Seewölfe Paket 13

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

8.

Krachend flogen zwei Schotts auf. Sie wurden fast herausgesprengt, so donnerte es.

Augenblicklich ergoß sich eine wilde Meute über die Kuhl, die laut schreiend, ihre Krummsäbel schwingend, vorwärtsstürmte.

Auch am Schott zum Vordeck polterte es, aber das Schott klemmte und ließ sich nicht öffnen, weil Stenmark vorgesorgt hatte.

Das scheinbar verlassene und ruhige Schiff erwachte zum Leben, und abenteuerliche Gestalten ergossen sich über Deck.

Hasard feuerte, ohne zu zögern, vom Oberdeck aus und traf einen säbelschwingenden Kerl, der laut aufschrie, die Arme hochriß und mit dem Gesicht voran auf die Planken fiel.

Ein paar Araber stoppten mitten im Lauf, denn mit dem Angreifer in ihrem Rücken hatten sie nicht gerechnet, und so waren sie einige Augenblicke verwirrt.

Die drei Seewölfe auf der Kuhl nutzten das gnadenlos aus.

„Auf sie!“ brüllte der Profos wild, aber diese Aufforderung war nicht nötig, denn die Männer handelten wie immer blitzschnell und überlegt. Immerhin hatten sie etwas geahnt, und so war die Überraschung nicht vollkommen.

Der narbengesichtige Profos feuerte, ein Mann brach kreischend zusammen, dem zweiten warf er die Waffe an den Schädel, und dem dritten rammte er seinen gesenkten Schädel in den Leib, daß es den Kerl mit ungeheurer Wucht ans Schott katapultierte.

Einen weiteren Mann, der sich auf ihn stürzen wollte, unterlief er und entriß ihm den Krummsäbel.

Damit senste er in wilder Wut um sich, und trieb die zwölf oder vierzehn Kerle zurück.

Ein paar wichen aus, als sie diesen tobenden, um sich hauenden Riesen sahen, für den Angst ein unbekannter Begriff zu sein schien. Sie liefen Dan, Ferris und Stenmark in die Arme.

Vom Achterdeck erklang der nächste Schuß, und wieder brach einer getroffen zusammen. Sein letzter Streich fetzte Ferris Tucker das Hemd auseinander.

Von dem Dutzend Kerle lagen schon vier reglos am Boden, noch bevor der Kampf richtig begonnen hatte.

Dan sah sich einem gedrungenen dunkelhäutigen Burschen mit finsterem Gesicht gegenüber, der gerade mit dem Krummschwert ausholte, um ihn von seinem Schädel zu befreien. Der Kerl war wendig und schnell, und Dan spürte, wie die Klinge hart an seinem Ohr vorbeipfiff, als er blitzschnell in die Knie ging. Der Luftzug richtete ihm noch die Haare auf.

Bevor der Finstere zum zweiten Male ausholen konnte, drückte Dan ab.

Der Mann wurde ein Stück zurückgetrieben, blieb einen Moment fassungslos stehen und sackte dann in die Knie.

Stenmark streckte einen weiteren Angreifer auf die Planken, während Ferris Tucker zwei Schüsse auf das Schott abgab, aus dem immer noch abenteuerlich gekleidete Kerle nach oben strömten.

Hasard trat mit aller Kraft gegen den Torso der Balustrade, die unter seinem Tritt erzitterte und nachgab. Ein weiterer harter Stoß ließ sie zersplittern, Teile davon sausten mit Donnergetöse hinunter und trafen die Kerle, die aus dem Schott weiter nach oben drängten.

Dann sprang der Seewolf, riß im Fallen einen Araber um und zog den Degen.

Die Seewölfe hatten einen kleinen Vorteil dadurch, daß sie den Rücken frei hatten, denn das vordere Schott vermochten die Kerle immer noch nicht zu öffnen, ein Faktor, der in ihrer Überlegung offenbar nicht miteingeplant war.

Dan zog sich weiter zum Vorschiff zurück und lockte einen Piraten mit sich, der ihm mit dem Säbel vor dem Gesicht herumfummelte, aber nicht zum Zug gelangte, weil Dan sich immer wieder duckte.

Dann hatte er ihn soweit. Der Kerl setzte nach, Dan wich nach rechts aus und trat mit dem Stiefel zu. Aufschreiend fiel der Mann kopfüber in den Laderaum hinunter. Einen zweiten, der entsetzt auf den offenen Raum starrte, beförderte Dan gleich hinterher. Auch dieser Strauchdieb landete brüllend ein Deck tiefer und muckste sich nicht mehr.

Hasard drosch mit dem abgebrochenen Ende des Handlaufs von hinten auf die schreienden und tobenden Araber ein, die sich immer wieder umwandten und vor dem schwarzhaarigen Scheitan mit den blauen Augen flüchteten.

Sie hatten nicht mit hartem Widerstand gerechnet, daher sah es jetzt trotz der Überlegenheit nicht gerade rosig aus.

Der Profos raste immer noch wie ein Orkan über das Deck, schwang den erbeuteten Krummsäbel und drosch um sich, als wolle er ganze Weizenfelder abmähen.

Stenmark und Dan kämpfen Rükken an Rücken, rissen immer wieder ihre Pistolen aus den Bandeliers, rannten ein Stück zurück und feuerten, bis die Waffen leergeschossen waren. Dann stürzten sie sich auf die Säbel, die an Deck lagen, und kämpften weiter.

Hasard bedrängte die Meute immer noch, schlug mit dem Degen zu oder benutzte das lange schwere Holzstück. Mit dem Degen trieb der Seewolf die Kerle zur Seite, und mit dem Holzprügel schlug er zu, wenn sie sich ängstlich duckten.

Carberry stolperte über einen auf den Planken liegenden Mann. Sein Gegner, ein harter muskulöser Kerl mit olivenfarbenem Gesicht, holte wild aus und hieb zu.

Carberry rollte zur Seite und schloß für eine Sekunde die Augen, denn er glaubte, es schon knirschen zu hören.

Das Schwert sauste voller Wucht in die Planken und blieb stecken. Der Olivengesichtige versuchte vergeblich, es herauszuzerren.

Da war der Profos wieder auf den Beinen. Noch während er sich aufrichtete, riß er den Kerl am Fußgelenk um, packte ihn dann am Hosenbund und stauchte ihn auf die Planken zurück.

„So, du Plattnase!“ brüllte er. „Jetzt wirst du es mal deinen anderen Gaunern zeigen, wie du kämpfen kannst!“

Noch einmal wurde der Kerl auf die Planken gestaucht, dann ergriff Carberry ihn an den Beinen und ließ ihn kreisen. Mit dem Schädel voran donnerte er zwischen seine Kumpane, riß sie um und senste sie nieder.

„Es geht nichts über eine harte Rübe“, knurrte Ed und ließ den Kerl noch einmal um seine Achse kreisen.

Dessen Schädel scheint aus ungewöhnlichem Material zu bestehen, dachte Ed und grinste bösartig, denn die Kerle, die er traf, die schleuderte es davon, als hätten sie mit einem Rammbock Bekanntschaft geschlossen.

Auf dem Deck lagen Tote und Verwundete. Einige stöhnten entsetzlich, rollten sich zur Seite und landeten meist ein Deck tiefer. Erst dann gaben sie Ruhe.

Der Kampf geriet ins Stocken, die ersten Araber wichen zurück, und Nachschub von unten erfolgte auch nicht mehr. Die restlichen, die noch in den Hohlräumen steckten, zogen es vor, darin zu bleiben, denn das, was sie vom Deck aus hörten, klang gar nicht gut.

Sie waren auch keine ausgefuchsten Kämpfer, sie wirkten zu unentschlossen und gingen nur zögernd an den Mann. Ihre ganze Stärke war ihre Überlegenheit und das Überraschungsmoment, und das hatte diesmal nicht geklappt.

Carberry war aber gar nicht damit einverstanden, daß die Burschen sich jetzt auf den Rückzug begaben.

Als die Angriffswelle stockte, es waren etwa vierzehn, sechzehn Mann, griffen die Seewölfe erneut an, ohne Pause, und drehten den Spieß um.

Die ersten rannten den Niedergang hoch auf das Achterdeck. Einen Kerl mit einem großen Ohrring, der geduckt den anderen folgen wollte, erwischte Stenmark gerade noch und zog an dem Ohrring.

Da der Kerl aber unbedingt fortwollte, und Stenmark ihn unbedingt nicht loslassen wollte, hielt er plötzlich den Ohrring in der Hand. Der Kerl stieß einen Schrei aus, griff an sein Ohr, blickte sich wild um und sprang mit einem gewaltigen Satz über Bord.

Ein paar andere hatten die Krummsäbel weggeworfen und erklommen ebenfalls das Achterdeck.

„Auf sie!“ brüllte der Profos noch einmal, doch die Araber hatten genug von diesen rasenden Teufeln. Die paar Mann, die sie hatten erwischen wollen, um sie als Sklaven zu verkaufen, standen in keinem Verhältnis zu ihren eigenen Verlusten, und so suchten die meisten ihr Heil in der Flucht.

Als Hasard sich ebenfalls anschickte, zum Achterdeck aufzuentern und dabei wild den Degen schwang, verließ die Kerle auch der letzte Mut.

Die ersten rannten noch bis zum Grätingdeck, dann blieben sie unentschlossen stehen, und der Mut verließ sie ganz.

Sie hoben wieder die Arme, aber damit war der Profos nicht einverstanden. Mit finsterem Gesicht näherte er sich einem Kerl in blutverschmierten Türkenhosen, holte aus und setzte ihm die Faust in den Magen. Ein zweiter Schlag trieb ihn über die Verschanzung, und der Kerl landete im Wasser.

„Du auch!“ rief Carberry. „Ab mit dir, hinterher!“

Sie brauchten keine lange Aufforderung mehr, ihr Mut war restlos abgekühlt, und sie blickten schaudernd auf die Ungläubigen, die wie die Teufel wirkten.

„Ar-we-nack!“ brüllte Ed plötzlich mit seiner Donnerstimme. „Zum Teufel, das hatten wir ganz vergessen, oder wir waren noch nicht richtig warmgelaufen. Ar-we-nack!“

Hasard, Stenmark, Ferris und Dan fielen in den alten Schlachtruf der Seewölfe ein.

Die Araber nahmen an, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, als sie die Giaurs so laut brüllen hörten.

Als wäre das das Startzeichen gewesen, sprangen sie voller Entsetzen von der Gräting aus schreiend und voller Panik ins Wasser.

Ihre Körper klatschten ins Wasser, tauchten wieder auf, und ihre bärtigen Gesichter drehten sich angstvoll herum, als sie zum Ufer schwammen.

Wie eine Horde verängstigter Ratten wirkten die Kerle.

Carberry drohte ihnen mit der Faust nach. Sie kletterten an Land und verschwanden zwischen den Felsen. Erst da kehrte ihr Mut wieder zurück, und sie drohten ebenfalls.

Der Sarazene, der sich auch an Land hatte retten können, gebärdete sich jetzt am tollsten von allen.

 

„Christenhunde, verdammte!“ schrie er zornig. „Der Scheitan wird euch ungläubige Hundesöhne alle holen. Die Ratten sollen euch fressen, und die Pest soll euch erwischen.“

„Was sagt die Wanze?“ fragte Ed.

„Woher soll ich das wissen?“ sagte Hasard. „Ich verstehe nicht ein einziges Wort. Vielleicht wollen sie sich bei uns bedanken.“

„Ja, das wird’s wohl sein. Allen Grund haben sie ja dazu. Aber jetzt sollten wir mal nach den anderen Kerlen sehen, Sir.“

„Die wagen sich so schnell nicht hervor. Sieh mal an Deck, Ed, da liegen fast ein Dutzend Tote und Verletzte.“

„Ja, wenn wir reinhauen, dann richtig“, meinte Carberry und wischte sich einen Blutstreifen vom rechten Oberarm, wo ihn ein Säbel leicht gekitzelt hatte.

„Ist jemand verletzt?“ fragte der Seewolf. Er hatte seinen Degen wieder eingesteckt. Jetzt hingen ihm die Haare feucht in die Stirn, sonst war ihm keine Gemütsregung anzusehen.

„Es war kein schwerer Kampf, Ed, ganz gewiß nicht. Diese Kerle verstehen nur nicht richtig zu kämpfen. Sie dachten wohl, sie könnten uns blitzschnell überrumpeln. Wahrscheinlich hätten sie uns, wenn ihnen das gelungen wäre, als Geiseln behalten, und wären so möglicherweise auch an die anderen gekommen. Das ist aber noch nicht sicher, denn Ben hat eindeutige Befehle.“

Unter ihnen war es mucksmäuschenstill. Dort hockten verängstigte Kerle mit vollen Hosen, denn daß sich keiner ihrer Kumpane mehr blicken ließ, war sehr bedenklich. Das hieß nichts anderes, als daß hier oben die Teufel persönlich an Deck standen und alle anderen längst abgemurkst hatten. Niemand wagte sich an Deck, obwohl Hasard sicher war, daß sich unter ihnen mindestens noch ein Dutzend Männer befand, wenn nicht noch mehr.

„Ernstlich verletzt ist keiner“, sagte Dan. „Ich habe nur ein paar Kratzer, und Stenmark hat eins über den Schädel gekriegt. Das ist nicht der Rede wert.“

„Und meine Kratzer erst recht nicht“, sagte der Profos. Er blickte zum Land hinüber und hob wieder die Faust.

„Da schleichen sie, diese Rattenpisser, dieses erbärmliche feige Gesindel. Ich hätte nicht übel Lust, die Kerle da unten einzeln herauszuholen, durchzuklopfen und über Bord zu werfen.“

„Die haben sich ja vor lauter Angst nicht an dem Kampf beteiligt. Aber wir werden ihnen noch eine Erinnerung zurücklassen, sobald wir an dieser Bucht vorbeisegeln“, versprach Hasard. „Wir zerhacken ihren Bug noch ein wenig, damit sie wirklich recht viel Zeit zum Aufriggen haben.“

„Wir könnten den Kahn auch gleich an Ort und Stelle anbohren und in der Bucht versenken“, brummte Ferris. „Dann flitzen die Kerle von ganz allein nach oben wie die Ratten.“

„Wir kehren zurück“, entschied Hasard. „Die Kerle haben ihre Lektion erhalten und sich blutige Nasen geholt. Das dürfte für eine Weile reichen. Ich rechne es ihnen jedenfalls an, daß sie uns nicht aus dem Hinterhalt beschossen haben. Aus diesem Grund lassen wir sie jetzt in Ruhe.“

„Klar, die wollten uns lebend oder aber wenigstens leicht verletzt“, meinte Stenmark. „Tote Sklaven nutzen ihnen nichts, die kann man nicht verkaufen.“

„Das ist schon richtig, Sten. Trotzdem haben sie auch später nicht geschossen, und wir konnten uns nicht anders wehren.“

Hasard sah auf die Verwundeten, die an Deck lagen. Einige stöhnten leise, andere, die es nur leicht erwischt hatte, stellten sich tot, aus Angst noch einmal in die Hände dieser Teufel zu geraten.

„Was tun wir jetzt mit denen da?“ fragte Ferris und wies auf die durcheinanderliegenden Piraten.

„Um die sollen sich die anderen kümmern“, sagte Hasard kalt. Es war nicht seine Art, so zu handeln, aber die Kerle hatten ihre Kumpane, und die sollten ihnen gefälligst helfen. Sie konnten ohnehin hier an Bord für sie nichts tun. Schließlich hatten die Kerle genau gewußt, daß es ein Risiko war, andere heimtükkisch zu überfallen. Eigene Verluste mußten in solchen Fällen immer einkalkuliert werden.

Vorsichtig bewegten sie sich nach unten am angelehnten Schott vorbei, aber dahinter gähnte Finsternis, und niemand ließ sich blicken oder streckte den Schädel heraus.

Carberry trat mit dem Stiefel gegen das Schott, bis es zuknallte. Sie wollten beim Abgang nicht noch eine Kugel einfangen, die jemand heimtückisch abfeuerte.

„Entert leise ab, die Kerle sollen glauben, wir befänden uns noch an Bord. Ins Boot mit euch, ich gehe als letzter.“

Einer nach dem anderen hangelte sich hinunter, bis der Seewolf noch allein an Deck stand.

Er raffte ein paar Krummschwerter zusammen und warf sie über das Deck. Ein paar Holzstücke flogen hinterher.

Dann trat er mit den Stiefeln hart auf, donnerte noch mal an das Schott und rief: „Raus mit euch, ihr feigen Hunde!“

Alles blieb unheimlich still.

Hasard kehrte lautlos zurück, ließ sich an dem Tampen ins Boot ab und stieß es von der Bordwand. Ed hatte schon das Segel gesetzt, und so bewegte sich das Boot leicht mit dem Bug zur Bucht hin.

Nach zwanzig Yards Entfernung rührte sich immer noch nichts auf der Schebecke. Sie lag da wie ausgestorben.

Erst als sie die Felsen rundeten und der Küstenverlauf unübersichtlich wurde, hob einer der Verwundeten den Kopf und blickte furchtsam über das Schanzkleid.

Hasard kümmerte sich nicht mehr darum. Die Kerle hatten genug mit sich selbst zu tun, sie mußten erst einmal ihre Wunden lecken.

Von ihnen war nichts mehr zu befürchten.

9.

Die fünf Seewölfe wurden mit Erleichterung begrüßt, als das Beiboot an der „Isabella“ anlegte.

„Was ist passiert?“ fragte Ben Brighton. „Ihr seht ja reichlich mitgenommen aus. Wir glaubten, Schüsse gehört zu haben, waren uns aber nicht ganz sicher.“

„Da habt ihr richtig gehört“, sagte Ed. „Wir haben auch tatsächlich geschossen, und jetzt sind einige Hundesöhne unterwegs, um ihre Urgroßväter einzuholen.“

„Die Schebecke war eine Falle“, erklärte Hasard. „Sie müssen unsere Ankunft bemerkt haben und haben sich entsprechend darauf eingestellt. Sie wollten unsere Neugier wecken, und genau das haben sie auch erreicht.“

„Jetzt ist ihre Neugier allerdings auch befriedigt“, sagte Dan O’Flynn trokken.

Ben Brighton und die anderen, die die Zurückgekehrten umstanden, sahen sie ungläubig an.

„Und euch ist nichts passiert?“ wollte Old O’Flynn wissen. „Die Kerle waren doch gewiß in der Überzahl.“

„Das schon, aber unser gesundes Mißtrauen hat uns gerettet – und unsere schnelle Gegenwehr. Auf der Schebecke sind arabische Piraten, die sich auf den Sklavenhandel verlegt haben. Sie handeln mit weißen Sklaven, wir haben Kleiderfetzen von Spaniern gefunden, aber die Gefangenen waren nicht mehr an Bord. Man hat sie wahrscheinlich auf ein anderes Schiff gebracht, oder sie sind im Sturm ums Leben gekommen.“

„Wir sollten den Mistkahn versenken, Sir“, sagte Big Old Shane und blickte finster auf die Felsen.

„Wir werden ihm den Bug zerschießen, wenn wir an der Bucht vorbeisegeln. Hievt das Beiboot hoch. Sobald es an Bord ist, segeln wir weiter.“

Die meisten waren dafür, die Schebecke zu stürmen, die restlichen Araber kräftig zu verprügeln und sie anschließend ins Land zu jagen. Dann wollten sie den Mistkahn versenken, aber Hasard winkte ab.

„Damit halten wir uns nicht auf, Leute. Wir setzen ihm ein paar Siebzehn-Pfünder ins Vorkastell und segeln weiter. Bis der Kahn wieder aufgeriggt ist, wachsen den Kerlen lange Bärte, und sie werden noch eine Weile an uns denken.“

Der Anker wurde gehievt und die Segel gesetzt. Darüber verging fast eine halbe Stunde, und als die „Isabella“ aus der Bucht manövrierte und langsam Fahrt aufnahm, verging noch einmal eine weitere halbe Stunde.

Die Ausgucks suchten die Felsen ab, aber die geflüchteten Piraten waren entweder ins Landesinnere geflohen oder hatten sich irgendwo zwischen den Felsen gut versteckt.

Langsam kam die Bucht in Sicht und mit ihr die Schebecke, die Menschenfalle.

In dieser einen Stunde hatten die arabischen Piraten wie die Wilden geschuftet, weil sie fürchteten, die Giaurs würden mit ihrer gesamten Crew zurückkehren und alles kurz und klein schlagen.

Sie hatten auch die Verwundeten und Toten mitgenommen und an Land gebracht.

„Kein einziger befindet sich mehr an Bord, Sir!“ schrie Bill aus dem Großmars an Deck. „Aber ganz oben in den Felsen haben sich anscheinend einige versteckt.“

Der Seewolf gab das Verstandenzeichen.

Al Conroy hatte mittlerweile drei Culverinen laden lassen. Die Stückpforten waren auch schon hochgezogen. Er wartete nur noch auf den Feuerbefehl.

Blacky stand bereit, Smoky hatte den glimmenden Luntenstock in der Hand, und Al Conroy selbst nahm bereits Maß.

Der Schimpanse Arwenack verschwand nach oben – wie immer, wenn die Rohre Feuer spuckten. Dort hockte er auf der Großmarsrah und verzog grämlich das Gesicht.

Hasard hatte die Arme auf die Schmuckbalustrade des Achterdecks aufgestützt und rief Al Conroy zu: „Ohne Erlaubnis feuern, wenn ihr das Ziel aufgefaßt habt.“

„Aye, aye, Sir!“ tönte es zurück.

Die anderen umstanden ihre Kameraden, und der Profos hatte die Arme in die Seiten gestemmt und sah finster zu der jetzt wirklich verlassenen Schebekke hinüber.

„Glatte See, klares dichtes Ziel“, sagte er. „Wenn einer von euch nicht genau die Fliege trifft, die auf dem Vordeck sitzt, dann stopfe ich denjenigen anschließend in das Rohr und jage ihn mit zehn Pfund Pulver hinüber.“

Aus den Bergen erklang plötzlich Gebrüll. Die arabischen Piraten hatten erkannt, was die „Isabella“ beabsichtigte, und jetzt zeigten sich auch einige.

Sie brüllten, fluchten, und ein schwarzhaariger Kerl, den Hasard durch das Spektiv betrachtete, hüpfte ganz oben zwischen den Felsen hin und her und raufte sich die Haare.

Smoky hielt die Lunte an das Zündkraut. Der Funke fraß sich zischend hindurch. Die Culverine entlud sich mit einem dumpfen Gebrüll und sauste zurück, bis die Brooktaue sie auffingen und stoppten. Gleichzeitig fuhr eine feuerrote Lanze aus dem Rohr, eine Qualmwolke entstand auf der Steuerbordseite.

Unmittelbar darauf schlug es dröhnend im Vorkastell der Schebecke ein, und Planken wirbelten durch die Luft.

Die zweite Culverine entlud sich mit Gebrüll, spuckte Rauch und Feuer und die Siebzehnpfünderkugel rasierte einen Teil des als Rammbug ausgebauten Galionseck weg.

Auch dort ein Krachen, ein Zerfetzen von Holz und ein Splitterregen, der über das Deck und ins Wasser flog.

Der dritte Schuß. Krachen, Bersten. Der Maststumpf der Schebecke flog mit einem Teil des Decks davon, und riß auf der anderen Seite das Schanzkleid auf.

Als sich der Rauch verzogen hatte, war es in den Bergen still. Nur der Sarazene raufte sich noch immer die Haare und erstickte fast vor Wut.

Jetzt erst sah man die Beschädigungen. Die drei Siebzehnpfünder der „Isabella“ hatten sauber getroffen und das Vorschiff in einen Trümmerhaufen verwandelt. Geborstene Planken ragten nach oben, die Galion war zerfetzt und zertrümmert. Von dem Rammsporn hing nur noch ein trauriger Stumpf nieder.

„Ihr habt die Fliege getroffen“, sagte der Profos gönnerhaft. „Das habe ich ganz deutlich gesehen. Nächsten Monat ist Weihnachten, da dürft ihr euch alle etwas wünschen.“

Das ohnehin verwüstete Deck glich nun einem Berg aus wahllos aufgeschichteten Trümmern, die Ferris Tucker neugierig musterte.

„Das gibt Arbeit für die Hundesöhne“, sagte er fachmännisch. „Damit sind sie eine Weile beschäftigt und werden ihre Menschenjagd fürs erste vergessen. Man hätte den Kahn besser doch total versenken sollen.“

Daß das ein anderer für ihn tun würde, erfuhr Ferris Tucker allerdings nicht mehr, aber es sollte nicht lange dauern.

Die „Isabella“ segelte weiter, an der Bucht vorbei, und aus den Bergen rannten die Kerle ans Ufer, als gelte es ihr Leben.

Langsam blieb die Bucht zurück. Die Schebecke entschwand ihren Blicken, und auch die Felsen wurden kleiner.

Bevor die Nacht anbrach, wurde eine alte Ruinenstadt entdeckt, und als Hasard den fast flehentlichen Blick des Kutschers sah, wurde er weich und befahl zu ankern.

Morgen in aller Frühe wollten sie sich ein Stück uralter Geschichte ansehen und dann endgültig weitersegeln.

Die Sache mit dem Sarazenen hatte jedoch noch ein übles Nachspiel, von dem die Seewölfe ebenfalls nichts erfuhren.

In der Dämmerung des nächsten Morgens lief eine kleine unscheinbare Feluke die Bucht des Minotaurus an.

 

Sie hatte nur zehn Mann Besatzung, und aus dieser Besatzung, die ausschließlich aus Arabern bestand, hob sich nur ein Mann etwas aus der Masse der anderen heraus.

Dieser Mann war Ali Abdel Rasul, den nur wenige kannten, den aber alle fürchteten, und der an den Küsten bis hinauf zur Ägäis Angst und Schrecken verbreitete, wenn nur sein Name fiel.

Ali Abdel Rasul war groß und schlank, schwarzhaarig, mit kohlschwarzen Augen und einem Bärtchen, wie die Scheiche es trugen.

Aber dieses Bärtchen trug er nicht immer. Mitunter war er glattrasiert, mal in kostbare Gewänder gekleidet, mal in Lumpen gehüllt, mal als Händler auftretend, der Ware an andere Schiffe verkaufte.

Die Feluke lief in die Bucht. Die Segel wurden weggenommen, und der letzte Schwung brachte sie bis dicht auf den Strand, wo sie etwas schräg geneigt liegenblieb.

Ali Abdel Rasul winkte zwei Männer herbei. Seine linke Hand lag auf einem goldverzierten Krummdolch, der im Gewand an seiner linken Hüfte steckte. Er trug ein burnusähnliches Gewand von ockergelber Farbe und hatte Sandalen an den Füßen.

„Du siehst nach, wie viele Gefangene wir haben“, befahl er dem einen Mann, „und du drehst den Stein. Ich werde nachsehen, ob der Kapitän eine Nachricht hinterlassen hat.“

Die beiden verbeugten sich fast ehrfurchtsvoll vor Ali und sprangen in den Sand.

Der eine kletterte in die Berge, während der andere den Felsen erklomm und den schweren Stein bewegte.

Ali Rasul stand vor dem Bild des Minotaurus und blickte es aus ausdruckslosen Augen an.

Dann schwang der Stiermensch mit einem leisen Knirschen zurück und gab den Blick in das Innere preis.

Am Horizont ging die Sonne auf. Zaghaft schob sie sich von Osten her über das Meer und tastete mit roten und silbernen Strahlen über die Wasserfläche.

Aber dafür hatte der Ägypter keinen Blick. Er zog sich an dem Felsen hoch und blickte in die kleine Höhlung.

Das Gold, das Silber und die Perlen waren weg. Das war richtig so, das hatte sich der Kapitän geholt, wie es ihm zustand. Ali irritierten nur die fünf Steine, die darin lagen. Weiter befand sich nichts in dem Hohlraum.

Verblüfft und ratlos nahm er sie heraus, drehte sie hin und her und wußte nichts damit anzufangen.

Hinter ihm war ein weiterer Mann erschienen, ein kleiner, kriegerischer Bursche, der devot dienerte.

Ali drehte die Steine immer noch hin und her, betrachtete sie von allen Seiten und wurde nicht schlau daraus.

„Hast du dafür eine Erklärung?“ fragte er den Mann mit dem Wieselgesicht.

Der starrte ebenfalls auf die Steine und schüttelte den Kopf. Dann blickte er seitlich auf das Bild des Stiermenschen.

„O Herr“, sagte er, „vielleicht zürnt der Stier von Kreta und hat das Gold in Steine verwandelt.“

„Meinst du, daß ein Halbgott das kann?“ fragte Ali spöttisch und kräuselte verächtlich die Lippen.

„Die Halbgötter vermögen viel, o Herr.“

„Aber dieser ist nur ein Bastard“, sagte Ali lachend. „Und du redest wieder einmal dummes Zeug, Moshe.“

Der unterwürfig wirkende Mann zuckte ängstlich zusammen. Dann schwieg er bedrückt.

„Ich möchte wissen, was hier vorgeht“, sagte Ali Rasul leise. Dann blickte er nach oben. Seine Hand tat eine herrische Bewegung, und gleich darauf schloß sich ganz sanft das Versteck mit einem leisen Knirschen.

Auf Alis Zügen lag leichte Ratlosigkeit, aber er blieb geduldig stehen und wartete ab, bis der Mann aus den Bergen wieder zurückkehrte. Das dauerte fast eine Viertelstunde.

„Was ist?“ fragte Ali knapp.

„Es sind keine Gefangenen da, o Herr“, stammelte der Mann verstört. „Kein einziger Christenhund befindet sich in dem Verlies. Es ist leer.“

„Bist du ganz sicher?“

„Ganz sicher, Herr. Allah soll mich …“

„Schon gut. Du willst noch etwas sagen?“

„In der Bucht weit vor uns liegt der Sarazene, Herr. Sein Schiff ist arg beschädigt. Die Leute haben mich nicht gesehen, sie arbeiten und bessern aus.“

Alis Gesicht verfinsterte sich bei den Worten. Er blickte auf die Steine, sah den Minotaurus an, und dann erschien in seinen dunklen Augen ein bösartiges Licht.

„Keine Gefangenen“, sagte er, als spräche er zu sich selbst. „Das Gold ist fort, und dieser Hundesohn wagt es, in der Bucht liegenzubleiben und sein Schiff zu reparieren.“

Wütend warf er die Steine in den Sand.

„Er hat mich betrogen, dieser Hund. Er glaubte sich wohl in Sicherheit, aber dann hat ihm der Sturm übel mitgespielt. Gold und Silber hat er sich geholt, er hat die Bezahlung kassiert, ohne die geringste Gegenleistung zu erbringen. Das hat noch keiner gewagt.“

In den Augen glomm es immer düsterer auf, und die beiden Männer traten ein paar Schritte zurück, als sie ihren Herrn so zornig sahen.

„Dieser Hundling von einem Sarazenen“, sagte Ali flüsternd. „Er wagt es …“

Mit schnellen Schritten ging er an Bord zurück. Sein Gesicht blieb jetzt kalt und ausdruckslos, aber in seinem Innern fraß der Zorn, da kochte es über diese bodenlose Frechheit.

„Dorthin, wo die Schebecke liegt!“ befahl er.

Die Männer sprangen ins Wasser, schoben mit vereinten Kräften die kleine Händlerfeluke ins Wasser und sprangen wieder auf.

Sofort segelte die Feluke weiter, bis sie die bezeichnete Bucht erreichte.

Ali Abdel Rasul starrte auf die Schebecke, die bestenfalls noch ein Wrack war. Die Reparatur würde eine Weile in Anspruch nehmen. Er sah, wie die Männer sich abmühten, den Mast aufzuriggen und die Schäden auszubessern.

„Wer von ihnen ist der Sarazene, Moshe?“ fragte er.

Moshe deutete dezent nach achtern, wo ein Mann mit mürrischem Gesicht stand und den zertrümmerten Balustradenschmuck anstarrte.

„Der Kerl ganz achtern, Herr.“

Auf der Schebecke wurden die Arbeiten jetzt unterbrochen, als die kleine Feluke in die Bucht segelte, die Segel strich und langsam heranglitt.

Sie starrten den vermeintlichen Händler an und grüßten lässig.

Ali Abdel Rasul verneigte sich.

„Allahu Akhbar, meine Brüder“, grüßte er überschwenglich. „Allah sei mit Euch, Kapitän. Ihr seid doch der Kapitän, Herr?“

Der Sarazene war in ausgesprochen übler Stimmung.

Er erwiderte den Gruß mürrisch und fragte: „Was willst du? Was verkaufen?“

„Allah beschütze dich, Herr“, sagte Ali. „Ihr habt schwere Schäden erlitten, wie ich sehe, und ihr werdet unsere bescheidene Hilfe gut gebrauchen können. Wir haben alles an Bord, was Euch zum Leben mangelt. Nüsse, Datteln, Oliven, frisches Gemüse, Beeren und auch Pulver.“

Zuerst sah es so aus, als wollte der Sarazene die vermeintlichen Händler zum Teufel jagen, aber dann war er einem kleinen Plausch nicht abgeneigt und gestattete, daß die Feluke an der Bordwand vertäut wurde.

„Wir könnten schon etwas gebrauchen“, sagte er und musterte den Händler mißtrauisch von oben bis unten. „Aber nur, wenn ihr vernünftige Preise aushandelt.“

Alis Gesicht blieb devot und unterwürfig, wie die Händler ihren Kunden immer begegneten.

„Ihr werdet zufrieden sein, Herr, und Ihr werdet über meine Preise ehrlich erstaunt sein.“

„Dann kommt an Bord und bringt gleich Tee mit.“

„Zu Diensten, Herr.“

Ali und drei weitere Männer enterten geschickt und schnell auf und sahen sich bedauernd um.

„Seid ihr zufällig hier vorbeigesegelt?“ fragte der Sarazene.

„Zufällig, Herr. Wir wollten weiter nach China, um frische Ware zu übernehmen und dort zu handeln. Was ist geschehen, Herr? Wer hat euer Schiff so beschädigt?“

Der Sarazene spuckte wütend über Bord. Dabei musterte er anerkennend den Dolch in Alis Gürtel, ohne zu wissen, wen er vor sich hatte.

„Zuerst war es der Sturm, dann segelte ein spanischer Christenhund hier vorbei und feuerte auf uns, die wir doch völlig wehrlos waren.“

„Und warum tat er das?“

„Frag ihn selbst, Händler, ich weiß es nicht. Hast du auch Pulver anzubieten?“

„Soviel ihr wollt, Herr.“

Über Ali Rasuls Gesicht glitt ein Schimmer. Er blickte über das achtere Schanzkleid und gab den Befehl, ein paar Fässer Pulver an Bord zu bringen.

Ein anderer erschien mit einem Kessel kochenden Wassers und kleinen Täßchen mit frischen Pfefferminzblättern.