Weihnachtszeit

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Oskar Laske, Bäuerin mit Kindern und Wagen mit Christbaum, o.J.


Oskar Laske, Weihnachten – Diese eine Nacht, o.J.


ADVENT

Schaut mal, wie ist der Himmel so rot,

das sind die Englein, die backen dort Brot.

Sie backen dem Weihnachtsmann seinen Stuten,

für all die kleinen Leckerschnuten.

Volksgut


DIE WEIHNACHTS-METAMORPHOSE

Vorfreude ist die schönste Freude. Ich habe die Vorweihnachtszeit eigentlich fast lieber als Weihnachten. Sie beginnt bei uns schon zwei Wochen vor dem 1. Adventsonntag, sobald wir mit der Weihnachtsdekoration starten. Wir dekorieren Haus und Garten, sogar die Bücher werden ausgetauscht und die Bilder an den Wänden. Jedes Kind schmückt sein Zimmer nach den eigenen Vorlieben und stellt seine Lieblingsbücher zum Bett. Wobei es zwischen den Geschwistern manchmal ein kleines Gerangel um die meistgeliebten Exemplare gibt.

Ich freue mich jedes Jahr darauf, die Kisten und Schachteln mit der Weihnachtsdekoration zu öffnen, Stück für Stück auszuwickeln, in die Hand zu nehmen und zu betrachten. Schließlich ist es ein freudiges Wiedersehen nach einem ganzen Jahr. Viele Stücke meiner Sammlung sind Antiquitäten, und darum aufwändig verpackt. Es gibt einen eigenen Raum, in dem die Dekoration lagert, ebenso einen für die Osterdekoration. Die liebe ich auch sehr, aber ich finde, Weihnachten ist noch familiärer. Die alten Kostbarkeiten mischen sich mit Gefundenem vom Trödel. Für mich sind alte Dinge nicht zwangsläufig schöner als neue und Stil hat nichts mit Geld zu tun.

Wie früher bei meinen Eltern kommt jetzt vieles zum Einsatz, das es nur zur Weihnachtszeit gibt und das zur vorweihnachtlichen Stimmung beiträgt: das hübsche Geschirr mit dem weihnachtlichen Dekor, das Jahresbesteck des dänischen Traditionsbetriebes Michelsen, Weihnachtsgeschirr von Tiffany’s, Wäsche mit weihnachtlichen Motiven, sei es für den Esstisch, das Bad oder in unseren Schlafzimmern. Dazwischen kunsthandwerkliche und künstlerische Objekte aus verschiedenen Materialien.

Selbst mein Parfum ist ein anderes in der Weihnachtszeit, die Kerzen duften nach Pinie und Eukalyptus, Kränze und kleine Gestecke aus der winterlichen Pflanzenwelt verströmen zusätzlich ihr feines Aroma. In all dem spiegelt sich die Weihnachtszeit wider. Damit meine älteste Tochter, die in London lebt, diese spezielle Aura auch dort ein klein wenig nachahmen kann, habe ich ihr letztes Jahr einen ganzen Koffer voll mit weihnachtlichen Stimmungsmachern geschickt.


SCHUHals Bonbonbehälter aus Dresdner Pappe, Ende 19. Jahrhundert Salzburger Weihnachtsmuseum, Privatsammlung Ursula Kloiber

Auch außen zaubern wir ein Weihnachtswunderland, mit geschmückten Fenstern, Türen und Lichterketten an den Bäumen. Ja, ich gehe sogar so weit, dass ich unsere Autos schmücke, sie werden mit Merry Christmas beschriftet, bekommen eine kleine Girlande mit Lichtern und innen einen Mini-Christbaum. Das ist ein wenig kitschig. Aber ich finde, ein bisschen Kitsch darf ruhig sein, und ich bringe damit die Leute zum Lächeln, wenn ich durch die Gegend fahre.


Bei uns ist Weihnachten Programm. Auch wenn es viel Arbeit macht, bringt es alle, die daran mitarbeiten, in eine besondere Stimmung, die sie in die folgenden Wochen mitnehmen. Aber eines ist auch klar: Wenn man Weihnachten nicht mag, dann sollte man nicht hierherkommen.


EINE RUHIGERE, ABER NICHT STADE ZEIT

Sobald die 1. Kerze am Adventkranz angezündet ist, kann ich mich ruhig zurücklehnen. Der Deko-Marathon ist im Ziel. Die Weihnachtskarten sind geschrieben und versandt – viele, es sind mehrere Hundert, so viel sei verraten. Mir ist es wichtig, sie sehr persönlich zu halten, ich schreibe mir nahestehenden Personen, solchen, mit denen wir das Jahr über im Alltag immer wieder zu tun haben, seien es Ärzte, Lehrer, Bekannte im Dorf und Menschen, zu denen ich eine besondere Beziehung habe wie meine alte Lehrerin in Paris. Dafür nehme ich mir Zeit. Die Geschenke sind bereits besorgt. Ich will mit allem fertig sein, um im Advent dann alles, was ich in dieser Zeit gerne mache, in Ruhe genießen zu können. Es gibt sogar eine Studie dazu, die im Prinzip ungefähr Folgendes aussagt: Wer früh schmückt, hat mehr vom Leben.


In Ruhe genießen heißt bei uns nicht, dass die angeblich „stillste Zeit im Jahr“ eine „stade“ ist, dass nichts bei uns los ist. Aber wir haben Zeit, sie ohne Stress zu erleben. Manchmal geht es sogar etwas turbulent zu, mit Schul-Weihnachtsfeiern, den Geburtstagen meiner mir sehr nahestehenden Tochter Emilia und meines Ziehvaters, Herbert Kloiber, die witzigerweise beide auf den 6. Dezember fallen, Vorbereitungen und Proben für ein Weihnachtstheater, das die Kinder zusammen mit anderen im Pfarrheim auf die Bühne bringen. Alle sind da – vom Kinderarzt über die Feuerwehr bis zur Wasserrettung. Der Erlös wird dem Altersheim gespendet, dort wird vorgelesen und musiziert, um so sozusagen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.


Außerdem basteln wir eifrig, puzzlen, karteln und backen zusammen Weihnachtskekse. Wir lesen sehr viel, hören Musik, von Klassik bis zum alten Volkslied, Jazz und weihnachtlichen Hits aus der Popwelt. Sie laufen leise im Hintergrund zum Mitsummen oder Mitsingen. Manchmal auch krachlaut, seit meine Große und ihre Freundinnen und Freunde entdeckt haben, dass es sich dazu auch vorzüglich tanzen lässt.


WEIHNACHTLICHES VON HÄNDELS MESSIAH BIS MARIAH CAREY

Ich habe für meine Weihnachts-CDs mehr als 100 Titel zusammengestellt, mit Interpreten und Interpretinnen wie Kiri Te Kanawa, Luciano Pavarotti, Placido Domingo und José Carreras, berühmten Chören, Eartha Kitt, Ella Fitzgerald und Nat King Cole aus dem Jazzgenre sowie Legenden der leichten Muse – Oldies wie Frank Sinatra und Dean Martin, Stars der 1950er und 60er Jahre, bis hin zu Pop-Größen wie Michael Jackson, Mariah Carey, Queen und U2.

Eines meiner Lieblingslieder ist „The Twelve Days Of Christmas“, ein Weihnachtslied in Form eines Kinderreims, vermutlich französischen Ursprungs. Es wurde 1780 erstmals in einem englischen Kinderbuch veröffentlicht und später von vielen bekannten Künstlerinnen und Künstlern in ihr Repertoire aufgenommen. Darunter von Judy Collins, Bing Crosby & The Andrews Sisters, Glenn Miller und Frank Sinatra. Eine deutschsprachige Version hat 1998 Reinhard Mey veröffentlicht. Der Country-Star John Denver hat das Lied mit den Muppets eingesungen, in der britischen, 1956 für den Oscar nominierten Kurzfilmkomödie „On the Twelfth Day“ wird es humorvoll bearbeitet. Ich mag die Interpretation des US-amerikanischen Gesangstrios The Lettermen aus dem Jahr 1993 besonders gern.


12 DAYS OF CHRISTMAS

On the first day of Christmas

My true love gave to me

A partridge in a pear tree

On the second day of Christmas

My true love gave to me

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the third day of Christmas

My true love gave to me

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the fourth day of Christmas

My true love gave to me

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the fifth day of Christmas

My true love gave to me

Five gold rings

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the sixth day of Christmas

My true love gave to me

Six geese a laying

 

Five gold rings

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the seventh day of Christmas

My true love gave to me

Seven swans a swimming

Six geese a laying

Five gold rings

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the eighth day of Christmas

My true love gave to me

Eight maids a milking

Seven swans a swimming

Six geese a laying


Five gold rings

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the ninth day of Christmas

My true love gave to me

Nine ladies dancing

Eight maids a milking

Seven swans a swimming

Six geese a laying

Five gold rings, badam-pam-pam

Four calling birds, Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the tenth day of Christmas

My true love gave to me

Ten lords a leaping

Nine ladies dancing

Eight maids a milking

Seven swans a swimming

Six geese a laying

Five gold rings, badam-pam-pam

Four calling birds, Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the eleventh day of Christmas

My true love gave to me

Eleven pipers piping

Ten lords a leaping

Nine ladies dancing

Eight maids a milking

Seven swans a swimming

Six geese a laying

Five gold rings, badam-pam-pam

Four calling birds

Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

On the twelfth day of Christmas

My true love gave to me

12 drummers drumming

Eleven pipers piping

Ten lords a leaping

Nine ladies dancing

Eight maids a milking

Seven swans a swimming

Six geese a laying

Five gold rings, badam-pam-pam

Four calling birds, Three French hens

Two turtle doves

And a partridge in a pear tree

Das Lied erzählt, welche Geschenke der Sänger von seiner wahren Liebe – „true love“ – an den zwölf Weihnachtstagen zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Jänner erhalten hat. Jeden Tag wird ein neues hinzugefügt, im Text wird jeweils der aktuelle Stand aufgezählt. Die einzelnen Strophen werden so immer länger, am letzten Tag und somit in der letzten Strophe werde alle 12 Geschenke aneinandergereiht: zwölf Trommler, elf Dudelsackspieler, zehn Moriskentänzer, neun Tänzerinnen, acht Mägde, sieben Schwäne, sechs Gänse, fünf goldene Ringe, vier Kanarienvögel, drei französische Hühner, zwei Turteltauben und ein Rebhuhn in einem Birnbaum. Passend zu diesem Lied habe ich meiner Sammlung alle diese Geschenke im Kleinformat in Silber aus der Werkstätte von Stuart Devlin in London.

Die Bedeutung der einzelnen Präsente ist nicht geklärt. Mir gefällt die Deutung mit religiösem Bezug, auch wenn umstritten ist, wieweit sie zutrifft: 1 Gott, 2 das Alte und Neue Testament, 3 Glaube, Liebe und Hoffnung, 4 die vier Evangelien, 5 die fünf Bücher Moses, 6 die sechs Tage der Schöpfung, 7 die sieben Sakramente, 8 die acht Seligpreisungen, 9 die neun Früchte des Heiligen Geistes, 10 die zehn Gebote, 11 die elf Apostel, 12 die zwölf Glaubenssätze des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Eine recht aktuelle nette Geschichte gibt es auch zu den „Twelve Days of Christmas“: 1984 wurden die wahren Kosten von Weihnachten von einem US-amerikanischen Kreditinstitut anhand der Güter, die im Lied beschrieben werden, ermittelt. Der Weihnachtspreisindex, ein kleiner wissenschaftlicher Witz, ist letztlich bis 2009 ermittelt worden, weil er offenbar die allgemeine Preisentwicklung in den USA ganz gut wiedergeben konnte.


„ SURPRISE-BOXES“

von Stuart Devlin, London, aus dem Set 12 Days of Christmas, teilweise vergoldetes Silber, 1970/81

Unsere WEIHNACHTS-PLAYLIST:

Adeste Fideles

Regensburger Domspatzen

All I Want For Christmas Is You

Mariah Carey

Amazing Grace

José Carreras, Plácido Domingo, Luciano Pavarotti

Carol Of The Bells

Plácido Domingo & Friends

Christmas

Darlene Love

Christmas Wrapping

The Waitresses

Come All Ye Faithful

Dresdner Kreuzchor

Deck The Halls

Band of Welsh Guards, Chöre

Little Christmas Tree

Michael Jackson

Ding Dong! Merrily On High

Choir of Clare College, Cambridge

Es ist ein Reis entsprungen

Wiener Jeunesse-Chor

Freude über Freude

Mädchenchor Werningerode

The First Noël

Mormon Tabernacle Choir

Hark! The Herald Angels Sing

Felix Mendelssohn Bartholdy, John Alldis Choir London Symphony Orchestra

Hark! The Herald Angels Sing

Felix Mendelssohn Bartholdy, Choir of Trinity College, Cambridge

How The Grinch Stole Christmas

Boris Karloff

I Saw Mommy Kissing Santa Claus

Bobby Sherman

It Feels Like Christmas

The Lettermen

Joy To The World

Mormon Tabernacle Choir

The Little Drummer Boy

The Supremes

Macht hoch die Tür

Dresdner Kreuzchor

Vom Himmel hoch, da komm ich her

Felix Mendelssohn Bartholdy, Choir of King’s College, Cambridge

Scrooge

The Muppet Cast

See The Conqu’ring Hero Come Aus: Judas Maccabaeus

Georg Friedrich Händel, Royal Philharmonic Orchestra

Stille Nacht, heilige Nacht

Regensburger Domspatzen

Stop The Cavalry

Jona Lewie

Tochter Zion

Thomanerchor Leipzig

The Twelve Days Of Christmas

The Lettermen

While Sheperds Watched

Choir of Trinity College, Cambrige

Walking In The Air

Howard Blake, Aled Jones

Weihnachtsoratorium

Johann Sebastian Bach, Gewandhausorchester Leipzig

God rest Ye Merry Gentlemen

Ella Fitzgerald

You’re A Mean One, Mr. Grinch

Tyler, The Creator


Playlist zum Buch: www.brandstaetterverlag.com/buch/weihnachtszeit



WIE LANGE DAUERT ES NOCH, BIS DAS CHRISTKIND KOMMT?

Auch wenn bei uns im Advent keine Langeweile aufkommt, irgendwann beginnen die Kinder die Tage zu zählen, bis endlich das Christkind kommt. Immerhin dauert es vom 1. Adventsonntag bis Adventus Domini, die „Ankunft des Herrn“, noch weitere drei Sonntage. So setzte es Papst Gregor der Große 604 zunächst für Rom fest, nach dem Konzil von Trient, das Mitte des 16. Jahrhunderts stattfand, wurde es für die ganze katholische Kirche verpflichtend. Nur in Mailand hat sich eine sechswöchige Adventszeit gehalten, da man dort nicht nach dem römischen, sondern dem ambrosianischen Ritus feiert. Eine Fastenzeit, wie früher zur Einstimmung auf das große Fest, ist es seit 1917 nicht mehr, aber der Advent sollte, trotz allen Trubels, auch eine besinnliche Zeit sein.


EDUSCHO-ADVENTSUHR, 1935

Salzburger Weihnachtsmuseum, Privatsammlung Ursula Kloiber

Damit das Warten leichter fällt, hat man sich schon früh Zählhilfen für die endlos erscheinenden Tage bis zum Heiligen Abend ausgedacht. Die Zeit wurde in kleine Abschnitte unterteilt und damit greifbarer. Beim Anzünden des Adventkranzes, der ursprünglich 24 Kerzen hatte, konnte man täglich bzw. wöchentlich den zeitlichen Fortschritt live beobachten. Die Idee zum ersten Adventkranz hatte der deutsche Theologe und Erzieher Johann Hinrichs Wichern im 19. Jahrhundert. Für seine Schützlinge im Rauhen Haus in Hamburg, einer heute noch bestehenden sozialpädagogischen Betreuungseinrichtung, baute er aus einem Wagenrad mit vier dicken und 20 kleinen roten Kerzen einen Prototyp des Adventkranzes. Später wurden aus Platzgründen nur noch vier Kerzen aufgesteckt und statt auf ein Wagenrad kamen sie auf Tannengrün. Symbolisch gesehen stehen die Kerzen für das kommende Licht, die Kreisform für die vier Himmelsrichtungen und den Erdkreis, die Auferstehung und das ewige Leben, das Tannengrün für die Hoffnung und das Leben an sich.


MÜNCHNER Weihnachtskalender aus dem Jahr 1910, der erste Adventskalender von Gerhard Lang in der Tradition der Ausschneidebögen Salzburger Weihnachtsmuseum, Privatsammlung Ursula Kloiber


UNSER ADVENTSKALENDER

ist ein Elefant aus Pappe.

Wir lassen jedes Jahr einen Adventkranz mit vier großen Kerzen in der Adventfarbe Rot binden, traditionsgemäß zünden wir die nebeneinanderstehenden Kerzen gegen den Uhrzeigersinn an.

Der Erfindungsgeist für Zeitmesser, die Kindern die verbleibende Zeit bis Weihnachten veranschaulichen, war schier unerschöpflich. Eltern stellten ihnen Adventbäumchen auf, denen jeden Tag eine kleine Fahne mit einem Bibelspruch aufgesteckt wurde. Oder es wurde eine Adventskerze aufgestellt, die täglich ein Stück weiter herunterbrannte. Es gab Weihnachtsuhren, Geschenke an kleinen Ketten und selbstgestaltete Abreißkalender, die Thomas Mann in seinem Roman über die Familie Buddenbrook literarisch gewürdigt hat: Die Kinderfrau hatte für ihren achtjährigen Schützling einen solchen Abreißkalender gezeichnet, mit dem der kleine Hanno „pochenden Herzens das Nahen der unvergleichlichen Zeit“ verfolgte. Auf dem letzten Blatt war ein Tannenbaum gezeichnet.

Andernorts wurden Strichkalender mit Kreide in Schränke gezeichnet, jeden Abend bis Weihnachten durfte ein Strich gelöscht werden. Die ersten gedruckten Kalender erschienen Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie hatten noch keine Türchen zum Öffnen, wie sie heute im Angebot überwiegen, sondern Ausschneidebilder, die auf einen Karton geklebt werden durften. Diese Idee stammte von einem späteren Verleger namens Gerhard Lang, der mit seiner Firma bis in die 1930er Jahre das Monopol für Adventskalender hielt. Von ihm kam auch der erste Kalender mit Naschereien. Auf den Karton wurden 24 Kekse genäht, jeden Tag durfte einer verspeist werden – die Vorstufe des später mit Schokolade gefüllten Kalenders.

 

Von kleinen Kunstwerken haben sich Adventskalender mittlerweile zum Massenprodukt entwickelt. Es gibt Auswüchse wie Adventskalender mit Playmobil, Kartoffelchips oder Gesichtspflege. Großer Beliebtheit erfreuen sich inzwischen aber auch virtuelle Kalender mit Musik und, etwas geerdeter, der aus Skandinavien kommende Brauch, kleine Geschenke in Jutesäckchen zu stecken. Zur Freude von Kindern und zunehmend auch Erwachsenen: Da passt einfach mehr hinein. Bei uns ist es ein riesiger Elefant mit 24 Täschchen.


DIE WEIHNACHTSUHR, Entwurf Richard Ernst Kepler Salzburger Weihnachtsmuseum, Privatsammlung Ursula Kloiber


Oskar Laske, Kalenderblatt Dezember 1949



DIE SCHAU-BACKSTUBE

zeigt, wie früher gebacken wurde.


WENN DIE ENGEL BACKEN

Wenn sich vor Weihnachten der Himmel über dem Attersee bei Sonnenuntergang rot verfärbt, sehen meine Kinder mit großen Augen und offenem Mund hinauf. Schau, die Engel haben den Backofen angeheizt, wenn der Himmel so rot ist, da backen die Engel schon Kekse, berichten sie mir ganz aufgeregt. Höchste Zeit, auch bei uns damit zu beginnen.

Kekse zu backen ist für uns immer ein großer Spaß und weckt bei mir schöne Erinnerungen an die Kindheit. Der Duft, der durchs Haus zieht, die klebrigen Finger, das heimliche Kosten des Teiges. Und wenn sie fertig gebacken sind, die Verlockung, das eine oder andere Exemplar zu stibitzen. Schön finde ich auch das gemeinsame Erlebnis, etwas mit den eigenen Händen zu gestalten, und zu erleben, wie aus ein paar wenigen Zutaten eine Leckerei entsteht.


TEIGMODEL

für die Weihnachtsbäckerei

Die Wurzeln der hausgemachten Weihnachtsbäckerei reichen weit zurück. Auf den langen und unwegsamen Seefahrten des 15. Jahrhunderts waren die Seeleute darauf angewiesen, genug haltbare Nahrung für Monate, manchmal Jahre, mit sich zu führen. Zweifach gebackene Kekse aus Mehl, Wasser und Salz, der Zwieback, waren dafür wie geschaffen. Jahrhundertelang verließ kein Schiff ohne diesen Vorrat den Hafen. Kekse zu backen hatte einen vorwiegend praktischen Grund – die Haltbarkeit.

Im Laufe der Jahrhunderte, als breitere Bevölkerungsschichten Zugang zu verfeinerter Backkunst bekamen und Zutaten wie Zucker, Butter und Gewürze erschwinglich wurden, entstanden Kekse, wie wir sie heute kennen. Nach und nach begann man, Teige mit Butter, Eiern und Treibmitteln aufzulockern, sie wie die Mauren mit Mandeln und Nüssen anzureichern und mit Früchten, Honig und Zucker zu süßen, sobald dieser den Weg von Persien zu uns gefunden hatte. Gewürze, mitgebracht aus aller Welt, verwandelten gewöhnliches Backwerk in kleine Köstlichkeiten mit verführerischem Duft und Aroma: Pfeffer, Kardamom, Ingwer aus dem Orient, Piment aus Südamerika, Muskat aus Afrika, Anis, Koriander und Thymian aus der Mittelmeerregion und viele mehr.

Hierzulande hielten Kekse vor mehreren Jahrhunderten Einzug in die Haushalte, als Nachspeise, als Begleitung zu Tee, Kaffee und Kakao und schließlich als schöne „ausgestochene“ Weihnachtskekse – eine hiesige Besonderheit bis heute. Aus den kleinen „cakes“ wurden deutsche Keeks, Cake oder Kake und schließlich, nach einem erfolglosen Wettbewerb zur Namensfindung, wurde „Keks“ 1919 in den Duden aufgenommen. Weihnachtsgebäck wurde anfangs nicht nur gebacken, um es zu vernaschen, sondern es schmückte auch den Weihnachtsbaum.

In unserer Familie ist mein mittlerer Sohn, Balthasar, der Bäckermeister. Er bäckt leidenschaftlich gerne und kann es so gut, dass er vor mehreren Jahren zusammen mit einem pensionierten Bäckermeister, dem Koarl, ein riesiges Lebkuchenhaus gebacken hat. Der Bäcker, ganz Profi, in seiner Bäckerkluft, mein Sohn mit hochroten Wangen und großem Durchhaltevermögen: Vier Wochen haben sie gebacken, das war einmalig.

Lebkuchen sind etwas, das neben Keksen zu unseren liebsten Weihnachtsgebäcken gehört. Für mich ist Weihnachten, wenn ich den ersten Bissen in einen Lebkuchen mache. Mein Mann behauptet, das sei bereits im August der Fall. Das ist nicht wahr, aber gut erfunden. Ich kann es tatsächlich oft kaum erwarten, den ersten Teller Lebkuchen auf den Tisch zu stellen.

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