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Der König der Zauberer

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Also auch noch dem Vertrauten gegenüber prahlte er mit seiner Allwissenheit, obwohl er ihn nur prüfen wollte!

Richard aber war sich seiner Sache sicher, jetzt prüfte er seinen Lehrer. Nach seiner Erklärung hatte Professor Röntgen Strahlen entdeckt, die die Eigenschaft besaßen, den menschlichen Augen das Unsichtbare in der Atmosphäre sichtbar zu machen, sodaß sie sahen, daß unsere Umgebung in der Luft mit Wesen erfüllt ist, die ungefähr denen der Mikroben im Wassertropfen des Sumpfes gleichen, nur daß sie einen riesenhaften Umfang haben und durch ihre Aetherbeschaffenheit jede feste Materie durchdringen können. Der Apparat, welcher die X-Strahlen erzeugt, spielte also ungefähr die Rolle eines Mikroskopes, oder hier richtiger, eines Makroskopes, war also eine Brille zur Sichtbarmachung von sonst unsichtbaren Wesen.

Richtig, der alte Zauberer ging in die ihm gestellte Schlinge! Er wollte thun, als sei ihm dies alles schon bekannt, vermochte aber seine Aufregung nicht zu bemeistern, als er in dem Gemache auf- und abging, und stellte, da der Gelehrte bei ihm durchbrach, immer neue Fragen.

Plötzlich konnte sich Richard nicht mehr halten, seine Erklärungen kamen ihm selbst zu komisch vor, und er brach in ein lautes Gelächter aus.

Das Antlitz des Alten färbte sich dunkelrot, er schleuderte dem Kecken einen vernichtenden Zornesblick zu, seine Hand wies nach der Thür – und Richards Lachen erstarb, er schlich hinaus. Zu spät erkannte er, was er angerichtet habe; er befand sich doch völlig in der Macht dieses stolzen, gewaltthätigen Mannes, der so etwas wohl nie verzeihen konnte.

Er wartete im Vorzimmer, dachte nicht anders, als daß jetzt die Strafe auf dem Fuße folgen würde, und sah keine Möglichkeit, dieser zu entgehen.

Nach einer Viertelstunde wurde er durch ein Glockenzeichen wieder hereingerufen.

„Setze Dich und höre mich an,“ sagte der Greis, nicht stolz und befehlend, sondern eher gedrückt, indem er dabei immer auf- und abging, und die Worte traurig klangen und stoßweise hervorkamen.

„Du verstehst mich besser zu beurteilen, mein Sohn, als je einer zuvor,“ begann er, „und bei Dir weiß ich auch, daß ich mich vergebens bemühen werde, Dich von meiner gottähnlichen Allmacht zu überzeugen, denn Du bist ein Kind Deiner Zeit, und die Zeiten haben sich, seitdem ich die Welt verlassen habe, sehr geändert. Mit jedem neuen Ankömmling merke ich es mehr; immer schwerer wird es mir, sie zu meinen willenlosen Sklaven zu machen. Ich bin alt. Ich habe lange, lange gelebt, ich sehne mich nach der ewigen Ruhe des natürlichen Todes. Aber zweifelst Du daran, Knabe, daß ich die Macht habe, mein Leben und das meiner Unterthanen nach Belieben zu verlängern?“

„Nein, daran habe ich nie gezweifelt, daß es solch ein Mittel geben kann,“ entgegnete Richard, „und ich glaube, daß Du es besitzest. Deshalb aber bist Du noch nicht allmächtig wie Gott, kannst Du doch noch nicht die Unsterblichkeit erlangen.“

„Du sprichst die Wahrheit, mein Sohn. Wenn ich sterben werde, brauche ich einen Nachfolger, der mich vertritt. Ich weiß keinen. Sie alle, die ich deswegen schon geprüft, habe ich zu schwach erfunden; selbst meine Kinder und Kindeskinder haben sich als untauglich erwiesen, und außerdem hassen mich auch diese. Ach, es ist ein friedloses Dasein. Die Befriedigung meines Stolzes genügt mir nicht mehr, ich möchte es verlassen, um schlafen zu gehen, und dennoch möchte ich wie ein allmächtiger Gott in alle Ewigkeit verehrt werden! Du hast das Geheimnis meiner Macht erkannt, vielleicht nur zufällig, aber Du weißt es dennoch, deshalb habe ich Dich am allermeisten zu fürchten, und deshalb vertraue ich mich Dir lieber gleich ganz an und frage Dich: Willst Du mein Erbe und Nachfolger sein, Richard? Willst Du der König im Reiche des lebenden Todes werden und eine Macht über Menschen ausüben, wie sie kein Kaiser in der Welt kennt? Willst Du aber auch zum Danke dafür sorgen, daß man meinen Namen auch nach meinem Tode verehrt?“

Für Richard kam dieser Vorschlag nicht mehr überraschend. Er hatte Aehnliches schon erwartet. Nur einen Moment währte sein Zögern.

„Nein“, sagte er dann im entschiedensten Tone, „Du verlangst von mir, daß ich einen ungeheueren Frevel begehe, der schon allein darin liegt, daß fernerhin mein ganzes Leben eine lebendige Lüge sein soll. Du bist ein Mensch, und magst Du auch alle irdischen Wissenschaften hinter Dir haben, Du bist doch nur ein Mensch, kein Gott, und nimmermehr werde ich Dich anbeten, noch andere veranlassen, Dich wie einen Gott zu verehren. Die Wahrheit geht über alles, die Lüge ist die Sünde wider den heiligen Geist, die nie verziehen werden kann.“

Wieder verwandelte sich der Greis; mit zornigen Blicken maß er den kühnen Sprecher.

„Ich biete Dir alle Macht der Erde an, und Du, Narr, schlägst es aus thörichter Wahrheitsliebe aus?“ rief er heftig. „Du unterschätzest meine Macht denn doch, und ich werde Dir einmal beweisen, daß ich der Herr über Tod und Leben bin!“

„Töten kannst Du mich wohl, daran zweifle ich nicht,“ sagte Richard unerschrocken, auf alles gefaßt.

Der Greis hatte aus einem Schrank einen runden, mit einem Tuche verdeckten Gegenstand geholt, er entfernte die Verhüllung; eine Kugel kam zum Vorschein, etwa im Durchmesser einer großen Kegelkugel und scheinbar aus Glas.

„Du hast das Richtige erraten,“ fuhr er fort, „meine Macht besteht in den von mir entdeckten Strahlen, lerne ihre Wirkung kennen und den Unterschied, den dieser Zustand vom Tode hat. Ich verurteile Dich für einen Tag zur Verdammnis im Höllenpfuhl.“

Die Kugel in seinen Händen blitzte plötzlich in einem intensiv weißen Lichte auf, gleichzeitig fühlte Richard, wie eine Eiseskälte durch seine Glieder rann und ihm das Blut erstarren machte, er glaubte noch ein teuflisches Hohngelächter in seinen Ohren gellen zu hören, dann verließ ihn die Besinnung.

„Das ist der Todesschlaf, welcher dem Erwachen in der Hölle vorausgeht,“ war sein letzter Gedanke.

Wirklich, da wurde er schon wieder geweckt.

„Wache auf, Richard, es ist schon spät,“ sagte eine ihm wohlbekannte Stimme, und als er die Augen aufschlug, blickte er in die milden, freundlichen Züge seiner Tante. Sie hatte den Langschläfer geweckt.

„Gott sei Dank, daß es nur ein Traum war,“ dachte er erleichtert beim Ankleiden. „Seltsam, was mir die Phantasie da wieder vorgegaukelt hat! Ein wachender Mensch kann gar nicht auf solche Gedanken kommen. Aber einen richtigen Abschluß hat dieser Traum auch noch nicht gefunden, und ich werde ihn später vielleicht einmal fortsetzen, um zu erfahren, was ich weiter im Lande des lebenden Todes erleben werde.“