Der Andere - Auto-Bio-Grafie eines bisher noch Unbekannten

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- Hühner habt ihr gefangen???

Ungläubig schaut der Journalist Dieter drein, wie er hört, was er da eben von seinem Gegenüber berichtet bekam. Es ist Sommer, die Schüler der Marx-Schule der Marx-Stadt sind, wie jedes Jahr, in ihrem Schul-Ferien-Lager an der Ostsee. Der Dieter, der heute von Berlin her nach hier angekutscht gekommen ist, um in seiner Zeitung, der „Jungen Welt“, darüber zu berichten, und unser Hans hocken auf einer Klapp-Bank unterm freien Himmel der Insel Rügen und der Hans darf heute erstmals in seinem Leben ein Interview geben.

Der zweigrößten Zeitung des ganzen Landes!

Und eben hatte der Journalist, wie unser Hans ihm berichtete, was da in seiner Schule wie abgeht, das gefragt:

- Wie noch mal hieß der Beruf, den ihr zu erlernen habt?

Und hatte dann dieses komische Wort in seinen Notizblock zu notieren gehabt:

Roh …

Bau …

Monteur …

- Nie gehört, den Namen!

Klärte der Hans den Dieter also auf:

- Wird doch nicht mehr so viel gemauert bei uns im Land. Plattenbauweise! Neubauten und so … Und die dann montieren …

- Ah! Deshalb …

Wir hier kehren nun aber erst mal zum Anfang des Interviews zurück.

Da nämlich hatte der Dieter eben das gefragt, was man als Journalist so fragt:

- Und? Was treibt Ihr hier so?

Hatte der Hans also berichtet:

- Gleich früh am Morgen: Fahnen-Appell ….

- Aha …

Der Dieter hatte genickt. Na klar, wie überall im Land:

Die!

Fahne!

Hoch!

Und so hatte unser Hans dann auch gleich weiter berichtet: Nach dem Appell ab durch den Wald zum Strand hin, da hinein in die Wellen, Burgen bauen, sich mit Sand beschmeißen …

- Wie das an der Ostsee eben so ist …

Das hatte der Interviewer beim Interviewen gedacht, hatte weiter scheinbar interessiert zugehört, notiert und dann aber immer mal wieder auch bissel gegähnt.

Und der Hans, wie er das sah, hatte sich da das gefragt:

- Verrückteres (…oder, wie es heute wohl heißen würde, Spannenderes …) berichten???

Das zum Beispiel: Was in den früheren Armee-Zelten, die hier im Kiefernwald im Kreis als Ferien-Lager aufgestellt sind, was da abends immer so abgeht!?! Wie da zum Beispiel gestern einer von ihnen das ins Dunkel des Zeltes hinein gefragt hatte:

- Warum gehen die ABV’er 32 immer zu zweit auf Streife?

Nee, das ging nicht! Müsste da doch diese Antwort gegeben werden:

- Na, weil sie dann zusammen die 8. Klasse haben!

Und den anderen Witz, der dann auch gleich noch hinterdrein kam, den konnte er dem Dieter doch gleich gar nicht erzählen!

Nicht nur politisch, sondern ja auch noch schweinisch, wie der war!

Also: Wie da wieder mal zwei ABV’er die Straße lang gehen und drüben auf der anderen Seite kommt eine Frau den Fußweg lang. Und wie da der eine Polizeier aufgeregt zum anderen spricht:

- Meine Bio-Lehrerin! Die blöde Kuh! Hat mir immer bloß Vier’n und Fünfen gegeben! Aber der geben wir’s jetzt zurück!

Und wie er dem Genossen neben sich dann befohlen hatte, dass sie beide jetzt ganz schnell mal die Straßenseite wechseln sollten. Und dann das:

- Du gehst von hinten an die blöde Kuh ran, ich komme von vorne!

Erst mal so, als wäre nischt. Einfach so … Dann aber! Dann!

Gehst

Du ganz nahe an von hinten an die Olle ran und reißt ihr den Rock hoch!

Erstaunt fragt der Genosse seinen Genossen:

- Den Rock hoch???

- Ja, den Rock …

Woraufhin der ABVer seinen Genossen weiter aufklärt:

- Ich komme von vorne und?!?

Sein Genosse weiß es nicht. Bis dass er das hört:

- Und trete der ollen Kuh von vorne in die Eier!

Na, da! Hatte es aber geprustet und gebrüllt vor Lachen im dunklen Zelt!

Und wie! Das aber konnte der Hans dem Zeitungsmann doch jetzt nicht erzählen … Aber ach:

Eier!

Plötzlich nämlich war dem Hans bei diesem Stichwort die Hühner-Fang-Geschichte eingefallen. Hatte zwar nichts mit den Ferien hier auf der Insel zu tun, vielleicht aber war das ja doch interessanter, als das, was da hier im Sommer wie immer so abging … Und:

Tatsache!

Flott war das Gähnen aus des Presse-Manns Gesicht verflogen, wie der Interviewte vor ihm das zu berichten anfing, hurtig hatte er zum Stift gegriffen, immer wieder den Kopf geschüttelt und dann aber fleißigst notiert, was er da zu hören bekam:

Hühner fangen!

Als Maurer!

Decke-Putzen!

Als Erstes!

Und Ziegel schmeißen!

Den Tag lang ganz!

Der Hans natürlich hatte, wie er dies Erwachen des Journalisten vor sich bemerkte, nicht schlecht gestaunt. Wollte der das wirklich in die Zeitung setzen??? Steht doch da sonst nie nicht drin, wie es wirklich zugeht im Kleinen Land – vor allem nicht, was da Mist ist …

Immer nur bloß:

Gute Taten!

Große Erfolge!

In allen Zeitungen des ganzen Landes!

Und nun das???

Will dieser Presse-Mann wirklich wissen, wie es wirklich ist?!?

Offenbar doch!

Nicht zu fassen!!!

Hatte der Hans seinem Gegenüber dann also ausführlichst berichtet, was da in Sachen Berufs-Ausbildung wie gewesen war. Der Mann von der sozialistischen Zeitung hatte gestaunt, geguckt, geschrieben. Und hatte zwischendurch immer wieder nur das gesprochen:

- Aha!

- Aha!!

- Aha!!!

Irgendwann dann war das Interview ja beendet gewesen und der Interviewer hatte den Interviewten baden gehen lassen.

Der Hans ging baden, kam zurück, ging essen, lag abends im Zelt, hörte Witze– na, und so weiter fort. Dass davon aber, was er dem Presse-Mann heute berichtet hatte, dass davon irgendwann irgendwas in der Zeitung stehen würde, das glaubte er nie und nimmer nicht.

Irrtum!

Gewaltiger!

Wie unser Hans nämlich wenige Tage später an den Kiosk geht, sich eine „Junge Welt“ zu kaufen, was muss, was darf, was kann er da lesen???

Alles, was er berichtet hatte! Hühner fangen, Decke putzen, Ziegel schmeißen –

Alles! Und zwar: Wahr, wie es war! Und gleich ruft es in ihm da das:

– Warwara hilf!

Ja: Nicht aus dem Staunen kommt er raus:

Eine ganze Seite!

Lang und breit!!

Seite 3 – die Aufschlag-Seite!!!

Warum das so war, das freilich konnte der Hans da noch nicht wissen. Politische Wetter-Berichte hat es ja nicht gegeben im ehemaligen Land. Hätte es sie nämlich gegeben, dann hätten er und alle anderen Bürger sehen und hören und lesen können, warum die Zeitungen des Landes die Welt kurzzeitig doch mal nicht immer nur so darzustellen hatte, wie sie nicht war, sondern Tatsache so, wie sie Tatsache war.

Tauwetter hatte geherrscht. Irgendein Partei-Plenum hatte es gegeben, das diesen Versuch beschlossen hatte.

Hans Huber liest, staunt und fragt sich aber dann doch das:

- Ob das was bringt?

Um sich diese Frage dann gleich selbst so zu beantworten:

- Ja, mir vielleicht! Eine auf die Mütze werde ich kriegen!

Dafür, dass er das Alles, was da in seinem Alltag so böse abgegangen war, dass er das der Zeitung verraten hat! Wird doch auch in Berlin gelesen, das Blatt! Von den allerobersten vorgesetzten Schul-Behörden!

Au weia!

Was aber ging nach dem Sommer dann ab?!?

Wenn nicht: Ihr Meister?!?

Ja: Gehandelt ward!!!

Haste, was kannste hatten der Hans und die anderen Rohbau-Lernlinge nach dem öffentlichen Bekannt-Werden dieser unsozialistischen Untaten ihres Meisters – und zwar gleich nach den Sommer-Ferien:

Einen neuen Meister!

Eine neue Baustelle!!

Eine (und zwar nun echte) Berufs-Ausbildung!!!

Dass unser Hans aus diesem Ablauf der Dinge wenig später dann eine fatal falsche Folgerung schließen würde, dass er sich nämlich sagte:

 

- Da musst du hin! Zur Zeitung! So gerne, wie du schreibst – und die Welt verbessern – das willst du doch auch!

Dass er also gleich nach dem Abitur Volontär wurde – und zwar bei eben dieser, der zweitgrößten Zeitung des ganzen Landes! – das wohl lag daran, dass er das nicht bedacht hatte:

Tauwetter herrscht für gewöhnlich nur eine kurze Zeit lang.

Bis dass irgendwann dann doch wieder Alles einfriert.

Was es dann ja auch tat …

Wir hier, liebe Leserin, lieber Leser, bleiben aber erst mal noch in den Oberschul-Zeiten unseres Helden. Da nämlich ließ der noch ganz Anderes in seiner, der Schule mit den zehn „O“ (Korl-Morx-Oborschule, Korl-Morx-Stodt, Korl-Morx-Blotz 2) abgehen!

Bar ohne Bier


- Was denn ist denn das denn???

Wie angenagelt steht der Direktor der Marx-Schule der Marx-Stadt am Marx-Platz in dem Zimmer, in das er eben mit der Schulleitung einmarschiert ist, und reißt die Augen auf.

Dieses!

Perverse!!

Möbel!!!

Mitten in einem Klassenzimmer!!!!

Der Direktor kriegt sein Maul nicht zu und staunt sich, wie alle anderen mit anmarschierten Lehrer, fast kaputt. Nur einer von ihnen, der Genosse Harnack, tut das nicht. Der nämlich schaut nach hinten hin, wo unser Hans und die anderen mit einmarschiert zu habenden Schüler locker herum stehen, und blinzelt dem Hans verschmitzt zu.

Der Direktor holt tief Luft. Schon die Idee, eines ihrer Klassenzimmer zu einem Jugendklub umzufunktionieren! Schon die war ja doch absurd gewesen! Und erlaubt hatte er das auch nur, weil es von oben her so angeordnet worden war. Sollte es doch ab sofort bissel mehr jungendgemäß zugehen in ihrem Land – und also auch an der Marx-Schule. Na gut: Jugendgemäßer. Das hier aber nun ging ja doch wohl bissel sehr viel zu weit:

Erlaubtes Saufen!

Mitten in der Schule!

Ruft der Direktor also den Schüler Hans, seines Zeichens FDJSekretär der Schule, und also verantwortlich für diesen tragischen Umbau, zu sich heran und fragt den das:

- Was ist das???“

- Eine Bar …

- Und??? Wie kommt die hier her???

Und so berichtet unser Hans nun also, wie es dazu gekommen war. Zunächst das, was der Genosse Direktor ja doch wohl weiß: Dass sie alle aller 14 Tage zur Berufsausbildung hin müssen. Und dass sich die meisten Jungs seiner Klasse da für einen der vielen Maschinen-Bau-Betriebe der Marx-Stadt entschieden hatten. Und als da nun dieser neue Jugendklub in die Schule gestellt werden sollte, hatten die das bei sich gedacht:

- Nicht immer nur im Betrieb feilen und löten und schrauben und in der Schule immer nur das: Lernen! Lernen! Nochmals lernen!

Nein: Auch mal ganz anders! Hatten sie also kurzerhand heimlich paar Bretter und Stangen und Nägel und Schrauben beiseite geräumt in ihrem VEB und die dann hier zur Schule her karren lassen. Heimlich natürlich. War doch einer ihrer Onkels LKW-Kraft-Fahrer da im Betrieb und hatte der ihnen geholfen.

- Geklaut haben die also!!!

Das ruft der Direktor aus, wie er das erfährt.

- Na ja: Umgelagert …

So übersetzt Hans Huber den damals im ganzen Land äußerst üblichen Vorgang. Und berichtet dann auch gleich weiter, wie sie das ehemalige Klassenzimmer umgestaltet hatten: Gleich vorne die Bar. Gebaut aus dem antransportieren VEB-Material. Und im Zimmer dann auch keine Schul-Bänke mehr, sondern lustig gut betuchte bunte Tische mit gemütlichen Stühlen dran, Blumentöpfe auf den Fensterbänken …

- Schluss jetzt!

Das spricht der Direktor dann irgendwann und ordnet den Abgang der Abnahme-Kommission an.

Interne Beratung!

Oben in seinem Zimmer!

Und dahin hat unser Hans – als oberster Übel-Täter – auch mit zu kommen. Nicht freilich in die Beratung hinein – nein: Draußen vor der Tür hatte er zu warten!

Wo dem dann auch irgendwann in den Sinn kommt, wie das Alles angefangen hatte. Wie ihn also sein Stabü-Lehrer 33 nach dem Unterricht mal zur Seite genommen und ihm da diese derart verrückte Frage gestellt hatte! Herr Harnack, dieser oberverrückte Lehrer, der sein Fach doch so ganz und gar anders unterrichten tat, wie die meisten anderen Kollegen seines Fachs:

Keine Losungen!

Keine Floskeln!

Alle Fragen zugelassen!

Offen und ehrlich über Alles reden dürfen!

Ja: Probleme wurden da im Unterricht diskutiert! Und die Welt auch (fast natürlich nur) richtig so besprochen, wie sie (fast) wirklich war! (… was ja, dier Jangsters änd dier Wessis, in den Schulen des ehemaligen Landes bis dahin überhaupt nicht üblich gewesen war!)

Na, das war doch was für den Hans, der, zu Hause von einem Major der Volkspolizei befehligt, immer schon bissel aufsässig war! Oberaktiv also nahm er an diesem verrückten Unterricht teil. Stellte kritische Fragen, gab kritische Antworten. Und wurde nie nicht getadelt dafür vom Lehrer Harnack!

Und nun diese Anfrage: Ob er nicht FDJ-Sekretär werden wolle? Und zwar: Von der ganzen Schule!

Na da!

Hatte dem Hans aber das Herz gewummert! Er, der er bis da ja noch nur Org.-Leiter der FDJ in seiner Klasse und Wandzeitungs-Redakteur gewesen war:

FDJ-Schul-Chef nun?!?

Und erklärt hatte ihm das der Genosse Harnack, seines Zeichens ja doch auch Partei-Sekretär der Schule, so: Dass sie beide dafür sorgen sollten, dass das Alles anders werde. Dass also die Schüler der Schule nicht mehr nur Pflicht-Mitglieder der FDJ sein sollten, sondern: Gerne! Nicht also, wie im Rest des Landes, nur, weil sich das so gehörte. Und dass die, wie Hans Hubers Genosse Vater sie immer nannte, „Gute Sache“, ab sofort also auch richtig gut („spannend“ also, wie es heute wohl heißen würde) unter die jungen Leute gebracht werden sollte. Nicht also immer nur so zum Gähnen oder zum Schimpfen von hinter der Hand her! Dass da nun also auch in der FDJ über Alles geredet werden könne und solle und nicht nur geglaubt werden müsse, was da immer so öde von oben her verordnet wird.

Und: Dass da auch in der Freizeit so richtig bissel was abgehen sollte! („Häppening“, wie das heute wohl heißen würde …)

- Na klar! Mach’ich!

Das hatte der Hans da zum Genossen Harnack hin gesprochen und war es ja dann auch bald geworden: Oberster Sekretär aller Schüler der ganzen Schule – 800 Stück immerhin! Und was da dann so abging! Als erstes: Fasching! In gleich zwei Stockwerken! Ja: Auch mal fröhlich sein und singen lassen, die Schüler – mitten in der Schule! Und sich auch nicht immer nur ins blaue Hemd hinein stecken müssen. Nein! Sich einmal im Jahr auch mal anders verkleiden und dazu dann vielleicht sogar noch eine verrückte Perücke aufsetzen! Ja doch:

Hellau!

Und die Musik dazu: Mal nicht mehr immer nur diese vertrödelten DDR-Schlager …

Nein:

Rock!

Und Roll!!

Und Twist!!!

Und was da im West-Radio noch so Alles abging an verrückter Musik!

So erinnert es sich Hans Huber, wie er vor dem Direktoren-Zimmer auf und ab geht. Biss dass sie sich doch endlich auftut, die Tür, der Genosse Direktor in ihr erscheint, Hans Huber zu sich heran winkt und tief Luft holt …

Der Hans stellt sich artig vor dem Direktor auf und erwartet nichts Gutes. Kann ja weiter nichts erteilt werden, als das: Bar-Abriss-Befehl! Oder?

Nein!

- Kann stehen bleiben, das Ding!

Das spricht der Direktor, wenn auch finsteren Blicks, zu unserem Hans hin.

Der traut seinen Ohren nicht!

Wahn!

Sinn!

Und sieht dann auch gleich, wie der Genosse Harnack, der eben mit den anderen Lehrern aus dem Beratungs-Zimmer raus gekommen ist, wie der ihm verschmitzt zublinzelt.

- Aha!

Hat sich der Parteisekretär der Schule – und damit ja ihr eigentlicher Chef – wohl doch durchgesetzt bei der Beratung! Schon auch will unser Hans innerlich die Arme hoch reißen, da verkündet der Direktor dann doch noch das:

- Aber!

Unserem Hans schwant nichts Gutes. Und gleich auch spricht der Direktor das:

- Getränke-Ausschank nur ohne Alkohol!

Woraufhin es sich in unserem Hans da gleich das fragt:

- Eine Bar ohne Bier???

Um sich diese Frage selbst gleich so zu beantworten:

- Egal! Zugelassen ist zugelassen! Mit oder ohne Schnaps und Bier …

Eilt er also flugs zu den Jungs und Mädels hinunter, die vor dem Bar-Zimmer auf ihn gewartet haben und erstatte ihnen Bericht.

Jubel!!

Jubel!!!

Jubel!!!!

- Aber!

Das hat der Hans hier ja nun anzufügen.

- Was aber?

Das fragen da die Jungs zurück.

- Ohne Alkohol!

So antwortet der Hans und berichtet auch gleich weiter, was er da eben noch so Alles hatte erfahren müssen.

Und da dann mussten sie doch gleich erst mal Alle zusammen in den neu gebauten Klub rein, da an die Bar ran und einen …

- Pssst!!!

Der Klassenfeind in der Schule


Ein Lehrer geht den Gang lang. Es ist Nachmittag, die Schule ist aus – Stille Stille im ganzen Haus. Hallig hallen die Schritte desLehrers durch den alten Gang. Er schreitet, da angekommen, in das Klassen-Zimmer ein, in dem er vorhin eben seine Lesebrille auf dem Lehrer-Pult hatte liegen lassen. Sieht die Brillen-Hülle auch gleich liegen, nimmt sie. Was aber sieht er da noch mit liegen?

Wenn nicht: Einen Zettel – den er da gar nicht hingelegt hat!

Der Lehrer nimmt den Zettel, setzt die Brille auf und liest:

Die Lehrer, die Rekrutenschinder,

sie brechen schon das Kreuz der Kinder.

Sie pressen unter allen Fahnen

die idealen Untertanen:

Gehorsam – fleißig – geistig matt –

die hab ich satt!

Der Lehrer reibt sich die Augen. Liest noch mal:

Rekrutenschinder …

Untertanen …

geistig matt …

Der Mann ist platt! Wer hat das geschrieben? Und dann auch noch hier auf sein Pult hin gelegt?!?

- Na warte! Wenn ich den finde!

Das denkt es im Lehrer, während er den Zettel hastig einsteckt,.

Hallend geht er den Gang lang zurück. Und sieht dabei auf einem der Fensterbretter was liegen???

Den gleichen Zettel noch mal wieder!!!

Er nimmt auch den, eilt nun aber gleich erst mal zum Lehrerzimmer hin.

Und???

Was muss er da sehen???

 

Zwei seiner Kollegen, die genau diese Zettel in Händen halten!

- Bei Euch auch?!?

Die Gefragten bejahen es. Und einer von ihnen spricht auch gleich das:

- Das müssen wir melden!

- Sofort!

Das antwortet der Andere.

Eilen sie also zum Direktor-Zimmer hin und zeigen dem Obersten Lehrer ihrer Schule da vor, was sie eben gefunden haben. Der nimmt einen der Zettel, liest und spricht dann nicht das, was da heute wohl gesprochen würde. Von wegen:

- Not tu fass!

Nein, er spricht das:

- Nicht zu fassen!

Noch dazu das: Dieser komische Fleck auf dem Zettel! Wie in letzter Zeit auf allen Zetteln, die er von seiner Sekretärin hatte kopieren lassen. Ruft er die also gleich erst mal herbei.

Und wie die dann aufgetaucht ist, fragt er sie scharf:

- Hat da in letzter Zeit mal jemand auf unserer Ormig-Maschine 34 kopiert? Jemand anderes, als Sie?

- Ja, dieser neue FDJ-Sekretär … Huber oder wie der heißt …

- Und? Was hat der kopiert?

- Weiß ich doch nicht!

Und da konnte es dann ja nun nur das Eine geben:

Vor!

La!!

Dung!!!

Sieht sich unser Hans also anderntags wieder artig vor seinem Direktor aufgestellt, sieht den einen Zettel hoch halten und hört ihn das fragen:

- Was ist das?

Und antwortet gleich auch wahrheitsgemäß:

- Ein Zettel!

Der Direktor errötet empört und fragt:

- Und? Was steht da drauf?

Liest das dann aber – mit Wut in der Stimme – gleich mal selbst vor:

- Die Lehrer, die Rekrutenschinder …

- Ach so!

- Sind wir also Rekrutenschinder?

- Natürlich nicht!

- Und warum hast Du das dann hier rauf kopiert???

- Na, unsere FDJ’ler, die sollen doch wissen, wie es nicht ist …

So stottert der Hans nun verlegen vor sich hin.

- Und??? Wer hat das geschrieben???

- Biermann heißt der …

Das spricht unser Hans und muss dabei aber innen bissel schmunzeln. Geht es nun also schon wieder um Bier. Wenn auch nicht an der Bar …

- Dieser Dichterling aus Berlin, der gerade …?

Das fragt der Direktor, spricht aber erst mal noch nicht mit aus, was da eigentlich wie zu sagen wäre, denkt also:

- Der da gerade, wie einige andere dieser Schreiberlinge auch, abgebürstet worden ist von der Partei! Weil er die schöne, neue Welt, in der wir leben, in seinen Liedern immer so derart sehr böse verzerrt!

Fragt den vor ihm Aufgestellten stattdessen das:

- Und dem seine Texte habt Ihr kopiert?!?

Hans Huber nickt.

Der Direktor ist fassungslos.

- Wieso das?

- Na, der Biermann, der ist doch kritisiert worden auf dem 11. Plenum …

- Zu Recht ja doch wohl – oder?

- Und da wollten wir, dass die Schüler das auch richtig verstehen … Warum der Mann kritisiert worden ist. Das stand ja gar nicht mit drin in der Zeitung …

- Wäre ja auch noch schöner! Dieser gefährliche Dreck in unserer Zeitung!

- Aber wenn ich verstehen soll, warum einer verboten wird …

- Da?!?

- …muss ich doch auch wissen, wie der Dichter das Alles falsch verdichtelt hat …

- Und da habt ihr … die Texte von diesem Klassenfeind?!?

- Haben wir Texte von dem kopiert und in die FDJ-Gruppen rein gegeben … Dass die Versammlungen machen können zu dem Thema … Sollen doch verstehen, nicht einfach immer nur abnicken …

- Und wo habt Ihr die Texte her?

Das fragt der Direktor da gleich nach, weiß er doch, dass von diesem gefährlichen Dichterling in ihrem Land nie noch nichts gedruckt worden und da also auch nicht zu kaufen ist!

- Ach so, ja … Hat einer von uns mitgebracht gekriegt …

- Aus dem Westen?!?

- …von einer alten Tante, die da vor kurzem mal drüben war …

- Illegal eingeführt also!

- Zu einem guten Zweck aber doch!

- Na gut!

Das spricht der Direktor dann am Ende.

- Beziehungsweise: Nicht gut! Diese Versammlungen, sie haben ab sofort nicht mehr stattzufinden! Und die Zettel, sie haben eingesammelt und vernichtet zu werden!

Hans Huber nickt erleichtert. Weiß er doch, warum dies nicht so schlimm ist.

Hatten die Versammlungen ja längst alle schon stattgefunden.

Und wie!

Debatte!

Debatte!!

Debatte!!!

Und da hatte es dann auch das endlich mal das gegeben, was es sonst ja doch nie nicht gab in der Marx-Schule: Offen und ehrlich war da diskutiert und debattiert worden von den versammelten Schülern!

Wo und warum dieser Biermann gar nicht so sehr Unrecht hat zum Beispiel …

Und unser Hans erinnert sich noch gut daran, was da in seiner Klasse abgegangen und was da Alles noch ausgesprochen worden war!

Wenn der Direktor das gehört hätte!

Um Gottes, bzw. Marxens Willen!

Und wenn der Direktor auch das noch wüsste: Dass ja auch er, der Hans, so Manches, was dieser Biermann geschrieben und gesungen hat, gar nicht so falsch findet …

Hatten die Zettel, die nun auf Anordnung der Direktion vernichtet zu werden hatten, ihren Dienst also längst getan und spricht der Verhörte nun das zu seinem Schul-Leiter hin:

- Machen wir so!

Um dann gleich erst mal erleichtert abzugehen von der Verhör-Bühne und dabei das in sich hinein zu denken und zu fühlen:

- Uff!

– Uffer!!

– Am uffersten!

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