Seewölfe Paket 13

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Sie versuchten, ihn durch Geschrei zu verscheuchen, doch der Delphin sah das als lustiges Spielchen an und tollte wie besessen vor dem ranken Rahsegler im Wasser. Wieder umkreiste er das Schiff mehrmals, dann drehte er ab, schwamm im Kielwasser zurück und ging auf Tiefe.

„Jetzt haben wir schon zwei Fühlungshalter“, meinte Old O’Flynn. „Einen Delphin und einen Türken.“

„Vielleicht ist es auch ein türkischer Delphin“, meinte Dan mit ausdruckslosem Gesicht. „Er trug nämlich die türkische Halbmondflagge unter der rechten Flosse.“

Der Alte warf seinem Sohn einen grimmigen Blick zu.

„Treibe es nicht zu bunt mit deinem alten Vater, Söhnchen“, sagte er giftig. „Ich habe gerade vor kurzer Zeit einen so jungen Stint wie dich verprügelt, und ich habe noch Kraft genug für den nächsten jungen Stint.“

Die beiden O’Flynns grinsten sich an, damit war der Vorfall auch gleich wieder vergessen.

Hasard wandte sich an Ben, dessen Frage er immer noch nicht beantwortet hatte.

„Die Schebecke holt weiter auf, ich denke, wir können es riskieren, sie ein bißchen in die Mangel zu nehmen. Inzwischen kann der Holländer unbehelligt weitersegeln, und unter vollem Preß haben wir ihn gleich wieder eingeholt.“

„Ganz meine Meinung, Sir.“

Etwas später änderte die „Isabella“ wieder den Kurs, und die erforderlichen Manöver wurden ausgeführt.

Die Schebecke hielt jetzt genau auf sie zu.

9.

Sechs Culverinen waren ausgerannt und feuerbereit. Al Conroy schlug noch einen Holzkeil darunter und erhöhte dadurch den Schußwinkel etwas.

In diesem Augenblick begann die Schebecke zu feuern, die die Absicht der Seewölfe erkannt hatte.

Viermal hintereinander blitzte es auf, Qualmwolken quollen auf, die der Wind rasch verwehte.

Vier Kugeln klatschten in die See, etwa eine halbe Kabellänge von der „Isabella“ entfernt.

„Feuer!“ schrie Hasard und hob die Hand.

Die Luntenstöcke senkten sich auf die Zündlöcher, in denen das Zündkraut steckte. Der Funken fraß sich gierig durch, die ersten beiden Culverinen brüllten zornig auf und spien die von Ibrahim gelieferten Siebzehnpfünder aus dem Bronzelauf.

Noch während der Eisenhagel unterwegs war, krachten die nächsten Culverinen und sausten zurück, bis die Brooktaue den Rückschlag stoppten.

Die erste Dublette jaulte dicht über die Schebecke hinweg, ganz knapp am Mast vorbei, und schlug, nur eine Handbreite über dem Schanzkleid, ins Wasser.

Dafür saß die zweite. Ein Segel riß durch die Wucht des Einschlages aus dem Liek und zerfetzte. Lange Streifen begannen im Wind zu flattern wie ein Flögel.

Die andere Kugel knallte der Schebecke ins Grätingsdeck. Der Kolderstock wirbelte in die Luft. Der Mann, der ihn bedient hatte, verschwand ebenfalls und ging über Bord.

„Feuer!“ brüllte Hasard wieder, als er den Erfolg sah.

Er hatte die Worte kaum heraus, als Al Conroy auch schon den Luntenstock nach unten drückte. Mit verbissenem Gesicht hatte er ein letztes Mal anvisiert.

Wieder brüllte die „Isabella“ wie ein feuerspeiender Drache.

„Abdrehen!“ befahl Hasard. „Zurück auf den alten Kurs, Pete.“

Als seine Worte verklangen, flog auf der Schebecke die zum Rammsporn umgebildete Galion krachend auseinander. Das Holz zerbarst und wirbelte davon. Gleichzeitig riß der sechste und letzte Siebzehnpfünder ein riesiges Loch unterhalb einer der Geschützpforten.

Wieder krachte es, das Splittern des Holzes war bis zur „Isabella“ zu hören.

„Wischen, nachladen!“ rief Al Conroy.

Die Zwillinge wischten die Rohre aus und schoben neue Kugeln in die Culverinen.

Da geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Die eine Sache freute den Seewolf, die andere ärgerte ihn mächtig.

Zunächst lief die Schebecke aus dem Ruder und drehte in den Wind. Damit schnitt sie die Kurse der heransegelnden anderen Schiffe, die mit den tollsten Manövern versuchten, der Schebecke auszuweichen.

Bis auf eines schafften sie das auch. Das versuchte zwar auch noch auszuweichen, geriet aber dabei in Gefahr, mit zwei anderen zu kollidieren, und so zog es anscheinend das kleinere Übel vor.

Kurz vor dem Zusammenprall feuerte die Schebecke noch einmal ihre Geschütze ab, deren Kugeln weit achteraus an Backbord wirkungslos in die See klatschten.

Dann sah Hasard durch das Spektiv, daß sich auf den beiden Schiffen die Mannschaften Halt verschafften, als die Kollision unmittelbar bevorstand. Keiner wollte durch den Anprall über Bord geschleudert werden, und so suchten sie krampfhaft Halt in allen möglichen und unmöglichen Stellen. Etliche warfen sich auf die Planken und hielten die Hände schützend über den Kopf.

Dann erfolgte das wilde Knirschen, als sich der Bug des einen Türken in die Flanke der Schebecke bohrte.

Holz krachte und splitterte, es hörte sich an, als würde eine große Trommel geschlagen.

Bei der harten Erschütterung des Anpralls neigte sich der Mast des anderen Schiffes majestätisch nach vorn und knickte in halber Höhe weg. Stehendes und laufendes Gut kamen herunter, die Segel legten sich wie riesige flatternde Leichentücher über Deck.

Die anderen Türken, dadurch leicht in Panik geraten, verholten sich nach allen Richtungen, um nicht in die Nähe der beiden ineinander verkeilten Schiffe zu geraten.

Damit war der Gegner vorerst wieder etwas aufgehalten worden. Die Türken mußten sich erst wieder neu formieren, und so konnten die Seewölfe und der Holländer wieder einen Vorsprung für sich verbuchen.

Dann erst sah Hasard nach dem Holländer.

Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Statt den Vorsprung weidlich auszunutzen, hatte dieser Klotzkopf beigedreht und war der „Isabella“ an Steuerbord wieder aufgesegelt.

„Dieser Käsefresser muß total übergeschnappt sein!“ brüllte Ben Brighton. „Der ist doch einwandfrei wahnsinnig.“

„Jedenfalls läßt er uns nicht im Stich“, brummte der Seewölf unwillig. „Er will wohl unter Beweis stellen, daß er auch etwas kann. Aber damit wird es keinesfalls besser, verdammt noch mal!“

Sie drohten und schrien zu Kruger hinüber, aber der war so versessen aufs Kämpfen, daß er nichts hörte und sah.

Er hatte sich einen der auf dem Flügel segelnden Türken geschnappt und lief hart auf ihn zu.

Der Türke feuerte sofort. Vier Kugeln jaulten zu Kruger hinüber. Drei landeten im Wasser, die vierte knallte in die Bordwand und riß unterhalb des ohnehin zersplitterten Schanzdecks ein Loch auf, in dem ein Mann bequem stehen konnte.

Dann feuerte Kruger, ließ die erste Breitseite auf die Türken los, beharkte ihn voller Wut mit den Drehbassen und ging gleich darauf geschickt und schnell über Stag.

Er pfiff darauf, daß ihm die Segel killten, weil er zu wenige Männer abstellen konnte, und fuhr ein so riskantes Manöver, daß es selbst die Seewölfe grauste.

„Mann, der hält seinen Eimer wohl für ’ne Windmühle“, sagte Smoky entsetzt, als er die halsbrecherische Wende sah. Allerdings klang in seinen Worten auch ein wenig Respekt mit.

„Teufel noch mal“, sagte auch Jeff Bowie. „Die lassen einfach die Brassen sausen, und den Rest überlassen sie sich selbst.“

„Entweder segeln die, oder sie feuern“, meinte Smoky, und sah angestrengt den merkwürdigen Manövern des Holländers zu, der jetzt Kopf und Kragen riskierte.

Angebraßt wurde auf der „Goekoop“ erst, als ihnen fast alles um die Ohren flog und die Galeone hart krängte.

Da, beim höchsten Krängungswinkel, löste sich die nächste Breitseite mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll, und bei dem Türken schlug es gleich darauf ein paarmal hintereinander ein.

Jetzt erst, nachdem der Holländer sich verschossen hatte, drehte er wieder auf den alten Kurs zurück.

„Ein Verrückter“, sagte auch Hasard. „Zweifellos ein Verrückter, aber er hat immerhin das erreicht, was er wollte. Jetzt fängt es auf dem Türken an zu brennen, und damit sind drei ihrer Schiffe außer Gefecht.“

Die „Goekoop“ segelte weiter, als wäre nichts geschehen. Sie ähnelte nun mehr denn je einem Wrack, aber da sie ohnehin stark lädiert war, nahm dieser holländische Klotzkopf auch noch diese Bresche in Kauf.

Der Brand auf dem Türken weitete sich aus, gleich darauf blies der Wind das Feuer weiter an und entfachte es. Ein Teil der Kuhl stand jetzt in hellen Flammen. Wahrscheinlich hatte Kruger eins der an Deck stehenden Pulverfässer erwischt.

Die Antwort der genarrten Türken bestand aus einem wilden Abfeuern ihrer Kanonen. Sie trafen nicht, dafür war die Entfernung etwas zu groß, aber sie feuerten ihre Wut aus allen Rohren und schlossen sich erneut zu einer Formation zusammen.

Drei Schiffe blieben achteraus zurück. Eins brannte, die beiden anderen waren immer noch hoffnungslos ineinander verkeilt.

„Jetzt segeln sie uns natürlich noch schneller auf“, sagte der Seewolf. „Und alles wegen diesem Knallkopf. Der hätte inzwischen, nach dem Angriff auf die Schebecke, mindestens drei Meilen Vorsprung herausgesegelt, jetzt hat er nicht mal eine halbe. Und die Türken werden bald wieder angreifen.“

„Und dann können wir dem Rübenschwein erneut helfen“, brummte Carberry, der aufs Achterdeck geentert war und grimmig ins Kielwasser der „Goekoop“ blickte.

Ja, dachte Hasard. Der Holländer hatte es aus seiner Sicht vielleicht gut gemeint, aber er hatte auch gleichzeitig eine Menge verpatzt, und deshalb würde es ihnen bald wieder an den Kragen gehen, das war schon jetzt vorauszusehen.

Die Türken blieben unerbittlich und ließen nicht locker.

Es dämmerte, es wurde Abend, dann senkte sich die Nacht über das Meer, und es briste noch etwas auf.

 

Das Geschwader folgte mit orientalischer Hartnäckigkeit und hatte bis zur Dunkelheit schon wieder ein Stück aufgeholt.

Da half kein Hakenschlagen, kein Ausweichen. Die Türken hatten zwei Fühlungshalter vorgeschickt, die immer dichtauf blieben. Irgendwo, so hofften sie, würden sie die ungläubigen Christenhunde schon stellen.

Spät in der Nacht griff der erste Fühlungshalter von Steuerbord achtern an und feuerte eine Breitseite, die wieder wirkungslos ins Wasser ging.

Die Seewölfe feuerten zurück, erzielten diesmal aber trotz ihrer überlangen Culverinen keinen einzigen Treffer, und so ließ Hasard nachladen und weitersegeln.

Dann, der Mond wanderte zwischen den Wolken und übergoß das Meer hin und wieder mit silbrigem Glanz, sah er, daß zwei der Türken dicht zusammen segelten, Kopf an Kopf fast.

Er ließ Ferris Tucker rufen.

Als der rothaarige Schiffszimmermann erschien, sah er ihn an.

„Einen Brandsatz, Ferris, eines dieser teuflischen Biester werden wir noch opfern, denn mit den Pfeilen schaffen wir die Entfernung nicht. Aber die Gelegenheit ist günstig, und ich verlasse mich auf dich. Prüfe genau den Wind und die Verhältnisse, die eine Chance bieten, und dann jage den Brandsatz so hinüber, daß er in jedem Fall auf einem der beiden Schiffe landet. Traust du dir das zu!“

„Es wird nicht leicht, Sir, denn ich muß gegen den Wind feuern, und diese Brandsätze haben die Eigenschaft bei Gegenwind senkrecht in den Himmel zu steigen, wenn die Flugbahn nur ein klein wenig höher als geplant verläuft.“

In Ferris Augen, das sah der Seewolf im Mondlicht, lag ein leichter Zweifel. Aber der Seewolf lächelte. Er kannte Ferris und wußte, daß der Zimmermann die Brandsätze und die dazugehörenden bronzenen Abschußgestelle im Schlaf beherrschte.

„Dann halte die Flugbahn ein klein wenig tiefer als geplant“, riet er lächelnd. „Du schaffst das, Ferris, und niemand macht dir einen Vorwurf, wenn das Ding wirklich daneben geht. Pech, weiter nichts, das kann jedem passieren.“

„Aber gerade deswegen, weil wir kaum noch welche haben, möchte ich nichts versauen, Sir. Und ich würde mich mit Selbstvorwürfen überhäufen, wenn …“

„Gut, dann wird Bill das Ding abfeuern“, sagte Hasard, aber da sah er Ferris’Grinsen und nickte ihm zu.

„Keiner von uns rechnet mit einem Erfolg, aber wenn du es trotzdem schaffst, werden alle überrascht sein.“

„So kann man die Seelen auch kneten“, meinte Ferris. „Soll ich den Brandsatz jetzt gleich holen?“

„Und abfeuern.“

„Aye, aye, Sir.“

Ferris ging nach achtern in Hasards Kammer, wo die gefährlichen Brandsätze versteckt waren. Gleich darauf kehrte er mit einem besonders dicken Exemplar wieder zurück.

Neun Schiffe waren noch hinter ihnen, überlegte Hasard. Wenn es erneut zum Gefecht kam, konnten sie wohl noch zwei oder drei aus der Meute herauspicken, aber sie waren auch nicht übermächtig, und gegen diese kleine Türkenarmada hatten sie kaum eine Chance. Da halfen auch die überlangen Rohre nichts. In der Beziehung wollte der Seewolf sich nicht selbst überschätzen.

Ferris überprüfte den Brandsatz, sah zu den Türken, von denen zwei immer noch Kopf an Kopf segelten und berechnete seinen Schuß, als er das Ding mit der heraushängenden Lunte in das Abschußgestell aus Bronze schob.

Ein paarmal korrigierte er, peilte, korrigierte wieder, prüfte den Wind, der jetzt fast achterlich einfiel, und scheuchte die Männer beiseite, die ihn neugierig umstanden.

Diese Brandsätze hatten auch heute noch etwas Unheimliches an sich, wenn sie wie der Teufel persönlich durch den Himmel ritten und später explodierten.

„Fertig!“ sagte er heiser.

Der Kutscher drückte ihm eine glimmende Lunte in die Hand, die er am Kombüsenfeuer entzündet hatte.

Ferris tat diesmal alles mit Bedacht und Akribie.

Ein allerletztes Mal visierte er an, dann hielt er die Lunte an die mit Pulver und Wachs getränkte Schnur des Brandsatzes.

Zischen erklang, dann ein leises Fauchen. Funkensprühend fraß sich das entfernt dem Zündkraut ähnelnde Zeug an die Verdickung heran.

Gleich darauf gab es einen kleinen Blitz.

Henk Kruger würde sich wundern, dachte Hasard grinsend. Der nahm sicher an, der Teufel selbst habe hier seine Hand im Spiel, oder die Hölle hätte ihre Dämonen ausgespien.

Es pfiff grell, dann zuckte der Brandsatz aus seiner Halterung und stieg kreischend und jaulend in den Nachthimmel. Seine Spur, die er hinter sich herzog, sah aus wie der Schweif eines kleinen Kometen, der zur Erde stürzte.

Die Richtung stimmte, wie der Seewolf zufrieden registrierte.

Mit einem Spektakel ohnegleichen, Pfeifen, Kreischen und Fauchen zugleich, raste das Ding bis auf die Höhe seiner Flugbahn, dann senkte es sich nieder, dicht über den beiden Schiffen, und explodierte mit einem bestialischen Knall.

Ein prächtig anzusehendes Feuerwerk ergoß sich über die beiden Schiffe.

Rot, giftgrün, blau und silbern barst der Himmel. Von wildem Knallen und Getöse begleitet, zerplatzten tausende kleiner Kugeln, und ein silbern schimmernder Topf, gleich dem griechischen Feuer, entstand am Himmel und senkte sich nach unten.

Noch während er fiel, zerplatzten die Kugeln ein letztes Mal in sich selbst und streuten alles ab.

Auf den beiden Schiffen entstand Glut, zuckten winzige Flammen auf, lohten schlagartig entstandene Brände, die rasend schnell um sich griffen.

Zunächst lohten die Segel grell auf, dann flogen glühende Lappen nach allen Seiten davon, wehten funkenstiebend hoch durch die Luft und trieben ins Wasser.

Hasard schlug dem Schiffszimmermann begeistert auf die breiten Schultern.

„Sauber, Ferris“, sagte er. „Das schafft uns die Meute für eine Weile vom Hals. Ich wußte, daß du treffen würdest.“

Dann schwiegen sie wieder und blickten achteraus.

Auf den beiden türkischen Schiffen herrschte ohnehin Wuhling, aber selbst bei denen, die noch weiter weg segelten, schien eine Panik auszubrechen, denn fast jeder änderte den Kurs und schlug eine andere Richtung ein.

Die Türken kannten das griechische Feuer, aber sie kannten es offenbar nicht in dieser Form und nicht auf diese Entfernung. Für sie mußte der Teufel persönlich seine Hände im Spiel haben, als über ihnen in der Finsternis plötzlich eine bunte Sonne aufging. Jeder strebte von der Unglücksstelle fort, denn da gab es nichts mehr zu helfen.

Die Brände griffen immer schneller um sich, der Wind fachte sie weiter an, und der an Backbord segelnde Kahn scherte jetzt aus und lief aus dem Ruder.

Lichterloh brennend stand er in der See wie eine Fackel, wie ein Mahnmal des Satans.

Durch das Spektiv sah Hasard, wie die Männer in kopfloser Panik über Bord sprangen, wie von anderen Schiffen Beiboote zu Wasser gelassen wurden, wie die Türken beidrehten, die Segel strichen und die überlebenden aus der See fischten.

Das Feuer wütete weiter. Aus dem anderen türkischen Schiff stiegen hohe Flammensäulen knisternd und prasselnd in den nächtlichen Himmel.

Die Überlebenden zu bergen, war schon ein Problem, denn die enorme Hitzeentwicklung ließ die Retter nur zögernd eingreifen.

Dann erreichte das Feuer offenbar die Pulverkammer.

Ein Blitz zuckte auf, so grellweiß, daß die Seewölfe krampfhaft die Augen schlossen. Eine glühende Kugel wölbte sich über dem Wasser, als ginge schlagartig die Sonne auf.

In der Kugel wurde es schwarz und schlierig, und mit einem heißen Fauchen schoß sie wie ein Riesenpilz höher.

Dann rollte der Donner über die See, und der Wind trieb die Druckwelle der Explosion bis zur „Isabella“.

Durch die Segel fauchte ein warmer Wind, eine heiße Welle folgte, und dann stand da anstelle des Schiffes nur noch ein orange leuchtendes Etwas, das gleich darauf die See verschluckte.

Carberry stieß pfeifend die Luft aus.

„Verdammt noch mal“, sagte er andächtig.„die werden sich hüten, uns noch einmal zu beharken. Die müssen doch glatt annehmen, daß wir mit dem Satan einen Pakt geschlossen haben.“

„So ähnlich werden sie wohl denken“, sagte Hasard. „Und sie werden auch damit rechnen, daß wir noch mehr von diesen Wunderwaffen besitzen. Ich bin fast sicher, daß sie in dieser Nacht keinen Angriff mehr wagen.“

„Der Holländer ist aus dem Ruder gelaufen“, meldete Dan.

Hasard blickte an den Segeln vorbei nach Steuerbord. In der Helle des Feuers sah er, daß der Holländer den Kurs gewechselt hatte, ohne die Schoten durchzuholen. Und er sah weiter, daß die Kerle sich alle fassungslos auf dem Achterdeck versammelten und sich die Augen aus dem Kopf stierten, als begriffen sie nicht, was da passiert war.

Erst nach einer Weile brachten sie ihr halbes Wrack wieder auf Kurs und segelten weiter.

„Die wären vor lauter Staunen fast gekentert“, sagte Ferris.

Hinter ihnen versank auch noch das zweite Schiff in einer funkensprühenden Säule.

Aus dem Wasser ragten nur noch brennende, gespenstisch wirkende Arme, dann gingen sie langsam auf Tiefe. Das Feuer erlosch und wie vom Teufel mit glühenden Krallen hinabgezogen, verschwand der Rest des Schiffes.

Zurück blieben die Türken und ihre Boote, die die See absuchten und die Überlebenden bargen.

10.

In dieser Nacht blieb nur noch ein einziger Fühlungshalter hinter ihnen, und Hasard ließ im Morgen Ostsüdost steuern, auf Tripoli zu, um seinen Männern die wohlverdiente Ruhepause zu gönnen.

Gegen Morgen, als der Himmel graute, war auch der Fühlungshalter verschwunden. Von den restlichen Türken war nichts mehr zu sehen. Der Fühlungshalter hatte sie aus den Augen verloren und steuerte anscheinend einen falschen Kurs.

„Damit sind wir sie los“, sagte der Seewolf. „Jetzt kann dieser Klotzkopf segeln, wohin er will. Hoch mit den restlichen Lappen, Profos, wir laufen Tripoli an.“

Gleich darauf wurden auf der „Isabella“ alles an Tuch gesetzt, was die Masten trugen. Auch die Blinde wurde wieder gesetzt.

Sie segelten dem Holländer auf, und schon bald darauf liefen sie dicht an ihm vorbei.

Als sie auf gleicher Höhe waren, riß der übernächtigt wirkende Kruger die Arme hoch und brüllte vor Freude.

„Habt ihr das gesehen?“ schrie er. „Da ist ein Wunder geschehen. Die Kerle sind von einem Kometen getroffen worden. Den hat uns der Himmel beschert.“

Hasard sah den stoppelbärtigen Herkules an.

„Oder es war ein Stück vom Mond“, sagte er laut. „Von da fallen auch öfter mal Steine herunter, und die glühen noch.“

„Kommt längsseits!“ brüllte Kruger. „Darauf werden wir jetzt ordentlich einen saufen! Und ich bin verdammt nicht knauserig. Wir haben guten Genever an Bord!“

„Scher dich zum Teufel, du Großmaul!“ riet Hasard. „Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben. Beinahe wäre durch euer idiotisches Manöver alles schiefgegangen. Warum seid ihr Nachttopfsegler nicht auf Kurs geblieben?“

„Hoho, Sir, wie redet ihr mit mir? Wir haben euch geholfen! Und ohne diesen Kometen wären wir alle nicht mehr am Leben. Selbst ihr nicht!“

„Du spinnst ja, du stoppelbärtige Wanze!“ schrie Carberry. „Der Komet existiert nur in deinem Holzkopf. Das war eine unserer Waffen. Und von wegen geholfen! Ihr Pfeffersäcke habt alles nur aufgehalten.“

Henk Kruger krümmte sich plötzlich vor Lachen.

„Das war eure Waffe?“ schrie er lachend. „Daß euch der Teufel hole, ihr Themseratten! Wo gibt’s denn solche Waffen, he? Los, ich wiederhole es nicht noch einmal. Kommt längsseits, damit wir unseren Sieg begießen können.“

Hasard schüttelte den Kopf. Sollte dieser Kerl segeln, wohin er wollte. Er war von den Kerlen restlos bedient, und wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben.

„Sauft euren Genever allein“, empfahl er. „Und überlegt euch beim nächsten Mal gut, wie es ausgeht, wenn ihr wieder Dörfer oder Städte plündert. Wir sind nicht immer und überall zur Stelle.“

„Trotzdem vielen Dank!“ rief Kruger gepreßt. „Und wenn wir uns einmal wiedersehen, werden wir uns noch persönlich bedanken.“

„Das wird wohl kaum der Fall sein.“

„Diese triefäugige Kakerlake ist ein ständiges Ärgernis“, sagte der Profos. „Wir hauen diese Brut aus dem Schlamassel, und dann reißen sie auch noch die Schnauzen auf und lachen uns aus. Wir sollten längsseits gehen, Sir, aber nicht, um mit diesen Kerlen zu saufen, sondern um sie noch einmal anständig zu verprügeln. Das ist in ein paar Minuten geschehen und strengt uns kaum an. Dann wird das Großmaul endlich wissen, wo es hingehört. Wollen wir uns das kleine Späßchen nicht gestatten?“ fragte Ed händereibend.

 

Aber Hasard schüttelte noch einmal den Kopf.

„Nein“, sagte er bestimmt. „Ihr werdet anders entschädigt. In Tripoli gibt es sicher ein paar feine Kneipen, und jetzt, da uns keiner mehr im Nacken sitzt, werden wir in einer der Kneipen allein feiern.“

Er warf dem Holländer keinen Blick mehr zu, als sie an ihm vorbeizogen und noch einmal den Kurs korrigierten.

Von drüben tönte Gebrüll herüber, offenbar waren die Kerle beleidigt oder sauer, weil aus dem Gelage nichts wurde.

„Einer sitzt uns doch noch im Nakken“, sagte Dan. „Wir haben noch einen Fühlungshalter.“

„Wo?“ fragte Hasard und fuhr herum.

„Unser Freund ist wieder da.“

Er zeigte aufs Wasser, wo der Delphin munter seine Bahn zog. Es war fast unwahrscheinlich, daß er die „Isabella“ immer wieder fand. Genausogut hätte er auch den Holländer umkreisen können, dachte Hasard, aber das Tier klebte mit einer geradezu zähen Verbissenheit ausgerechnet an ihnen, das andere Schiff schien es nicht im geringsten zu kümmern.

Es zog seine Kreise, keckerte, gab wieder diese schnatternden Geräusche von sich und verschwand.

„Wenn ich richtig gerechnet habe, es zumindest einigermaßen richtig überschlagen habe, dann dürfte die Feluke des Händlers etwa sechsundzwanzig Meilen achteraus stehen. Ich kann mich höchstens um zwei drei Meilen verrechnet haben, mehr nicht.“

Noch einmal sah Hasard dem Tier nach, das davonjagte, und fragte sich, verdammt noch mal, wie das nur möglich war, obwohl sie doch so oft den Kurs gewechselt hatten. Und wie brachte der Delphin diesem Ibrahim das nur bei? Zeigte er jeweils den Kurs an, indem er langsam vorausschwamm?

Das war der Gipfel der Dressur und fast ein Unding. Aber die Tatsachen bewiesen das Gegenteil, denn in regelmäßigen Abständen war der fröhliche Spießgeselle wieder da, und jedesmal sah es aus, als würde er aus dem Wasser grinsen.

Vermutlich erschien er auch nachts, nur sah man ihn da nicht, aber er war ganz sicher da.

Tripoli!

An den alten Hafen schlossen sich Basare an, und an der Westseite herrschte das altbekannte orientalische Gewimmel. Die Hütten, weiß gekalkt, boten einen malerischen Anblick, dazwischen erstreckten sich die winzigen Lehmgassen, die so eng waren, daß man sich zu zweit kaum begegnen konnte.

Es war Weihnachten, doch von festlicher Stimmung, wie sie in Europa zu dieser Zeit herrschte, war nichts zu spüren.

Im Hafen selbst war auch nicht viel los. Da lagen ein paar kleine Händlerboote, die Gemüse verkauften, dann eine Galeone, von der Hasard annahm, es handele sich um einen Spanier. Drei kleinere Schebekken lagen dort und weitere Schiffe undefinierbarer Art.

Auf der „Isabella“ wurde aufgeklart, gesäubert und alles in Schuß gebracht, bis die alte Lady wieder glänzte.

Erst am Abend gab es Landgang.

Hasard selbst verspürte ebenfalls das Bedürfnis, sich wieder mal ein wenig umzusehen, und so nahm er fast die Hälfte seiner Crew mit, als die Dunkelheit hereinbrach.

Ben Brighton, des Seewolfs Stellvertreter, sah der Gruppe lange nach, als sie in einer der zahlreichen Gassen verschwanden.

„Ich bin ziemlich sicher“, sagte er zu Old O’Flynn, „daß es auch diesmal wieder Putz gibt, selbst wenn Hasard dabei ist. Die Kerle müssen sich jetzt irgendwie abreagieren.“

„Davon bin ich auch überzeugt“, versicherte der Alte. Und dann erzählte er Ben Brighton länger als eine Stunde lang, wie sie früher auf der „Empreß of Sea“ reingehauen hatten, und diese Geschichte drehte sich ausschließlich um Old O’Flynn, der eine Kneipe nach der anderen ausgeräumt hatte, ganz allein natürlich, damit die anderen Kameraden nicht beim Saufen gestört wurden.

Ben hörte geduldig zu und grinste sich eins, aber dann wurden seine Augen schmal, denn an der lädierten Silhouette erkannte er, wer da in den Hafen einlief.

Es war der Holländer, Henk Kruger und seine harten Kerle, und sie hatten ihren Kahn noch nicht richtig vertäut, als sie zur „Isabella“ hinüberbrüllten und schrien.

Ben reagierte jedoch nicht, und die Jans zogen nach einer Weile ab und verschwanden an Land.

Dort ahnten Hasard und die anderen nicht, daß sie die Holländer schon bald wiedersehen sollten.

Sie hatten eine Kneipe gefunden, einen Saufstall, in dem die Tische nur kurze Beine hatten, und in dem man auf Matten direkt auf dem Boden hockte.

Sie tranken Schnaps, harten klaren Feigenschnaps, den die Libanesen Boucha nannten und der eigentlich mit Wasser verdünnt wurde. Aber der Profos schob den Wasserkrug dem Wirt zu.

„Damit kannst du dir die Füße waschen“, riet er. „Wir wollen uns doch nicht mit Wasser vergiften.“

Die anderen lachten, doch dann hörten sie draußen vor dem Vorhang Gebrüll und Geschrei, und es waren fraglos holländische Wortfetzen, die da erklangen.

„Jetzt haben wir die Kerle doch noch am Hals“, meinte Smoky entsagungsvoll. „Aber das sage ich euch: Jetzt können sie sich bedanken, indem sie eine Runde ausgeben.“

„Eine Runde für den Kometen, der vom Himmel fiel“, sagte Ed und lachte dröhnend.

Die Kerle stürmten herein, allen voran Henk Kruger, gefolgt von Zantkuyl und van Hall.

Als sie die Seewölfe sahen, blieben sie verdattert stehen. Dann zog ein Grinsen über Krugers Gesicht, und er rückte näher.

„Ja, verdammt“, sagte er strahlend. „Jetzt saufen wir doch noch zusammen, aber erst wollen wir uns bedanken.“

Er streckte Hasard die mächtige Pranke entgegen, van Hall gab Ferris Tukker die Hand, und Zantkuyl streckte sie dem Profos hin.

Als sie etwas widerwillig zugreifen wollten, lachte Kruger. Und dann schlug er blitzschnell zu.

Das gleiche tat van Hall, und auch Zantkuyl schmetterte die Faust dem Profos an den Schädel.

Der einzige, der den Brocken voll fing, war Ferris Tucker. Hasard wich gerade noch aus und wurde nur gestreift, den Profos erwischte es seitlich am Kinn, wo sich eine Schramme bildete.

Die restlichen Holländer stürzten sich auf die anderen Seewölfe, und dann ging es los in der Kneipe, daß die dünnen Wände wackelten.

„He, ihr Kometen!“ schrie Kruger. „Ihr wollt uns wohl verarschen, was? Und außerdem lehnt man einem Henk Kruger nach geschlagener Schlacht nicht das Saufen ab. Das ist eine Beleidi …“

Den Rest brachte er nicht mehr heraus, denn da traf ihn Hasards Faust und schmetterte ihn zurück.

Kruger fiel mit Getöse um, und sein breites Kreuz zerschlug etliche der kleinen Tische. Bevor er den Hammer verdaut hatte, bedankte sich der Seewolf auf seine harte Art. Er zertrümmerte mit Krugers breitem Kreuz die halbe Kneipe.

Carberry stierte Zantkuyl erst an, dann grinste er und schlug zu. Er schlug etwas härter als sonst. Der Schlag hätte ausgereicht, um einen Kupfernagel in Eichenholz zu treiben. Zantkuyl segelte bis an die Bretterwand, die unter dem Ansturm seines Gewichts brach und in Trümmer ging. Übergangslos fand sich der Holländer in einer der kleinen Gassen wieder.

Der Wirt und seine beiden Gehilfen rannten zeternd und keifend aus der Kneipe und brachten sich in Sicherheit, denn hier hatte sich die Hölle geöffnet und ein paar Scheitans ausgespien.

Ferris, dem der Schlag sekundenlang glasige Augen bescherte, fing noch einen zweiten Brocken von van Hall, und dieser Schlag brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück.

Er hob beide Fäuste und drosch sie von oben auf van Halls Kopf. Dem rammte er den Kopf tief zwischen die Schultern, sein Blick verklärte sich, und eine weit hergeholte Rechte fegte ihn in die Gruppe seiner Schnapphähne zurück, wobei er gleich zwei mit umriß.

In der Kneipe dröhnte es, denn jetzt prügelte jeder wild auf jeden los, und der Schwede Stenmark fegte wie ein Tornado zwischen die Holländer.

Dann entdeckte Dan O’Flynn, daß sich die kleinen Tische vorzüglich für den Nahkampf eigneten, und zusammen mit Matt Davies drosch er das gesamte Mobilar auf den Schädeln der Holländer klein.

Es ging ähnlich zu wie beim alten Plymson in der „Bloody Mary“, und als Carberry daran dachte, fühlte er sich fast wie zu Hause und schlug gerührt einen der Kerle zusammen, der quer durch den Raum sauste und mit dem Schädel in der leichten Wand steckenblieb.

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