaterial der staatlichen, kirchlichen und privaten Archive. Im Prager Archiv der Sicherheitskräfte (Archiv bezpečnostních složek, ABS) handelte es sich um Untersuchungs- und Gerichtsakten von Bischöfen und Priestern aus der ersten Hälfte der 1950er Jahre. Dieses Material muss mit Kenntnissen über den Verlauf und vor allem über die Methoden des Verhörs zu dieser Zeit des kommunistischen Totalitarismus gelesen werden. In manchen Akten dieses Archivs werden zwei oder sogar drei unterschiedliche Seitenzahlen angegeben, was zur Verwirrung führen kann. Für den Zugang in die Diözesanarchive in Erfurt, Görlitz und Magdeburg war die vorherige Zustimmung des Ortsordinarius notwendig. Kardinal Miloslav Vlk ermöglichte mir großzügig alles zu kopieren, was zwei Kartons aus seinem Privatarchiv mit unsortiertem Material über geheime Weihen beinhalteten.17 Seine einzige Bedingung war, dass ich alle Dokumente ordentlich zitieren werde. Erst kurz vor Abgabe der Dissertation wurde ich von der Kanzlerin der Prager Erzdiözese darauf aufmerksam gemacht, dass sich bei ihr im Büro noch ein Teil des Privatarchivs von Kard. Vlk zum Thema der geheimen Weihen befindet.18 Zitiert werden in dieser Arbeit viele Archivdokumente, um sie auf diese Weise weiteren Forschern zugänglich zu machen. Bei der Übersetzung der Zitate ins Deutsche habe ich mich um eine wortgetreue Übertragung bemüht. Bei der Transkription einiger Archivdokumente aus den Jahren 1949/1950 stieß ich auf folgende Schwierigkeiten: manche lateinische Texte sind schwer lesbar, es handelt sich meistens um schon damals angefertigte Kopien mit Tippfehlern und, wenn sie in mehreren Akten auftauchen, mit kleinen Abweichungen im Wortlaut.

Für den kirchenrechtlichen Teil wurde eine rechtlich-historische und systematisch-analytische Methode unter Anwendung der wichtigsten kanonistischen Prinzipien verwendet. Letztendlich wurde für die verschiedenen „Arten“ der geheimen Weihen die komparative Methode genutzt.

Weiter werden in dieser Arbeit mehrere Listen der Geweihten veröffentlicht. Aus zeitlichen Gründen – da dies eine sehr mühsame und zeitaufwendige Arbeit ist – konnten solche Listen nicht zu allen Bischöfen, die im Geheimen die Weihen erteilten, erstellt werden.19 Oftmals war es eine Puzzlearbeit – in der Fußnote wird oft nur eine Quelle angeführt, aber in Wirklichkeit handelte es sich um den Vergleich von mehreren Quellen. Selbstverständlich ist auch eine Vollständigkeit der hier publizierten Listen nicht möglich – um eine Ergänzung oder Korrektur wird ausdrücklich gebeten! In diesen Listen werden Namen der geheim Geweihten veröffentlicht, die entweder schon gestorben sind oder deren Name bereits in der Literatur bzw. im Internet im Zusammenhang mit geheimen Weihen veröffentlicht wurde oder deren Ordensoberer bzw. Ordensarchivar der Autorin gegenüber die Namen bestätigte oder die selber der Autorin gegenüber ihre Weihe bestätigten. Die unten angeführten Geheimweihen sind nach dem Ort, dem Weihespender und chronologisch – von der ältesten Weihe an – geordnet. Dabei sind der Weihespender und das Weihedatum nicht immer sicher – in manchen Fällen, besonders um das Jahr 1968, nahm ein offiziell wirkender Bischof eine von ihm selbst oder von einem anderen Bischof früher erteilte geheime Weihe auf sich, damit diese nicht verraten wurde und der betroffene Kleriker in die Seelsorge eintreten konnte. Auf diese Weise handelten z. B. die Bischöfe Pobožný, Trochta, Skoupý und Rusch (Innsbruck). Falls es bekannt ist, dass die einzelnen Weihen (Diakonats- und Priesterweihe) an unterschiedlichen Terminen stattfanden, wird dies ausdrücklich erwähnt. Wenn die Diakonen- und Priesterweihe auf einmal erteilt wurde, wird nur „geweiht“ angegeben.

 

1 Fiala, Petr /Hanuš, Jiří, Die Verborgene Kirche. Felix M. Davídek und die Gemeinschaft Koinótés, Paderborn [u. a.] 2004, 17-19.

2 Preunkert-Skálová, Petra, „Die ganze Welt schaut zu, wie sie uns um Gott betrügen“ Ekklesiologie und Pastoral der tschechischen Untergrundkirche, Ostfildern 2016, 12.

3 Vaško, Václav, Dům na skále, 3 Bde., Kostelní Vydří 2004-2008.

4 Kaplan, Karel, Staat und Kirche in der Tschechoslowakei 1948-1952, München 1990.

5 Cuhra, Jaroslav, Československo-vatikánská jednání 1968-1989, Praha 2001.

6 Balík, Stanislav /Hanuš, Jiří, Katolická církev v Československu 1945-1989, Brno 2007.

7 Fiala, Petr /Hanuš, Jiří, Die Verborgene Kirche.

8 Liška, Ondřej, Jede Zeit ist Gottes Zeit. Die Untergrundkirche in der Tschechoslowakei, Leipzig 2003.

9 Bachelor-Arbeiten: Černý, Michal, Život podzemní církve na Moravě na příkladu některých vybraných osobností, Bachelorarbeit an der CMTF UP, Olomouc 2012. Murín, Jozef, Metzov pojem nebezpečnej pamäti a jeho aplikácia na dejiny skrytej církvi na Slovensku, Bachelorarbeit an der ETF UK (IES), Praha 2008. Hlavica, Stanislav, Tajně organizovaná teologická studia a příprava diecézních a řeholních čekatelů kněžství na pastorační činnost v letech 1948-1989 v centralizačních klášterech, internačních a přeškolovacích táborech, věznicích a individuální studium při zaměstníní, Bachelorarbeit an der PF MU, Brno 2013. Voženílek, Jan, Život a pastorační činnost františkánské komunity v Liberci v období normalizace, Bachelorarbeit an der KTF UK, Praha 2014.

Diplomarbeiten: Blaha, Karel, Žena jako kněz. Zkušenost Koinótés, Diplomarbeit an der HTF UK, Praha 2005. Kahounová, Miloslava, Život a odkaz biskupa Ladislava Hlada, Diplomarbeit an der KTF UK, Praha 2001. Sadílek, Jakub František, Studium teologie v české františkánské provincii (sonda do dějin české teologie), Diplomarbeit an der KTF UK, Praha 2000.

Dissertationen: Sepp, Peter, Geheime Weihen. Die Frauen in der verborgenen tschechoslowakischen Kirche Koinótēs, Ostfildern 2004. Preunkert-Skálová, Petra, „Die ganze Welt schaut zu, wie sie uns um Gott betrügen“ Ekklesiologie und Pastoral der tschechischen Untergrundkirche, Ostfildern 2016. Nedorostek, Miroslav, „Moravská“ skrytá církev, Dissertation an der FHS UK, Praha 2017. Usw.

10 Bačíková, Lucia, Poď a nasleduj ma! Zo spomienok tajne vysvätených kňazov, Prešov 2005. Konzal, Jan, Duch a nevěsta. Z dějin církevního podzemí ve 2. polovině 20. století, Brno 2010. Hirka, Ján, Pod ochranou Márie. Pastier v službe Cirkvi, Prešov 2013. Beránek, Josef/Rybář, Jan, Deník venkovského faráře. Hovory s Janem Rybářem, Praha 2016. Usw.

11 https://www.getsemany.cz/archiv (abgerufen am 18.5.2017).

12 Bitterli, Marius Johannes, Wer darf zum Priester geweiht werden? Eine Untersuchung der kanonischen Normen zur Eignungsprüfung des Weihekandidaten, Essen 2010. Woestman, William H., The Sacrament of Orders and the Clerical State. A Commentary on the Code of Canon Law, 3. Auflage, Ottawa 2006.

13 Němec, Damián, Mimořádná kanonická opatření pro pokračování řeholního života v letech 19481989, in: Hanuš, Jiří /Mačala, Pavol /Marek, Pavel (ed.), Církve 19. a 20. století ve slovenské a české historiografii, Brno 2010, 573-594.

14 Der in der deutschen Sprache fest eingewurzelte Terminus „Rituswechsel“ ist nicht präzis. Die beiden in der katholischen Kirche heute geltenden Codices verwenden den Begriff „Übertritt in eine andere eingenberechtigte Kirche (Kirche sui iuris)“, siehe c. 112 CIC/1983 und c. 32 CCEO.

15 Adam, Miroslav Konstanc, L’ascrizione ad una determinata Chiesa sui iuris e passaggio da una Chiesa sui uiris ad un’altra in Cecoslovacchia (1918-1990), in: Angelicum 88 (3/2011) 773-799.

16 Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise des Begriffs “sub condicione” (vgl. CIC/1983) bzw. „sub conditione“ (vgl. CIC/1917; lat. Normae 1992) ist für diese Arbeit ein einheitlicher Begriff zu finden, um Missverständnisse zu vermeiden. Langenscheidt führt in seinem lateinischen Wörterbuch den Begriff „conditio, onis f“ als falsche Schreibweise für „condicio, onis f“ an. Demnach wird im Folgenden die Schreibweise aus dem CIC/1983 verwendet. Vgl. Menge, Hermann, Langenscheidt Taschenwörterbuch Latein-Deutsch, 9. Auglage, Berlin [u. a.] 2006, 119.

17 Den Kontakt vermittelte mir Dr. Petra Preunkert-Skálová, bei der ich mich recht herzlich bedanken will.

18 Für den Hinweis und die Möglichkeit der Einsichtnahme des Archivmaterials bin ich der Kanzlerin JUDr. Ing. Marie Kolářová, Th.D. zu Dank verpflichtet.

19 Eine vollständigere Liste der geheim Geweihten ist für die tschechische Übersetzung dieser Studie geplant.