Kostenlos

Die Ansiedlung auf dem Meeresgrunde

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Richard war nicht auf Abenteuer ausgegangen, sondern auf eine Forschungsexpedition. So studierte er die Pflanzen und Tiere, fing Fische und untersuchte sie und stellte auch Experimente zur Erkenntnis der hier unten herrschenden physikalischen Gesetze an, indem er den Wasserdruck maß, die Schallwellen prüfte und so weiter.

Den großen Polypen schenkte er keine Beachtung, denn es waren ganz genau dieselben, wie sie sich in den höchsten Schichten des Meeres aufhalten, nur daß sie hier unter dem starken Drucke entsprechend größere Dimensionen angenommen hatten, wenn auch noch lange nicht jene ungeheuren, wie sie nicht nur in den Köpfen von Seeleuten und Fischern spuken, sondern auch in Wirklichkeit vorhanden sind, wie zum Beispiel einst an der norwegischen Küste solch ein riesiges Ungestüm strandete, das wohl fähig war, mit seinen Fangarmen selbst einem großen Schiffe verderblich zu werden.

Allein Richard hatte die Gefährlichkeit dieser Polypen unterschätzt, denn plötzlich fühlte er sich von hinten erfaßt und mit starker Gewalt nach rückwärts gezogen, und wie er sich umwandte, war er schon von Fangarmen umschlungen. Allerdings genügten einige Schnitte mit seinem Messer, um sich wieder von dem Polypen zu befreien, der sich an ihn festgesaugt hatte, aber der Schreck war doch ein ungeheurer gewesen und die Muskelkraft dieser Weichtiere eine gar nicht zu unterschätzende. Dann machte Richard auch noch eine andere unangenehme Entdeckung. Als er nämlich zur Bestrafung des frechen Räubers diesem eine elektrische Sprengkugel in den Leib sandte, blieb diese Manipulation ganz ohne Erfolg. Die Glaskugel fand an der weichen Masse zu wenig Reibung und drang, ohne sich zu entladen, durch sie hindurch.

Seitdem ging Richard den schlangenarmigen Geschöpfen sorgsam aus dem Wege. Zu fürchten hatte er sie ja sonst nicht, sie krochen viel zu langsam, und der Lichtkreis, den er um sich verbreitete, zeigte ihm stets ihre Annäherung. Nur schaute er sich jetzt beständig um.

Die rätselhafte Feuerkugel

Wie Richard einmal so ganz vertieft in der Betrachtung einer Muschel dastand und trotzdem gewohnheitsmäßig scheue Blicke um sich warf, gewahrte er auf einmal in der dunklen Ferne einen leuchtenden Punkt, der schnell näher kam.

Zuerst glaubte Richard, der die Entfernung ja gar nicht taxieren konnte, es sei ein phosphorescierendes Tierchen, oder vielleicht auch eine Qualle, wie er sie bis jetzt hier unten noch nicht gesehen hatte; aber das Ding wurde immer größer und größer, und jetzt war es schon so groß wie ein Suppenteller und rollte mit bedeutender Geschwindigkeit heran. Richard wurde von Furcht befallen, denn nun erkannte er in ihm eine feurige Kugel von einem Meter Durchmesser, die noch immer wuchs und bald eine Höhe von drei Metern erreicht hatte. So raste die Kugel mit der Schnelligkeit eines Eilzuges an Richard vorüber, passierte noch den von seinem Gürtel ausstrahlenden Lichtkreis und verlor sich dann schnell wieder als leuchtender Punkt in der Finsternis.

Fassungslos stand Richard da. Was war das für ein Phänomen gewesen, das sich auf dem Meeresboden mit solcher Geschwindigkeit fortgewälzt hatte? Ein unbekanntes Tier? Eine elektrische Erscheinung, die vielleicht hier die Stelle des Blitzes vertrat?

Nein, er hätte schwören mögen, daß diese Kugel von drei Metern Durchmesser aus irgend einem Material wie von Menschenhand hergestellt war und elektrisches Licht ausstrahlte! Wo sie rollte, hatte sich ein großer Polyp befunden, der jetzt verschwunden war. Richard wollte sich, als er seine erste Bestürzung überwunden hatte, dorthin begeben. Da stieß sein Fuß an einen dunklen Streifen, der sich, parallel mit einem anderen laufend, quer über seinen Weg zog. Er hatte die beiden Streifen schon vorhin bemerkt, sie aber für Bodenrisse gehalten. Jetzt bückte er sich, tastete mit der Hand nach ihnen und war außer sich vor Staunen – das waren ja Eisenbahnschienen! Die beiden bildeten zusammen ein Eisenbahngleis, und auf diesem hatte sich die feurige Kugel bewegt!

„Eine Eisenbahn auf dem Meeresgrunde, ein Wagen in Gestalt einer Kugel und getrieben durch Elektricität!“

So blitzte es durch seinen Kopf. Doch schnell verwarf er diesen Gedanken wieder als lächerlich. Wer sollte denn der Erbauer dieser Bahn sein; was für Wesen sollten sie denn benutzen? – Und doch, welch eine andere Möglichkeit konnte es geben?

Die Thatsache blieb bestehen, daß hier zwei Schienenstränge lagen, die allerdings etwas anders geformt waren, als gewöhnliche Eisenbahnschienen, und nach oben mehr spitz und keilförmig zuliefen. Nicht war es wegzuleugnen, daß zwischen diesen Schienen die elektrische Kugel gelaufen war, die den großen Polypen zu einer breiigen Masse zerquetscht hatte!

Richard leuchtete mit seiner Blendlaterne – das Ende der Schienenstränge war nicht abzusehen!

Wie er noch staunend über dieses Rätsel grübelte und zwischen den Schienen stand, war es ihm, als ob ihn von hinten ein Wellenschlag träfe. Gleichzeitig wurde es sehr hell. Jäh blickte er sich um – und sprang tödlich erschrocken zur Seite, oder wurde vielmehr von einer Kraft zur Seite geschleudert!

Vier solcher feurigen, riesigen Kugeln, dicht zusammenhängend, rasten, diesmal von der anderen Seite kommend, an ihm vorüber und verloren sich dann als glühende Punkte in der Finsternis.

Jetzt war jeder Zweifel bei Richard beseitigt. Wenn das Geheimnis auch noch so wunderbar war: er hatte es hier mit einer Eisenbahn auf dem Meeresgrunde zu thun, denn ganz dicht waren ja die Kugeln an ihm vorüber gejagt, sodaß er sie mit der ausgestreckten Hand, freilich wohl zu seinem Schaden, hätte berühren können. Nur den deutlichen Eindruck hatte er dabei bekommen, daß die Kugeln selbst nicht feurig waren, sondern daß sie das elektrische Licht durch Oeffnungen, vielleicht durch Fenster, ausstrahlten und durch ihre ungeheuer schnelle Rotation einen weiten Lichtkranz rund um sich herum verbreiteten.

Zur Lösung dieses Rätsels gab es nur ein einziges, und zwar ein sehr einfaches Mittel: Richard brauchte nur den Schienensträngen nachzugehen, dann mußte er an einen Bahnhof oder an irgend einen anderen Punkt kommen, von dem die Züge ausgingen. Zitternd vor fieberhafter Spannung machte sich Richard daher auf den Weg.

Was für ein Geheimnis würde sich ihm hier unten auf dem Meeresboden, in einer Tiefe, die für jeden anderen Taucher unzugänglich war, noch offenbaren? –

Die versunkene Stadt

Schon eine Stunde war Richard marschiert und durch eine außerordentliche Springkraft sehr schnell vorwärts gekommen, ohne daß ihm wieder ein Kugelwagen entgegengeeilt wäre oder ihn überholt hätte. Auch sonst stieß er auf nichts Auffälliges. Nur die Schienen blieben. Sie liefen am Boden hin, überbrückten Spalten und Schluchten, waren, wenn diese zu breit wurden, durch Streber abgestützt worden und kletterten Hügel hinauf und hinab. Schließlich fand Richard auch Weichen; jedoch war er nicht imstande, zu erkennen, wie diese gestellt wurden.

Als er sich wieder einem Hügel näherte, sah er vor sich einen größeren Lichtschein auftauchen. Es machte ungefähr den Eindruck, wie wenn man sich in der Nacht noch weit ab von einer belebten Stadt befindet. Der Horizont war gerötet oder hier vielmehr weißgelb, und als Richard den Hügel erstiegen hatte, sank er vor Staunen in die Kniee. Er vermochte seinen Augen nicht zu trauen.

Vor ihm breitete sich nämlich eine ganze Stadt aus, die von elektrischem Lichte erhellt wurde.

Er war noch zu weit davon entfernt, um etwas deutlich unterscheiden zu können, aber die Häuser erkannte er schon, kleine und große Paläste – selbst Kirchtürme – ja, es war eine Stadt, eine wirkliche Stadt auf dem Meeresgrunde!

Endlich raffte Richard sich auf. Er mußte hin, die Stadt besichtigen und deren Bewohner kennen lernen!

Nur eine Frage warf er auf, weil sie mit seiner Sicherheit zu thun hatte.

Was für Meeresgeschöpfe mochten es sein, die hier eine Stadt errichtet und eine Eisenbahn angelegt hatten? Menschen? Auf keinen Fall. Er mußte allerdings gefaßt sein, auf intelligente Wesen zu stoßen, die durch ihren Körperbau zum Bewohnen einer solchen Meerestiefe befähigt waren. Diese Geschöpfe einer unterseeischen Region waren sicherlich ganz und gar anders gebaut, als die an der Oberfläche der Erde wohnenden, höchstentwickelten Wesen, die man Menschen nennt, und deren Kenntnis sie sich bisher entzogen hatten. Sie wußten vielleicht auch nichts von den Menschen, obschon dies immerhin möglich sein konnte, denn sie mußten doch manchmal untergegangene Schiffe mit Leichen finden. Aber einem lebenden Menschen waren diese unterseeischen Geschöpfe sicher noch nicht begegnet, und es war die Frage, welche Aufnahme ein solcher bei ihnen finden würde!

Was aber auch geschehen mochte, Richard wollte sich jeder Gefahr aussetzen, um dieses Geheimnis zu ergründen!

Wenn er nach den an der Erdoberfläche herrschenden Verhältnissen rechnete, hätte er wohl noch drei bis vier Meilen von der Stadt entfernt sein müssen. So sah es von hier oben nämlich aus. Das war aber nur eine Täuschung, die durch das Meerwasser verursacht wurde. Im Wasser reicht der Blick ja nicht so weit. Die Entfernung war eine viel kleinere, mit jedem Schritte wuchsen die Häuser höher und höher, und Richard war erst eine Viertelstunde marschiert, als er sich schon zwischen den ersten Häusern befand.

Nach der flachen Bauart derselben, die meist aus Sandstein bestanden, war er in einer orientalischen Stadt! Ja, hier waren auch keine Kirchtürme, sondern Minarets Türme von Moscheeen!

Und eine solche Stadt auf dem Meeresgrunde? –

Richard wurde immer mehr irre in seinen Ansichten, sie wechselten fortwährend. Wohl waren diese Gebäude hier Häuser, aber die Wasserpflanzen wucherten zu den offenen Fenstern heraus und alles war mit Vegetation und Muscheln bedeckt, und alles ausgestorben! Wozu in aller Welt waren denn hier unter dem Wasser großartige Springbrunnen und Fontänen angelegt? –

 

Kein Zweifel mehr, es war eine im Meere versunkene Stadt, die er vor sich hatte. Sind ja oft genug schon ganze Inseln mit Städten unter dem Wasser verschwunden! Das Land, auf dessen Boden er stand, hatte sich wahrscheinlich nicht durch eine plötzliche Katastrophe, sondern nach und nach gesenkt, sodaß die Bauten ziemlich gut erhalten geblieben waren.

Aber wie kam da die in Betrieb befindliche Eisenbahn hierher? Das Rätsel war also noch nicht gelöst, und ein solches war auch das helle, elektrische Licht, das die Stadt erleuchtete, ohne daß Richard seine Quelle entdecken konnte.

Da – narrte ihn denn ein Gaukelspiel der Hölle? – Sah Richard sein vollkommenes Spiegelbild? Doch das war er nicht selbst, das war ein anderer Taucher, der auf ihn zukam; derselbe war nur ganz genau so ausgerüstet wie er. Auch er trug um die Hüften den lichtstrahlenden Gürtel, darin die eigenartige Axt und die langläufige Pistole und alle die anderen Instrumente, vor allen das Luftreservoir auf dem Rücken; auch hatte er den Schalltrichter ebenso wie Richard an einem Schlauche am Glockenhelme hängen.