Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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3 › III. Gründungsverfahren

III. Gründungsverfahren

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In Abhängigkeit von den verschiedenen Gründungsformen weisen die einzelnen Gründungsverfahren teilweise erhebliche Unterschiede auf. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen sie deshalb im Folgenden getrennt behandelt werden; einzelne Wiederholungen sind dabei in Kauf zu nehmen. Sämtliche fünf Gründungsverfahren lassen sich in eine Vorbereitungsphase und eine Gründungsphase aufteilen. Die Gründung ist jeweils in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die SE nach Art. 16 Abs. 1 SE-VO mit Eintragung Rechtspersönlichkeit erlangt.

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Das Gründungsverfahren bei der SE ist – insbesondere im Falle der Verschmelzungs-SE und der Holding-SE – sehr komplex und beinhaltet zusätzliche Aspekte dadurch, dass das Unionsrecht sowie die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen beachtet werden müssen und dass mehrere Jurisdiktionen involviert sind. Der Vorbereitungsaufwand für eine SE sollte daher nicht unterschätzt werden und erfordert eine frühzeitige Erstellung eines genauen Zeitplans über den Ablauf der Gründung. Es empfiehlt sich, diese Vorbereitung unter rechtzeitiger Einbeziehung der juristischen Berater, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und Notare durchzuführen.

3 › III › 1. Verschmelzung

1. Verschmelzung

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Das Verfahren zur Gründung einer SE durch Verschmelzung[1] ist in Art. 17 ff. SE-VO geregelt. Soweit das Verfahren der Gründung nicht oder nur in Teilbereichen in der SE-VO geregelt ist, finden nach Art. 18 SE-VO auf jede Gründungsgesellschaft die jeweils einschlägigen nationalen Verschmelzungsvorschriften Anwendung, soweit diese mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.

1.1 Verschmelzungsformen

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Art. 17 Abs. 2 SE-VO stellt zwei alternative Formen der Verschmelzung zur Verfügung.

1.1.1 Verschmelzung durch Aufnahme

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Die Verschmelzung durch Aufnahme nach Art. 17 Abs. 2 a SE-VO entspricht im deutschen Recht der Verschmelzungsform nach § 2 Nr. 1 UmwG. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme erfolgt die Übertragung des Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger gegen Gewährung von Aktien an diesem Rechtsträger. Das Wirksamwerden der Verschmelzung durch Aufnahme führt zum Erlöschen der übertragenden Rechtsträger. Als Besonderheit gegenüber dem deutschen Verschmelzungsrecht wird bei der Verschmelzung nach Art. 17 Abs. 2 a SE-VO die aufnehmende AG formwechselnd in eine SE umgewandelt.[2]

1.1.2 Verschmelzung durch Neugründung

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Die Verschmelzung durch Neugründung nach Art. 17 Abs. 2 b SE-VO entspricht im deutschen Recht der Verschmelzungsform nach § 2 Nr. 2 UmwG. Im Unterschied zur Verschmelzung durch Aufnahme besteht hier der übernehmende Rechtsträger noch nicht, sondern wird während der Verschmelzung als SE gegründet.[3]

1.2 Vorbereitungsphase

1.2.1 Schlussbilanz

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Soweit übertragender Rechtsträger eine deutsche AG ist, muss für diese nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 17 Abs. 2 UmwG auf den Verschmelzungsstichtag eine Schlussbilanz aufgestellt werden, um sie später bei der Anmeldung der Verschmelzung beizufügen.[4] Sie muss nur bei prüfungspflichtigen Rechtsträgern geprüft werden.[5] Nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG muss sie auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden sein, da anderenfalls das Registergericht die Rechtmäßigkeitsbescheinigung nach Art. 25 SE-VO nicht ausstellt.[6] Wegen der Dauer der Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung[7] und der Achtmonatsfrist des § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG wird es häufig notwendig sein, die Schlussbilanz erst nach Aufstellung des Verschmelzungsplans[8] während der weiteren Vorbereitungsphase aufzustellen, sodass die Schlussbilanz der Unternehmensbewertung[9] und dem daraus resultierenden Umtauschverhältnis[10] noch nicht zugrunde gelegt werden kann.

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Wird der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf erst sechs Monate nach dem Stichtag des letzten Jahresabschlusses aufgestellt, ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG für die betroffenen deutschen Rechtsträger eine Zwischenbilanz aufzustellen, deren Stichtag nicht vor dem ersten Tag des dritten Monats liegen darf, der der Aufstellung vorausgeht.

1.2.2 Unternehmensbewertung

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Als Basis für die Festlegung des Umtauschverhältnisses sind die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zu bewerten. Das Umtauschverhältnis und damit die Unternehmensbewertungen sind auch Gegenstand des Verschmelzungsberichts und der Verschmelzungsprüfung.[11]

1.2.3 Verschmelzungsplan

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Nach Art. 20 Abs. 1 SE-VO haben die Leitungs- oder die Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften – im Falle der Beteiligung einer deutschen AG also deren Vorstand – einen Verschmelzungsplan aufzustellen. Dieser Verschmelzungsplan ist Kernstück und wesentliche Grundlage der Verschmelzung. Er tritt an die Stelle des nach deutschem Recht erforderlichen Verschmelzungsvertrags nach §§ 4 ff. UmwG. Da Art. 20 SE-VO insoweit abschließenden Charakter hat und vergleichbare Regelungen der nationalen Rechtsordnungen verdrängt, ist bei Gründung einer SE ein Verschmelzungsvertrag auch bei Beteiligung einer deutschen AG nicht erforderlich.[12] Es muss sich also inhaltlich um einen von allen beteiligten Rechtsträgern gemeinsam aufzustellenden Verschmelzungsplan handeln.[13]

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Fraglich ist, inwieweit über Art. 18 SE-VO das Beurkundungsgebot des § 6 UmwG gilt, also eine Beurkundung des Verschmelzungsplans erforderlich ist. Da der Verschmelzungsplan den Verschmelzungsvertrag ersetzt und ihm inhaltlich im Wesentlichen entspricht und weil der Verschmelzungsplan nach Art. 20 Abs. 1 S. 2 h SE-VO die festzustellende neue Satzung der SE enthält, sprechen die besseren Gründe dafür, bei Beteiligung einer deutschen AG auch von einer Beurkundungspflicht für den Verschmelzungsplan auszugehen.[14] Konsequenterweise muss es dann allerdings auch zulässig sein, den Verschmelzungsplan der Hauptversammlung noch als Entwurf zur Beschlussfassung vorzulegen und erst nach der Hauptversammlung beurkunden zu lassen, da anderenfalls die Beurkundungspflicht des § 6 UmwG zeitlich vorverlagert würde.[15] Weiter stellt sich die Frage, ob die an der Verschmelzung beteiligte deutsche AG den Verschmelzungsplan im Ausland beurkunden lassen kann. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist die Auslandsbeurkundung in Angelegenheiten, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nach richtiger Ansicht unzulässig, weil diese mangels Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 1 EGBGB nicht dem Ortsstatut unterliegen und in diesen Fällen die Beurkundung durch einen ausländischen Notar der nach dem Gesellschaftsstatut notwendigen deutschen Beurkundung mangels der erforderlichen materiellen Richtigkeitsgewähr nicht vergleichbar ist.[16] Da im Falle der SE-Gründung der Verschmelzungsplan jedoch auf Unionsrecht beruht, ist die materielle Richtigkeitsgewähr und damit die Vergleichbarkeit der Auslandsbeurkundung nicht generell ausgeschlossen und sollte die Auslandsbeurkundung deshalb grundsätzlich möglich sein, soweit sie in einem Mitgliedstaat der EU vorgenommen wird.[17] Für die Praxis ist es selbstverständlich ratsam, eine geplante Auslandsbeurkundung zunächst mit dem zuständigen Registergericht abzustimmen.

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Nach Art. 20 Abs. 1 SE-VO muss der Verschmelzungsplan einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen, während die sich verschmelzenden Gesellschaften nach Art. 20 Abs. 2 SE-VO darüber hinaus auch weitere Punkte im Verschmelzungsplan regeln können.[18] Bspw. ist es zweckmäßig, die Bestellung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats nach Art. 40 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO sowie des ersten Abschlussprüfers in den Verschmelzungsplan aufzunehmen.[19]

1.2.3.1 Firma und Sitz der beteiligten Rechtsträger

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Der Verschmelzungsplan hat zunächst die Firma und den Sitz der sich verschmelzenden Gesellschaften sowie die für die SE vorgesehene Firma und ihren geplanten Sitz zu enthalten.[20] Für die vorgesehene Firma der in Deutschland zu errichtenden SE gilt über Art. 15 Abs. 1 SE-VO das deutsche Firmenrecht des HGB, wobei der Firma nach Art. 11 Abs. 1 SE-VO der Zusatz „SE“ voran- oder nachzustellen ist. Eine in Deutschland zu errichtende SE muss nach Art. 7 S. 1 SE-VO neben ihrem Satzungssitz auch ihren Hauptverwaltungssitz in Deutschland haben, wobei sich letzterer nach Aufhebung des § 2 SEAG a. F. allerdings nicht mehr an demselben Ort befinden muss, sondern innerhalb Deutschlands frei gewählt werden kann.[21]

 

1.2.3.2 Umtauschverhältnis, Ausgleichsleistung

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Außerdem muss der Verschmelzungsplan das Umtauschverhältnis der Aktien und gegebenenfalls die Höhe der Ausgleichsleistung ausweisen.[22] Soweit es sich nicht um einen konzerninternen Vorgang handelt, ist regelmäßig das Umtauschverhältnis wegen seiner wirtschaftlichen Auswirkungen die Kernfrage für die beteiligten Rechtsträger und deren Gesellschafter.[23] Kann aufgrund der Dauer der Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung die Schlussbilanz dem Umtauschverhältnis noch nicht zugrunde gelegt werden,[24] ist es empfehlenswert, das Umtauschverhältnis flexibel festzulegen und einen Anpassungsmechanismus an die veränderten Werte der Schlussbilanz vorzusehen. Wird die SE in Deutschland errichtet, sind Ausgleichsleistungen durch bare Zuzahlungen nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. §§ 68 Abs. 3, 73 UmwG bis zur Höhe von 10 % des auf die gewährten Aktien der SE entfallenden anteiligen Betrags des Grundkapitals zulässig.[25]

1.2.3.3 Übertragung der Aktien der SE

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Der Verschmelzungsplan hat Einzelheiten hinsichtlich der Übertragung der Aktien der SE zu enthalten.[26] Dazu gehören Angaben über die Modalitäten des Erwerbs der neuen Aktien der SE und eine Bestimmung dazu, wer in welcher Höhe die mit dem Anteilstausch verbundenen Kosten zu tragen hat.[27] Soweit eine deutsche AG übertragender Rechtsträger ist, muss außerdem im Verschmelzungsplan aufgenommen werden, wer nach Art. 18 i. V. m. §§ 71, 73 UmwG als Treuhänder für den Empfang der zu gewährenden Aktien und der baren Zuzahlungen bestellt wird.[28]

1.2.3.4 Dividendenberechtigung

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Weiter hat der Verschmelzungsplan den Zeitpunkt auszuweisen, von dem an die neuen Aktien der SE gewinnberechtigt sein sollen, sowie alle Besonderheiten in Bezug auf dieses Recht.[29] Dieser Zeitpunkt kann von den beteiligten Rechtsträgern frei festgelegt werden, ist aber bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen.[30] Regelmäßig wird die Gewinnberechtigung auf den Beginn des Geschäftsjahres des übernehmenden Rechtsträgers gelegt, das auf den Stichtag der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers folgt. Wegen der möglicherweise erheblichen Verzögerungen, die die Verhandlungen mit dem besonderen Verhandlungsgremium nach § 11 SEBG für die Eintragung der SE und damit das Wirksamwerden der Verschmelzung mit sich bringen können, sollte in jedem Falle genau geprüft werden, ob es nicht empfehlenswert ist, eine flexible Stichtagsregelung aufzunehmen, der zufolge sich der Stichtag automatisch um ein Jahr verschiebt, wenn die Verschmelzung nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (bspw. ordentliche Hauptversammlung des übertragenden Rechtsträgers) wirksam geworden ist.[31]

1.2.3.5 Verschmelzungsstichtag

43

Der Verschmelzungsplan muss den Zeitpunkt enthalten, von dem an die Handlungen der sich verschmelzenden Gesellschaften unter dem Gesichtspunkt der Rechnungslegung als für Rechnung der SE vorgenommen gelten,[32] zu dem also die Rechnungslegung übergeleitet wird. Dieser Verschmelzungsstichtag kann ebenfalls frei bestimmt werden. Bei der Festlegung des Verschmelzungsstichtags ist jedoch in jedem Falle sicherzustellen, dass eine Rechnungslegung der übertragenden Gesellschaften noch so lange erfolgt, wie deren Aktionäre gewinnberechtigt sind. Da sich hier bei Verzögerungen dieselben Schwierigkeiten ergeben wie hinsichtlich der Gewinnberechtigung, empfiehlt sich auch insoweit eine flexible – auf die Gewinnberechtigung abgestimmte – Stichtagsregelung.[33] Verschiebt sich nach der flexiblen Stichtagsregelung der Verschmelzungsstichtag, muss auf den neuen Stichtag eine neue Schlussbilanz aufgestellt, festgestellt und dem Registergericht eingereicht werden.

1.2.3.6 Gewährung von Sonderrechten

44

Der Verschmelzungsplan hat sämtliche Rechte, welche die SE den mit Sonderrechten ausgestatteten Aktionären der Gründungsgesellschaften und den Inhabern anderer Wertpapiere als Aktien gewährt, oder die für diese Personen vorgeschlagenen Maßnahmen anzugeben.[34] Dabei handelt es sich um jegliche gesellschaftsrechtlichen Sonderrechte oder sonstigen schuldrechtlichen Sondervorteile in vermögensrechtlicher oder mitverwaltungsrechtlicher Hinsicht, die an Aktionäre eines übertragenden oder des übernehmenden Rechtsträgers oder an Inhaber anderer besonderer Rechte[35] ausgegeben werden. Der Kreis dieser Inhaber anderer besonderer Rechte ist – jedenfalls bei Beteiligung einer deutschen AG – an § 23 UmwG zu orientieren, der über Art. 18 SE-VO anwendbar ist und die Gewährung gleichwertiger Rechte vorschreibt.[36]

1.2.3.7 Gewährung von Sondervorteilen

45

Darüber hinaus muss der Verschmelzungsplan auch jeden besonderen Vorteil ausweisen, der den Sachverständigen, die den Verschmelzungsplan prüfen, oder den Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs-, Aufsichts- oder Kontrollorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften gewährt wird.[37] Damit sollen die betroffenen Aktionäre in die Lage versetzt werden, die Objektivität der vorgenannten Personen überprüfen zu können.[38] Sondervorteile sind Vergünstigungen jeglicher Art, nicht jedoch Gegenleistungen für erbrachte Tätigkeiten. In der Verschmelzungspraxis häufig anzutreffen sind besondere Ausgleichszahlungen an Organmitglieder der übertragenden Rechtsträger, die ihr Amt mit Wirksamwerden der Verschmelzung verlieren.

1.2.3.8 Satzung der SE

46

Als Kernstück enthält der Verschmelzungsplan die Satzung[39] der neuen SE.[40] Anders als bei einer Verschmelzung nach deutschem Umwandlungsrecht[41] muss die Satzung nicht nur bei der Verschmelzung durch Neugründung, sondern auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme in den Verschmelzungsplan aufgenommen werden, weil der übernehmende Rechtsträger in diesem Falle gleichzeitig in eine SE umgewandelt wird.[42]

1.2.3.9 Beteiligung der Arbeitnehmer

47

Der Verschmelzungsplan hat schließlich Angaben zu dem Verfahren zu enthalten, nach dem die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gem. der SE-RL geschlossen wird.[43] Da die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften die erforderlichen Schritte für die Aufnahme von Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern nach § 4 SEBG[44] regelmäßig erst unmittelbar nach Offenlegung des Verschmelzungsplans einleiten, kann der Verschmelzungsplan denknotwendig nicht das tatsächlich durchgeführte, sondern nur das geplante Verfahren beschreiben.[45]

1.2.3.10 Erleichterungen im Falle eines up-stream merger

48

Soweit im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme alle Aktien der übertragenden Gesellschaft von der übernehmenden Gesellschaft gehalten werden, entfallen nach Art. 31 Abs. 1 SE-VO die Angaben zum Umtauschverhältnis, zur Übertragung der Aktien der SE und zur Dividendenberechtigung. Art. 20 Abs. 1 S. 2 b–d SE-VO liefe in diesen Fällen leer, da nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 68 Abs. 1 UmwG das Grundkapital der übernehmenden Gesellschaft nicht erhöht wird.[46]

1.2.3.11 Barabfindungsangebot

49

Nach Art. 24 Abs. 2 SE-VO kann jeder Mitgliedstaat hinsichtlich der seinem Recht unterliegenden, sich verschmelzenden Gesellschaften Vorschriften zum Schutz der dem Verschmelzungsbeschluss widersprechenden Minderheitsaktionäre erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit in § 7 SEAG Gebrauch gemacht: Danach hat jeder übertragende deutsche Rechtsträger im Verschmelzungsplan oder seinem Entwurf jedem seiner Aktionäre, der gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Aktien gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten, wenn die SE ihren Sitz im Ausland haben soll.[47]

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Soll die neue SE dagegen ihren Sitz in Deutschland haben, greift § 7 Abs. 1 SEAG also nicht, muss in diesem Falle der Verschmelzungsplan auch kein Barabfindungsangebot der übertragenden deutschen Rechtsträger enthalten. Soweit jedoch andere Mitgliedstaaten ähnliche Regelungen getroffen haben, ist denkbar, dass der Verschmelzungsplan Barabfindungsangebote derjenigen übertragenden Rechtsträger enthalten muss, die dem Recht dieser Mitgliedstaaten unterliegen.

1.2.4 Zuleitung an den Betriebsrat

51

Soweit eine deutsche AG an der Verschmelzung beteiligt ist, ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 5 Abs. 3 UmwG der Verschmelzungsplan spätestens einen Monat vor deren Hauptversammlung, die gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO über die Zustimmung zum Verschmelzungsplan beschließen soll, ihrem zuständigen Betriebsrat zuzuleiten.[48]

52

Welcher Betriebsrat zuständig ist, ergibt sich aus den Vorschriften des BetrVG. Existiert ein Gesamtbetriebsrat, ist dieser ausschließlich zuständig, anderenfalls die Betriebsräte der beteiligten deutschen Rechtsträger; existiert bei den betroffenen deutschen Rechtsträgern kein Betriebsrat, so entfällt das Zuleitungserfordernis.[49]

53

Die Monatsfrist berechnet sich nach §§ 187–193 BGB.[50] Da die rechtzeitige Zuleitung beim Handelsregister nach § 17 Abs. 1 UmwG nachzuweisen ist, ist es empfehlenswert, den jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden die Zuleitung durch Empfangsbekenntnis bestätigen zu lassen oder den Nachweis durch Versendung per Einschreiben/Rückschein oder Übergabe durch einen Boten sicherzustellen.

54

Der Betriebsrat kann sowohl auf die Einhaltung der Frist[51] als auch gänzlich auf die Zuleitung[52] verzichten.

1.2.5 Verschmelzungsbericht

55

Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 8 UmwG hat jede sich verschmelzende deutsche Gesellschaft einen Verschmelzungsbericht zu erstellen.[53] Der Bericht ist durch den Vorstand der deutschen AG[54] in schriftlicher Form zu erstatten, wobei er von Mitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl, nicht aber zwingend von allen Organmitgliedern unterzeichnet werden muss.[55] Nach § 8 Abs. 1 UmwG ist zwar ein gemeinsamer Bericht der sich verschmelzenden Gesellschaften zulässig, ob dies jedoch auch in den anderen betroffenen Rechtsordnungen der Fall ist, muss im Einzelnen geprüft werden, da die Verschmelzungsrichtlinie[56] in Art. 9 diese Möglichkeit nicht vorsieht. Die Erstellung eines gemeinsamen Berichts erhöht zudem den ohnehin nicht zu unterschätzenden Arbeits- und Zeitaufwand dadurch, dass auch inhaltlich die jeweiligen nationalen Anforderungen kumulativ beachtet werden müssen. Der Verschmelzungsbericht ist nach § 63 UmwG von der Einberufung der Hauptversammlung an, die gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO über die Zustimmung zum Verschmelzungsplan beschließen soll, in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen.

56

Zum Inhalt eines Verschmelzungsberichts einer deutschen AG ist ebenfalls auf § 8 UmwG sowie die dazu vorhandene Literatur und Rechtsprechung zurückzugreifen.[57] Danach ist bei der Auslegung der Berichtspflichten eine Abwägung zu treffen zwischen dem Interesse der Gesellschafter an möglichst genauer Information und dem Interesse der Gesellschaft an einem handhabbaren Aufwand. Der Gesellschafter muss darüber informiert werden, ob die Verschmelzung wirtschaftlich sinnvoll und gesetzmäßig ist, und in die Lage versetzt werden, auf Basis der wesentlichen Umstände eine Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Der Verschmelzungsbericht muss die wirtschaftliche Ausgangslage der beteiligten Gesellschaften vor der Verschmelzung, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verschmelzung sowie eine Abwägung der Vor- und Nachteile beinhalten; in diesem Zusammenhang ist auch die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE darzustellen. Außerdem muss er den Verschmelzungsplan und die Ermittlung des Umtauschverhältnisses erläutern. Schließlich muss er Angaben über die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger und die Veränderung der Beteiligungsquote bzw. -struktur umfassen; hierher gehört auch ein Hinweis auf den Rechtsformwechsel in die SE, auf das für sie einschlägige Recht und auf diejenigen Satzungsregelungen, die entweder vom gesetzlichen Normalstatut abweichen oder – wie im Falle des dualistischen und monistischen Systems – einem Wahlrecht unterliegen.

 

57

Nach § 8 Abs. 3 S. 1 UmwG ist ein Verschmelzungsbericht entbehrlich, wenn im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme sich alle Aktien der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden[58] oder alle Aktionäre aller beteiligten Rechtsträger in notariell beurkundeter Form[59] auf eine Berichterstattung verzichten. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 1 UmwG ist eine Befreiung lediglich der Vorstände der beteiligten deutschen Gesellschaften von der Berichtspflicht selbst dadurch nicht möglich, dass alle Aktionäre aller beteiligten deutschen Gesellschaften auf den Verschmelzungsbericht verzichten.[60] Freilich bleibt der Verzicht in Fällen einer Publikumsgesellschaft aus Praktikabilitätsgründen lediglich eine theoretische Möglichkeit.