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Edda Blesgen

Meistens kunterbunt, manchmal grau

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Hypochonder haben es nicht leicht

Ein Fall von seelischer Grausamkeit – oder Sophies lustigstes Weihnachtsgeschenk

Liebeserklärungen

Ein teures Geschenk

Allein mit Fernseher und Kirschlikör

Adelgundis ist an allem schuld

Frühjahrshausputz – eine Frauenkrankheit

Der Jungbrunnen

Machen Kleider Leute?

Ein Loblied auf die Schwiegermutter

Eine makabere Familienfeier mit einer recht lebendigen Toten

Schulhofgeschichten

Der gute Hirte

Vorbilder

Trickbetrügerinnen

Sechs Wochen Fastenzeit – ohne Schokolade

Man sollte den Ernst des Lebens nicht zu ernst nehmen

Sophies kleine Insel

Impressum neobooks

Hypochonder haben es nicht leicht

Neulich, in der Apotheke, bot man Sophie die Apotheken-Rundschau zum Mitnehmen an.

„Nein danke, sonst suche ich mir wieder neue Krankheiten aus“, wehrte sie ab.

Dem Pillendreher sind hypochondrische Kunden wie Sophie wahrscheinlich sehr willkommen, hat er doch für jedes echte oder eingebildete Wehwehchen das entsprechende Gegenmittel. Auch gegen das Motaba-Virus? Sophie bezweifelte es, denn diese Krankheit gibt es gar nicht. Trotzdem war sie heftig daran erkrankt.

An einem Freitag Abend schalteten Sophie den Fernseher ein. „Den Film haben wir schon gesehen“, teilte sie ihrem Mann, dem Goldstück, mit. Er konnte sich allerdings nicht mehr daran erinnern. Im weiteren Verlauf des Abends fühlte Sophie sich plötzlich hundelend, es plagten sie sämtliche Symptome, der extra für diesen Film „Outbreak – Lautlose Killer“ erfundenen Motaba-Virus-Krankheit. Von heftiger Übelkeit befallen, hustete und kotzte (pardon) sie mit den Schauspielern um die Wette, nur war es bei ihr echt und nicht gespielt. Nach dem vierten Wettrennen zur Toilette unter dem Motto: Wer ist schneller, der rebellierende Magen beim Umstülpen oder die Beine beim Laufen?, stand die Diagnose fest: Motaba-Virus.

Nach dem achten Mal kehrte Sophie, schlapp auf den Beinen, nassgeschwitzt und trotzdem bibbernd vor Kälte, aus dem Badezimmer zurück. Inzwischen lief eine andere Sendung.

„Wie ist der Film ausgegangen?“, wollte sie wissen. Und was antwortete ihr Mann, diesmal kein Goldstück:„Du hast ihn doch schon gesehen. Er endete genau wie beim letzten Mal.“

Das gab ihr den Rest. Schmollend und erschöpft ließ sie sich in den Sessel plumpsen.

Eigentlich kann es mit ihrer Erkrankung so schlimm gar nicht gewesen sein. Am nächsten Tag war sie wieder putzmunter. Die erfundene Motaba-Virus-Erkrankung verlief im Film innerhalb kürzester Zeit zu hundert Prozent tödlich. Wahrscheinlich hatte Sophie eine harmlose Magen-Darm-Verstimmung erwischt, sonst hätte sie nicht, über sich selbst lachend, von der eingebildeten Krankheit berichten können.

Ein Fall von seelischer Grausamkeit – oder Sophies lustigstes Weihnachtsgeschenk

Wenn Sophie in einem Roman erst wenige Zeilen gelesen hat, will sie schon wissen, wie er ausgeht, blättert zur letzten Seite und liest den Schluss. Darüber ärgert sich jedes Mal, wenn er sie dabei ertappt, ihr Mann, das Goldstück.

Bei dem Buch, das er ihr letztes Jahr zu Weihnachten schenkte, wollte er Sophies Neugier überlisten. Unbarmherzig schnitt er aus dem Krimi ihrer Lieblingsautorin – Ruth Rendell – die letzte Seite heraus, legte sie in einen Umschlag, klebte diesen zu und versteckte ihn in seinem Büro.

Zwischen Weihnachten und Neujahr schmökerte Sophie stundenlang, mit schadenfroher Miene von ihrer besseren Hälfte beobachtet. Sie nutzte die Situation sogar schamlos aus – Strafe muss sein – indem sie einmal das Kochen unterließ: „Das Buch ist zu spannend, ich kann jetzt nicht aufhören. Nimm eine Pizza aus der Gefriertruhe und schiebe sie in den Backofen.“

„Siehst du“, erwiderte das Goldstück, diabolisch grinsend, „ich habe es dir ja immer gesagt. Ein Buch ist viel fesselnder, wenn man den Schluss nicht kennt.“

Sophie machte ihm die Freude und mimte Ungeduld, schmunzelte dabei aber ihrerseits stillvergnügt vor sich hin. Denn damit hatte er nicht gerechnet – und er weiß bis heute nicht – Sophie war längst in einen Buchladen gegangen, hatte ein Ansichtsexemplar des betreffenden Krimis aus dem Regal genommen und die letzte Seite gelesen.


Liebeserklärungen

In amerikanischen Spielfilmen wird immer wieder gesagt: „Ich liebe Dich“. Die Mutter sagt es morgens, wenn sie die Kinder zum Schulbus bringt, Frau und Mann verabschieden sich so, wenn sie das Haus verlassen. Jedes Telefonat zwischen Angehörigen und Freunden endet mit diesen Worten. Abends zur Begrüßung heißt es wieder: „Ich liebe Dich.“

Sophie gefällt es nicht, wenn diese drei Worte zu einer gedankenlos daher gesagten Floskel werden. Im Gegensatz zu den Amerikanern geht sie vielleicht zu sparsam mit dieser Aussage um, hat Hemmungen. Außerdem, muss sie es ihrem Mann, dem Goldstück, den Kindern und Enkeln immer wieder sagen? Sie wissen es doch!

Seltene Liebeserklärungen sind umso glaubwürdiger. Eine Bekannte, die anlässlich ihres Geburtstages einen kleinen Rückblick auf die vergangenen Jahre hielt, sagte über ihren Ehemann: „Im Alter von zwanzig Jahren begegnete ich diesem Geschenk des Himmels.“ An jenem Tag feierte sie ihren 60. Geburtstag, die Silberhochzeit liegt hinter ihnen, viele gemeinsame Jahre, die wahrscheinlich nicht immer leicht waren, und trotzdem bezeichnet sie ihren Mann immer noch als „Geschenk des Himmels“.

Eine andere Bekannte fiel nach einer schweren Erkrankung mehrere Wochen ins Koma. Als sie wieder zu sich kam, konnte sie sich zunächst an nichts mehr erinnern. Eines Tages fragte sie die Krankenschwester: „Wer ist eigentlich dieser sympathische Herr, der mich täglich besuchen kommt? Ich mag ihn sehr.“

„Sie mögen ihn? Das ist gut so“, erwiderte die Krankenschwester, „denn dieser sympathische Herr ist ihr Ehemann, mit dem Sie – wie er mir mitteilte – bereits sechsunddreißig Jahre verheiratet sind.“ War das nicht herrlich? Obwohl sie ihren Mann nicht erkannte, fühlte sie die Zuneigung, die sie schon so lange verband.

Vielleicht, so grübelte Sophie, sollte ich heute meinen Liebsten wieder einmal von meinen Gefühlen sprechen? Oder ich zeige ihnen ganz einfach diesen Artikel, das fällt mir leichter.

Auch Sophies Enkel sagt es lieber schriftlich:


Ein teures Geschenk

Sophies Mann, das Goldstück, kann es nicht lassen. Wieder einmal ließ er sich am Telefon zum Besuch einer Werbeveranstaltung beschwatzen – obwohl man ihm weder den Firmennamen, noch die Art des zu kaufenden Artikels nennen wollte. „Wir sind ein Unternehmen für Inneneinrichtungen“, war die Antwort auf seine diesbezügliche Frage.

Also begleitete Sophie ihn zu der Verkaufsshow, die in einem Lokal stattfinden sollte. Schon auf dem Parkplatz wurden die beiden von drei Herren empfangen, die sie in den entsprechenden Saal geleiteten, wo auf Tischen Ess- und Kaffeeservice – wirklich sehr dekorativ anzusehen – ausgestellt waren. Die letzten geladenen Gäste trudelten ein und schon legte einer der drei Verkäufer los:

„Dieses Limogener Porzellan, das Sie hier sehen, wollen wir nicht etwa verkaufen. Nein, meine liebe Damen und Herren, wir wollen es verschenken. Im Augenblick stagniert das Geschäft, unser Lager ist gefüllt, wir brauchen Platz. Wer will als Geschenk ein 72-teiliges Ess- und Kaffeeservice annehmen?“ Die meisten Anwesenden hoben die Hand, bis auf einige misstrauische Personen, zu denen auch Sophie gehörte. Wo war der Haken?

 

Es folgte ein langer Vortrag, über die erstklassige Qualität, das exquisite Design, kunstvolle Dekor, die brillanten Farben usw. usw. „Unsere Produkte sind spülmaschinenfest und mikrowellengeeignet. Wir übernehmen eine 30-jährige Garantie.“ Sophie fragte, wo man die im Bedarfsfall geltend machen kann – und bekam keine Antwort.

„Die einzige Bedingung die wir stellen: Sie müssen jedes Teil mit Ihren persönlichen Initialen signieren lassen, erstens damit sie unser Geschenk nicht verkaufen, zweitens um Arbeitsplätze zu sichern. Mit den geringen Kosten, die Ihnen dadurch entstehen, können wir unseren Betrieb trotz der gegenwärtigen Absatzkrise ohne Kündigungen aufrechterhalten.“

Er laberte unaufhörlich, war in seinem Element und nicht mehr zu bremsen. Nun versuchte er seinen Vortrag durch gewagte Witze aufzulockern, zog über Ausländer und Schwule her. Sophies Gewissen sagte ihr, jetzt sei es an der Zeit, den Saal zu verlassen. Aber es gab kein Entrinnen. Einer der Vertreter hatte sich neben den Ausgang postiert; man wagte nicht einmal, zur Toilette zu gehen. Außerdem siegte Sophies unbeschreibliche Neugier.

Irgendwann, nach drei Stunden unaufhörlichen Einredens auf seine Zuhörer kam der Vertreter endlich zum Schluss und stellte wiederum die Frage, wer sich von ihm beschenken lassen wolle. Ein Ehepaar meldete sich spontan, während die anderen Besucher noch zögerten. „Applaus für die Dame und den Herrn hier vorne in der ersten Reihe.“ Schon stürmte sein Kollege mit einem Auftragsblock auf die beiden zu. „Darf ich mir Namen und Adresse notieren. Und hier unten bitte ich Sie, die Annahme des Geschenks zu quittieren.“

Sophie warf einen Blick auf das Blatt. „Aber da steht ein Preis von 3.600,-- Euro“, stellte sie fest. „Ja, das sind die Kosten für das Signieren des Porzellans. Dies kostet pro Einzelteil 50,-- Euro – und das ist spottbillig, denn jeder Buchstabe wird in Blattgold aufgetragen. Bei einem Juwelier ist der Preis dreimal so hoch.“Jetzt hatte Sophie ihren Mann, das Goldstück, endlich so weit, mit ihr zusammen den Rückzug anzutreten – nicht ohne vorher die als Werbegeschenk versprochene Digitalkamera einzufordern. Stolz zog er mit seinem Beutestück davon und erwiderte Sofies Hinweis auf die schlechte Qualität mit dem Sprichwort vom geschenkten Gaul, dem man nicht ins Maul schaut. Sie tröstete lediglich der Gedanke: Aufgrund seiner Hartnäckigkeit würden sie wohl nie wieder zu einer solchen Verkaufs-Veranstaltung eingeladen. Als Sophie sich beim Hinausgehen noch einmal umwandte, sah sie das Ehepaar gerade ein Auftragsformular unterschreiben. Die beiden hatten sich nicht abschrecken lassen.Die Kamera verstaubte, niemals benutzt, im Schrank neben weiteren Werbegeschenken: Zwei Taschenrechner, Essstäbchen aus dem Chinarestaurant, eine Sanduhr und sonstiger Krempel.

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