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Das Lob der Narrheit

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Warum bleibt Amor immer ein Junge? warum? blos weil er ein Possenreisser ist, und nichts thut und denkt, das man auch nur einem Scheine von Ueberlegung zuschreiben könnte. Wie kömmts, daß man die goldschöne Venus stets mit ihrer Frühlingsmine sieht? Sie steht mit mir in Verwandtschaft; die Farbe meines Vaters glüht auf ihrem Antlitze: daher Homer sie die goldene Göttinn nennt; auch lacht sie beständig, wenn Dichter und die ihnen nacheifernden Bildhauer Glauben verdienen. Welche Gottheit ward von den Römern andächtiger verehrt, als Flora, die Mutter aller Wollüste?

Wie steht es um das Thun und Lassen der sauern Götter? Wenn man sich darüber bey dem Homer und den übrigen Dichtern, Raths erholt, so zeigt sichs, daß es selbst ihnen an nichts weniger fehle, als an Narrheit. Was würd es helfen, die Thaten der Andern weitläufig zu erzehlen, da alle Welt von der Verliebtheit und den Narrentheidungen Jupiters, des Donnergottes, nur zu vieles zu sagen hat? Die strenge Diana, die auf ihren beständigen Jagdschwärmereyen ihres Geschlechts vergießt, wie jämmerlich hat sie sich nicht in ihren Endymion verliebt? Doch mir wär es lieber, wenn die Götter sich ihre Geschichte von dem Momus wollten erzehlen lassen, der sie ihnen ehedem oft vorgepredigt hat: aber neulich stürzten sie ihn im Zorne, samt der keifenden Ate, auf die Erde hinab, weil er, der Verdrüßliche, neidisch auf das Glück der Götter, ihnen mit seiner Weisheit stets in den Ohren lag; kein Sterblicher würdigt ihn, ihn unter Dach zu nehmen; und noch weniger findet er einen Eingang an den Höfen der Fürsten, wo mein Folgemädchen, die schmeichelnde Kolakia, in der grösten Achtung steht; und mit ihr stimmt Momus so wenig überein, als der Wolf mit dem Lamme.

Also haben die Götter sich von dem Momus los gemacht; und jetzt können sie, von jedem Sittenrichter befreyt, frey und lustig den Narren spielen. Priapus, ehedem ein Feigenklotz, was bringt er jetzt nicht für Scherze hervor! Merkur, mit seinen Diebereyen und Taschenspielerstreichen setzt alles ins Lachen. Selbst Vulkan spielt im Gelache der Götter den Stocknarren, und läßts am Herumhinken, an Spöttereyen, an lächerlichen Sprüchen nicht fehlen, die Trinkgesellschaft bey guter Laune zu erhalten. Sogar Silen, der alte Verliebte, hüpft im ländlichen Tanze mit dem Polyphem und den barfüssigen Nymphen, wacker umher. Satyren ertanzen sich mit ihren Bocksspringen. Pan, mit einem ungesalzenen Liedchen, bringt alles ins Lautlachen: lieber hört man ihn, als die Musen; besonders wenn der Nektar anfängt in den Kopf hinaufzudünsten. O was könnte ich hier für herrliche Dinge von der Wirthschaft der sich sattgenektarisirten Götter sagen! Da, da gehts (beym Herkules schwör ich!) so närrisch her, daß ich, ich selbst, mich zuweilen des Lachens nicht erwehren kann. Doch besser ists, ich lege, gleich dem Harpokrates, den Finger auf den Mund; leicht könnte sonst ein corycäisch-auflaurender Gott zuhorchen, wenn ich Dinge erzehlte, die selbst dem Momus nicht unbestraft entwischet sind.

Es ist Zeit, daß ich, nach homerischer Weise von den Himmelsbewohnern, zu den Kindern der Erde herabschländre. Ach da, werden wir sehen, daß sich nichts freudiges und glückliches befinde, das nicht mein Geschenk ist.

Sie sehen meine Herren, wie vorsichtig die Natur, die Mutter und Schöpferinn des Menschengeschlechts, alles mit Narrheit durchwürzt hat! Die Stoiker, die es in der Kunst des Beschreibens weit gebracht haben, sagen: sich durch die Vernunft führen lassen, sey Weisheit; Narrheit sey es, wenn man sich nach der Willkühr der Leidenschaften richte. Nun, damit das Leben der Menschen nicht etwas ganz trauriges und finsteres seyn müsse, hat Jupiter in ein Pfund von Leidenschaften kaum eine Unze von Vernunft gemengt; die Vernunft hat er in einen kleinen Winkel des Kopfes gebannt, und den ganzen Leib den regen Leidenschaften zum Taumelplatz angewiesen. Der Vernunft hat er zween der heftigen Tyrannen entgegen gesetzt; den Zorn, der seine Herrschaft in der Burg und der Quelle des Lebens hat, in dem Herzen; und die Lüsternheit, die in der Gegend des Unterleibes alles zum Gehorsam nöthigt. Was die Vernunft wider diese zween Feinde vermöge, zeigt sich zureichend aus dem gemeinen Betragen der Menschen; sie schreyt sich heischer, um ihnen ihre Tugendsprüchgen einzupredigen; aber um den Zügel ihrer Königinn bekümmern sie sich wenig, und treiben die Widerspenstigkeit so weit, daß endlich die müde Fürstin sich zum Nachgeben gezwungen sieht, und sich alles gefallen läßt.

Weil der Mann zur Betreibung der Geschäfte gebohren ist, so mußte ihm von der Unze der Vernunft etwas mehrers eingepfropft werden. Damit auch dieses richtig angeordnet werde, ward ich, wie über alles andere, zu Rath gezogen; und ich that einen Vorschlag, der meiner würdig war: man soll ihm ein Weib zugesellen; ein närrisches und schwindlichtes Thier, aber zugleich ein holdes und lächerliches; ein Hausmittel, welches das Düstere des männlichen Scharfsinns durch eigenthümliche Narrheit zu würzen, und zu versüssen im Stande ist.

Plato der im Zweifel zu seyn scheint, ob das Weib zu den vernünftigen oder zu den vernunftlosen Thieren zu ordnen sey, wollte dadurch blos die grosse Narrheit dieses Geschlechtes andeuten. Wenn ein Weib Anspruch auf Weisheit macht, so erweist sie sich als eine doppelte Närrinn; sie will gerade wider den Strom schwimmen: wer sich auf eine naturwidrige Weise mit der Schminke der Tugend beschmiert, und seiner Gemüthsart Gewalt anthut, der verdoppelt seinen Fehler. Bey den Griechen hieß es: der Affe bleibt ein Affe, wenn er gleich in der Purpurjacke einherschwanzt: also bleibt ein Weib ein Weib, das ist eine Närrinn, was sie auch immer für eine Rolle spielt.

Nein, meine Damen, so närrisch wird wohl keine unter Ihnen seyn, deßwegen böse auf mich zu werden, daß ich, selbst ein Weib, die Erznärrinn, Ihnen Narrheit beymesse. Wenn es Ihnen beliebt, die Sache genau zu erwägen, so werden Sie mir, der Narrheit, es danken, daß ich Sie weit glücklicher gemacht habe, als die Männer es seyn können.

Ohne mich besässen die Weiber jene reizende Schönheit nicht, die sie mit Recht allen Dingen vorziehen, und vermittelst welcher sie selbst über Tyrannen tyrannisieren. Etwas wegschreckendes in der Mine, die faltige Haut, das Bartgestrauche, das greisenmässige frostige Wesen, wem hat der Mann dieses Lumpenzeug zu verdanken, als der bösen Klugheit? Die Wangen der Weiber hingegen sind immer glatt; fein ist stets ihre Stimme, weich ihre Haut, als ob sie sich einer immerdaurenden Jugend versichert hätten. Was wünschen sie sich in diesem Leben anders, als den lieben Männern recht wohl zu gefallen? Diesen Endzwecke haben sie bey ihrem Aufputzen, ihrem Schminken, ihrem Baden, ihrem Haarkräuseln, allen den Künsteleyen, durch die sie ihre Gesichtszüge ordnen, ihre Liebäugeln, und so weiter. Wie! preisen sie sich denn wirklich den Männern durch irgend etwas nachdrücklicher an, als durch die Narrheit? Was ists, daß diese den Weibern nicht erlauben? und, haben sie dabey andere Absichten, als die Befriedigung ihrer dringenden Begierden? Wirklich finden sie ihr Vergnügen an nichts, als an der Narrheit. Man wird einsehen, daß diese Bemerkung sich ganz auf die Wahrheit gründe, sobald man bey sich überlegt, wie viele Thorheiten der Mann dem Weibe vorplaudere welche Possen er treibe, so oft er sich vorgenommen hat, sein Vergnügen bey ihr zu bewirthen.

Ich habe die Quelle der ersten und vornehmsten Freuden des Lebens aufgedeckt. Ja, es fehlt an einigen nicht, die man eben so weibisch nicht nennen kann; es sind alte durstige Brüder, welche die höchste Wollust beym Weine finden. Ob sichs eine gute Mahlzeit thun lasse, wo Weiber davon ausgeschlossen sind, ist eine Frage, deren Entscheidung ich andern überlasse. Gewiß ist dieses: jedem Orte fehlt es am Gewürze, an Munterkeit, wo man der Narrheit den Eingang versperrt hat; wenn keiner der Gesellschafter ein wirklicher Narr ist, oder sich als einen Narren zu bezeigen das Geschick hat, so läßt man einen mit Gelde gedungenen Lustigmacher kommen, oder einen lächerlichen Schmarotzer, um durch seine lustigen, das ist, närrischen Schwänke das düstere Schweigen, oder die Traurigkeit, von der Tafel zu verbannen; denn, wozu würd’ es dienen, mit so vielen Niedlichkeiten und Leckerbissen den Bauch zu beladen, wenn man nicht Augen, Ohren, und das ganze Gemüth bey Lachen, Scherzen, und artigen Einfällen gastierte?

Nun bin ich es, ich einzig, die verdient, die Erfinderinn solcher Tafelherrlichkeiten betitelt zu werden. Auch die übrigen feyerlichen Spiele solcher Gelage; zum Exempel, durch das Loos einen Tafelkönig wählen, das Würfelspiel, eine Gesundheit im Ringe herum trinken, ein Liedchen dabey anstimmen, mit einem Myrtenzweige in der Hand wechselweise singen, tanzen, springen, und so weiter. Das sind Dinge, die nicht von den sieben Weisen Griechenlandes erfunden worden, sondern von mir, da ich mir das Wohlseyn des menschlichen Geschlechtes angelegen seyn lasse. Je mehr Narrheit in solche Dinge gemischt ist, desto heilsamer sind sie für das Leben der Sterblichen, welches, wenn es traurig ist, den Namen des Lebens nicht verdient; und traurig muß es werden, wenn man es nicht vermittelst solcher heilsamen Gaukeleyen vor dem Ueberdrusse sicher stellt.

Vielleicht aber giebt es Leute, bey denen diese Art von Wollust keinen Werth hat, weil sie sich mit lieben Freunden und Bekannten begnügen. Die Freundschaft für sich schon (sagen sie) ist allem andern vorzuziehen; ist eben so unentbehrlich, als Luft, Feuer, Wasser, es immer seyn mögen; sie führt so viele Freuden bey sich, daß, sie verbannen eben so viel wäre, als die Sonne verbannen; sie ist etwas so Tugendhaftes (man hätte ihr wohl ein besseres Lob beylegen können) daß selbst die Philosophen keinen Anstand finden, sie zum höchsten Gute zu rechnen. Wie aber, wenn ich zeigen könnte, daß es auch bey dieser herrlichen Sache alles auf mich ankomme? Wolan, ich will es thun; und zwar nicht durch krumme verfängliche Trugschlüsse, sondern so ehrlich-einfältig, daß jeder, der auch nur seiner Nase nachzugehen im Stande ist, die Sache mit Händen wird greifen können.

 

Aufgehorcht! Wenn man bey den Fehlern des Freundes die Augen schließt, sie nicht sehen will, sie liebenswürdig findet, etwann auch seine grossen Laster als liebenswürdige Tugenden herausstreicht: ist man da nicht auf dem geraden Wege zur Narrheit? Sehet doch diesen, der die Warze küßt, die seine Geliebte mit auf die Welt gebracht hat; jenen, der seines Mädchens ranzichten Athem balsamisch findet; dort den über die schielenden Augen seines Söhnchens entzückten Vater. Ists nicht pur-lautere Narrheit? Ja, man schreie so lange man will, daß es Narrheit sey: diese Narrheit einzig ist im Stande, Freundschaft zu stiften, und dauerhaft zu machen. Ich rede von den Sterblichen, von denen keiner ohne seine Fehler auf die Welt kömmt; wer die wenigsten hat, ist der beste. Wenn sich zu jenen weisen Philosophen, die sich Götter zu seyn träumen, je eine Freundschaft naht, so ists eine störrische und freudenlose; und auch dieser sind nur die wenigsten fähig; ich sage mit Fleisse nicht alle: der gröste Theil der Menschen spielt den Narren; ja, keinen wird man finden; der nicht auf vielerley Weise faselt; nun sind nur die, welche einander ähnlich sind, der vertrauten Freundschaft fähig.

Gesetzt es ereigne sich etwann unter diesen Sauertöpfen, daß einer dem andern sein Wohlwollen bezeige, so wirds doch von keiner langen Dauer seyn: kein Adler, kein Drache, ist so scharfsüchtig, als sie es bey den Fehlern ihrer Freunde sind; die ihrigen können sie nicht sehen, denn die Schlauköpfe haben sie in den Sacke hinten auf ihren Schultern gelegt. Da nun kein Mensch so verständig ist, daß er nicht seine großen Fehler hätte; da sie an Jahren und Neigungen so verschieden; solchem Straucheln, solchen Ausschweifungen, solchen Zufällen des sterblichen Lebens unterworfen sind: wie könnte die freudige Freundschaft sich bey diesen spitzäugigen Ausspühren auch nur eine Stunde lang verweilen, wenn sich nicht die gesittete und gutmuthige Narrheit zugleich mit ihr einstellte? Und wie! ist nicht Cupido der Uhrheber und Vater aller Vertraulichkeit, starrblind, so daß er leicht das Häßliche für das Schöne ergreift? Schämen Sie sich nicht, meine Herren, die Wahrheit zu gestehen: hat der lose Vogel nicht auch Sie so bethört, daß jeder das Seine schön findet; daß der Kahlkopf in sein Mütterchen, wie der Gelbschnabel in sein Püpchen vernarrt ist? O aller Orten findet mans so, und belacht es! aber gerade diese Lächerlichkeiten sind das Kitt und die Bänder der herzerquickenden Gesellschaft.

Was von der Freundschaft gesagt worden, das läßt sich noch füglicher vom Ehestande denken, dem für Zeitlebens dauernden Freundschaftsbande. O ihr unsterbliche Götter! wie würde nicht alles von Ehescheidungen, oder auch noch schlimmern Dingen, aller Orten wimmeln, wenn nicht Schmeicheley, Scherz, gefälliger Leichtsinn, Irrung, Verstellung, meine ganze Scharwache, den Hausfrieden zwischen Mann und Weib unterstützen, und nährten? Zum Henker! wie dünne würden die Ehen gesäet werden, wenn der Herr Bräutigam klüglich nachspührte, in was für Spiele sein verschlecket-schamhaft aber naseweises Jüngferchen schon lange vor dem hochzeitlichen Leben, sich eingelassen habe? und wie manches schon geknüpfte Band würde zerreissen, wenn nicht (Dank sey es der Nachlässigkeit oder Tummheit des Herrn Gemahls!) vieles von dem Thun und Lassen des lieben Weibchens verborgen bliebe?

Freylich schreibt man alles dieses mit Rechte der Narrheit zu; diese aber betreibts inzwischen so, daß der Mann sich des Weibes erfreut, das Weib des Mannes, und die Eintracht sich im friedlichen Hause befestigt. Hahnrey, und was dergleichen Wörterchen mehr sein mögen, ruft hier und da ein Hohnlacher; thut nicht das gute Weibchen wohl, daß sie darüber Thränen vergießt; und der gutherzige Hörnerträger, daß er in bester tröstender Laune sie ihr von den Wangen wegküßt? O wie weit seliger ists, sich hier also irren, als im Taumel der Eifersucht sich selbst aufzehren, und ein Trauerspiel aller Orten verbreiten? Kurz, ohne mich kann keine Gesellschaft, keine Vertraulichkeit munter oder standhaft seyn; unerträglich wird der Fürst dem Volke, der Knecht dem Herrn, die Magd der Frau, der Schüler dem Lehrer, der Freund dem Freunde, die Frau dem Manne, der Verkäufer dem Käufer, ein Tischgefehrte dem andern, wenn sie nicht wechselweise irren, klüglich durch die Finger sehen, und sich mit tollen Honigwörterchen abspeisen. Ja, meine Herren, Sie halten was ich bisher gesagt, für wichtige Dinge; aber Geduld, Sie werden noch wichtigere hören!

Kann der jemanden lieben, der sich selbst haßt? der mit Andern einträchtig seyn, der sich selbst in den Haaren liegt? der jemanden Freude machen, der sich selbst zur Last und zum Ueberdrusse lebt? Niemand wirds behaupten, als der, welcher närrischer als die Narrheit ist. In Wahrheit, wo man mich auf die Strasse hinaussperrt, wird jeder dem andern unerträglich, stinkt sich selbst an, faßt Eckel ab allem dem seinigen, hat keinen verhaßtern Feind als sich selbst. Stiefmütterlich wühlt oft die Natur in den Köpfen der Sterblichen, sonderlich den besten, so daß ihnen das Ihrige mißfällt; und das Fremde bewundern sie; dann wird alles geschändet, geht alles zu Grunde, dadurch sonst das Leben bereichert, und geschmückt wird. Wozu nützt die Schönheit, das edelste Geschenck der unsterblichen Götter, wenn sie garstig befleckt wird? Wozu die Jugend, wenn des Alters gährender Gram sie angestecket hat? Was wirst du bey dem beglücktesten Leben zu Hause und draussen mit Anständigkeit thun (und auf diese kömmt hauptsächlich alles an) wenn dir nicht die sich selbst liebende Philautia, die ich billig als meine leibliche Schwester verehre, mit ihrer Geschicklichkeit beysteht? O tapfer vertheidigt sie durchgehends meine Sache!

Nun, was kannst du närrischers thun, als dir selbst gefallen? dich selbst bewundern? Was schönes, holdes, einnehmendes, kannst du zu Stande bringen, wenn du mißvergnügt mit dir selbst bist? Wenn du dieses Gewürze des Lebens wegschafst, so steht der Redner mit seinem Gewäsche frostig da; nur höhnisches Mitleiden ertrillert sich der Tonkünstler; der sich müde erarbeitende Schauspieler wird ausgepfiffen; zum Gelächter wird der Dichter samt seinen Musen; der Mahler erpinselt sich Verachtung; bey seinen Lebenspillen hungert der Arzt sich zu Tode; wenn du dich schön wie Nireus zu seyn dünkst, jugendlich wie Phaon, weise wie Minerva, so wird man dich für garstig halten wie Thersites war, veraltet wie Nestor, tumm wie ein Schwein. Ja, unumgänglich nöthig ists, daß jeder sich schmeichle, und sich selbst mit einem Beyfällchen anpreise, wenn er sich bey andern in Gunst schwingen will. Endlich, da die Glückseligkeit hauptsächlich darum besteht, daß du wirklich nichts anders seyn willst, als was du bist, so hast du dich mit der Grundregel meiner Philautia bekannt zu machen, die also lautet: Niemand werde seines Looses überdrüssig, seines Witzes, seiner Abkunft, seines Vaterlandes, seiner Auferziehung. Der Irrländer wünsche sich nicht ein Italiäner zu seyn, der Thracier ein Athenienser, der Scythe ein Bürger des gesegneten Schlarafenlandes. Herrlicher Kunstgriff der Natur, der so verschiedene Dinge ins gleiche Gleis bringt! Wo sie bey ihrer Gabenaustheilung etwas kärglich zu Werke gegangen, läßt sie den Abgang durch die Philautia ersetzen – nur den Abgang? – Ich rede wie eine wirkliche Närrin, sie theilt auf diese Weise ihr herrlichstes Geschenke mit.

Ich darf wohl sagen: ohne meinen Antrieb geschicht keine edle That; wo schöne Künste betrieben werden, preisen sie mich als ihre Erfinderinn. Muß man sich nicht an den Krieg wenden, wenn man belobte Heldenthaten in ihrem Elemente finden möchte? Nun, was kann wohl närrischer seyn, als um einer Ursache willen, die man selbst nicht anzugeben weiß, sich in einen Streit einlassen, bey dem man beiderseits mehr Böses als Gutes einzuerndten hat? Von dem, der da mit seiner Haut bezahlt, kräht kein Hahn nicht. Wenn die beyden Heere in Schlachtordnung gegen einander stehen, und die Hörner im frischern Tone zum Angriffe geblasen haben: wozu taugen dann jene Söhne der Weisheit, durch Nachgrüblen erschöpft, beym dünnen und kalten Geblüte kaum den Athem zu ziehen vermögend? Solcher ist man da benöthigt, derer Adern vom dicken und fetten Geblüte strotzen; desto kühner, um so viel unverständiger sie sind. Oder will man sich mit Fleisse einen Demosthenes zum Soldaten wählen? Kaum kam der Feind ihm ins Gesicht, so warf er, nach dem Rathe des Archilochus, herzhaft den Schild weg; unter dem Hasenpanier sah man den feigen Soldaten an dem weisen Redner.

Auf Klugheit, heißts, kömmt im Kriege vieles an. O ja, an einem Feldherren; aber auf eine kriegerische, nicht eine philosophische! Mit Schmarotzern, Hurenjägern, Strassenräubern, Meuchelmördern, Bauernklötzen, Tummköpfen, Bankerottierern, und dergleichen Abschaume des Menschengeschlechtes, nicht mit bey der Nachtlampe verrauchten Philosophen, werden solche herrlichen Ding erfochten. Sokrates, der nach dem eben nicht weisen Ausspruche des Apollo einzige Weise, kann zum Gewährsmanne dienen. Er unterfieng sich, etwas, ich weiß nicht was, öffentlich zu betreiben; und unter dem Hohngelächter der ganzen Versammlung schlich er sich vom Rednerstuhle weg. Und doch war der Mann nicht Narrs genug, sich mit dem Titel des Weisen zu brüsten; er gab ihn dem Gotte zurück; er hielt dafür, ein Weiser solle sich in die Verwaltung des gemeinen Wesens nicht mengen; nur hätte er noch hinzusetzen sollen: jeder, der seinen Platz in der Zunft der Menschen behaupten wolle, müsse sich der Weisheit enthalten. Anbey, hatte er es nicht blos der Weisheit zu verdanken, daß er verklagt worden; und sich den Schirlingsbecher wählen mußte? Ueber Wolken und Hirngespinste philosophierend, einen Flohfuß messend, das Mückensumsen bewundernd, vergaß er, Dinge zu erlernen, die zum gemeinen Leben unentbehrlich sind.

Zum Schutzredner seines sich in Lebensgefahr befindenden Lehrers wirft sich der Schüler Plato auf. Ein mannhafter Vertheidiger! weil ein Geräusch entsteht, verstummt er, ehe er von seinem ersten Satze die Hälfte herausgemartert hatte. Und was soll ich vom Theophrast sagen? Kaum hatte er eine Rede angefangen, so blieb er mit offenem Munde stehen, als ob ein Wolf ihm in die Quer gekommen wäre. Wie würde der Mann den Soldaten Muth zur Schlacht gemacht haben! Isokrates war zu furchtsam, als daß er es jemals gewagt hätte, den Mund aufzuthun. Cicero, der Vater der römischen Beredsamkeit, fieng seine Reden, gleich einen gluchsenden Schuljungen, mit einem unangenehmen Stammeln an; Fabius ist so gut, daß er behauptet, daraus erkenne man einen verständigen die Gefahr einsehenden Redner; er hätte besser gethan, rund und ehrlich heraus zu sagen: zur schicklichen Betreibung öffentlicher Geschäfte tauge die Weisheit nicht. Was würden Leute, die vor Furcht halb todt sind, wenn sie sich blos in ein Wortgefecht einlassen sollen, da ausrichten, wo man die Sache mit dem Schwerdt ausfechten muß?

Nun gehe man, und erhebe den berühmten Ausspruch des Plato bis in den Himmel: „Beglückt wäre das Land, wo Philosophen herrschten, oder Beherrscher zu Philosophen würden.“ Wenn man die Geschichtsschreiber zu Rathe zieht, so zeigt sichs, daß es nirgends schlimmer zugegangen, als wo die Herrschaft einem Philosophosten oder Buchgelehrten zu Theile geworden. Man kann sich hier kecklich auf die Catonen berufen: durch wahnsinnige Anklagen störte der Eine die Ruhe der Republik; und der Andere richtete die Freyheit derselben zu Grunde, indem er sie allzuweislich vertheidigte. Man denke sich hier auch den Brutus, Cassius, die Gracchen, und selbst den Cicero, welcher der römischen Republik zu einer eben so schädlichen Pest ward, als Demosthenes der atheniensischen. Gesetzt, Marcus Antoninus sey ein guter Kaiser gewesen; bin ich deßwegen genöthigt, meinen Satz aufzugeben? gewiß nicht: eben deßwegen, weil er ein Philosoph war, wird er seinen Unterthanen lästig und verhaßt. Ja, gesetzt er sey für sich gut gewesen, so fügte er doch durch Hinderlassung seines Sohnes dem Reiche einen weit grössern Schaden zu, als er ihm durch seine Regierung nützlich gewesen. Solche weisen Leute sind, wie in allen übrigen Dingen, also besonders im Kinderzeugen, höchst unglücklich; und dieses, wie mich deucht, hat die Natur vorsichtig geordnet, damit diese Seuche der Weisheit unter den Sterblichen nicht zu viel um sich fasse. So wissen wir von dem Cicero, daß er einen aus der Art geschlagenen Sohn gehabt hat; und von den Kindern des weisen Sokrates hat man die feine Anmerkung gemacht, sie seyen der Mutter ähnlicher als dem Vater; das ist, Narren gewesen.

Es würde noch alles zu ertragen seyn, wenn diese Philosophen gleich zur Verwaltung der öffentlichen Geschäfte so ungeschickt wären, als der Esel zum Lautenschlagen; insofern sie nur nicht auch zur Betreibung der Angelegenheiten des gemeinen Lebens eben so schief befunden würden. Bitte einen Weisen zu Gaste; er wird durch ein düsteres Schweigen, oder durch ein lästiges Frägeln, die Freude der Gesellschaft stören. Fordere ihn zum Tanz auf; er wird so flink als ein Camel umher tramplen. Nimm ihn zu einem öffentlichen Schauspiele mit; sein Gesicht wird die Zuschauer ihres Vergnügens berauben; der weise Cato, der seine feyerliche Mine nicht ablegen will, wird genöthigt werden, die Bühne zu verlassen. Er kömmt in eine Gesellschaft, und alles verblaßt, als ob ein Wolf sich hätte sehen lassen. Wo es zu thun ist, um etwas zu kaufen, um einen Handel zu treffen, kurz, um etwas vorzunehmen, ohne welches man im gemeinen Leben nicht bestehen kann, da wird man diesen Weisen ehender für einen Klotz als für einen Menschen ansehen. Also kann er sich, dem Vaterlande, den Seinigen, zu nichts dienen, weil die gemeinsten Dinge, Meynungen, Einrichtungen, ihm ganz spanische Dörfer sind.

 

Bey den Unternehmungen der Sterblichen ist alles voll Thorheit: Narren unterhalten sich mit Narren. Dem, der sich allen widersetzen will, möcht ich den Rath erteilen, in die Fußstapfen Timons zu treten, in eine Einöde zu wandern, und sich da seiner Weisheit satt zu erfreuen.

Ich lenke wieder ein. Welche Macht hat stein- und eichenharte rohe Menschen ins gesellschaftliche Leben vereint? Die Schmeicheley. Sie wird durch die Leyer des Amphion und des Orpheus angedeutet. Was hat das römische Volk, da es unter sich aufs äusserste zerfallen war, wieder einträchtig gemacht? Wars eine philosophische Rede? nichts weniger: es war die lächerliche und kindische Fabel von dem Bauche und den übrigen Gliedern. Ein gleiches Wunder that Themistokles durch die Fabel von dem Fuchsen und dem Igel. Welche Rede eines Weisen hätte so vieles vermocht, als jenes erdichtete Rehe des Sertorius? als die beiden Hunde jenes lacedämonischen Gesetzgebers? als die lächerliche Erdichtung von den ausgeraufenen Haaren des Pferdeschweifes? Um nichts von dem Minus zu reden, und von dem Numa, welche den närrischen Pöbel durch fabelhafte Erfindungen nach ihrem Willen lenkten: durch solche Possen läßt sich dieses grosse und mächtige Thier, etwas aufbinden.

Welche Stadt hat jemals die Gesetze und Aussprüche eines Plato, Aristoteles, Sokrates, angenommen? was hat die Decier beredet, sich von freyen Stücken den unterirdischen Göttern aufzuopfern? was hat den Quintus Curtius in die Grube gezogen? was anders, als die eitele Ruhmsucht, eine sanft-lockende Sirene, die von jenen Weisen so sehr verabscheuet wird? was kann närrischer seyn, sprechen sie, als daß der, welcher sich um ein Amt bewirbt, im weissen Röckchen demüthig dem Pöbel schmeichelt? daß man sich die Gunst desselben durch ein Korngeschenk erkauft? dem Händeklatschen so vieler Narren nachjagt? im Zujauchzen desselben seine Wonne findet? im Triumphe sich von ihm gleich einer Bildsäule angaffen läßt? in Erzt gegossen auf dem Markte steht? andre Namen und Beynamen annimmt? einem menschlichen Taugenichts göttliche Ehre erweißt? mit öffentlichem Gepränge tyrannische Schandbuben in die Classe der Götter erhebt? O gewiß, Narrheit ist dieses, zu deren verdienten Belachung ein einziger Demokritus nicht zureichend wäre! Wer leugnet es? Und doch ists die Quelle großer Heldenthaten, die von Rednern bis in den Himmel erhoben werden.

Narrheit zeugt Städte, Reiche, Obrigkeiten, Religionen, Raths- und Gerichtsversammlungen; und das menschliche Leben ist blos ein Narrenspiel. Wenn die Rede von Künsten und Wissenschaften ist: was hat die Menschen aufgemuntert, so herrliche Dinge (wie man sie dafür auszuposaunen pflegt) zu ersinnen, und auf die Nachwelt zu bringen? war es nicht die Ruhmsucht? In so vielen durchwachten Nächten, unter so vielem Schweisse, haben sie, die Erznarren, sich, ich weiß nicht, was für einen durch und durch unnützen Ruhm ausgehecket. Indessen haben Sie, meine Herren, der Narrheit bereits so viele herrliche Bequemlichkeiten des Lebens zu verdanken; und, was dabey noch weit das angenehmste ist, Sie machen sich der Narrheit Anderer zu Nutzen.

Nachdem ich also das Lob meiner Stärke und meines Fleisses befestigt habe, wird es schicklich seyn, daß ich auch meiner Klugheit das gleiche Recht widerfahren lasse. So willt du dann (ruft mir, wie mich deucht, jemand entgegen) Feuer und Wasser zusammen paaren? Auch dieses hoff ich zu Stande zu bringen, wenn man nur fortfahren wird, achtsam aufzuhorchen.

Ists nicht Klugheit, wenn man sich die Dinge zu Nutzen macht? Nun, welches wird wohl der kluge Mann seyn? der Weise? der zu schamhaft oder zu furchtsam ist, sich an eine Sache zu wagen; oder der Narr, den weder Scham, die er nicht hat, noch Gefahr, die er nicht erwägt, von irgend einer Unternehmung abschreckt? Der Weise nimmt seine Zuflucht zu verschimmelten Büchern, und füllt sich daraus den Kopf mit schalen Spitzfindigkeiten; der Narr, der sich hurtig an die Sache selbst macht, sammelt sich daraus, wenn ich mich nicht gröblich irre, ächte Klugheit. Es scheint auch Homer, so blind er war, habe dieses eingesehen, da er sagt: „Bey der That gelangt der Narr zur Einsicht.“ Wo es um Einsicht der Dinge zu thun ist, muß man zween Steinen des Anstossens ausweichen: die Schamhaftigkeit, die den Geist benebelt; und die Furcht, welche durch Vorspieglung der Gefahr, Unthätigkeit einpfropft. Großmüthig scheucht die Narrheit diese Popanzen weg. Wenige Sterbliche sehen es ein, wie bald der unverschämte Waghals sein Glück machen könne.

Gefällt Ihnen, meine Herren, jene Klugheit besser, die in Beurtheilung der Dinge besteht? Hören Sie doch einmal, welch eine seltsame Sache es um diese Klugheit derer sey, die sie in ihrer Weisheitsbude feil bieten!

Erstlich ist bekannt, daß alle menschliche Dinge, gleich den Silenen des Alcibiades, von innen ein anderes Gesicht haben, als von aussen: man sieht den Tod, und findet das Leben; man sieht das Leben, und findet den Tod; das schöne ist häßlich, das reiche arm, das schändliche herrlich, das gelehrte ungelehrt, das starke schwach, das edle unedel, das fröliche traurig, das glückliche unglücklich, das freundliche unfreundlich, das heilsame schädlich; kurz, öffne den Silen, so wirst alles verkehrt finden. Rede ich aber nicht einigen zu philosophisch? Gut! ich wills ganz plump heraus sagen.

Einen König stellt man sich als einen reichen und mächtigen Herrn vor; wenn aber nichts Gutes in seiner Seele ist, und er sich an nichts sättigen kann, so ist er gewiß blutarm; und wenn er sich vielen Lastern ergeben hat, so ist er ein schnöder Sclave. Also ließ es sich über alles und jedes philosophiren; wir haben aber mehrere Beyspiele nicht nöthig.

Wozu soll alles dieses dienen? – Man hör es! Wenn jemand sich unterstünde, den Schauspielern ihre Larven wegzunehmen, und den Zuschauern die wahren und natürlichen Gesichter zu zeigen: würde dieser Unbesonnene nicht das ganze Spiel verderben? würde er nicht verdienen, daß man ihn als einen Rasenden mit Steinen von der Bühne wegtreibe? Indessen würde sich alles in einer neuen Gestalt gezeigt haben: das Weib als einen Mann, der Jüngling als einen Greisen, der König als einen Bettler, Jupiter als ein Menschengesicht. Wenn man den Irrthum wegnimmt, so setzt man alles in Verwirrung; die Verstellung muß die Augen der Zuschauer bezaubern. Nun, was ist das ganze Leben der Sterblichen anders als eine Comödie? Jeder spielt seine Rolle, eine ganz andere Person vorstellend, als er eigendlich ist, bis er von der Bühne abtreten muß; und etwann zeigt sich der nämliche Schauspieler in verschiedener Tracht: als König saß er auf dem Thron; und nachwerts tritt er im zerlumpten Sclavenkittel auf. Ja, dieses ist alles nur Schattenwerk: aber, spielt sich dann die grosse Comödie des Lebens auf eine andere Weise?