Burnett wiederentdeckt

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Fallstudie

Anfang 1993 erschien ein 77jähriger Mann in der Praxis; nach der Diagnose einer Herzschwäche war ihm geraten worden, mit der Einnahme schulmedizinischer Medikamente zu beginnen. Als er seinen Arzt fragte, wie lange diese Behandlung dauern würde, bekam er zur Antwort, dass er die Medikamente höchstwahrscheinlich bis zum Ende seiner Tage einnehmen müsse. Diese Prognose missfiel ihm sehr, deshalb suchte er nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten. In der Vergangenheit war er ein überaus ambitionierter Gärtner und Wanderer gewesen. Jetzt hatte er ein schwaches Herz und war sehr niedergeschlagen. Es waren ihm auch Antidepressiva empfohlen worden, die er aber abgelehnt hatte. Ich übernahm seinen Fall, und da ich erst kürzlich meinen Abschluss in Homöopathie gemacht hatte, folgte ich dem Rat so vieler und analysierte den Fall entsprechend der Gesamtheit der Symptome. Ich stufte die mental-emotionalen Symptome der Depression am höchsten ein und nahm noch verschiedene Allgemeinsymptome und spezielle Symptome seiner Herzerkrankung hinzu. Dadurch konnte ich mit großer Zuversicht Aurum LM1 verschreiben.

Als er allerdings einen Monat später zur Folgekonsultation kam, zeigte er keinerlei Besserung. Ich verordnete erneut Aurum, diesmal aber in Hahnemannischer Manier als Centesimalpotenz – C12, zweimal täglich einzunehmen. Ein weiterer Monat verstrich und immer noch stellte sich keine Besserung ein. Nun kam ich ziemlich ins Schwitzen. Dieses Mal verschrieb ich Crataegus als Urtinktur, zweimal täglich 5 Tropfen aus einer 30 ml Flasche in Wasser aufgelöst. Dadurch wollte ich mir Zeit verschaffen, um darüber nachzusinnen, was ich als Nächstes tun sollte. Bei der dritten Folgekonsultation zeigte der Patient eine deutliche Besserung. Die Symptome der Herzschwäche waren so gut wie verschwunden. Im darauffolgenden Monat nahm der Patient seine geliebte Gartenarbeit wieder auf und begann auch wieder mit großem Elan spazierenzugehen bzw. zu wandern. Er nahm das Crataegus noch zwei weitere Monate ein und wurde dann weiter konstitutionell behandelt.

Was war in diesem Fall passiert? Ich war viel zu analytisch vorgegangen und hatte die Dinge unnötig verkompliziert. Der Patient war depressiv, weil er aufgrund seiner Herzschwäche nicht mehr wie gewohnt im Garten arbeiten oder spazieren gehen konnte. Crataegus tonisierte sein Herz, sodass er wieder all das tun konnte, was ihm Spaß machte. Allein dadurch hob sich seine Laune beträchtlich, und die Depression löste sich in Wohlgefallen auf. Wenn wir jetzt Burnetts Terminologie anwenden wollen, so war der Primärort der Erkrankung der Herzmuskel. Beide gewählten Arzneien hatten eine Spezifität der Lokalisation für den Herzmuskel. Als erstes Mittel wurde Aurum verabreicht, da es sowohl die Symptome des Falles wie z. B. die Depression als auch die Herzschwäche abdeckte. Aber Aurum war nicht das Simillimum und spiegelte die Herzschwäche nicht genau wider. Crataegus hingegen war das pathologische Simillimum. Es deckte die Herzmuskelschwäche vollständig ab und konnte sie damit komplett heilen. Der depressive Zustand wurde durch die Einschränkungen hervorgerufen, welche die Herzerkrankung mit sich brachte. Dieser Fall endete zugegebenermaßen glücklich und hat mich gelehrt, die Organbehandlung dort, wo sie angezeigt ist, als gleichwertig gegenüber der Vorgehensweise anhand der Gesamtheit der Symptome zu betrachten.

Burnett schrieb, dass ein erkranktes Organ den gesamten Organismus in Mitleidenschaft zieht, wie der obige Fall auch belegt. Sobald das kränkelnde Organ korrekt behandelt wurde, besserte sich auch der ganze gesundheitliche Zustand des Patienten. Burnett beschrieb dies so:

„Wenn Patienten das richtige Organmittel bekommen haben, ist es oft sehr erstaunlich, wie sich ihr Wohlbefinden steigert: Sie werden nicht nur einfach wieder gesund, sie fühlen es sehr deutlich, sie sind gewissermaßen voller Kampfeslust gesund.” (Die Lebererkrankungen, S. 57)

In dem obigen Fall fand eindeutig eine Verkettung von Ereignissen statt:

Schwaches Herz => Einschränkungen der Lebensgewohnheiten => Depression

Die organopathische Behandlung stärkte das Herz so weit, dass der Patient wieder im Garten arbeiten und spazieren gehen konnte. Damit waren die Einschränkungen der Lebensgewohnheiten beseitigt und es gab keinen kausalen Faktor mehr, der die Symptome der Depression länger aufrechterhalten konnte. Die Behandlung der zuletzt entstandenen Symptome der Depression wäre in diesem Fall lediglich palliativ gewesen (d. h., die Symptome wären nur abgeschwächt, die Ursache der Erkrankung aber nicht beseitigt worden). Die veranlassende Ursache, sprich das schwache Herz, wäre immer noch vorhanden. Das Phänomen der Besserung mental-emotionaler Symptome durch eine organopathische Behandlung ist nicht ungewöhnlich. Frauen mit starken Regelblutungen entwickeln leicht eine Anämie und geraten in einen massiven Erschöpfungszustand, was wiederum zu Reizbarkeit und Launenhaftigkeit führt. Die Behandlung des emotionalen Zustandes führt nicht zur Heilung. Eine Besserung des übermäßigen Blutflusses durch arzneiliche Intervention hingegen hilft, bessert und heilt letztendlich die Reizbarkeit und sonstigen emotionalen Symptome, weil die Ursache, in diesem Fall die erschöpfende Metrorrhagie, beseitigt wird.

Hätte in unserem obigen Fall eine Arznei sowohl die Herzschwäche als auch die Depression perfekt abgedeckt, wäre diese das ideale homöopathische Simillimum gewesen.

Deckt das Simillimum die zugrunde liegende Pathologie ab, wird die Organopathie nicht benötigt.

Allerdings findet man häufiger nur eine passende Arznei für das betroffene Organ. Aber auch dann werden die krankheitsbedingten Einschränkungen gemindert und die Depression gebessert. Burnett zufolge ist das schwache Herz in diesem Fall der „Primärort” der Erkrankung. Er würde zudem die Meinung vertreten, dass wir Arzneien brauchen, die sowohl eine Affinität zum Ort der Erkrankung haben als auch in ähnlicher Weise wie die natürliche Erkrankung wirken, d. h. Arzneien mit einer „Spezifität der Lokalisation”.

Das Mittel, das den Primärort der Erkrankung und das gesamte Spektrum der organbezogenen Pathologie abdeckt, wird als pathologisches Simillimum bezeichnet.

1.2 Pathologisches Simillimum

Wie bereits erläutert, handelt es sich bei dem pathologischen Simillimum um eine Arznei, die sowohl die Organaffinität als auch die Organpathologie abdeckt. Burnett schrieb, dass in vielen Fällen nicht nur eine einzige Arznei zur Behandlung ausreicht, sondern mehr als ein Mittel benötigt wird. Je komplizierter ein Fall ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine ganze Reihe von Arzneien eingesetzt werden muss. Das symptomatische Simillimum deckt vielleicht die Pathologie ab, möglicherweise aber auch nicht. Tut es dies nicht, kann und wird es nicht heilen. Das bedeutet, dass wir in Fällen mit pathologischen Veränderungen möglichst immer von einer fundierten Diagnose ausgehen müssen, um überhaupt eine Chance auf Heilung zu haben. Bei der Anamnese und Analyse eines Falles müssen wir immer überlegen, ob das symptomatische Simillimum auch im Hinblick auf die bestehende Pathologie homöopathisch ist.

1.3 Liste der Organmittel

Die nachstehende Liste ist meines Wissens zum gegenwärtigen Zeitpunkt so gut wie vollständig. Als Quellen wurden vorrangig die Bücher von Burnett sowie Clarkes A Dictionary of Practical Materia Medica und Ian Watsons Guide to the Methodologies of Homoeopathy herangezogen. Die Darstellung der Wertigkeit der Arzneien folgt dem Repertoriumsstandard mit Fettdruck, Kursivdruck und Normaldruck. Allerdings habe ich die Gewichtung selbst vorgenommen. Angaben zu den empfohlenen Potenzen sind in der Regel solche, die Burnett selbst am häufigsten eingesetzt hat oder die von mir vorgeschlagen wurden, wenn ich versuchte, die immer wiederkehrenden kniffligen Fragen meiner Studenten nach der zu wählenden Potenz zu beantworten.

Nervensystem

Avena sativa Ø, Hypericum Ø-C6, Ignatia C1-C3, Kalium phosphoricum D1-D6, Zincum aceticum D1, Cypripedium pubescens D3, Scutellaria D3

Milz

Ceanothus Ø-D1-C1, China C6, Chininum sulphuricum C6, Quercus Ø-D3, Rubia tinctorum Ø, Scilla maritima Ø, Urtica urens Ø, Berberis Ø, Chelidonium Ø, Conium D3, Helianthus Ø, Oleum succinum Ø, Polygonum persicaria C30, Ferrum phosphoricum C6, Juglans regia Ø

Gebärmutter

Aurum D3, Aurum muriaticum D3, Aurum muriaticum natronatum D3, Bellis perennis Ø, Caulophyllum C1, Cimicifuga Ø-C1, Fraxinus americana Ø, Helonias Ø, Pulsatilla Ø, Sabina C30, Thlaspi bursa pastoris Ø, Guaco C3, Hydrastis Ø, Secale D3, Viburnum opulus Ø, Aletris farinosa Ø, Cedron D3, Cypripedium pubescens 3x, Fragaria vesca Ø, Sabal serrulata Ø, Salix nigra Ø

Eierstöcke

Colocynthis D3, C3, C6, C12, Folliculinum C12, Ovininum C12, Viscum album D1

Brust

Bellis perennis Ø, Lac caninum C12, Phytolacca Ø, Fragaria vesca Ø

Leber

Carduus marianus Ø, Chelidonium Ø, D3, C3, Chelone glabra Ø, Cholesterinum D3, Hydrastis Ø, Myrica cerifera Ø, Natrium sulphuricum C4, Nux vomica D1, C1, C30, Berberis Ø, Crocus Ø, Diplotaxis tenuifolia Ø, Euonymus europaeus D3, Ferrum picricum D3, Helianthus annuus Ø, Iodoformum D3, Leptandra D3, Magnesium muriaticum C30, Muriaticum acidum C6, Podophyllum D6, C6, Quassia amara Ø, Sanguinaria Ø, Terebinthinae oleum D3, Bilirubinum C5, Calendula Ø, Picricum acidum C3, Prunus spinosa Ø, D6, C6, Taraxacum C6

 

Bauchspeicheldrüse

Iris C30, Phosphorus C30, C100, Kalium iodatum C30, Nux vomica D1, C1, C30, Pulsatilla C6, Mercurius solubilis C12, Iodum C1, Jaborandi D3, Pilocarpinum, Atropinum C12

Prostata

Sabal serrulata D3, Thuja D3, Conium D3, Chimaphila umbellata C12, Pulsatilla D6, Ferrum picricum D3

Männliche Genitalien

Agnus castus Ø, Titanium C30, Caladium C6, Chionanthus Ø, Oxalicum acidum D3, Selenium C5, Stigmata-p Ø, Stillingia silvatica Ø, Urea C6

Nieren

Berberis Ø, Cantharis D3, C3, Solidago D1, Coccus cacti Ø, Cocculus C6

Blase

Equisetum Ø, Cantharis D3, C3, Triticum repens Ø, Taraxacum C6

Herz Cactus Ø, Convallaria Ø, Crataegus Ø, Digitalis C3, Glonoinum D3, Naja C30, Strophanthus Ø, Kalmia C12, Lycopus virginicus C12, Spongia C12, Adonis Ø

Magen

Hydrastis Ø, Alfalfa Ø

Blut

Echinacea Ø, Ferrum D1, Pyrogenium C5, C6, Sulphur C30, Gunpowder D6, Baptisia D3

Arterien

Belladonna C30, Glonoinum D3, Sanguinaria Ø, D1, Bryonia Ø

Haut

Levico aqua Ø, Berberis aquifolium Ø

Schilddrüse

Fucus vesiculosus Ø, Iodum C6

Venen

Aesculus Ø, D3, C3, C12, Ferrum phosphoricum D3, D12, C6 (wirkt hervorragend bei älteren Patienten), Fluoricum acidum C5, C6, C12 (wirkt gut bei jüngeren Patienten), Nux vomica D1, C1, C30, Pulsatilla Ø, Sulphur Ø, Ferrum D3, Rhus toxicodendron D3, C3

1.4 Materia Medica der führenden Organmittel

Der nachstehende Materia-Medica-Teil wurde folgendermaßen gegliedert:

Name der Arznei und Abkürzung im Repertorium

Herkömmlicher Name

Natürliche Ordnung (N.O.)

Indikationen

Charakteristika

Symptome

Verwandte Arzneien

Dosierung

Quellen

Arzneien für die Leber

Carduus marianus, Chelidonium majus, Chelone glabra, Cholesterinum, Hydrastis canadensis, Leptandra virginica, Myrica cerifera

Carduus marianus (Card-m.)

Herkömmlicher Name Mariendistel, Silybum marianum

N.O. Compositae

Indikationen Alkoholabusus. Blutungen. Epistaxis. Gallensteine. Gelbsucht. Hämorrhoiden. Hepatitis. Influenza. Ischialgie. Lebererkrankungen. Metrorrhagie. Milzerkrankungen. Pleuritis. Rheumatismus. Typhlitis. Variköse Geschwüre. Varizen. Zirrhose.

Charakteristika Der Name Mariendistel stammt von den gefleckten weißen Blättern, von denen es heißt, dass sie durch Milchtropfen aus den Brüsten der Jungfrau Maria entstanden sind.

Symptome Carduus marianus ist primär eine Arznei für die Leber und das Pfortadersystem und insbesondere angezeigt bei Alkoholabusus, v. a. wenn dieser durch Bierkonsum entstanden ist. Chronische Leberschwäche, Zirrhose, Hepatitis, Pfortaderstauung und Gallensteine. Die Leber ist vergrößert und geschwollen, v. a. in horizontaler Richtung (Chelidonium in vertikaler Richtung), siehe auch Abbildung 1. Burnett bezeichnete dies als die Wirkungsrichtung einer Arznei. Die Wirkungsrichtung von Carduus marianus verläuft horizontal von der Leber zur Milz. Stiche in der Leber, schlimmer durch Liegen auf der linken Seite. Stiche in der Milz, schlimmer durch Einatmen und Zusammenkrümmen. Lebererkrankungen, die auf die Lunge übergehen und Hämoptyse verursachen.

• Melancholie, Apathie und Freudlosigkeit.

• Leberbedingte Kopfschmerzen (Chelidonium, Lycopodium, Sanguinaria) und Migräne, oft schlimmer auf der rechten Seite. Kopfschmerzen besser durch Essen. Schwindel besser durch Nasenbluten.

• Bitterer Geschmack, weiß belegte Zunge; Gefühl auf der Gaumenschleimhaut, als wäre sie mit Fett belegt.

• Übelkeit, Würgen und Erbrechen. Stiche auf der linken Seite des Magens, in der Milzgegend.

• Stuhl sehr hart und knollig.

Burnett identifizierte ein Schlüsselsymptom für Carduus marianus. Dieses bezeichnete er als Hautausschlag auf dem Sternum. Dabei handelt es sich um einen bräunlichen Hautausschlag im Brustbeinbereich, der oftmals bei Leber- und Herzbeschwerden auftritt. Ist der linke Leberlappen vergrößert und es besteht gleichzeitig Herzkopfen oder ein systolisches Herzgeräusch, dann ist dies eine deutliche Indikation für die Verschreibung von Carduus marianus.

Verwandte Arzneien Lycopodium, Chelidonium, Chionanthus, Nux vomica, Podophyllum.

Dosierung Urtinktur und niedrige Dezimal-/Centesimalpotenzen.

Quellen Boericke, Burnett, Clarke, Murphy, Stearn (Dictionary of Plant Names for Gardeners).


Abbildung 1

Abbildung 1.) Wirkungsrichtung. Diese Abbildung zeigt die Lokalisation der Leber und Milz (schraffierte Flächen) sowie die „Wirkungsrichtung” der Arzneien Carduus marianus, Chelidonium und Chelone glabra.

Beachten Sie, dass Carduus marianus eine horizontale oder diagonal-transversale Wirkungsrichtung von der Leber zur Milz hat. Die Wirkungsrichtung von Chelidonium hingegen erstreckt sich senkrecht nach oben zur rechten Brustwarze. Die Wirkung von Chelone glabra wiederum zieht nach unten in Richtung der Blase und Gebärmutter.

Chelidonium majus (Chel.)

Herkömmlicher Name Schöllkraut

N.O. Papaveraceae

Indikationen Gallenbeschwerden. Gallenblase, Schmerzen. Gallensteine. Gelbsucht. Hepatitis. Influenza. Keuchhusten. Kopfschmerzen. Krebs. Lebererkrankungen. Nasenbluten. Pneumonie. Tumoren. Warzen.

Charakteristika Chelidonium leitet sich aus dem Griechischen von chelidon ab, was Schwalbe bedeutet. Der Tradition nach blüht die Pflanze, wenn die Schwalben zurückkehren.

Symptome

„Über Chelidonium majus würde ich sagen, dass es in diesem Lande das größte Lebermittel ist, das wir überhaupt haben, und es gibt wahrhaftig keinen Mangel an Lebererkrankungen.” (Die Lebererkrankungen, S. 27)

Chelidonium war eines von Burnetts Lieblingsmitteln in Fällen mit Leberbeteiligung. In einem Fall suchte er in Vertretung eines anderen Arztes eine Patientin auf, die allerdings starke Vorbehalte gegenüber neuen Ärzten hatte. Als sie Burnett bei seiner Ankunft erspähte, fand sie den Anblick dieses großen bärtigen Mannes abscheulich, und so schickte sie ihn durch ihre Tochter wieder fort. Binnen weniger Tage kehrten ihre Leberschmerzen zurück, und der Arzt sandte Burnett erneut zu ihr. Dieses Mal wurde ihm Zutritt gewährt, und er fand die Patientin mit großen Schmerzen in der Lebergegend und einer stark vergrößerten Leber vor. Er verordnete Chelidonium, und die bereits dreißig Jahre währenden Leberschmerzen ließen schneller nach als jemals zuvor und wurden schließlich ganz geheilt. Die Patientin überreichte Burnett ein Geschenk und schickte nachfolgend viele ihrer Freunde zur Behandlung zu ihm.

• Die Wirkungsrichtung dieser Arznei erstreckt sich von der Leber senkrecht nach oben zur rechten Brustwarze (siehe Abbildung 1). Ein führendes Symptom sind stechende Schmerzen unterhalb des rechten medialen unteren Schulterblattwinkels in Verbindung mit Leberstörungen. Burnett bezeichnete diese Art von Schmerzen, die als Begleitsymptom einer Entzündung oder krankhafter Veränderungen bestimmter Organe auftreten, aber in einem anderen Körperteil lokalisiert sind, als Synalgie.

• Verärgert, reizbar, leicht aufgebracht. Forsch und sehr starrsinnig. Besorgt um die Gesundheit.

• Flattern der Nasenflügel (Lycopodium, Phosphorus, Antimonium tartaricum).

• Ein Leitsymptom ist Gelbfärbung durch Ikterus (Gelbsucht). Gelbfärbung der Skleren, gelbgraue Farbe der Haut. Gelbe und schwammige Zunge mit Zahneindrücken (Mercurius, Hydrastis). Urin gelb, schaumig, wie Bier. Stuhl pastös, gelb, schwimmend. Hautjucken. Neugeborenengelbsucht (Chamomilla, Phosphorus).

• Besser nach Essen. Verlangen nach und Besserung durch heiße Speisen und Getränke (Arsenicum album, Lycopodium).

Verwandte Arzneien Bryonia, Lycopodium, Phosphorus.

Dosierung Urtinktur und niedrige Dezimal-/Centesimalpotenzen.

Quellen Boericke, Burnett, Clarke, Murphy, Stearn.

Chelone glabra (Chelo)

Herkömmlicher Name Schlangenkopf, Schildkrötenkopf

N.O. Scrofulariaceae

Indikationen Gelbsucht. Lebererkrankungen. Varizen. Würmer.

Charakteristika Das griechische Wort chelone bedeutet Schildkröte, als Hinweis auf die Blütenform dieser mehrjährigen Pflanze. Daraus leiten sich die Namen Schlangenkopf und Schildkrötenkopf ab.

Symptome Die Organaffinität erstreckt sich auf den linken Leberlappen (siehe Abbildung 1).

• Die Wirkungsrichtung verläuft nach unten zum Nabel, zur Blase und Gebärmutter.

Chelone wirkt in einer Linie zwischen dem Leberhilus und dem Fundus der Gebärmutter.” (Clarke, A Dictionary of Practical Materia Medica, S. 467.)

• Burnett bezeichnet Chelone als wichtiges Lebermittel, dessen Wirkung sich von von rechts nach links und von oben nach unten erstreckt.

Verwandte Arzneien Carduus marianus, Hydrastis.

Dosierung Tinktur.

Quellen Boericke, Burnett, Clarke, Murphy, Stearn.

Cholesterinum (Chol.)

Wird aus der epithelialen Auskleidung der Gallenblase und größeren Gallengänge hergestellt. Trituration (Verreibung mit Mörser und Stößel) von Gallensteinen.

Indikationen Gallensteine. Gelbsucht. Lebererkrankungen, Leberkrebs. Trübung des Glaskörpers.

Symptome Burnett erfuhr durch Dr. Ameke aus Berlin von dem Einsatz von Cholesterinum. Burnett setzte dieses Mittel bei hartnäckigen Stauungszuständen der Leber und bei Leberkrebs ein, insbesondere wenn Letzterer den linken Leberlappen betraf.

Cholesterinum ist mein Notanker bei organischem Leberleiden, an dem die gewöhnlichen Leberheilmittel Chelidonium, Carduus marianus, Myrica cerifera, Kalium bichromicum, Mercurius und Diplotaxis tenuifolia alle scheiterten.” (Die Lebererkrankungen, S. 64)

Cholesterinum ist eine Sarkode, d. h. eine Arznei, die aus gesundem Gewebe hergestellt wird. Eine Nosode dagegen wird aus erkrankten Geweben oder krankhaften Sekreten hergestellt. (Siehe auch Kapitel 3 zu den Nosoden.)

Verwandte Arzneien Iodoformum (Burnett gab in bösartigen Fällen häufig Cholesterinum D3 im Wechsel mit Iodoformum D3.)

Dosierung D3, C3.

Quellen Boericke, Burnett, Clarke, Murphy.

Hydrastis canadensis (Hydr.)

Herkömmlicher Name Kanadische Gelbwurz

N.O. Ranunculacea

Indikationen Abmagerung. Alkoholismus. Brust, Colon, Leber, Magen, Rektum, Zunge, Krebs. Gallensteine. Gelbfärbung der Haut. Gelbsucht. Geschwüre. Lebererkrankungen, Leberkrebs. Sinusitis. Verstopfung.

Charakteristika Hydor ist die griechische Bezeichnung für Wasser. Der Name entstand irrtümlich aufgrund der Verwechslung von Hydrastis mit Hydrophyllum canadense, (dem „water-leaf“ [Wasser-Blatt]). Die Pflanze wurde von den Cherokee-Indianern als Bestandteil einer Arznei zur Behandlung von Krebs verwendet. Darüber hinaus diente sie auch als Färbemittel. Canadensis steht für das Vorkommen in Kanada, wobei dieser Begriff in früheren Schriften auch für den nordöstlichen Teil der Vereinigten Staaten verwendet wurde.

Dr. Henry Thomas wies darauf hin, dass Burnett Hydrastis bei Gallensteinen und dadurch bedingten Koliken einsetzte. Clarke schreibt, dass es sich zwar keinesfalls um ein Spezifikum, nichtsdestotrotz aber um eines der Hauptmittel handele, das es in Krebsfällen zu berücksichtigen gelte.

 

Symptome Geistesabwesend, reizbar, depressiv. Ist sich seines bevorstehenden Todes sicher und sehnt ihn herbei.

• Stirnkopfschmerzen durch Sinusitis, dicker, gelbgrüner Schleim. Katarrh der Eustachischen Röhre, vermindertes Hörvermögen (verstopfte Ohren).

• Bitterer Mundgeschmack, gelbe Zunge mit weißen Streifen. Zunge geschwollen, schwammig, mit Zahneindrücken (Chelidonium, Mercurius). Die Zunge fühlt sich verbrüht an, Bläschen an der Zungenspitze.

• Geschwüre in Mund und Rachen.

• Hartnäckige Verstopfung mit dumpfen Kopfschmerzen. Hämorrhoiden.

• Schwache Verdauung, Schwächezustand, Abmagerung.

• Atrophie der Leber, schneidende Schmerzen, die zum rechten Schulterblatt ziehen. Schneidende Schmerzen im Unterbauch, die zu den Hoden ziehen. Gelbsucht mit Magenkatarrh. Die Haut kann gelb oder schmutzig-gelb sein. Gallensteine und Gallenkoliken. Leberkrebs.

Verwandte Arzneien Bacillinum. Burnett gab oft erst Bacillinum und dann ein bis zwei Monate lang Hydrastis oder eine Gabe Hydrastis zwischen zwei Gaben Bacillinum. Er war der Auffassung, dass es den Appetit steigerte und abgemagerten Patienten half, an Gewicht zuzulegen.

Dosierung 5 Tropfen der Urtinktur morgens und abends. Bei Gallensteinkoliken jede halbe Stunde 10 Tropfen in sehr warmem Wasser über einige Stunden.

Quellen Boericke, Burnett, Clarke, Murphy, Stearn.