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Fürsorge- und Kooperationsantrieb

Vor allem bei Verwandtschaft und Gegenleistung

Viele überlebenswichtige Aufgaben schultern sich gemeinsam besser als allein, zum Beispiel die Aufzucht der Kinder oder die Jagd auf große Tiere. Um die entsprechenden wechselseitigen sozialen Verhaltensweisen in der Familie beziehungsweise in der Steinzeithorde sinnvoll aufeinander abzustimmen, mussten sich komplizierte Systeme erblicher Empfindungen und Verhaltensimpulse entwickeln. Zu ihnen zählen zum Beispiel: Empfindungen und Verhaltensweisen der partnerschaftlichen und elterlichen Liebe und Fürsorge, Verhaltensweisen der Kinder, die elterliche Zuwendung erzeugen (z.B. herzergreifendes Weinen), Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen und Geborgenheit in einer Gruppe, Dankbarkeit sowie Schuld- und Schamempfinden.

Auch dieser Antrieb ist leider nicht frei von »genetischem Egoismus«: Es gibt nachweislich Tendenzen, die Hilfe auf genetisch Verwandte zu beschränken, die ja quasi einen Teil der eigenen Gene als Kopie in sich tragen (Geschwister beispielsweise haben zu 50 Prozent übereinstimmende Gene). Außerdem richtet sie sich noch an gut bekannte Hordenmitglieder, von denen man Gegenleistungen erwarten kann, nach dem Prinzip »Wie du mir, so ich dir«. Tiere, Kinder und auch Erwachsene können gegenüber Fremden und Ausgestoßenen recht kalt und grausam sein.

Gerechtigkeitsempfinden

Gleichwohl ist in diesem Kontext wohl ein Gefühl für die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung entstanden. Dieser »Reziprozitätsinstinkt«, der auf gleichwertigen Austausch drängt, ist sicher eine wichtige Basis unseres Fairness- und Gerechtigkeitsempfindens.

Aggressionsbereitschaft

Wut bei Widerstand

Die Erbgefühle Ärger und Wut, unter Umständen verbunden mit der Ausübung von Gewalt, werden ganz allgemein ausgelöst, wenn unser Verhalten auf Widerstände trifft. Dies können Gegenstände sein wie ein Baumstamm auf dem Wege oder ein eingerostetes Schloss, aber auch Lebewesen: ein angreifender Hund oder ein Mitmensch, von dem wir glauben, dass er uns in irgendeiner Weise behindert oder uns Böses will.

Angstantrieb

Urängste

Werden der Widerstand oder die Bedrohung aber zu groß, entstehen Angst und Fluchtbereitschaft. Für Gefahrensituationen, denen bereits unsere Vorfahren häufig ausgesetzt waren, tragen wir eine angeborene Angstbereitschaft in uns. Dies betrifft vor allem die folgenden Dinge beziehungsweise Situationen:

• große Höhen

• Feuer

• Raubtiere

• Blut

• Schlangen

• Insekten

• tiefes Wasser

• Unwetter

• Dunkelheit

• große Entfernung zum schützenden Heim

• enge Räume ohne Ausgang

• viele Menschen, die uns (vermeintlich) anstarren (und damit vielleicht zum Ausdruck bringen, dass wir zu den Ausgestoßenen gehören).

Stressreaktion

Körperliche Symptome

Neben Gefühlen und Verhaltensweisen entspringen unseren Erbantrieben auch immer charakteristische körperliche Reaktionen. Die Körperreaktionen, die durch den Aggressions- und den Angstantrieb ausgelöst werden, bezeichnen wir als Stressreaktion. Sie soll uns auf die großen muskulären Anstrengungen vorbereiten, mit denen sowohl Kampf als auch Flucht verbunden sind. In erster Linie müssen hierfür Atmung und Kreislauf »angekurbelt« werden, um die Muskeln mit »Brennmaterial« und Sauerstoff zur Energieerzeugung zu versorgen. Wir empfinden plötzlich Luftknappheit und Enge im Brustkorb, was uns zu tiefem und schnellem Atmen anhält; das Herz beginnt zu jagen, der Blutdruck steigt und die Muskelspannung erhöht sich.

Andere Organsysteme werden in ihrer Leistung heruntergeregelt, weil ihre Funktion in der unmittelbaren Notsituation nicht gebraucht wird. Dies betrifft das Verdauungssystem: Mundtrockenheit, Blähungen oder auch der Drang, Darm und Blase zu entleeren, können die Folge sein. Der Sexualantrieb wird verständlicherweise gedämpft, aber auch das Immunsystem wird »heruntergefahren«: Mit Fieber kämpft oder flieht es sich nicht gut. Für die Beseitigung der Wundbakterien – bei der das Fieber hilft – ist noch Zeit, wenn man die schutzgebende Höhle erreicht hat.

Psychische Symptome

Auf der psychischen Ebene erleben wir natürlich die von den genannten Antrieben erzeugten Erbgefühle: Ärger und Wut in dem einen Fall oder Angst und Furcht in dem anderen. Es kommt zu einer Konzentration aller Funktionen und Energien auf die Auslöser des Aggressions-beziehungsweise Fluchtantriebs. Wir erleben dies als »mentale Einengung« oder »Tunnelblick«: Das Bedrohliche nimmt unseren gesamten Wahrnehmungshorizont ein und verdrängt alle anderen Aspekte der Situation. Die höheren psychischen Funktionen – sachliches und systematisches Nachdenken – sind gestört oder abgeschaltet. War dies in den körperlichen Bedrohungssituationen unserer Vorfahren ein Vorteil, so schlägt uns das in Konfrontation mit den überwiegend geistigen Problemanforderungen unserer Zeit zum Nachteil aus: Wir verlieren schnell den Überblick, unser Verhalten wird hektisch. Die Chancen, unsere Probleme zu lösen, sinken dadurch noch mehr, was in einem Teufelskreis den Stress nur weiter verstärkt.

Dauerstress ist ungesund

Chronischer Stress, der nicht ausreichend von Phasen der Entspannung abgelöst wird, kann auf vielfältige Weise zu Gesundheitsstörungen führen. Da die mobilisierte Energie nicht mehr körperlich abgebaut wird, entstehen Bluthochdruck und als Folge davon Verengungen der Blutgefäße (»Arterienverkalkung«). Bei kritischen Gefäßverengungen sterben die versorgten Organe oder Teile davon ab. Ist das Herz betroffen, kommt es zur Angina Pectoris (Engegefühl und Schmerz im Brustkorb) oder gar zum Herzinfarkt (Teile des Herzmuskels gehen zu Grunde). Ist das Gehirn betroffen, resultiert ein Schlaganfall mit Sprachstörungen und Lähmungserscheinungen.

Die möglichen Folgen

Um Frust zu kompensieren und sich ein falsches und trügerisches Entspannungsgefühl zu verschaffen, werden ungesunde Verhaltensweisen entwickelt: zu hoher Konsum von Tabletten, Alkohol und Drogen oder übermäßiges Essen. Oft resultiert daraus Übergewicht, was dann zum sogenannten »Metabolischen Syndrom« führen kann: Der Gehalt des Blutes an Zucker, Fett und Harnsäure steigt (die möglichen Folgen: Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Gicht). In Verbindung mit dem Bluthochdruck werden hierdurch die Schäden an den Blutgefäßen und die genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich verschlimmert.

Darüber hinaus kann es bei chronischem Stress zu funktionellen Störungen vieler Organsysteme kommen sowie zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Aber auch psychische Probleme werden durch Dauerüberlastung gefördert. Das durch den Tunneleffekt eingeengte Denken verfängt sich leicht in den Teufelskreisen negativistischen Grübelns und erzeugt so Angststörungen oder Depressionen.

Macht-, Status- und Kontrollantrieb

Wo immer Tiere in Gruppen zusammenleben, kommt es zur Herausbildung sozialer Strukturen, aus denen sich so etwas wie eine Rangordnung ergibt. Geradezu sprichwörtlich geworden ist die »Hackordnung« der Hühner: Alle kämpfen reihum miteinander und fortan gehen die Unterlegenen den Siegern aus dem Weg. Das trägt entscheidend dazu bei, das soziale Leben möglichst »reibungsfrei« zu organisieren.

Hohe Rangposition: gute Chancen für viele Nachkommen

Aus Sicht des Einzelindividuums dient es der Ausbreitung der eigenen Gene, nach einer möglichst hohen Rangposition zu streben. Ranghohe haben einen besseren Zugriff auf attraktive Sexualpartner zur Zeugung von Nachkommen und auf materielle Ressourcen, um diese dann auch »durchzubringen«. Im Prinzip trifft dies auch auf uns Menschen zu: Aus dem Harem des marokkanischen Kaisers Mulai Ismail des Blutrünstigen etwa gingen an die 900 Kinder hervor. Bei vielen Menschen ist das Streben nach einem hohen Sozialstatus, der Wunsch, »Karriere« zu machen, sehr ausgeprägt – insbesondere bei manchen Männern ist es das Lebensthema schlechthin.

Besitzstreben

Auch das Besitzstreben ist teilweise durch den Drang nach gesellschaftlichem Aufstieg und Macht motiviert: Reichtum verschafft sozialen Einfluss und Luxusgüter können als Statussymbole dienen, die den hohen sozialen Rang nach außen kenntlich machen (z.B. der Ferrari vor der Tür oder die Rolex am Handgelenk). Die entsprechenden Erbgefühle aus diesem Komplex von Antrieben sind beispielsweise: Machtgier und Kontrollwünsche, Stolz, Neid (es spornt uns an, wenn Konkurrenten an uns vorbeiziehen) und Schadenfreude (die uns dazu drängt, den Konkurrenten »eins auszuwischen«).

Bereitschaft zur Unterordnung (bei Misserfolg)

Die Überlebens strategie der Schwachen

Für Individuen, die infolge mangelnder Begabung keine Chance haben, in der Konkurrenz um hohe Rangplätze erfolgreich zu sein, stellt sich die Situation anders dar. Anstatt sich in aussichtslosen Kämpfen zu erschöpfen, ist es sinnvoller, die eigenen Chancen dadurch zu verbessern, dass man sich den Beistand der Mächtigen etwa durch Anbiederung sichert.

 

Moralisch zweifelhafte Gefühle sind normal

Sollten Sie also die beschriebenen Erbgefühle und Verhaltensneigungen bei sich spüren – akzeptieren Sie das und bekennen Sie sich dazu. Sie verhindern damit, dass es Ihnen geht wie den Patienten von Sigmund Freud im 19. Jahrhundert. Damals waren die Moralnormen, vor allem bezogen auf die Sexualität, derart streng und rigide, dass sich viele Menschen ihre natürlichen Wünsche auf diesem Gebiet nicht eingestehen mochten. Eine so massive Verleugnung der eigenen Natur konnte nicht gutgehen und trug zu einer Vielzahl psychosomatischer Beschwerden bei.

Sie sind heute in einer bedeutend besseren Situation. Zum einen sind Moralnormen heute sehr viel laxer. In jeder Talkshow kann man entspannt über die bizarrsten sexuellen Praktiken plaudern und es gilt das Motto: Gute Menschen kommen in den Himmel und schlechte schaffen es überall hin (in Abwandlung eines bekannten Buchtitels). Zum anderen wissen Sie, was zu Zeiten Sigmund Freuds noch nicht so klar war: Die Erbantriebe, Ihre »Natur«, das ist nur eine Seite Ihrer Persönlichkeit. Es gibt noch eine andere, wichtigere Seite, die von kulturellen Inhalten bestimmt ist. Es liegt in Ihrer Hand, kulturell geprägte Antriebe und entsprechende Motivationen zu entwickeln, die stärker sind als Ihre Erbantriebe.

Eine entwickelte Persönlichkeit zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie keine negativen Impulse hat. Vielmehr ist sie sich ihrer negativen Seiten bewusst und zeigt einen souveränen Umgang damit: Man kann negative Impulse ausleben, wenn es niemandem weh tut, man muss sie willentlich unterdrücken oder durch kulturelle Motivationen aufwiegen, sobald Schaden daraus entsteht.

Erbgefühle akzeptieren

Sollten Sie also Aggressionen, Neid, Schadenfreude oder Ähnliches bei sich spüren (auch bezogen auf Angehörige oder Freunde), gestehen Sie sich das ein – das alles ist völlig normal. Fast alle Menschen haben derartige Impulse, ob sie nun darüber reden oder nicht. Ererbte Regungen dieser Art gehören unabänderlich zu unserer Natur.

Detailliertere Besprechungen unserer Erbantriebe finden Sie in der Literatur zur Evolutionspsychologie und Psychosynergetik (Buss 1994, 2004, Hansch 2004, 2006).

1.4.3 Gelernte Potenziale: Flow-Antriebe

Gottlob jagen wir Menschen nicht mehr ausschließlich den Motiven unserer Erbantriebe hinterher. Wir sind mehr als nur die Marionetten unserer Gene. Es geht uns nicht mehr nur um Sex, Völlerei, Macht oder den Schlüssel zu all dem: Geld.

Das Leben vieler Menschen wird teilweise oder sogar überwiegend von primär kulturellen Motiven geprägt. Forscher basteln mit Begeisterung an wissenschaftlichen Theorien, Schriftsteller, Maler oder Komponisten nahmen für ihre künstlerische Besessenheit Hunger und andere Entbehrungen auf sich, und politische Aktivisten ließen gar für politische Ideale ihr Leben.

Wie kann man das nun wieder erklären?

Motivation aus kulturellen Inhalten

Nun, Leben ist Lernen. Mehr oder weniger gezielt formen wir ständig neues Wissen und neue Kompetenzen in unser Selbst hinein (»Gedächtnisbildung«). Sobald wir diese Inhalte mit einer gewissen Meisterschaft handhaben, spricht unser Synergieohr auf sie an: Wir empfinden während des Tuns eine motorische und /oder mentale Funktionslust und geraten oft in Flow. Wenn diese perfekt beherrschten Inhalte eine gewisse Komplexität überschritten haben, dann kann aus ihnen ein eigenständiges Bedürfnis, ein eigenständiger Antrieb erwachsen, der darauf gerichtet ist, diese Inhalte im Tun öfter zu aktivieren und immer weiter auszubauen. Wer gelernt hat, mit drei Bällen zu jonglieren, der bekommt Lust, auch einen vierten und fünften Ball mit ins Spiel zu nehmen. Wer über die Anfangsgründe des Klavierspiels hinausgelangt ist, möchte sich immer neue Stücke seiner Lieblingskomponisten aneignen. Bei einem Physiker, der die wichtigen Teilgebiete der Physik beherrschen gelernt hat, entsteht wie von selbst der Wunsch, sie durch die »Weltformel« zusammenzufassen.

Flow-Antriebe

Lassen Sie uns diese Form der erworbenen, der gelernten Potenziale unseres Selbst als Flow-Antriebe bezeichnen.

Flow-Antriebe sind der Kern unseres Flow-Potenzials. Je mehr Flow-Antriebe wir im Laufe unseres Lebens aufbauen, desto häufiger und länger werden wir im Flow sein, desto intensiver werden wir das Gefühl genießen können, auf den Wellen des Seins zu surfen.

Flow-Antriebe können wir in vielen Lebensbereichen entwickeln, vom Sport- oder Hobbybereich bis hinein ins Berufsleben – wir werden darauf im Zusammenhang mit dem Thema inneres Wachstum noch genauer zu sprechen kommen (siehe S. 130ff.).

Übereinstimmung mit den Werten herstellen

Ein Teil des Wissens, das wir uns aneignen oder uns durch eigenes Denken erarbeiten, betrifft aber nicht die äußeren Tätigkeiten, sondern bezieht sich auf Dinge wie: Lebensmaximen, Werte, Welt- und Menschenbild. Auch wenn wir über diese Themen nachdenken, hört natürlich unser Synergieohr mit. Es sagt uns, wie gut die Gedanken, Erinnerungen oder Zukunftsvorstellungen, die wir gerade im Kopf haben, zu unseren Werten und Lebensmaximen passen. Vielleicht erinnern Sie sich gerade an etwas, das Sie gestern getan haben. Wenn das zu Ihren Werten im Widerspruch steht, dann werden Sie jenes Unstimmigkeitsgefühl empfinden, das wir schlechtes Gewissen nennen. Gibt es dagegen eine Übereinstimmung, fühlen Sie sich im Einklang mit sich selbst.

Einen starken Persönlichkeitskern schaffen

Die meisten von uns befinden sich in einem ständigen inneren Dialog mit sich selbst. Was passiert da? Ein wichtiger Aspekt ist folgender: Angestachelt durch Unstimmigkeitsgefühle arbeiten wir an einer ständigen Harmonisierung unserer inneren Strukturen. Wir versuchen, Widersprüche zu entdecken und auszuräumen, wir rechtfertigen unser Verhalten vor unseren Werten, oder wir verändern unsere Werte aufgrund neuen Wissens oder neuer Erfahrungen. Wenn wir dies systematisch und intensiv betreiben, dann wächst in uns ein komplexes und harmonisch integriertes System aus Erfahrungen, Wissen, Werten und Weltanschauung. Dies ist der Kern unserer Persönlichkeit.

Verinnerlichung von Werten und Prinzipien

Je komplexer und harmonischer Sie diesen Kernantrieb bei sich ausbauen, desto charismatischer und durchsetzungsstärker werden Sie als Mensch wirken können. Wissen und Werte werden auf diesem Wege verinnerlicht und damit verhaltenswirksam: Sie werden zu Überzeugungen, die zu Taten antreiben. Gleich erstarkenden Magnetfeldern in der Tiefe des Selbst sorgen sie dafür, dass wir immer öfter auch spontan im Sinne dieser Werte empfinden und handeln.

Während uns Erbantriebe dazu drängen, bestimmte Objekte zu beschaffen oder sinnliche Situationen herzustellen, drängen uns Flow-Antriebe dazu, bestimmte Tätigkeiten auszuführen und auszubauen. Sie vermitteln uns die Freude am Tun selbst, an einem Tun, das wir um seiner selbst willen ausführen.

Erbgefühle: beschränktes Spektrum

Entsprechend unterschiedlich ist auch die Bewertungsfunktion der dazugehörigen Arten von Gefühlen: Erbgefühle bewerten Objekt- oder Zustandseigenschaften vor dem Hintergrund eines genetisch fixierten Soll-Musters. Jedes Erbgefühl hat im Erleben eine unverwechselbare »Farbe«. Wenn zum Beispiel Nahrung viel Fett enthält, entsteht ein gewisser Wohlgeschmack und diese Empfindung fühlt sich deutlich anders an als etwa sexuelle Befriedigung. Erbantriebe gibt es nur in genetisch begrenzter Zahl. Entsprechend lassen sich Erbgefühle zwar durch Lernen verfeinern und differenzieren, nicht aber in ihrer Zahl vermehren.

Synergiegefühle: grenzenlos entwickelbar

Die Synergiegefühle als Grundlage der Flow-Antriebe dagegen bewerten inhaltsneutrale Prozesseigenschaften. Je mehr Momente und Teilelemente bei einem Tätigkeitsprozess ineinandergreifen und je reibungsloser und perfekter dieses Zusammenwirken ist, desto positiver ist das Synergiegefühl. Es handelt sich um allgemeine Harmoniegefühle, die sich auf alle denkbaren Inhalte beziehen können: Was immer wir uns differenziert aneignen oder kreativ erschaffen – wenn wir diese Inhalte perfekt beherrschen, dann spenden sie inneren Lohn in Form von positivem Harmonieerleben. Diese allgemeinen Harmoniegefühle behalten unabhängig vom konkreten Inhalt eine gewisse Ähnlichkeit. So vergleichen Wissenschaftler das Erleben schöner Theorien oft mit musikalischen Symphonien. Synergiegefühle lassen sich unbegrenzt entwickeln und ausdehnen. Über eine intensive Aneignung der Welt können wir deshalb eine umfassende Liebe zum Sein entwickeln.

1.5 Äußerer und innerer Lohn

Die Quellen des Lebens-Treibstoffs

Die besprochenen Antriebe sind auch die Quellen »positiver Gefühlsenergie«, die so etwas wie den Treibstoff unseres Lebens bildet.

Hier ist es recht nützlich, äußeren Lohn von innerem Lohn zu unterscheiden.

Äußerer Lohn ist positive Gefühlsenergie, die hauptsächlich durch äußere Faktoren erzeugt wird, wie etwa: schmackhafte Speisen, Sexualpartner, Konsumgegenstände als Statussymbole, andere Menschen, die uns Bewunderung und Respekt entgegenbringen. Äußerer Lohn erwächst aus Konsum, Ruhm und Macht. Er hat seine Basis in den Erbantrieben.

Innerer Lohn dagegen ist positive Gefühlsenergie, die kaum von äußeren Faktoren abhängt. Sein überwiegender Ursprung ist das Synergieohr, das auf eine hohe Ordnung psychischer Prozesse mit der Erzeugung von Synergiegefühlen reagiert.

Es lassen sich drei Hauptquellen dieser psychischen Synergie unterscheiden:

Quellen psychischer Ordnung

1. Die psychische Ordnung lässt sich steigern, indem man sich auf Wahrnehmungen konzentriert (die im Allgemeinen einen hohen Grad von Ordnung aufweisen). Man kann sich auf den Rhythmus des eigenen Atems konzentrieren oder auf den geordneten Ablauf einfacher Tätigkeiten (Mantras oder Gebete aufsagen, Gehen, Bügeln, Straße fegen etc.). Das ist der Kern von Achtsamkeits- und Meditationsübungen.

2. Eine hohe Ordnung psychischer Prozesse entsteht beim gelingenden Ausführen möglichst komplexer Tätigkeiten, die uns an die Obergrenze unseres Könnens bringen (Klavier spielen, Tanzen, eine Konferenz leiten etc.). Hier haben wir es mit typischen Flow-Aktivitäten auf der Basis von Flow-Antrieben zu tun.

3. In einem mehr ganzheitlichen Sinne entsteht eine hohe psychische Ordnung, wenn wir das Gefühl haben, unser Reden und vor allem unser Handeln stimmt mit unseren Werten und Prinzipien überein. Wir sind dann »mit uns im Reinen«, wir fühlen uns »selbstkongruent« oder »integer«. Auch dies ist eine wichtige Quelle von Lebenszufriedenheit.

Beziehungen

Die für das Glück als so wichtig erlebten Beziehungen zu anderen Menschen können sowohl äußeren als auch inneren Lohn spenden: Man kann sich an der äußeren Schönheit seines Partners freuen, mit ihm Sex haben oder seine Komplimente genießen – dies wäre äußerer Lohn. Man kann aber auch mit ihm eine Galerie besuchen, Schach spielen oder über Philosophie diskutieren – dies wäre eine wechselseitige Steigerung der Erzeugung inneren Lohns durch Resonanz.

Liebe ist innerer Lohn

Die höheren Formen von Liebe gehören dabei zum inneren Lohn: Die Fähigkeit zu intensiver, achtsamer Wahrnehmung des anderen ist für die Entwicklung von Mitgefühl und nicht besitzergreifender Liebe von zentraler Bedeutung, insbesondere auch die Wahrnehmung einer Übereinstimmung des Verhaltens des anderen mit den eigenen Werten.

Auch die tätige Aneignung der Welt im Sinne des Aufbaus von Flow-Potenzial erzeugt Liebe, die »Liebe zum Sein«: Man kann lernen, die Musik, die Mathematik oder die Philosophie zu lieben. Und über diesen inneren Reichtum wird man auch resonanzfähig für Menschen, die diese Leidenschaften teilen, was wiederum die nicht besitzergreifende Liebe fördert, die Respekt und Bewunderung gibt und dafür nichts zurückerhalten muss.

Innerer Lohn ist wichtig

 

Wie wir noch sehen werden, ist für Glück und ein erfülltes Leben die Kultivierung inneren Lohns sehr viel bedeutsamer als das Erschließen von äußerem Lohn. Letzterer unterliegt dem Phänomen der Gewöhnung: Was immer es ist – ein neuer Sportwagen oder eine neue Rangposition –, nach einiger Zeit bringt es nicht mehr den »Kick« und man braucht etwas Neues oder mehr. Gleichzeitig ist das Reservoir an äußerem Lohn begrenzt. Folgerichtig entsteht hier eine Mentalität des Mangels. Inneren Lohn kann man dagegen nahezu unbegrenzt in sich erzeugen – die Konzentration darauf lässt eine Mentalität der Fülle entstehen.