Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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Anmerkungen

[1]

ABlEG Nr. C 124 v. 10.10.1970, 1 veröffentlicht auch als Sonderbeilage zum Bulletin 8-1970 der EG; vgl. zur Geschichte der SE Lutter Die europäische Aktiengesellschaft und ders. Europäisches Unternehmensrecht, S. 715 ff. sowie Pluskat EuZW 2001, 524.

[2]

1 RE = 0,8865 g Feingold = 1 US-Dollar, seinerzeit etwa 2,20 DM.

[3]

S. hierzu Ficker „Hilfsweise geltendes Recht“ für „Europäische Aktiengesellschaften?“, in: Quo vadis ius societatum? – Liber amicorum Pieter Sanders, 21.9.1912–1972, 37 ff.

[4]

S. hierzu Ficker FS Bärmann, S. 299, 313 f.; ders. NJW 1970, 1569.

[5]

Zum Kommissionsvorschlag s. Ficker NJW 1970, 1569.

1 › III. Die Entwicklung 1970 bis 1975

III. Die Entwicklung 1970 bis 1975

30

Der Verordnungsvorschlag wurde nach den damaligen Verfahrensregeln dem Rat am 30.6.1970 übermittelt. Dieser konsultierte den Wirtschafts- und Sozialausschuss und das Europäische Parlament.

31

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßte in seiner Stellungnahme vom 25.10.1972 den Kommissionsvorschlag und befürwortete den Entwurf, konnte sich allerdings zur Mitbestimmung nicht auf eine einheitliche Stellungnahme einigen. Immerhin unterstützte er das Grundprinzip.[1]

32

Im Europäischen Parlament währten die Erörterungen des Rechtsausschusses von 1971 bis 1974. Nach Wechsel des Berichterstatters und langwierigen Sitzungen während des Jahrs 1973 einigte man sich auf den Entwurf einer Entschließung, die am 11.7.1974 durch das Plenum verabschiedet wurde.[2] In dieser Entschließung begrüßte das Parlament die Initiative der Kommission, die die internationale Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Gemeinschaft erleichtern werde. Die Konzentration und die Stärkung der Industrie der Gemeinschaft werde nicht nur deren Gewicht auf dem Weltmarkt vergrößern, sondern dieser auch eine wichtige politische Rolle übertragen. Die SE werde ein geeignetes Instrument für die Unternehmen sein, sich den Dimensionen des vergrößerten Wirtschaftsraums der Gemeinschaft anzupassen. Art. 235 EGV (jetzt Art. 352 AEUV) sei die geeignete Rechtsgrundlage, da gerade durch die Anwendung dieses Artikels eine maßgebliche Beteiligung des Parlaments verwirklicht werde.

33

Eine wesentliche Änderung des Kommissionsvorschlags allerdings verlangte das Parlament: Es zeigte sich zwar davon überzeugt, dass „die wirtschaftliche und politische Solidarität Europas ohne eine zufriedenstellende Beteiligung der Arbeitnehmer am Leben der Unternehmen undenkbar“ sei, begrüßte auch ein „Mitspracherecht (der Arbeitnehmer) in Fragen der Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen, was durch Schaffung eines Europäischen Betriebsrats als institutionelle Grundlage hierfür zu sichern“ sei, war aber nicht bereit, dem weitgefächerten Kommissionsvorschlag zur Mitbestimmung zu folgen. Es schlug als alleinige Lösung die seinerzeit auch in Deutschland diskutierte Lösung der Mitbestimmung in Form einer gedrittelten Vertretung der beteiligten Interessen vor: ein Drittel der Aufsichtsratssitze für die Kapitaleigner, ein Drittel für die Arbeitnehmer (unter Beibehaltung einer beschränkten außerbetrieblichen Vertretung), ein Drittel für Personen, die von beiden Gruppen hinzugewählt werden sollten.

34

Diese Drittelparität war das Ergebnis eines monatelangen Ringens, ohne dass es gelang, das Parlament von dem sachfremden Charakter dieser Lösung zu überzeugen. Offensichtlich glaubte jede der politischen Gruppen, das „neutrale“ Drittel mit Vertretern des eigenen Interesses besetzen zu können, ohne zu sehen, dass in der Praxis ein solches Verfahren auf ein einziges „unabhängiges“ Aufsichtsratsmitglied, sprich den Vorsitzenden, hinausläuft, dem – aus neutralem Milieu gewählt – damit eine Schlüsselrolle zufallen musste, die den wirtschaftlichen Erfordernissen und Bedürfnissen des Unternehmens kaum gerecht werden konnte.

35

In einem Punkt unterstrich das Parlament eine wesentliche Verpflichtung der Kommission, nämlich „aufmerksam darüber zu wachen, dass die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft von den Gesellschaften und Konzernen, die von der Verordnung Gebrauch machen, beachtet werden“. In der Tat setzte das ganze Vorhaben der wirtschaftlichen Konzentration der europäischen Industrie durch grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse hohe Wachsamkeit gegenüber wettbewerbsschädigendem Verhalten voraus. Es ging ja darum, die Brücke über die Gräben zwischen den Mitgliedstaaten zu bauen, dabei aber nicht zu vergessen, eine wettbewerbspolitische Brückenwache vorzusehen. Diese Befürchtung führte dann später auch ohne SE zu einer scharfen Fusionskontrolle.

36

Bei der Beurteilung dieser Periode darf nicht übersehen werden, dass die Entwicklung des Projekts der „Europäischen AG“ in die Zeit der ersten Erweiterung der Gemeinschaft um Großbritannien, Irland und Dänemark fiel und dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt wurde: Am selben Tag, an dem die Kommission den Vorschlag machte, begannen die Beitrittsverhandlungen, die am 22.1.1972 mit der Unterzeichnung der Beitrittsverträge endeten. Am 1.1.1973 trat der Beitritt dieser neuen Mitgliedstaaten in Kraft. Es liegt auf der Hand, dass das Interesse der Gemeinschaft auf dieses Ereignis gerichtet war und dass weniger an große, neue und überaus anspruchsvolle Projekte gedacht wurde.

37

Nach der Abstimmung im Parlament überarbeitete die Kommission, wie üblich, ihren Vorschlag.[3] Sie folgte dabei weitgehend den Wünschen des Parlaments. Verpflichtet hierzu war sie nach der damaligen Rechtslage nicht. Aus politischen Gründen stellte sie sich jedoch, wie oft, an die Seite des Parlaments, was der Stärkung der Positionen beider Institutionen gegenüber dem Rat diente. Vor allen Dingen folgte die Kommission dem nicht sehr glücklichen Wunsch, die Drittelparität als Mitbestimmungssystem einzuführen, Art. 74a des geänderten Verordnungsvorschlags. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs halbierte sie das für die Gründung einer SE durch Verschmelzung oder Errichtung einer Holdinggesellschaft erforderliche Kapital auf 250 000 RE und auf jeweils 100 000 RE für die Errichtung einer gemeinsamen oder einfachen Tochtergesellschaft. Den Titel „Konzernrecht“ behielt sie bei. Sie hoffte auf eine Signalwirkung für die Initiative einer Richtlinie zur Angleichung des Konzernrechts als Teil der gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsarbeiten.

38

Es wäre dies nun der Zeitpunkt gewesen, das Vorhaben im Rat energisch zum Abschluss zu bringen. Die Kommission konnte sich angesichts ihres neuen Vorschlages der Unterstützung des Parlaments sicher sein. Auch und gerade in der Mitbestimmungsfrage war es zu einer wenn auch nicht glücklichen, so doch realisierbaren Einigung gekommen. Die Arbeiten im Rat scheiterten jedoch, scheiterten im wörtlichen Sinn des Wortes: Sie wurden nicht fortgeführt. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Zum einen widersetzte sich die Mehrzahl der nunmehr neun Mitgliedstaaten jedweder Mitbestimmungsregelung und dies in erster Linie aus Unkenntnis des Problems. Zum anderen zeigte sich der neue große Mitgliedstaat Großbritannien jedweder Harmonisierung und neuer europäischer Gesetzgebung gegenüber außerordentlich reserviert. Vielleicht fehlte der Kommission auch der Elan, diesen Widerständen zum Trotz auf dem Fortgang der Arbeiten zu bestehen.

39

Um die Mitgliedstaaten besser zu unterrichten, veranlasste das zuständige dänische Kommissionsmitglied Gundelach die Ausarbeitung eines „Grünbuchs“ mit dem Titel „Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Struktur der Gesellschaften“.[4] Dieses Grünbuch war in seinem ersten Teil eine vorzügliche Darstellung der Problematik einmal der Mitbestimmung, zum anderen ihres Zusammenhangs mit der Struktur der Gesellschaften. Der zweite Teil bot eine sehr gute systematische Zusammenstellung der seinerzeit (1974/1975) in den neun Mitgliedstaaten geltenden Regeln zur Mitbestimmung in ihren verschiedenen Formen. Es war die erklärte Absicht der Kommission, durch dieses Grünbuch eine weitreichende Erörterung der gesamten Problematik in den Mitgliedstaaten anzustoßen und die Harmonisierungsarbeiten am stockenden Entwurf der 5. Richtlinie zur Struktur der AG und die Fortführung der Bemühungen um die „Europäische AG“ zu ermöglichen.

40

Diese Bemühungen wie auch die relativ zügig fortschreitenden Arbeiten an der Gesellschaftsrechtsharmonisierung nach Art. 54 Abs. 3 g EGV (jetzt Art. 50 Abs. 2 g AEUV) – 2. Richtlinie: Gründung von AG, Erhaltung und Änderung ihres Kapitals; 3. Richtlinie: Fusion von AG zur Vorbereitung der internationalen Fusion; vor allen Dingen die 4. Richtlinie: Bilanzvorschriften und Vorschlag der 5. Richtlinie: Struktur der AG – hatten jedoch keine positiven Auswirkungen auf den Fortgang der Arbeiten zur „Europäischen AG“. Diese verliefen im Sande. 1982 wurden die Beratungen im Rat, wie es diplomatisch hieß, „ausgesetzt“.

 

Anmerkungen

[1]

ABlEG Nr. C 131 v. 13.12.1972, 32.

[2]

ABlEG Nr. C 93 v. 7.8.1974, 22.

[3]

Veröffentlicht als Beil. Nr. 4/75 zum Bulletin der EG.

[4]

Veröffentlicht als Beil. Nr. 8/75 zum Bulletin der EG.

1 › IV. Neue Initiativen 1987/1988

IV. Neue Initiativen 1987/1988

41

Das Jahr 1986 war gekennzeichnet durch die von Kommissionspräsident Delors ausgehende Initiative zur Vollendung des Binnenmarkts, die zur Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte[1] führte. Neben einer Stärkung der Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments im Rechtssetzungsverfahren sah der neu eingefügte Art. 100a EGV (jetzt Art. 114 AEUV) für die Rechtsangleichung bekanntlich nicht mehr nur den Erlass von Richtlinien, sondern von „Maßnahmen“ vor, unter denen neben Richtlinien auch Verordnungen i. S. v. Art. 189 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 288 Abs. 2 AEUV) verstanden werden konnten, ferner ein revolutionäres Abstimmungsverfahren im Rat: An die Stelle des Einstimmigkeitsprinzips des Art. 100 EGV (jetzt Art. 115 AEUV) trat die Mehrheitsentscheidung nach gewogenen Stimmen. Die Kommission schlug in einem Weißbuch[2] eine lange Liste zu realisierender „Maßnahmen“ für die Vollendung des Binnenmarkts vor, zu denen auch das Gesellschaftsrecht zählte. Im Blick auf diesen Katalog forderte der Europäische Rat 1987, „die Anpassungen des Gesellschaftsrechts mit dem Ziel der Schaffung einer Gesellschaft europäischen Rechts rasch voranzutreiben“.[3]

42

Auf diesen Anstoß hin arbeitete die Kommission 1988 ein Memorandum aus,[4] in dem sie die grundsätzlichen Probleme erneut erörterte und Lösungen aufgrund der bisherigen Erfahrungen vorschlug. Nach ermutigenden Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses legte sie am 25.8.1989 den zweiten „Vorschlag einer Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft“[5] vor, zugleich mit dem „Vorschlag einer Richtlinie zur Ergänzung des SE-Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer“.[6]

43

Diese Zweiteilung der Rechtsakte zeigte die neue Konzeption der Kommission: Herauslösung der Frage der Mitbestimmung aus dem System der „Europäischen AG“ und deren Verselbständigung. Als Grund hierfür gab die Kommission „die unterschiedlichen Bemühungen und Praktiken der Mitgliedstaaten in diesem Bereich an“.[7] Allerdings forderte sie in ihren Vorschlägen, dass „Verordnung und Richtlinie eine untrennbare Einheit bildeten und zum gleichen Zeitpunkt anwendbar sein müssten“.

44

Aber auch bei den gesellschaftsrechtlichen Regelungen verließ die Kommission vollständig das Konzept des Jahres 1970. Sie verkürzte den Verordnungsvorschlag auf 137 (anstelle von 284) Artikel, indem sie alle die Grundregelung auffüllenden Vorschriften strich und für jede einzelne SE dafür das nationale Recht des Sitzes anzuwenden empfahl. Sie begründete diese Vorgehensweise mit der in der Zwischenzeit weit vorangeschrittenen und weiterhin voranschreitenden Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte. Der Zugang zur Rechtsform wurde durch eine erneute Herabsetzung des Mindestkapitals undifferenziert auf 100 000 ECU erweitert, „um das Statut in verstärktem Umfang kleinen und mittleren Unternehmen zugänglich zu machen“,[8] was eine völlig neue Zielsetzung für die neue Rechtsform bedeutete. Der Titel „Konzernrecht“ wurde „als für die SE nicht notwendig“ gestrichen. Sofern die Harmonisierungsrichtlinien für die Mitgliedstaaten Optionen vorsahen, wurden diese im Gegensatz zu den vorangegangenen Vorschlägen offen gelassen. So wurden z. B. für die Leitung einer SE das monistische und das dualistische Führungssystem nebeneinander zur Wahl der Gründungsgesellschaften gestellt.

45

Zur Mitbestimmung schlug die Kommission in ihrem Richtlinienentwurf drei Modelle vor: die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mit einem Mindestanteil von einem Drittel und einem Höchstanteil der Hälfte „der Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsmitglieder“, die Bildung eines „separaten Vertretungsorgans“ mit weitgehenden Informationsrechten und die Möglichkeit von tarifvertraglichen Ad-hoc-Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und den die Arbeitnehmer vertretenden Gewerkschaften, ebenfalls mit weitreichenden Informationsrechten. Die Wahl zwischen diesen drei Modellen sollte dem Leitungsorgan der SE und ihren Arbeitnehmern zustehen. Allerdings sollten die Mitgliedstaaten die Wahl der Modelle für Gesellschaften mit Sitz in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet begrenzen können.

46

Mit diesen Vorschlägen verließ die Kommission vollständig das Grundkonzept einer einheitlichen, in sich geschlossenen Rechtsform, der der Charakter eines europäischen Aktiengesetzes zugekommen wäre. An dessen Stelle trat ein neuer Gedanke: eine „Europäische AG deutschen, französischen, britischen etc. Rechts“. Die Annahme, die gesellschaftsrechtliche Harmonisierung hätte zur weitgehenden Gleichwertigkeit der nationalen Gesellschaftsrechte geführt, trügt. Allein die grundlegende Richtlinie zur Struktur der AG mit ihren, abgesehen von der Art der Unternehmensführung, erforderlichen Regelungen über die Stellung und Rechte der Aktionäre fehlt bis heute vollkommen. Alle Optionen, insbesondere im Bereich der Unternehmensführung und der Mitbestimmung, führen notwendigerweise zu nationalen Differenzierungen und öffnen durch die Wahl des Sitzes der Versuchung Tor und Tür, das günstigste Recht zu wählen – eine Versuchung, die gerade durch die Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte beseitigt werden sollte. Mit Recht sagte Ulmer: „Die künftige SE ist, überspitzt gesagt, eine nationale AG in europäischem Gewande.“[9] Das gilt nach wie vor auch für die 2001 endgültig verabschiedete Rechtsform.

47

Nach Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses[10] und des Europäischen Parlaments[11] zum Statuts- und Richtlinienvorschlag Mitbestimmung[12] änderte die Kommission am 16.5.1991 erneut ihren Vorschlag,[13] verkürzte ihn weiter auf 108 Artikel und fügte für die Mitbestimmung eine vierte Option hinzu. Aber auch diese Initiative scheiterte, vornehmlich an der Mitbestimmungsfrage.

Anmerkungen

[1]

ABlEG Nr. L 169 v. 29.6.1987.

[2]

Dok. KOM/85/310 endg., Luxemburg 1985.

[3]

Dok. KOM/88/320 endg. v. 15.7.1988.

[4]

Dok. KOM/88/320 endg. v. 15.7.1988.

[5]

Dok. KOM/89/268 endg. v. 25.8.1989, ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 41.

[6]

ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 69.

[7]

ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 1.

[8]

Erläuterung zu Art. 4 in ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 23.

[9]

Ulmer Gestaltungsfreiheit in der Europa-AG bietet Vorteile, FAZ v. 21.3.2001.

[10]

ABlEG Nr. C 124 v. 21.5.1990, 34.

[11]

ABlEG Nr. C 48 v. 25.2.1991, 72.

[12]

Wirtschafts- und Sozialausschuss ABlEG Nr. C 124 v. 21.5.1990, 24; Europäisches Parlament ABlEG Nr. C 48 v. 25.2.1991, 100.

[13]

ABlEG Nr. C 176 v. 8.7.1991, 1.

1 › V. Davignon-Ausschuss: Erneuter Anlauf 1996/2000 und Verabschiedung

V. Davignon-Ausschuss: Erneuter Anlauf 1996/2000 und Verabschiedung

48

Nachdem die Kommission mit einer „Mitteilung über die Information der Arbeitnehmer“[1] einen neuen Anlauf unternommen hatte, die Mitbestimmungsfrage zu lösen, wurde 1996 ein Ausschuss unter Vorsitz des ehemaligen Vizepräsidenten der Kommission Davignon eingesetzt, der unter Beteiligung aller Interessen aus Industrie und Gewerkschaften Vorschläge erarbeiten sollte. Durch die Tatkraft und das Verhandlungsgeschick Davignons gelang es, die divergierenden Ansichten anzunähern. Im Mai des folgenden Jahrs legte der Ausschuss einen Abschlussbericht mit dem Titel „Europäische Systeme der Arbeitnehmer-Beteiligung“[2] vor, zu dem Parlament[3] und Wirtschafts- und Sozialausschuss[4] Stellung nahmen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Systeme der Arbeitnehmerbeteiligung nicht zu harmonisieren seien. Daher schlage man eine Lösung durch Verhandlungen vor, hinter denen für den Fall der Ergebnislosigkeit eine Auffanglösung bereitstehen sollte. Versuche, diese Vorschläge in Gesetzesform zu verwirklichen, scheiterten im Rat an der Opposition nunmehr nur noch eines Mitgliedstaats, Spaniens. Spanien fürchtete, dass bei einem Zusammenschluss eines spanischen Unternehmens mit einer deutschen AG als SE mit Sitz in Spanien nach Scheitern von Verhandlungen über eine spezifische Mitbestimmungsregelung die deutsche Mitbestimmung in Spanien eingeführt werde, wenn die Auffangregelung obligatorisch werde.

49

In den beiden folgenden Jahren 1998 und 1999 wurden durch den jeweiligen Ratsvorsitz verschiedene Kompromisse vorgeschlagen und erörtert, ohne dass es zu einer Einigung kam. Trotzdem legte die Kommission am 20.9.2000 erneut einen geänderten Verordnungsentwurf[5] sowie einen neuen Richtlinienvorschlag[6] vor. Auf der Gipfelkonferenz von Nizza konnte unter französischem Vorsitz schließlich im Dezember 2000 eine politische Einigung durch das Zugeständnis an Spanien erreicht werden, die Einführung der Auffanglösung nicht obligatorisch zu machen. Will sich eine SE in einem Mitgliedstaat ohne obligatorische Auffangregelung niederlassen, ist eine Vereinbarung über eine spezifische Mitbestimmung zwingend oder es dürfen für keine der beteiligten Gesellschaften vorher Mitbestimmungsregeln gegolten haben. Wie stets wurde dieses Zugeständnis in die Möglichkeit eines „opting out“ für alle Mitgliedstaaten gekleidet und nicht auf Spanien beschränkt. Dadurch besteht nun die Gefahr, dass auch andere Mitgliedstaaten von diesem Ausweichen vor der deutschen Mitbestimmung Gebrauch machen können. Damit ist – was in all den Jahren stets befürchtet wurde – die Gefahr einer Konzentration „um Deutschland herum“ heraufbeschworen worden, da Fusionspartner aus anderen Mitgliedstaaten sich nicht die deutsche Mitbestimmung „ins Haus holen wollen“.[7]

50

Beide Rechtsakte wurden nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments als „Verordnung (EG) des Rates Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)“[8], reduziert auf 70 Artikel, und als „Richtlinie 2001/86 EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer“[9] am 8.10.2001 einstimmig verabschiedet. Sie traten am 8.10.2004 in Kraft.

51

Die Frist für die Anpassung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften an die europäischen SE-Bestimmungen lief am 8.10.2004 aus, wurde aber lediglich von acht Mitgliedstaaten eingehalten. Erst Anfang 2007 wurde die SE-Richtlinie von allen (damaligen) Mitgliedstaaten umgesetzt.