Ausgeflaust - Jugendliche führen

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Abbildung 2-8

Der ausgewogene ­Führungsstil

Es gibt aber keine endgültig richtige Gewichtung der beiden Prinzipien, keine »korrekte Führungsbalance«. Der einen Lehrperson liegt das Beziehungsprinzip näher, sie möchte es umsetzen, weil ihr selbst dabei wohler ist. Wichtig ist nur, dass sie sich ihrer Präferenzen bewusst ist, damit sie Ver­änderungen innerhalb des Lerngruppenprozesses richtig zu diagnostizieren vermag. Auch wenn das Beziehungsprinzip sehr ausgeprägt gelebt wird, hat das im Übrigen nichts mit einer »Fühl-mich-spür-mich«-Atmosphäre zu tun. Diese Lehrperson wird beispielsweise mehr interaktive und kooperative Lehr-Lern-Formen einsetzen und Sozialformen wie Partnerarbeit und Gruppenprozesse anregen, die sie dann auch reflektieren lässt.

Sind Sie in der Führungsbalance?

Vergleichen Sie nun Ihre Gewichtung und Auswahl unter den sechsunddreißig Aussagen und Thesen zu Beginn des Kapitels (vgl. Seite 36) mit der nachfolgenden Liste. Sätze, die sich auf das Beziehungsprinzip beziehen, sind in fetter Schrift gesetzt, Aussagen, die sich aufs Ordnungsprinzip beziehen, in normaler Schrift. Zählen Sie aus: Neigen Sie eher zum Ordnungsprinzip oder eher zum Beziehungsprinzip? Schon ein Verhältnis von 8 : 7 weist auf eine leichte Tendenz zugunsten des einen oder des anderen Prinzips hin.

Keine der Aussagen und Thesen ist im Übrigen richtig oder falsch. Die Auswertung gibt Ihnen nur einen Hinweis, welches Grundprinzip in Ihrem Unterricht vermutlich eher gelebt wird. Wie gesagt: Grundsätzlich sollten beide Prinzipien etwa gleich gewichtet werden, wie das in der Führungs­balance zum Ausdruck kommt. Auch wenn Sie eines der beiden Prinzipien vielleicht sehr viel stärker gewichten, muss Ihr Unterricht nicht negativ für die Lernumgebung sein. Dennoch überlegen Sie sich dann mit Vorteil doch, wie Sie das Gegenprinzip etwas mehr in den Vordergrund rücken können.


1. Erziehung beruht auf klaren Abmachungen und Regeln.
2. Erziehung ist eine Sache des Herzens.
3. Man sieht nur mit dem Herzen gut.
4. Die Lehrperson gibt durch eine konsequente Unterrichtsführung Sicherheit und Orientierung.
5. Jugendliche brauchen eine starke Hand, die sie führt.
6. Jugendliche brauchen mehr Freiraum als Grenzen.
7. Jugendliche müssen zuerst die Grenzen kennen, dann können sie sich entfalten.
8. Lehrpersonen müssen vor allem geduldig und tolerant sein.
9. Verlässlichkeit und Sicherheit ist in der Erziehung sehr wichtig.
10. Jugendliche soll man fördern und nicht ständig fordern.
11. Kompromisse sind in der Erziehung oftmals nötig.
12. Eine gute Lehrperson stellt ihre persönlichen Bedürfnisse in den Hintergrund.
13. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen« sollte der Leitspruch in der Erziehung sein.
14. Was richtig oder falsch ist, bestimmen nicht die Jugendlichen, sondern die Erziehenden.
15. Die Lehrperson soll nicht immer konsequent sein, sondern öfter auch einmal »fünf gerade sein lassen«.
16. Die Lehrperson sollte auf die Befindlichkeit der Lernenden eingehen.
17. Aufgaben- und Lernkontrollen haben im Unterricht höchste Priorität.
18. Die Lernenden müssen sich von der Lehrperson angenommen fühlen.
19. Lehrpersonen sind primär Förderer, nicht Forderer.
20. Die Lehrperson führt regel- und zielorientiert durch die Lektion.
21. Ein wertschätzender Umgang im Unterricht ist ein »lernentscheidender« Faktor.
22. Die letzten Entscheidungen fällt die Lehrperson.
23. Nur auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens kann Lernen stattfinden.
24. Ordnung und Disziplin schafft die Voraussetzung für konzentriertes Arbeiten.
25. Lernende und Lehrperson bilden eine kooperative Lerngemeinschaft.
26. Den Grundanstand kann man bei Lernenden auf der Sekundarstufe II jederzeit einfordern.
27. Die Lehrperson sollte ihre pädagogische Vorgehensweise gegenüber den Lernenden stets begründen.
28. Regeln im Unterricht sollten mit den Lernenden ausgehandelt werden.
29. Im Unterricht sollte auch etwas von den Lernenden gefordert werden.
30. Grenzen ziehen können ist für jede Lehrperson wichtig.
31. Eine Lehrperson sollte auch ihre persönlichen Gefühle zeigen können.
32. Die Lehrperson sollte Rücksicht auf die momentane Stimmungslage der Lernenden nehmen.
33. Jugendliche sollen und wollen gefordert werden.
34. Jugendliche müssen sich in erster Linie wohlfühlen.
35. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – auch in Erziehung und Bildung.
36. Ein gut geplanter und organisierter Unterricht erleichtert das Erreichen der Lernziele.

2.6 »Auf vielseitigen Wunsch von mir«

Mit dieser augenzwinkernden Formulierung – gewissermaßen als Klassenführungsmotto – könnte eine Lehrperson durchaus ihre Ziele und Regeln in einer Lerngruppe direktiv bekannt geben und entsprechend umsetzen. Die Frage ist nur, ob eine solche Lehrperson ihre Ziele und Regeln auch mit der Klasse aushandelt und umsetzt oder ob sie ihre Vorgaben top-down über die Klasse stülpt. Auf der einen Seite haben wir das regelhafte und strukturierte Führungsverhalten, auf der anderen Seite steht der prozesshaft-interaktiv-kooperative Dialog mit der Klasse. Die beiden Ansätze dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden, sonst gelangt man rasch in eine erziehungsromantische Haltung zugunsten von liebevoller Begegnung und Beziehung. Es kann durchaus Sinn ergeben, in der »gleichen« Situation den einen oder anderen Führungsansatz zu betonen. Es gibt grundsätzlich keine Unterrichtssituation, in der man sich entweder nur für das Ordnungsprinzip oder ausschließlich für das Beziehungsprinzip entscheiden muss. Wichtig bei der Entscheidung für das eine oder andere Prinzip sind einzig das Ziel und die Wirkung, die eine Lehrperson damit anstrebt.

 

Beispiele

Überlegen Sie sich, in welchen der im Folgenden geschilderten Situationen Sie mehr über das Ordnungsprinzip und in welchen Sie eher über das Beziehungsprinzip handeln würden. Was würden Sie konkret unternehmen, um das gewählte Prinzip umzusetzen? Anders gefragt: Wie würde Ihre Handlungsweise im Unterricht jeweils aussehen?

1. Die Lernenden beschweren sich im Klassenverband über zu viele Hausaufgaben.

2. Immer mehr Lernende machen die Hausaufgaben nicht mehr vollständig oder gar nicht. Aus Bequemlichkeit sagen die meisten, sie seien halt »nicht nachgekommen«.

3. Die Lernenden bekunden ihren Unmut über den Unterricht indirekt, indem sie die Aufträge und Übungen nur schleppend und lustlos er­ledigen.

4. Die Unpünktlichkeit nimmt zu – vor allem nach der Pause.

5. Der Notenschnitt der Prüfungen sinkt seit geraumer Zeit.

6. Bei Gruppenarbeiten wird oftmals nicht am Thema gearbeitet, und auch die Ergebnisse sind bei vielen mager.

7. Es kommen vermehrt Fragen zum »Unterrichtsstoff« während des Unterrichts, obschon Sie unbedingt Ende der Lektion fertig sein müssen, damit der Prüfungsstoff »unter Dach und Fach gebracht« werden kann.

8. Sie sind mit dem »Unterrichtsstoff« massiv in Verzug, weil es für die Lernenden teilweise schwierig war, dem Unterricht zu folgen, aber auch weil sie recht unmotiviert und unzuverlässig gearbeitet haben.

9. Ein Lernender verweigert schlicht und einfach, den Auftrag auszuführen, den Sie erteilt haben, ohne aber frech zu werden. Er erklärt, dass er im Moment einfach nicht wolle und könne, zudem könne er ja den Rest als Hausaufgabe fertig machen.

10. Lernende kommen zu Ihnen und wünschen einen spannenderen Unterricht mit mehr Medieneinsatz und abwechslungsreicheren Methoden. Sie liegen in der Agenda aber bereits zurück.

Sie haben gesehen, dass Sie beide Prinzipien wählen können. Es stehen bei jeder Situation tatsächlich immer beide Möglichkeiten offen – nur ist jeweils die Wirkung eine andere. Sie haben sich vermutlich bereits überlegt, wie sich Ihr Führungsverhalten wohl auf die Lerngruppe auswirken könnte. Vielleicht haben Sie bereits an Veränderungen des Klassenklimas, der Lernatmosphäre oder an das Verhältnis zwischen Ihnen und der Klasse gedacht.

Spielen wir die beiden Ansätze nun am ersten Beispiel gedanklich durch:

1. Die Lernenden beschweren sich im Klassenverband über zu viele Hausaufgaben.


Lehrerhandeln nach dem Beziehungsprinzip Lehrerhandeln nach dem Ordnungsprinzip
Die Lehrperson nimmt die Bedürfnisse wahr und merkt, dass es in der ganzen Klasse »rumort«. Sie nimmt sich im Unterricht Zeit und diskutiert mit den Lernenden über Sinn und Zweck der Hausaufgaben. Sie fragt auch gezielt nach, wie viel Zeit effektiv für Hausaufgaben aufgewendet werden muss. In einem weiteren Schritt können die Lernenden in Partnerarbeit Alternativvorschläge erarbeiten, die dann ins Plenum gegeben und mit der Lehrperson zusammen auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden. Eine Möglichkeit kann auch darin bestehen, dass pro Semester Joker gezogen werden können: Viermal dürfen die ­Lernenden selbst entscheiden, ob sie die Hausaufgaben machen wollen. Die Lehrperson kann auch die Eigenverantwortung für die Hausaufgaben ein Quartal lang ganz an die Lernenden ab­geben und das Experiment am Ende des Quartals mit der Klasse evaluieren. Eine weitere Option könnte darin bestehen, dass die Lehrperson jeweils fünf bis zehn Minuten von ihren Lektionen für Hausaufgabenarbeiten abgibt. Unterrichtet sie nur eine ­Lektion, kann dies allerdings nicht realisiert werden. Als beziehungsorientierte Lehrperson könnte sie auch »Lern­patenschaften« einführen. Es werden Lerngruppen gebildet, die sich untereinander über E-Mail oder Social Networks ­gegenseitig bei den Hausaufgaben unterstützen oder die sich ­gemeinsam treffen, um die Hausaufgaben zu erledigen. Die Lehrperson erklärt, dass die Hausaufgaben ­Voraussetzung für den Lernerfolg sind und zur ­Prüfungsvorbereitung zwingend dazugehören und dass nur so die Semesterziele erreicht werden können, da im Unterricht für diese Tätigkeiten die zeit­lichen ­Ressourcen fehlen. Also gibt es keine ­Alternative, Hausaufgaben sind notwendig, um die Schluss­prüfung bestehen zu können. Zudem kann das ­Gelernte nur durch Üben vertieft werden. Es ist auch dieser Lehrperson wichtig, dass der ­Dialog zur Klasse bestehen bleibt, das heißt, sie wird ihre Handlungsweise der Klasse transparent machen und ihre Vorgehensweise begründen, ­indem sie auf Sachzwänge und Rahmenbedingungen hinweist, also nicht einfach Top-down-An­weisungen erteilt. Wenn eine Lehrperson über das Ordnungsprinzip handelt, bedeutet das demnach nicht, dass sie ­autoritär die Machtasymmetrie lebt, sondern ihre Handlungsweisen lassen nach wie vor eine wohl­wollende Grundhaltung erkennen und sind für die Lernenden nachvollziehbar und verhältnismäßig.


Mögliche Wirkung des Beziehungsprinzips Mögliche Wirkung des Ordnungsprinzips
Die Lernenden fühlen sich in ihren Bedürfnissen ernst genommen. Sie merken, dass die Lehrperson ihre Situation versteht und auch ­aktiv versucht, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, was eine ­unmittelbare Nähe und Vertrauen schafft. Dies führt zu einer allge­meinen Erleichterung bei den Lernenden und zu einer Verbesserung der Unterrichtsatmosphäre. Die Lernenden fühlen sich wohl und schätzen die Lehrerin oder den Lehrer als menschlich wohlwollende Person. Eine gewisse Nähe und Vertrautheit entsteht. Die Lehrperson ist aber ihrerseits gefordert, und zwar in Bezug auf die Umgestaltung ihres Unterrichts. Ihr werden einerseits weniger zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen, was die »Stoffvermittlung« nochmals kom­primiert. Die Gefahr der Frontallastigkeit steigt. Die Lehrperson kann nun auch nicht mehr auf dem Vertiefungseffekt der Hausaufgaben aufbauen, was möglicherweise die Nachhaltigkeit des Lernens schmälert. Die Phase des Anknüpfens an den Stoff der letzten ­Lektion könnte sich in die Länge ziehen, was wiederum die Zeit­ressourcen reduziert. Daraus, dass sie den Bedürfnissen der Lernenden entgegengekommen ist, könnte nun Stress erwachsen, weil der Stoffplan nicht mehr eingehalten werden kann. Dies wiederum kann die Lernenden verunsichern, weil sie selbst realisieren, dass man langsamer vorankommt. Die Lernenden werden zwar gehört, aber in ­ihren Bedürfnissen möglicherweise nicht oder zu wenig wahrgenommen. Sie erleben, dass in diesem Kontext keine Diskussionen möglich sind und sie sich dem System unterzuordnen ­haben. Die Beziehung zur Lehrperson könnte sich ­dadurch etwas abkühlen. Die Lehrperson bleibt zwar für alle nach wie vor greifbar und sichtbar, sie wird aber – trotz ihrer grundsätzlich wohlwollenden Grundhaltung – distanziert und in ­ihrer institutionellen Macht wahrgenommen. Dennoch können die Lernenden auch eine ­gewisse Sicherheit empfinden, dass nämlich die Lehrperson die Stoffplanung im Griff hat und dadurch eine gute Basis für einen erfolg­reichen Schulabschluss schafft. Die Lehrperson ihrerseits verliert keine Zeit mit Diskussionen, bleibt aber transparent, da sie die Beweggründe für ihr Handeln kommuniziert.

Abbildung 2-9

Führen nach dem ­Beziehungs- und ­Ordnungsprinzip an einem Beispiel

2.7 Die Frage nach der Autorität beim Ordnungsprinzip

Im Zusammenhang mit dem Führungsverhalten im Unterrichtsprozess wird oft von »natürlicher Autorität« gesprochen, die einzelnen Lehrpersonen mehr oder weniger zugebilligt wird. Geht man aber der Aussage »Diese Lehrperson führt die Klasse mit einer natürlichen Autorität« etwas genauer auf den Grund, wird man entdecken, dass es sich nicht um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt, das man mitbringt oder eben nicht. Vielmehr lassen sich in den Interaktionsprozessen viele Aspekte erkennen, die Heymann (2006) im Sammelbegriff der »positiven Autorität« zusammengefasst hat.

Die verschiedenen Facetten der Autorität wurden von Heymann auch noch etwas systematisiert. Er unterscheidet grundsätzlich eine positive und eine negative Ausprägung und daneben das Fehlen von Autorität.


Autorität in positivem Sinne Autorität in negativemSinne Ohne Autorität
Die Lehrperson ... • ist authentisch • achtet die Lernenden als eigenständige Personen • ist fair und gerecht • wird auf natürliche Weise als Persönlichkeit respektiert und geachtet • ist ein herausforderndes und förderndes Gegenüber • bietet Identifikationsmöglichkeiten (Vorbildfunktion) • ist konsequent im Entscheiden und Handeln • setzt klare Strukturen • ist offen für Kritik und kann Fehler eingestehen • ist »Wächterin« über die Einhaltung akzeptierter Normen • stellt sachlich begründete Forderungen • ist Vertrauensperson • lässt sich auch von anderen kritisieren • verkörpert Sach- und Fachkompetenz • delegiert Verantwortung, reflektiert ihre »Macht« Die Lehrperson ... • missbraucht ihre Macht • macht von Drohungen Gebrauch • übt Druck aus • verlangt blindes, widerspruchsloses Vertrauen • trifft willkürliche und ungerechte Entscheidungen • bevorzugt/benachteiligt Lernende ohne nachvollziehbare Gründe • lässt Kritik an ihrer Person nicht zu • verhält sich widersprüchlich • beharrt auf Sonderposition • zeigt Zynismus • greift persönlich an • wird laut, brüllt Lernende an Die Lehrperson ... • ist inkonsequent • zeigt sich unsicher • hat keine klaren Ziele • gibt sich kumpelhaft • zeigt mangelndes Selbstbewusstsein • verlässt den Klassenraum und holt sich Hilfe

Abbildung 2-10

Die verschiedenen ­Facetten von Autorität.

Quelle: Heymann (2006, S. 35)

Je nach Situation, Zusammensetzung und Entwicklungsprozess einer Lerngruppe kann sich die Lehrperson für eine gewisse Zeit entscheiden, eines der beiden Führungsprinzipien etwas höher zu gewichten.

Im Alltag treffen wir als Lehrpersonen aber selten die beiden Extrem­situationen an, sondern eher eine Art Mittelding zwischen beiden. Wir haben es mit Lernenden zu tun, die sich größtenteils an Regeln halten, Aufträge mehr oder weniger gewissenhaft erfüllen, nicht immer so motiviert mitmachen wie erhofft, ab und zu schwatzen und abgelenkt sind usw. Hier empfiehlt sich die beziehungsorientierte Führung, weil sie am effektivsten ist. Es ist damit aber nicht gemeint, dass nun eine übermäßige Gewichtung des Beziehungsprinzips im Unterrichtsalltag zu empfehlen ist, da dann die Grenzen zwischen der professionellen Nähe und Distanz verwischt werden könnten. In der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen empfiehlt es sich deshalb, einen ausbalancierten Führungsstil zu pflegen, mit einer leichten Tendenz zum Beziehungsprinzip.

 

Renata Suter

Führungs- und Beziehungsbalance

Es hat sich bewährt, sich Zeit für die Beziehungs­gestaltung zu nehmen. Ich vermittle, was mir wichtig ist, nehme aber auch die Anliegen der Lernenden ernst. Als Lehrperson tendiert man zum Dozieren und redet dann einen großen Teil der Lektion. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass das Zuhören genauso wichtig ist. Nur so erfahre ich, wie es um die Lernenden steht, was sie beschäftigt, wo ihre Interessen liegen und wo ich nachhaken muss. Da die einzelnen Themen in den allgemeinbildenden Fächern nicht für alle Lernenden gleich interessant sind, ist es mir wichtig, dass die Lernenden allmählich Selbstverantwortung für ihr Lernen übernehmen. Damit meine ich, dass sie lernen sollten, das Wesent­liche des ­Stoffes herauszufiltern und mitzunehmen. Ich spreche sie auch darauf an.

Damit ein positives Klassenklima und eine lernförderliche Arbeitsatmosphäre entstehen können, braucht es für mich eine klare Führung, basierend auf Kooperation und »charismatischer Autorität«. Die Lernenden sollten wissen, wer, wann, was, wie zu tun hat, was toleriert wird und was nicht.


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