Einsatzrecht kompakt - Sachverhaltsbeurteilung für die Grundausbildung

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1.1 Voraussetzungen[6]

Zunächst ein Überblick:

1.Öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung2.Gefahr (im Einzelfall)3.Aufgabenbereich der BPOL, §§ 1–7 BPolG4.Subsidiarität

Hinweis: Ob die öffentliche Sicherheit/Ordnung oder die Gefahr (im Einzelfall) zuerst geprüft wird, ist für den Prüfungserfolg nicht entscheidend.

1.1.1 Öffentliche Sicherheit oder Ordnung

■Definition: Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen vor Schäden, die drohen: 1. dem Bestand und der Funktionsfähigkeit des Staates, 2. den Individual- und Universalrechtsgütern, 3. dem Schutz der gesamten Rechtsordnung.

Hilfestellung: Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfrage in Bezug zur öffentlichen Sicherheit.

Welche der o. g. Elemente (1 bis 3) sind durch das Fehlverhalten der Person berührt? Oftmals ist der Punkt 2 (Individual- und Universalrechtsgüter) tangiert. Bei den Individualrechtsgütern sind oft das Eigentum und die körperliche Unversehrtheit betroffen. Bei den Universalrechtsgütern ist regelmäßig die Sicherheit des Bahnverkehrs oder Sicherheit der Grenze tangiert. Ist der Punkt 2 zu bejahen, ist regelmäßig auch der Punkt 3 näher zu betrachten.

Bei der geschriebenen Rechtsordnung sollte stets die Frage beantwortet werden, ob möglicherweise das Strafgesetzbuch (StGB) berührt ist bzw. berührt sein könnte. Hintergrund ist, dass jeder Straftatbestand im StGB stets zumindest ein Rechtsgut benennt, z. B. schützen die Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB) das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit[7].

Wie oben bereits kurz erwähnt: Ob die Prüfung mit der Voraussetzung (öffentliche Sicherheit/öffentliche Ordnung) begonnen wird oder mit der Gefahr, ist für den Klausurerfolg nicht entscheidend. Die Gefahr wird in diesem Schema an zweiter Stelle geprüft, denn die Gefahr steht nie allein dar, sondern sie muss stets für etwas bestehen, nämlich für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung. Eine andere Vorgehensweise führt auch zum Ziel. Man kann z. B. auch zuerst die Gefahr prüfen und dann die öffentliche Sicherheit/öffentliche Ordnung.

■Definition: Unter der öffentlichen Ordnung versteht man ungeschriebene Normen, die ein geordnetes Zusammenleben in der Gesellschaft ermöglichen. Diese Wertvorstellungen sind wandelbar.

1.1.2 Gefahr (im Einzelfall)

■Definition: Eine Gefahr ist ein ungewöhnlicher, regelwidriger Zustand, der den Eintritt eines Schadens für ein Rechtsgut in naher Zukunft wahrscheinlich macht.

Hilfestellung: Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfragen. Was genau ist der regelwidrige Zustand? – Gehen Sie hier auf das konkrete Fehlverhalten der Person ein. Was bedeutet das Fehlverhalten in Bezug auf die Schadenswahrscheinlichkeit? Falls polizeilich nicht eingeschritten wird, könnte was in allernächster Zukunft passieren?

1.1.3 Aufgabenbereich der BPOL

■Der Gefahrenanlass muss sich im präventiven Aufgabenbereich befinden, §§ 1–7 BPolG.

Hilfestellung: Diese Voraussetzung ähnelt der (präventiven) sachlichen Zuständigkeit. Es kommt hier im Kern darauf an, den relevanten Paragrafen der in Betracht kommenden präventiven Aufgabe zu benennen. Die Würdigung sollte auch eine kurze Begründung enthalten. Es ist nicht erforderlich, hier eine umfassende Subsumtion durchzuführen.

Merke:

Die ersten drei Voraussetzungen stellen die konkrete, typische Bundespolizeigefahr dar (auch 3-stufige Polizeigefahr genannt). Die Würdigung dieser Gefahrenart stellt einen Schwerpunkt des 1. Dienstjahres dar und muss beherrscht werden, insbesondere deshalb, weil andere Befugnisse auch eine konkrete Gefahr i. S. d. § 14 II 1 BPolG erfordern, so z. B.:

–§ 23 I Nr. 1 BPolG (= die Identitätsfeststellung zur Abwehr einer konkreten Gefahr) und–§ 38 BPolG (= der Platzverweis zur Abwehr einer konkreten Gefahr).

Der Unterschied zur abstrakten Gefahr liegt darin, dass diese nur einen gedachten (Gefahren)-Zustand beschreibt. Dieser hat sich jedoch noch nicht tatsächlich realisiert. Ein Beispiel für diese Abgrenzung mit Bezug zur Bundespolizei:

–Der Aufenthalt im Gleisbereich ist gefährlich! = abstrakte Gefahrenlage–Während der Streifentätigkeit fällt den Bundespolizisten eine Person auf, die sich unbefugt im Gleisbereich aufhält = konkrete Gefahrenlage

1.1.4 Subsidiarität

Die Besonderheit der Generalklausel ist, dass sie nur dann zur Anwendung kommt, wenn andere, speziellere Befugnisse nicht in Betracht kommen. Die spezielleren Befugnisse befinden sich in den §§ 21 ff. BPolG.

Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfrage:

■Gibt es eine Spezialbefugnis in den §§ 21 ff. BPolG?

Typische Spezialbefugnisse sind etwa die Befragung gemäß § 22 BPolG, die Identitätsfeststellung gemäß § 23 BPolG und der Platzverweis gemäß § 38 BPolG. Falls diese Spezialbefugnisse nicht zur Anwendung kommen, greift die Generalklausel.

1.2 Formulierungsvorschlag

Der nachfolgende Formulierungsvorschlag ist nur ein Teil der schriftlichen Prüfung. Gemäß dem geltenden Maßnahmenschema für die Ausbildung des mittleren Dienstes bezieht sich der Formulierungsvorschlag auf die Punkte

1.Entscheidung1.1Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln1.2Benennung der zu treffenden Maßnahme2.Zuständigkeit2.1Sachliche Zuständigkeit2.2Örtliche Zuständigkeit3.Eingriff3.1Befugnisnorm3.2Adressat3.3Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen–Verhältnismäßigkeit

Hinweis:

Prüfen Sie bei der Subsumtion der einzelnen Voraussetzungen stets gedanklich, ob Sie die Hilfsfragen alle – möglichst umfassend – beantwortet haben.

Nun zum Sachverhalt mit dem Fußballfan P, der eine Bierflasche in der Hand hält und damit zum Wurf in Richtung gegnerischer Fans ausholt.

1. Entscheidung
1.1 Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln

Die Streife sieht den P, wie dieser eine Bierflasche in der Hand hält und damit zum Wurf in Richtung gegnerische Fans ausholt. Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit der gegnerischen Fans beeinträchtigt. Ein Schaden ist noch nicht eingetreten. Repressives Einschreiten ist nicht möglich. Ein Schadenseintritt steht durch den Wurf unmittelbar bevor. Die Flasche bzw. die Splitter könnten zu erheblichen Verletzungen führen. Präventives Einschreiten ist möglich. Es handelt sich um eine bevorstehende RGV. Die PVB schreiten präventiv ein.

1.2 Benennung der zu treffenden Maßnahme

Die Beamten fordern den P auf, den Wurf zu unterlassen. Als Maßnahme kommt die Generalklausel gem. § 14 I, II S. 1 BPolG in Betracht.

2. Zuständigkeit
2.1 Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 1 II, 3 I Nr. 1 BPolG, § 4 EBO, § 1 VII BPolG. Demnach hat die BPOL die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, die u. a. den Benutzern drohen. Der Bahnsteig des Bahnhofs ist eine Bahnanlage der Eisenbahn des Bundes. Die gegnerischen Fans sind Benutzer der Bahn.

Die räumliche Begrenzung der Sachaufgabe (auf das Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes) wurde eingehalten gem. § 1 VII BPolG.

2.2 Örtliche Zuständigkeit

Die Streife ist zugehörig zur BPOLI Hamburg. Diese gehört zur BPOLD Hannover, welche gem. § 58 I BPolG i.V.m § 2 I Nr. 2 BPolZV in der Stadt Hamburg örtlich zuständig ist. Der Bahnhof Hamburg liegt in Hamburg. Somit ist die Streife auch örtlich zuständig.

3. Eingriff
3.1 Befugnisnorm

Einleitender Obersatz

Gemäß Artikel 20 III GG (Vorbehalt des Gesetzes) bedarf es einer Rechtsgrundlage, um in die Rechte des Bürgers einzugreifen. Die mündliche Aufforderung[8] an den P, die Flasche abzustellen, könnte sich auf die Generalklausel gem. § 14 I, II 1 BPolG stützen. Hierzu müsste eine Gefahr i. S. d. § 14 II 1 BPolG vorliegen, d. h. in der Ausprägung einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung innerhalb des Aufgabenbereichs der BPOL.

1.Voraussetzung – öffentliche Sicherheit, Würdigung mit dem 3er-Schritt[9] der Subsumtion

Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen vor Schäden, die drohen: 1. dem Bestand und der Funktionsfähigkeit des Staates, 2. den Individual- und Universalrechtsgütern, 3. dem Schutz der gesamten Rechtsordnung. Durch den möglichen Flaschenwurf des P könnten die Individualrechtsgüter körperliche Unversehrtheit/ggf. Leben der gegnerischen Fans und Unbeteiligter sowie das Eigentum betroffen sein. Die geschriebene Rechtsordnung könnte in Form von Körperverletzungsdelikten (zum Nachteil der o. g. Personen) tangiert sein (§§ 223 ff. StGB). Auch Sachbeschädigungsdelikte sind möglich (§§ 303 ff. StGB).

Die öffentliche Sicherheit ist berührt.

2.Voraussetzung – Gefahr im Einzelfall

Eine Gefahr ist ein ungewöhnlicher, regelwidriger Zustand, der den Eintritt eines Schadens für ein Rechtsgut in naher Zukunft wahrscheinlich macht. Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, holt P zum Wurf in Richtung der gegnerischen Fans aus. Falls jetzt polizeilich nicht eingeschritten wird, könnte es durch die Flasche selbst und/oder herumfliegende Glassplitter in allernächster Zeit zu einem Schaden kommen, d. h. Personen könnten verletzt oder Sachen beschädigt werden.

 

Somit liegt eine Gefahr vor.

3.Voraussetzung – Aufgabenbereich der BPOL

Die von P verursachten Gefahren liegen gem. §§ 1 II, 3 I Nr. 1 BPolG i. V. m. § 4 EBO i. V. m. § 1 VII BPolG im präventiven bahnpolizeilichen Aufgabenbereich, da sie Gefahren für die Benutzer der Bahn darstellen. Somit befindet sich der Gefahrenanlass innerhalb der BPOL obliegenden präventiven Aufgaben.

Insgesamt liegt eine konkrete Gefahr vor, § 14 II 1 BPolG.

4.Voraussetzung – Subsidiarität

Eine Spezialbefugnis für das Unterbinden des Flaschenwurfes ist in den Spezialbefugnissen (§§ 21 ff. BPolG) nicht ersichtlich, sodass auf die Generalklausel zurückgegriffen werden kann.

Ergebnis

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Generalklausel liegen insgesamt vor.

3.2 Adressat

Der P verursacht durch den versuchten Wurf eine Gefahr. Er ist der Verhaltensverantwortliche gem. § 17 I BPolG und somit richtiger Adressat meiner Maßnahme.

LERNVIDEO zur präventiven Adressatenregelung

https://www.youtube.com/watch?v=6GOR4rTVvCU&t=250s


3.3 Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

–Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ergibt sich aus § 15 BPolG. Demnach muss die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Geeignet ist die Maßnahme dann, wenn diese objektiv-zwecktauglich ist, das polizeiliche Ziel zu erreichen. Die Aufforderung an den P, den Wurf zu unterlassen ist grundsätzlich geeignet, die Gefährdung der gegnerischen Fans zu unterbinden. Somit ist die Maßnahme geeignet.

Erforderlich ist die Maßnahme, wenn von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige getroffen wird, die den Einzelnen oder die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Die Unterlassungsverfügung in Bezug auf das Werfen ist die erkennbar mildeste Maßnahme, da dies zeitlich von kurzer Dauer ist und ihn nur geringfügig in seinen Grundrechten beeinträchtigt. Es gibt keine mildere Maßnahme im BPolG. Somit ist die Maßnahme erforderlich.

Angemessen ist die Maßnahme, wenn die Folge einer polizeilichen Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck steht. Auf der einen Seite wird durch die Unterlassungsverfügung die allgemeine Handlungsfreiheit des P (Art. 2 I GG) eingeschränkt. Dies jedoch nur kurzfristig. Auf der anderen Seite sollen durch die Maßnahme die Rechtsgüter körperliche Unversehrtheit der gegnerischen Fans (und Unbeteiligter) gem. Art. 2 II S. 1 GG geschützt werden. Im Übrigen hat der P durch sein Verhalten das Einschreiten der Bundespolizisten erst erforderlich gemacht. Ein Missverhältnis ist hier nicht zu erkennen. Somit ist die Maßnahme auch angemessen und insgesamt verhältnismäßig.

2. Die Befragung

Sachverhalt aus dem grenzpolizeilichen Aufgabenbereich: BPOLI Forst – Im 30-km-Grenzgebiet nahe der polnischen Grenze führt eine Streife der BPOL eine informatorische Befragung eines Landwirtes (L) durch. Der L könnte der Streife aufgrund seiner Arbeitstätigkeit möglicherweise Mitteilungen zu relevanten Personen- und/oder Fahrzeugbewegungen machen (Schleusungsaktivitäten, unerlaubte Einreisen etc.).

LERNVIDEO

https://elopage.com/s/SogehtEinsatzrecht


Gesetzestext (Auszug)

§ 22 BPolG (Befragung und Auskunftspflicht)

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

2.1 Voraussetzungen

Zunächst ein Überblick:

1.Tatsachen2.Sachdienliche Angaben3.Für eine der BPOL obliegende Aufgabe (§§ 1–7 BPolG)

2.1.1 Tatsachen

Definition:

Tatsachen sind gesicherte Erkenntnisse und begründen objektiv die Annahme, dass ein bestimmter Sachverhalt tatsächlich existiert oder mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Hilfestellung: Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfragen. Warum könnte die Person, die Sie befragen wollen, für Sie so wichtig sein? Was ist das Besondere an dieser Person? Betrachten Sie in diesem Zusammenhang auch die örtliche Lage, in der sich die Person befindet oder aber auch den Beruf, den die Person ausübt.

2.1.2 Sachdienliche Angaben

Definition:

Eine sachdienliche Angabe ist jede – die Aufgaben und Arbeit der BPOL unterstützende oder fördernde – Information, die einen zielgerichteten Einsatz ermöglicht.

Hilfestellung: Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfrage. Welche wichtigen Informationen könnte die Person Ihnen mitteilen (bezogen auf den Sachverhalt)?

2.1.3 Für eine der BPOL obliegende Aufgabe

Definition:

Die sachdienlichen Angaben müssen zur Erfüllung einer der BPOL obliegenden Aufgabe nach §§ 1–7 BPolG dienlich sein.

Hilfestellung: Beantworten Sie in der Subsumtion folgende Hilfsfrage. Welcher präventiven Aufgabe dienen die Informationen, die uns die Person geben kann (§ 1 II i. V. m. §§ 1 bis 7 BPolG).

2.2 Formulierungsvorschlag

Nun zum Sachverhalt mit dem Landwirt (L), bei dem eine präventive Befragung durchgeführt wird.

1. Entscheidung
1.1 Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln

Die Streife führt beim L eine Befragung durch. Durch die möglichen Erkenntnisse kann das Rechtsgut Sicherheit der Grenze entsprechend geschützt werden. Ein Schaden ist noch nicht eingetreten. Repressives Einschreiten ist nicht möglich. Ein Schadenseintritt in Bezug auf mögliche Schleusungshandlungen/unerlaubte Einreisen wäre möglich. Präventives Einschreiten ist möglich. Es handelt sich um eine bevorstehende RGV. Die PVB schreiten präventiv ein.

1.2 Benennung der zu treffenden Maßnahme

Die Beamten befragen den L. Als Maßnahme kommt die Befragung gem. § 22 I BPolG in Betracht.

2. Zuständigkeit
2.1 Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 1 II, 2 II Nr. 3, 1 VII BPolG. Demnach hat die BPOL die Aufgabe, im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern Gefahren abzuwehren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen. Schleusungen und unerlaubte Einreisen beeinträchtigen die Sicherheit der Grenze.

Die räumliche Begrenzung der Sachaufgabe (hier: 30-km-Bereich) wurde eingehalten gem. § 1 VII BPolG.

2.2 Örtliche Zuständigkeit

Die Streife ist zugehörig zur BPOLI Forst. Diese gehört zur BPOLD Berlin, welche gem. § 58 I BPolG i.V.m § 2 I Nr. 8 BPolZV im Land Brandenburg örtlich zuständig ist. Der Ereignisort liegt in Brandenburg. Somit ist die Streife auch örtlich zuständig.

3. Eingriff
3.1 Befugnisnorm

Einleitender Obersatz

Gemäß Artikel 20 III GG (Vorbehalt des Gesetzes) bedarf es einer Rechtsgrundlage, um in die Rechte des Bürgers einzugreifen. Für eine Befragung des L kommt § 22 I BPolG in Betracht. Voraussetzung dafür sind Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Person uns sachdienliche Angaben zur Erfüllung einer der BPOL obliegenden Aufgabe machen kann.

1.Voraussetzung – Tatsachen

Tatsachen sind gesicherte Erkenntnisse und begründen objektiv die Annahme, dass ein bestimmter Sachverhalt tatsächlich existiert oder mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das zu bewirtschaftende Feld des L befindet sich in unmittelbarer Nähe der polnischen Grenze. Dadurch, dass er sich regelmäßig aufgrund seiner Tätigkeit dort aufhält, kann er alle relevanten Personen- und Fahrzeugbewegungen, insbesondere Einreisen in die Bundesrepublik Deutschland, in diesem Bereich wahrnehmen. Zum Beispiel könnte er mitbekommen, ob größere Personengruppen die Grenze passieren und ob Fahrzeuge dort diese Personen aufnehmen. Somit liegen Tatsachen vor.

2.Voraussetzung – sachdienliche Angaben

Sachdienliche Angaben sind alle – die Aufgaben und Arbeit der BPOL unterstützenden oder fördernden – Informationen, die einen zielgerichteten Einsatz ermöglichen. Der L könnte uns Auskunft darüber geben, wie viele Personen die Grenze passieren (Aussehen, ggf. Staatsangehörigkeit, Zeitpunkt des Grenzübertritts). Auch könnte er mitbekommen, welche Fahrzeuge dort parken und die relevanten Personen aufnehmen (Typ und Marke des Fahrzeuges etc.). Somit liegen sachdienliche Angaben vor.

3.Voraussetzung – für eine der BPOL obliegende Aufgabe

Diese sachdienlichen Angaben müssten zur Erfüllung einer der BPOL obliegenden Aufgabe nach §§ 1–7 BPolG dienlich sein. Die o. g. Angaben des L könnten der Aufgabe Grenzschutz (§§ 1 II i. V. m. 2 II Nr. 3 BPolG) dienen, denn dadurch könnten die eingesetzten Kräfte optimal eingesetzt werden, um mögliche unerlaubte Grenzübertritte festzustellen und Schleusungen zu unterbinden.

Ergebnis

Somit liegen alle Voraussetzungen der Befragung gem. § 22 I BPolG vor.

3.2 Adressat

Der L ist der richtige Adressat, der sich aus der Norm des § 22 I BPolG selbst ergibt (sog. Normadressat).

3.3 Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

–Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ergibt sich aus § 15 BPolG. Demnach muss die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Geeignet ist die Maßnahme dann, wenn diese objektiv-zwecktauglich ist, das polizeiliche Ziel zu erreichen. Die Befragung des L ist geeignet, entsprechende Erkenntnisse bzgl. unerlaubter Einreisen und Schleusungen zu erhalten, da der L als Landwirt entsprechende Beobachtungen gemacht haben könnte. Somit ist die Maßnahme geeignet.

Erforderlich ist die Maßnahme, wenn von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige getroffen wird, die den Einzelnen oder die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Die Befragung ist die erkennbar mildeste Maßnahme im BPolG, um relevante Lageinformationen zu erhalten. Somit ist die Maßnahme erforderlich.

Angemessen ist die Maßnahme, wenn die Folge einer polizeilichen Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck steht. Auf der einen Seite wird durch die Befragung für kurze Zeit (10 bis 15 Minuten) die Freiheit der Person (Art. 2 II S. 2 GG) eingeschränkt. Auf der anderen Seite soll durch die Maßnahme das Rechtsgut Sicherheit der Grenze vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Ein Missverhältnis ist hier nicht zu erkennen. Somit ist die Maßnahme auch angemessen und insgesamt verhältnismäßig.

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