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Der Trotzkopf

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Nellie war mit dieser Antwort nicht zufrieden. »Kaufen, das macht keine Freude«, tadelte sie.«Warum wollen deine Finger faul sein?«

»Nellie hat recht«, mischte sich Rosi in das Gespräch, die neben Ilse saß und an einer Tischdecke arbeitete. »Deine Mutter wird wenig Freude an einem gekauften Gegenstand haben.«

»Ich bin zu ungeschickt«, gestand Ilse offen.

»Wir werden dir helfen und dir alles gern zeigen«, versprach Rosi. »Du kannst ein kleines Nähkörbchen wie Annemie arbeiten, ich weiß bestimmt, es wird dir gelingen.«

Und es gelang wirklich, sogar weit besser, als Ilse es sich selbst zugetraut hatte. Sie freute sich wie ein Kind, als das Körbchen so wohlgelungen in acht Tagen fix und fertig vor ihr stand. »Es sind noch vierzehn Tage bis Weihnachten«, sagte Rosi, »und ich möchte noch etwas arbeiten, für Fräulein Güssow und Fräulein Raimar.«

»Und für meine Lori, bitt‘ schön, meine gute Ilse!« bettelte Ulli, die gewöhnlich an den Mittwochnachmittagen im Arbeitssaal zugegen war und dann ihren Platz dicht bei Ilse wählte. »Meine Lori muß a neues Kleiderl haben«, fuhr Lilli fort und hielt ihre Puppe in die Höhe. »Bescher ihr eins zum heiligen Christ! Schau, das alte is schon hin!« Natürlich versprach Ilse, ihr diesen Herzenswunsch zu erfüllen.

»Ich habe einen famosen Einfall!« rief Ilse am Abend, als sie mit Nellie allein war. Famos war seit kurzer Zeit Modewort im Institut. »Ich kaufe für Lilli eine neue Puppe und kleide sie selbst an. Was meinst du dazu?«

»Oh, das ist wirklich ein famos Gedanke«, entgegnete Nellie. »Aber, lieb Kind, hast du auch an der viele Geld gedacht, die so ein‘ Puppe mit ihren Siebensachen kostet? Wie steht‘s mit dein Kasse?«

»Oh, ich habe sehr viel Geld!« versicherte Ilse ganz bestimmt. Und sie nahm ihre Geldtasche aus der Kommode und zählte ihre Schätze.

»Zwölf Mark«, sagte sie, »das ist mehr, als ich brauche, nicht wahr?«

»Sie sind ein sehr schlecht‘ Rechenmeister, mein Fräulein, ich mein, sie reichen lang nicht aus.«

Ilse sah ihre Freundin zweifelnd an. »Zwölf Mark ist doch furchtbar viel Geld!«

»Reicht lang nicht«, wiederholte Nellie unerbittlich. »Hör zu, ich will dir vorrechnen:

Ein Nähtischchen für Fräulein Raimar macht vier Mark,

Ein Arbeitstaschen für Fräulein Güssow macht drei Mark,

eine schöne Geschenk für die liebe Nellie und all die andren jungen Freundinnen macht – sehr viele Mark.

Wo willst du Geld zu Puppen nehmen?«

»Ach«, fiel ihr Ilse ins Wort, »und unser Kutscher daheim und seine drei Kinder, daran habe ich noch gar nicht gedacht!« Sie machte ein recht betrübtes Gesicht.

Sie überlegte einige Augenblicke, dann leuchteten plötzlich ihre Augen freudig auf »Halt«, rief sie aus, »ich weiß etwas! Heute abend schreibe ich an Papa und bitte ihn, mir Geld zu schicken. Er tut es, ich weiß es ganz bestimmt. Vater ist so gut!«

»Und dein‘ Mutter?« fragte Nellie, »ist sie nicht auch ein sehr gütige Frau? Wie macht sie dich immer Freude mit die viel schönen Sachen, die sie an dir schickt! – Freust du dir sehr auf Weihnachten? Ja? Es ist doch schön, die lieben Eltern wiederzusehen.«

Ilse zögerte mit der Antwort. Sie erinnerte sich, wie sie im Sommer ihrem Vater entschieden erklärt hatte, zum Christfest nicht nach Hause kommen zu wollen. Ihre Einstellung war die gleiche geblieben, denn sie konnte den Groll gegen die Mutter nicht überwinden. Sie war sich selbst darüber im klaren und gestand es sich in ihrem Inneren heimlich ein, wie nötig für ihr Wissen und ihre Ausbildung der Aufenthalt in der Pension war, doch hielt sie immer noch an dem Gedanken fest: »Sie hat mich fortgeschickt.«

»Ich werde hier bleiben!« sagte sie; »ich will das Weihnachtsfest mit euch verleben!«

»Das ist famos!« rief Nellie entzückt. »Ich freue mir furchtbar, daß du nicht fortreisen willst! All unsre Freunde reisen auch nicht, und es ist so schön hier, die heilige Christ. Alles bekommt eine große Kiste von Haus, mit allen Bescherung und Schokolad‘ und Marzipan. Und die Christabend wird jede Kiste aufgenagelt und ich helfe auspacken, der einen und der andren.«

»Erhältst du keine Kiste?« fragte Ilse.

»Du weißt, ich hab‘ kein‘ Eltern! Wer sollte mich beschenken?«

»Gar nichts bekommst du?« Ilse begriff es nicht.

»Zu Neujahr schenkt mein Onkel für mir Geld; da kaufe ich mir, was ich notwendig habe.«

Ilse sah die Freundin schweigend an. Am Abend aber schrieb sie einen langen Brief nach Hause, in dem sie zuerst ihren Entschluß mitteilte, daß sie die Weihnachtstage mit den Freundinnen feiern wollte. Dann schilderte sie ihrem Vater mit vielen zärtlichen Schmeicheleien ihren Geldmangel, und zuletzt gedachte sie mit warmen Worten Nellies. »Noch eine dringende Bitte habe ich zum Schluß«, fuhr sie in ihrem Brief fort, »an Dich, Mama«, wollte sie schreiben, aber sie besann sich und schrieb: »an Euch, liebe Eltern.

Meine Freundin Nellie ist die einzige in der ganzen Schule, die keine Weihnachtskiste erhalten wird. Sie ist eine Waise und steht ganz allein in der Welt. Ihr Onkel in London läßt sie als Erzieherin ausbilden. Ist das nicht furchtbar traurig? Ach, und die arme Nellie ist noch so jung und immer so fröhlich! Ich kann mir gar nicht denken, daß sie Erzieherin werden soll. Es ist doch schrecklich, wenn man kein liebes Vaterhaus hat! Nun wolle ich Euch recht von Herzen bitten, Ihr möchtet die Geschenke, die Ihr mir zugedacht habt, zwischen mir und meiner Nellie teilen und zwei Kisten daraus machen. Bitte, bitte! Ihr schenkt mir stets so viel, daß ich doch immer noch genug habe, wenn es auch nur die Hälfte ist. Ich würde gewiß keine rechte Freude am Heiligen Abend haben, wenn Nellie gar nichts auszupacken hätte.

Ich erhielt Eure Erlaubnis, an den Tanzstunden nach Weihnachten teilnehmen zu dürfen, und Du, liebe Mama, versprachst mir ein neues Kleid dazu. Kaufe mir keins! Mein blaues ist noch sehr gut, und ich komme damit aus. Schenk Nellie dafür etwas, bitte! Mit diesem heißen Wunsch umarmt Euch

Eure

dankbare Ilse

N. S. Das Geld schicke nur recht bald, einziges Papachen! Ich brauche es dringend!«

Ilses Wunsch, Weihnachten im Institut zu verbleiben wurde gern gewährt; der Vater schrieb, er billige ihren verständigen Entschluß. Die weite Reise war im Winter nicht ratsam. Freilich werde er seinen Wildfang schmerzlich vermissen, und es werde Mama und ihm recht einsam sein, aber er wolle sich mit dem Gedanken an das nächste Christfest trösten.

Ilse war über diese bereitwillige Zustimmung leicht gekränkt, aber es blieb ihr keine Zeit, ihren trübseligen Gedanken nachzuhängen, denn der Briefträger kam und brachte ihr dreißig Mark.

»Dreißig Mark!« jubelte Ilse. »Nellie, nun sind wir reich! Komm, laß uns gleich gehen und unsere Einkäufe machen! Ich kann die Zeit nicht erwarten.«

»O nein, Kind!« entgegnete Nellie bedächtig. »Erst müssen wir ein langer Zettel aufschreiben mit alle Sachen, die wir kaufen werden. Wir müssen doch rechnen, was sie kosten!«

Die beiden Mädchen machten sich also daran, eine Liste der Geschenke aufzusetzen, und Nellie setzte den ungefähren Preis dahinter.

Die wenigen Wochen bis zum Heiligen Abend vergingen viel zu schnell. Nellie und Ilse mußten neben mancherlei anderen Arbeiten auch noch die Puppe ankleiden. Das bedeutete für Ilse eine schwere Aufgabe, und ohne ihre geschickte Freundin wäre sie niemals damit zurecht gekommen.

»Wie geschickt du bist, Nellie!« sagte Ilse, als die Freundin der Puppe das schottische Kleid anprobierte. »Das hast du doch geradezu klassisch gemacht! Ich hätte es wirklich nicht fertiggebracht.«

»Aber hast du niemals ein Kleid für dein‘ Puppen genäht oder eine Hut oder ein Mantel?«

»Nein«, antwortete Ilse aufrichtig, »niemals. Viel lieber habe ich mit den Hunden gespielt.«

»Da ist kein Wunder, wenn du ein klein‘, dumm‘ Ding geblieben bist. Deine Hunde brauchen kein Kleid«, sagte Nellie lachend. »Nun mußt auf dein‘ alt‘ Tage nähen lernen, siehst du.«

Ilse lachte fröhlich mit und bemühte sich, das weiße Batistschürzchen für die Puppe, an das sie ringsherum Spitzen nähte, recht sauber und nett fertigzubringen.

Einen Tag vor der Bescherung erhielten die erwachsenen Mädchen die Erlaubnis, die schöne, große Tanne aufzuputzen. Nach dem Abendbrot, als die jüngeren Mädchen zu Bett gegangen waren, begann das Werk.

Orla brachte einen großen Korb mit selbstgesuchten Tannenzapfen und stellte ihn auf die Tafel. Annemie stellte zwei Schälchen mit Klebstoff daneben; in das eine schüttete sie Silber-, in das andere Goldpuder und rührte es mit einem Stäbchen um.

Melanie und Rosi ergriffen die Pinsel und begannen den unansehnlichen braunen Dingern ein goldenes oder silbernes Gewand zu geben. Und wie schnell das ging! Kaum pinselten sie ein paarmal darüber, so waren sie fertig.

»Sieh nur, Rosi«, rief Melanie aus und hielt einen vergoldeten Zapfen unter die Lampe, »ist das nicht furchtbar reizend? Wundervoll, nicht? Gleichmäßig, wirklich künstlerisch ist er vergoldet; kein dunkles Pünktchen ist an ihm zu sehen.« Und sie betrachtete das Prunkstück wohlgefällig von allen Seiten.

»Du bist im höchsten Grad langweilig mit deinem ewigen Selbstlob«, tadelte Orla. »Ich kenne niemand, der so von sich selbst begeistert ist, wie du es bist. Pinsle lieber weiter und halte dich nicht bei unnützen Lobhudeleien auf!«

Melanie fühlte sich getroffen und errötete. »Wie grob du bist, Orla!« sagte sie gereizt. »Du hast freilich keinen Sinn für harmloses Vergnügen.«

»Kinder«, unterbrach Fräulein Güssow, die am anderen Ende der Tafel saß und Äpfel und Nüsse vergoldete, »keinen Streit! – Melanie, komm zu mir! Du kannst mir helfen, und du, Ilse, versuche einmal, ob du Melanies Stelle ersetzen kannst!«

Ilse ließ sich das nicht zweimal sagen. Eilig griff sie zum Pinsel und tat flink und gewandt ihre Arbeit.

 

Orla war sehr zufrieden. »Nur nicht ganz so dick aufstreichen!« mahnte sie. »Sonst reichen wir nicht mit unserm Gold- und Silbervorrat.«

Flora und Annemie fertigten Netze aus Goldpapier an. »Eine geisttötende Arbeit«, flüsterte Flora Annemie zu, »und außerdem ohne jede Poesie. Warum die Tanne mit allerhand Tand aufputzen? Ist sie nicht am herrlichsten in ihrem duftigen, grünen Waldkleid? Lichter vom gelben Wachsstock in ihr dunkles Nadelhaar gesteckt, ein goldener Stern hoch oben auf ihrer schlanken Spitze, schwebend, strahlend, das nenn‘ ich Poesie!«

Annemie konnte sich nicht mehr halten, sie bekam einen solchen Lachreiz, daß sie aufsprang und hinauslief, um sich draußen erst auszulachen.

Dicht unter dem Baum standen Grete und Nellie; letztere hoch auf einer Trittleiter, eine große Tüte Salz in der Hand haltend. Die andere, mit einem Leimtiegel in der Hand, war ihre Gehilfin. Sie reichte Nellie den Pinsel zu, und Nellie bestrich die Zweige mit Leim und schüttete dann Salz darauf.

»Jetzt bin ich eine große Sturmwind und mache der Baum voller Schnee«, scherzte Nellie.

Freilich fiel ein großer Teil Salz unter den Baum, aber Nellie ließ sich die Mühe nicht verdrießen; immer wieder kehrte sie es zusammen und strich es mit der Hand dick auf den Leim. »Du alt‘ Baum wirfst sonst alles Schnee auf die Erde«, meinte sie. »Aber das ist schlechte Arbeit, alle meine Finger kleben.«

Rosi trat jetzt auch an den Baum heran, um ihn mit den glänzenden Tannenzapfen zu schmücken. »O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit!« summte sie vor sich hin, und Fräulein Güssow rief ihr zu: »Sing nur laut, Rosi! Das bringt erst die Weihnachtsstimmung.«

»Wir wollen alle singen!« riefen Grete und Annemie. Und nun erklang aus den jugendlichen Kehlen das schöne Lied vierstimmig. – Die junge Lehrerin senkte den Kopf, der Gesang stimmte sie traurig. Ihre Kindheit, ihre Jugendzeit standen plötzlich lebendig vor ihrer Seele. Wo waren ihre Hoffnungen, ihre Träume geblieben? Alles war zerstört durch ihre eigene Schuld. —

Das war ein Leben am andere Tag! Die Mädchen waren ganz außer Rand und Band. Ilse war ausgelassen fröhlich, und Nellie stand ihr darin bei. Annemie lachte über jede Kleinigkeit; ja, selbst Rosi, die stets Vernünftige, machte heute eine Ausnahme und schloß sich der allgemeinen Stimmung an. Als Flora ein selbstgedichtetes Weihnachtslied zum besten gab und die ganze übermütige Schar sie dabei auslachte, lachte Rosi mit; nur als Nellie zu necken anfing, bat sie sanft: »Bitte, Nellie, nicht spotten! Wir haben die arme Flora schon genug gekränkt, als wir sie auslachten.«

Melanie und Grete waren die einzigen, die eine leise Verstimmung nicht unterdrücken konnten. Sie hatten gehofft, Weihnachten zu Hause verleben zu können, und waren enttäuscht, als die Eltern ihnen nicht die Erlaubnis gaben.

Endlich brach der Abend herein. Die Vorsteherin und Fräulein Güssow hielten sich schon seit zwei Uhr in dem großen Saal auf, und in einer Masse, die dicht daneben lag, saßen erwartungsvoll die Pensionärinnen, natürlich im Dunkeln, denn Licht durfte vor der Bescherung nicht gemacht werden.

Lilli fürchtete sich in der Finsternis. Sie kletterte auf Ilses Schoß und schlang den Arm um ihren Hals. »Kommt denn das Christkind noch net bald?« fragte sie immer wieder. »Schau, es ist schon stockfinster!«

»Bald«, tröstete Ilse und drückte Lilli zärtlich an sich. »Bald kommt das Christkind, ach, und wie schön wird das sein! Soll ich dir ein Märchen erzählen, damit dir die Zeit schneller vergeht?«

»Bitt‘ schön, von Hänsel und Gretel!«

Ilse begann: »Es war einmal«, als Lilli ihr den Mund zuhielt. »Net weiter!« unterbrach sie. »Ich mag das heut net hören. Ich muß immer an das Christkindl denken. Kennst du das liebe Christkindl, Ilse? Hast du‘s schon g‘schaut?«

»Nein«, sagte Ilse, »gesehen habe ich es noch niemals. Niemand kann es sehen, es wohnt nicht auf der Erde.«

»Wohnt es im Himmel?« fragte Lilli. »Schau, da möcht‘ ich auch wohnen, da ist‘s schön, net? Da singen die lieben Englein, und die lieben Englein, die wohnten früher auf der Erde, das waren die artigen Kinder, net? Der liebe Gott hat sie in sein Himmelreich geholt, net wahr, Ilse?«

Das kindliche Geplauder rief sentimentale Ahnungen in Flora wach; sie war im Begriff, ihnen Ausdruck zu verleihen, als ihr Nellie das Wort abschnitt. »Was schwatzt der kleine Kind für Zeug?« sagte sie und streichelte Lillis Hand. »Wo hast du dies gehört? Keiner Mensch hat noch in der Himmel geschaut.«

»Aber Mama hat‘s gesagt; sie weiß es, net wahr, Ilse?« rief Lilli heftig.

Die gab ihr keine Antwort darauf; sie versuchte, das Kind auf andere Gedanken zu bringen. »Möchtest du wieder zu deiner Mama?« fragte sie.

»Nein«, entgegnete Lilli, »ich bleib‘ lieber bei euch. Die Mama kümmert sich so wenig um mich. Sie hat kein‘ Zeit, sie muß immer Rollen studieren«, setzte sie altklug hinzu. »Alle Abend geht sie ins Theater.«

»Denn es kümmert sich ka Katzerl, ka Hunderl um mi!« sagte Flora schwärmerisch.

»Komm zu mir, Lilli!« bat Melanie. »Ich will dir eine schöne Weihnachtsgeschichte erzählen.«

»Bitt‘, bitt, laß mich bei Ilse bleiben, Melanie! Ich will ganz gewiß recht genau zuhören auf deine G‘schicht.« —

Im großen Saal, in dem die Bescherung stattfinden sollte, waren die beiden Damen mit den Vorbereitungen nahezu fertig. Fräulein Güssow verteilte einige versiegelte Pakete auf verschiedene Plätze. Es waren die Geschenke, welche die jungen Mädchen sich untereinander bescherten. Der Name der Empfängerin war draufgeschrieben, die Geberin mußte erraten werden.

Fräulein Raimar stand neben dem Gärtner, der damit beschäftigt war, die angekommenen Kisten zu öffnen. Die Deckel wurden lose wieder daraufgelegt, denn das Auspacken besorgten die Empfängerinnen selbst.

Nur mit Lilli wurde eine Ausnahme gemacht: Fräulein Raimar packte die Kiste aus und schüttelte den Kopf.

»Sehen Sie nur den Tand, liebe Freundin!« sagte sie. »Nicht ein vernünftiges Stück finde ich dabei! Zwei weiße Kleider, so kurz, daß sie dem Kind kaum bis an die Knie reichen, ein kleiner Hermelinmuff, ein Paar feine Saffianstiefel, eine Puppe im Ballstaat und vieles Zuckerwerk – das ist alles. Warme Strümpfe und eine warme Decke, um die ich so sehr ersuchte und die dem Kind so nötig sind, fehlen.«

»Hier scheint eine Mitteilung für Sie zu sein«, sagte Fräulein Güssow und nahm ein duftiges rosa Briefchen von der Erde auf Wahrscheinlich war es aus dem Muff gefallen, den die Vorsteherin noch in der Hand hielt. Sie erbrach das an sie gerichtete Schreiben und las:

»Ich ersuche Sie freundlich, meiner Lilli die Kleinigkeiten unter den Baum zu legen. Hoffentlich ist das liebe Herzl recht gesund. Nun brauche ich mich nicht zu sorgen, weiß ich doch meinen Liebling in guten Händen! – Wollene Strümpfe und eine Jacke habe ich nicht mitgeschickt; ich möchte das Kind nicht verwöhnen. Es soll immer ein weißes Kleiderl anziehen, Hals und Arme frei; so ist sie es gewohnt, und dabei möchte ich es lassen.

Geben Sie meinem Herzblatt tausend Küsse, und daß es die Mama nie vergißt!

Mit dankbaren Grüßen verbleibe ich

Ihre ergebene

Toni Lubauer.«

»Weiße Kleider und dünne Strümpfe!« wiederholte Fräulein Raimar kopfschüttelnd. »Es ist gut, daß wir für einiges gesorgt haben; ich könnte es nicht vor mir selbst verantworten, das kleine Ding so durchsichtig und leicht bekleidet zu sehen.«

Der Gärtner war mit seiner Arbeit fertig und verließ das Zimmer. Die Damen zündeten die Lichter des Baumes an, und als auch das geschehen war, ergriff die Vorsteherin eine silberne Klingel und läutete.

Wie mit einem Zauberschlag flogen die Flügeltüren auf, und die junge Schar stürmte herein.

Lilli stand wie gebannt und hielt Ilses Hand krampfhaft fest.

»Komm!« sagte Fräulein Raimar freundlich. »Ich will dich an deinen Tisch führen, du bist ja ganz stumm geworden!«

Als das Kind vor seiner Bescherung stand, kehrte seine Lebhaftigkeit zurück. »Die schöne Puppe!« rief es entzückt und schlug die Händchen zusammen. »Die ist aber zu schön! Meine alte Lori ist lang net so süß! – Und ein Strohhüterl hat sie auf, ach, und die langen Zopferln! Und ein Schultascherl tragt sie am Arm! Bitt‘ schön, Fräulein, darf ich sie in die Hand nehmen? Ich möchte sie ganz nah anschaun. Bitt‘ schön, erlaub mir‘s!«

Fräulein Raimar erfüllte gern die Bitte des Kindes, das behutsam sein Püppchen in den Arm nahm.

»Sie kann die Augerln schließen!« fuhr die Kleine fort. »Schau, Fräulein, sie will schlafen!« Das Kind war ganz außer sich vor Entzücken bei dieser Entdeckung. »Hast du mir die Puppe geschenkt, Fräulein Raimar?«

»Nein«, entgegnete die Vorsteherin, »Ilse und Nellie haben sie dir angezogen. Aber sieh, hier hast du noch eine Puppe, die hat dir deine Mama geschenkt!«

Sie gönnte der kostbaren Balldame kaum einen Blick. »Die ist mir zu geputzt«, sagte sie, »die kann ich doch net in das Bett legen! Die kann net mein Kind sein.« Und mit der Puppe im Arm lief sie zu Ilse, um sich zu bedanken.

Ilse war sehr beschäftigt. Sie packte ihre Kiste aus und hatte keine Zeit, an etwas anderes zu denken. »Später, Liebling«, sagte sie und fertigte die Kleine mit einem flüchtigen Kuß ab. Soeben hielt sie einen prächtigen rosa Wollstoff in der Hand, und Nellie stand neben ihr und bewunderte ihn lebhaft.

»O wie süß!« rief sie. »Wie von Spinnweb so fein! Und wie er dir kleidet! Das wird ein schön‘ Tanzstundenkleid; du wirst dir wie eine Fee darin machen.«

Aber Ilse freute sich nicht über das kostbare Geschenk, es malte sich sogar etwas wie Enttäuschung in ihrem Gesicht. Warum hatten die Eltern ihre Bitte nicht berücksichtigt, ja nicht einmal eine Antwort darauf gegeben? Und Nellie war so gut, so neidlos teilte sie ihre Freude!

So mochte auch Fräulein Güssow denken, die näher getreten war. Sie legte den Arm um Nellies Schultern und fragte: »Warum packst du nicht deine Kiste aus?«

»Meine Kiste?« wiederholte Nellie. »O Fräulein, Sie spaßen! Für mich gibt es das nicht.«

Ilse horchte auf. Sie warf der jungen Lehrerin einen schnellen, fragenden Blick zu. Fräulein Güssow antwortete mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Wer weiß!« fuhr sie fort. »Sieh einmal nach! Vielleicht hat eine gütige Fee dir etwas beschert.«

Ilse erhob sich schnell aus ihrer knienden Stellung und nahm die Freundin an der Hand. »Komm«, sagte sie, »wir wollen suchen!« Ilse hatte am Ende des Saales eine herrenlose Kiste entdeckt. Dorthin zog sie Nellie.

Und richtig, da stand mit großen Buchstaben auf dem Deckel: »An Miß Nellie Grey.« – Es gab keinen Zweifel mehr.

»Oh, was ist dies?« rief Nellie überrascht, und ihre Wangen röteten sich. »Wer hat an mir gedacht?«

»Ja, sie ist wirklich für dich«, versicherte Ilse strahlend, denn nun empfand sie erst die echte Weihnachtsfreude. »Nimm nur den Deckel hoch!«

Immer noch etwas zögernd folgte Nellie dieser Aufforderung. Welche Überraschung! Da lag obenauf ein gleicher Stoff in Blaßblau, wie sie ihn soeben in Rosa bei Ilse bewundert hatte.

Und wie sie nun weiter auspackten, jetzt eine jede ihre eigene Kiste, da fanden sie jubelnd stets die gleichen Herrlichkeiten. Bald war es eine gestickte Schürze, dann kamen feine Strümpfe und Handschuhe an die Reihe; sogar die Korallenkette, die ein sehnlicher Wunsch Ilses war, fehlte bei Nellies Bescherung nicht. Auch die vielen Leckereien waren gleichmäßig verteilt.

Ilse fand in einem Karton mit Briefpapier einen langen, zärtlichen Brief der Eltern, und als Nellie den ihrigen öffnete, lag auch für sie ein kleines Briefchen darin.

»Meine liebe Nellie«, schrieb Ilses Mama, »ich darf Sie doch so nennen als meiner Ilse liebste Freundin? Mein Mann und ich möchten Ihnen so gern einen kleinen Beweis geben, wie dankbar wir Ihnen sind für die Liebe und Freundschaft, die Sie stets unserem Kind zuteil werden ließen. Zwei Freundinnen müssen aber auch gleiche Freuden haben, und mit diesem Gedanken bitten wir Sie herzlich, den Inhalt der Kiste freundlich anzunehmen.

Mit dem aufrichtigen Wunsch, daß Sie auch fernerhin unserer Ilse eine treue Freundin bleiben mögen, grüßt Sie herzlich

Anne Macket.«

Nellie fiel Ilse um den Hals und vermochte kein Wort hervorzubringen. Die Rührung schnürte ihr die Kehle zu; Tränen waren seltene Gäste bei unserer Nellie. Wer hätte auch auf ihre Tränen achten sollen! »Dein Mutter ist ein Engel!« brachte sie endlich, halb schluchzend, heraus. »Wie soll ich sie für alles danken!«

»Ja, Mama ist sehr gut«, bestätigte Ilse, und zum erstenmal stieg ein warmes, zärtliches Gefühl für die Mutter in ihrem Herzen auf.

»Seid ihr fertig, Kinder? Habt ihr alle eure Kisten ausgepackt?« rief Fräulein Raimar und unterbrach das Gewirr von Stimmen, das laut und lebhaft durcheinanderklang.

 

»Ja, ja!« kam es zurück, und nun begann ein allgemeines Zeigen und Bewundern der Geschenke. Die Vorsteherin blickte in lauter freudig erregte und zufriedene Gesichter. Nur Flora sah etwas enttäuscht aus. Sie hatte anstatt Jean Pauls Werke, die sie sich so glühend gewünscht hatte, Schlossers Weltgeschichte erhalten. Ihr Vater schrieb dazu, daß sie das gewünschte Werk erst erhalten werde, wenn sie reifer für solche Lektüre sei.

Reifer! Es klang wie bitterer Hohn. Sie fühlte sich mit ihren sechzehn Jahren schon überreif, da sie selbst poetische Werke schuf, und sie sollte nicht Jean Paul lesen!

Nun nahmen die Mädchen die Gaben der Lehrerinnen in Empfang. Und zum Schluß kamen endlich die versiegelten und verpackten Überraschungen an die Reihe.

Da gab es allerhand drollige und lustige Dinge, und der Jubel und das Lachen wollte kein Ende nehmen.

Flora wickelte aus zahllosen Papieren einen langen, blauen Strumpf und hielt ihn hoch in der Hand. Sehr verwundert drehte sie diese sonderbare Gabe nach allen Seiten, die ironische Anspielung, die darin zum Ausdruck kam, fiel ihr nicht gleich ein. »Ein Strumpf?« fragte sie. »Was soll ich damit?«

»Er ist dein Wappen, lieber Blaustrumpf«, belehrte sie Orla. »Der Einfall ist wirklich famos!«

»Er ist von dir«, beschuldigte sie Flora.

»Leider nein«, entgegnete Orla.

Annemie lachte so laut und herzhaft, daß sie sich als die Geberin verriet. »Bist du mir böse, Flora?« fragte sie gutmütig.

Sonderbare Frage! Ganz im Gegenteil, Flora fühlte sich sehr geschmeichelt, daß man sie zu den Blaustrümpfen zählte. Der gestickte Schlips, der in dem Strumpf steckte, erfreute sie nicht halb so wie die dichterische Anerkennung. – In bester Stimmung löste sie jetzt den Bindfaden von einem Pappkasten. Auf den Deckel war ein Weinglas gemalt und mit großen Buchstaben stand »Vorsicht!« daneben geschrieben. Ganz behutsam nahm sie dann auch den Deckel ab, warf die Papierschnitzel heraus und fand, in feines Seidenpapier eingeschlagen, ein zerbrochenes Herz von Biskuit. »Wie abscheulich von dir, Nellie!« rief sie gekränkt.

»Nicht so hitzig, Flora!« rief Grete. »Sieh doch das zerbrochene Herz erst näher an!«

Sie entschloß sich nur zögernd, aber als sie geschickt darin verborgen ein reizendes kleines Nadelkissen entdeckte, söhnte sie sich mit der bösen Nellie aus.

Aber nicht nur Flora, auch all die übrigen mußten manche kleine Neckerei in Kauf nehmen. Nellie stand vor einem großen Berg Eßwaren, die sie aus ihren Paketen herausgewickelt hatte: Schokolade, Marzipan, Apfelsinen, Rosinen und Mandeln, Lebkuchen und in einer reizenden Porzellandose zwei saure Gurken, ihre Lieblingsspeise. Sie lachte und fragte, ob sie ein so hungriges Mädchen sei. »Oh, da ist ja noch ein Paket!« fuhr sie fort. »Was für ein leckerer Bissen wird darin sein?«

Aber sie irrte sich, diesmal kam ein Buch zum Vorschein, und als sie es aufschlug, las sie auf dem Titelblatt: »Deutsche Grammatik«. Ein Blatt Papier mit einem Gedicht lag dabei. Nellie las es vor:

 
»Lerne fleißig die deutsche Sprache,
Willst du begreifen holde Poesie!
Dies Buch ist einer Verkannten Rache,
Die du verstanden hast noch nie.«
 

»Flora«, rief Nellie, »du hast mir mit deine edle Rache sehr beschämt. Ich werde lernen aus dieses Buch und dir verstehen. Komm, gib dein‘ Hand! Ich verspreche dich, daß ich nie wieder deine holde Poesie auslachen will, und wenn sie voll lauter zerbrochene Herzen ist.«

Orla erhielt unter anderem eine Brille und – o Schrecken! – auch eine Schachtel Zigaretten.

Fräulein Raimar stand neben ihr und sah das verräterische Ding. »Was ist denn das?« fragte sie. »Ich will nicht hoffen, Orla, daß du rauchst. Du würdest mich sehr erzürnen, wenn dies der Fall wäre. Doch«, unterbrach sie sich, »wie komme ich dazu, einen Scherz für ernst zu nehmen! Am Weihnachtsabend sind dergleichen Witze erlaubt.« Leiser und nur für die Russin vernehmbar setzte sie hinzu: »Ich habe das feste Vertrauen zu dir, daß du niemals rauchen wirst.«

Die Angeredete schwieg und senkte die Augen. Der Tadel traf die Wahrheit, sie rauchte wirklich manchmal im verborgenen eine heimliche Zigarette.

Melanie liebäugelte mit einem zierlichen Handspiegel. Sie freute sich sehr über ihn, noch mehr aber über ihr eigenes Bild, das ihr entgegenlachte.

Grete blickte ihr über die Schulter. »Das ist eine Anspielung auf deine Eitelkeit, Melanie. Ich habe nichts bekommen, was mich ärgern oder wodurch ich mich betroffen fühlen könnte.«

»Nun glaubst du dich wohl fehlerfrei, liebe Grete?« spottete Melanie. »Bilde dir das ja nicht ein, liebes Kind! Du bist noch lange kein vollkommenes Wesen. Es gibt sehr vieles an dir auszusetzen.«

Als sollten ihre Worte sofort in Erfüllung gehen, rief Fräulein Güssow: »Grete, da steht noch eine Schachtel auf deinem Platz. Es lag Papier darauf, und du wirst sie deshalb übersehen haben.«

Vergnügt und erwartungsvoll öffnete Gretchen die Schachtel. O weh. Als sie den Deckel abhob, lachte sie ein glänzendes, zierlich gearbeitetes Vorlegeschloß boshaft an.

»Das ist eine Anspielung auf dich, teures Plappermäulchen«, rief Melanie mit schwesterlicher Schadenfreude und hielt das Schloß an Gretes Lippen. »So, damit du in Zukunft hübsch schweigst und nicht so vorlaut bist.«

Ilse holte aus einer mächtigen Kiste, die bis obenhin mit Heu gefüllt war, einen Hund. Keinen lebendigen, o nein! Es war nur einer aus Pappe. Er war braun und hatte weiße Pfötchen. Um den Hals trug er an einem roten Band einen Zettel, auf dem mit großen Buchstaben »Bob« geschrieben war.

»Orla!« erriet Ilse sofort. Orla zog sie oft genug mit ihrem Hund auf. Es kam ihr jetzt selbst recht lächerlich vor, wenn sie sich ihren Einzug in der Pension mit Bob auf dem Arm ausmalte.

Ilse fand noch eine Überraschung vor. In einem reizenden Arbeitskorb fand sie einige Äpfel aus Marzipan.

Nellie stand neben Ilse und flüsterte ihr zu: »Diese sind Äpfel von der Baum – weißt du noch?«

Ilse blickte ängstlich zur Seite, aber Nellie fuhr beruhigend fort: »Du darfst nicht Angst haben, niemand hört uns.«

Sie hatte recht. Die allgemeine Aufmerksamkeit war auf einen Vogelkäfig gerichtet, in dem eine Lachtaube saß. Annemie hielt ihn freudig überrascht in der Hand.

»Nun könnt ihr um die Wette lachen«, scherzte die Vorsteherin, »denn das Täubchen darfst du behalten und in deinem Zimmer aufhängen. Aber vergiß niemals, Annemie, daß du das Tierchen regelmäßig füttern mußt!«

So erhielt eine jede ihre scherzhafte Rüge, nur Rosi nicht. Die Pensionärinnen hatten sich den Kopf zerbrochen, um einen Tadel an ihr zu entdecken, aber zu ihrem Bedauern keinen gefunden. »Ganz ohne Scherz darf sie nicht sein«, hatte Nellie erklärt und ein Bilderbuch gekauft, auf dessen Titelblatt in goldenen Buchstaben drei Worte glänzten: »Für artige Kinder.« —

Nachdem die Bescherung zu Ende war, wurde der Tee eingenommen und kurze Zeit darauf zur Ruhe gegangen. Lilli wurde es schwer, sich von ihren schönen Dingen zu trennen; sie wollte nicht zu Bett gehen, aber der Sandmann kam und streute ihr den Schlaf in die Augen.

Es wurde still und dunkel im Haus. Der Christabend war zu Ende mit seiner frohen Erwartung und seinem Lichterglanz.

Neujahr war vorüber und alles wieder im alten Geleise. Der Unterricht begann, und Miß Lead kehrte wenige Tage nach Neujahr von ihrer Reise zurück. Sie brachte sechs junge Engländerinnen mit, die kein Wort Deutsch verstanden und sehr an Heimweh litten.

Die längst ersehnten Tanzstunden waren bereits seit vierzehn Tagen in Gang und brachten Abwechslung in das gleichmäßige Institutsleben. Zweimal in der Woche kam von sechs bis acht Uhr abends der Tanzlehrer mit einer Geige und unterrichtete im großen Saal.

Die kleineren Mädchen nahmen an dem Unterricht nicht teil, und auch die Engländerinnen schlossen sich aus; sie verstanden noch zu wenig Deutsch, und sie fanden auch keinen Geschmack an den einförmigen Tanzschritten. Melanie auch nicht, und sie nannte bis jetzt die Tanzstunde »furchtbar öde«. »Es ist ein schrecklich langweiliges Vergnügen, die Hüpferei«, äußerte sie auf einem Spaziergang zu Flora. »Wozu das alles? Wir können doch alle schon tanzen? Und wie wir uns zu benehmen haben und grüßen müssen, das wissen wir erst recht! Wir sind doch erwachsene Mädchen!«