Osteopathie und Swedenborg

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Während dieser Zeit verbreitete sich auch das Wissen darum, wer diese Bücher schrieb und Swedenborg wurde mit seinen theologischen Schriften weithin bekannt. Die Rezensionen schwankten zwischen begeisterter Unterstützung und Erklärungen, er müsse verrückt sein. Swedenborg ignorierte die Rezensionen und betrieb seine Mission unbeirrt weiter, den inneren Sinn des Wortes zu offenbaren und zu veröffentlichten.108

Ebenfalls interessant ist, dass Swedenborg während dieser Jahre gesellschaftlich sehr engagiert blieb. Wie bereits erwähnt hatte er viele Besucher in seinem Haus und seinen Gärten. Er wurde oft von Freunden und Bekannten zum Essen eingeladen – sowohl in Stockholm als auch auf Reisen. Er mochte insbesondere die Interaktion mit intelligenten Männern und Frauen. Es finden sich viele Beschreibungen von ihm, die alle darin übereinstimmen, dass er sogar im fortgeschrittenen Alter rüstig, geschmeidig und energiegeladen, mit einem Blitzen in seinen blauen Augen aufgetreten sei. Gewöhnlich ordentlich bekleidet mit einem schwarzen, weiß gefütterten Samtanzug, trug er stets ein Schwert mit silbernem Griff und einen Gehstock bei sich. Er wurde oft als sanft sprechend und intellektuell beschrieben, doch sehr bemüht darin, seine Ideen zu entwickeln und mitzuteilen . Er war freundlich zu Kindern und brachte Süßigkeiten für die Kinder der Familien mit, die er besuchte. Er war sehr unabhängig und führte ein schlichtes Leben ohne viel Unterstützung, obgleich er einen Gärtner und eine Haushälterin beschäftigte. Er hatte Umgang mit allen Ebenen der Gesellschaft, mit Leichtigkeit gegenüber Grafen und Königen wie gegenüber einfachen Menschen und Handelsleuten. In einer Quelle wird er als

„[…] stets mit sich und seinen Lebensumständen zufrieden […] beschrieben. „Er verbrachte ein Leben, das in jeder Hinsicht glücklich war, nein, glücklich im allerhöchsten Grad.”

Sogar die Kritiker seiner Anschauungen, sofern sie ihn trafen, sprachen vorteilhaft von seiner Person.109

Obgleich die große Mehrheit von Swedenborgs späteren Schriften theologischen Charakters war, schrieb er doch gelegentlich auch über säkulare Themen und zeigte so seine fortgesetzte Anteilnahme an den Angelegenheiten seines Landes. Tatsächlich verfasste er beispielsweise noch im Jahr 1771 einen 50-seitigen Essay über Fragen der schwedischen Währung und der Finanzen für die Adelskammer.110

Gegen Ende der 1760 er wandte sich Swedenborgs Aufmerksamkeit dem Thema des spirituellen Aspekts der Ehe zu und er schrieb ein Buch über Liebe in der Ehe. Es ging ihm dabei um die wahrhafte, ‚conjugale’ Liebe in der Ehe, die er von der physischen Liebe abzugrenzen suchte. Diese wahrhafte Liebe zwischen Ehemann und Ehefrau (die seines Erachtens zu seiner Zeit nicht üblich war) setze sich nach dem Tod im nächsten Leben in die Ewigkeit fort. Swedenborg lehrte, dass dies für jedermann erreichbar sei, wenn nicht in diesem Leben, sodann im nächsten. Er veröffentlichte das Buch 1768 in Amsterdam im Alter von 80 Jahren. Es handelte sich um das erste theologische Buch, das er unter seinem richtigen Namen veröffentlichte. Auf dessen Rückseite veröffentlichte Swedenborg außerdem eine Liste seiner früheren theologischen Bücher. Diese formelle Enthüllung sollte zu Hause in Schweden zu Ärger führen.111

Swedenborg publizierte zeit seines Lebens zahlreiche theologische Bücher. Er hatte Schüler und interessierte Leser innerhalb wie außerhalb Schwedens. Oft sandte er Exemplare seiner neu veröffentlichten Bücher an Bischöfe, Kirchenführer und Universitäten in ganz Europa. Mit der Zeit nahm auch das lutherische Establishment Schwedens Notiz von Swedenborg. Die Jahre 1768/​1769 verbrachte er überwiegend in Europa, wo er an seinem nächsten großen Werk Die wahre christliche Religion arbeitete und außerdem die Liebe in der Ehe veröffentlichte.112

Obgleich nun nicht mehr anonym, waren seine Werke doch in Latein geschrieben und daher größtenteils nur in gebildeten, Lateinisch sprechenden Kreisen bekannt. Gleichwohl hatten zwei von Swedenborgs schwedischen Unterstützern, Dr. Gabriel Andersson Beyer und Dr. Johan Rosen, beide aus Göteborg, Bücher in schwedischer Sprache geschrieben, um seine Ansichten zu verbreiten. Swedenborgs Ideen wurden dadurch öffentlich rascher bekannt, insbesondere in Schweden.113

Im Anschluss an seine zehnte Europareise kam Swedenborg 1769 nach Stockholm zurück und musste feststellen, dass Dr. Beyer und Dr. Rosen der Häresie beschuldigt wurden, weil sie öffentlich seine Theologie förderten. Swedenborgs Schriften umfassten Kritik sowohl an der protestantischen wie an der katholischen Theologie, darunter zu Lehrfragen wie der Natur Gottes, der Erlösung und zu wesentlichen Fragen des Glaubens bei anderen Individuen. Der Angriff gegen Swedenborgs theologische Schriften und Anschauungen wurde vom lutherischen Bischof Erik Lamberg und von Dekan Olof Ekebom geführt, die an das Göteborger Konsistorium appellierten, Swedenborgs Werke als häretisch und Beyer und Rosen als Häretiker zu verdammen. Die Angreifer gingen sehr weit in ihren Forderungen. Swedenborg machte seinen beiden Unterstützern ruhige Versicherungen, dass alles gut werden würde.114

Mit zunehmender Hitzigkeit der Angelegenheit wurde deutlich, dass Bischof Lamberg und das Göteborger Konsistorium Dr. Beyer und Dr. Rosen zensieren, sie aus ihren Arbeitsstellen entfernen und alle Exemplare von Swedenborgs theologischen Schriften in Schweden konfiszieren lassen wollten. Es sah so aus, als sollten die beiden zu Märtyrern werden. Sogar Swedenborg fühlte sich durch die öffentlichen Schikanen und den Aufruhr bedroht, den der Bischof anfachte. Er schrieb eine Petition direkt an König Adolf Friedrich und erbat den Schutz seiner Majestät für sich sowie für Beyer und Rosen. In dieser Petition erinnerte Swedenborg daran, dass er immer offen und vollkommen ehrlich in Bezug auf seine Anschauungen gewesen sei sowie gemeinsam mit dem König und der Königin gespeist und mit ihnen seine theologischen Anschauungen detailliert erörtert habe. Swedenborg schrieb ebenso an die Universitäten von Uppsala, Lund und Abo. Der König beurteilte seinen Fall günstig. Im Dezember 1771 ordnete der Königliche Rat an, dass Swedenborg und seine Unterstützer gnädig und ohne Verwerfung behandelt werden sollten. Sie urteilten sogar: „Es gibt vieles, was in Swedenborgs Schriften gut und nützlich ist.” Der Fall wurde schließlich fallen gelassen und Dr. Beyer sowie Dr. Rosen konnten ihre Positionen behalten. Swedenborgs Ansichten verbreiteten sich daraufhin besonders im Umland Göteborgs, v.a. in Västergötland.115

Swedenborg schloss sein Werk Die wahre christliche Religion ab, das er teilweise als Antwort auf seine orthodoxen lutherischen Kritiker schrieb. In diesem Buch sprach er insbesondere Themen der lutherischen Theologie an und forderte ein Neudenken der orthodoxen Glaubensüberzeugungen, was diesen nicht notwendig widersprechen müsse, doch ein radikales Wahrnehmen von neuen Bedeutungen in vertrauten Worten erfordere.116

Im Juli 1770 bereitete sich der 82-jährige Swedenborg auf seine elfte und letzte Auslandsreise vor, wobei ihm offensichtlich klar war, dass es seine letzte sein würde. Er schrieb sorgfältig Abschiedsbriefe an seine Freunde, hinterließ seinem Agenten eine Liste seiner gesamten Besitztümer, stattete seinen Kollegen vom Bergwerksdirektorium einen letzten Besuch ab und richtete Pensionsfonds für seine Haushälterin und seinen Gärtner ein. Es gibt einen Bericht von seinem Besuch bei einem treuen Freund und Nachbarn, Carl Robsahm. Robsahm fragte, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Swedenborg antwortete, dass er nicht wisse, ob er zurückkehren werde. Aber er wisse (der Herr habe es ihm versprochen), dass er nicht sterben werde, bevor er ein Exemplar von Die wahre christliche Religion vom Verleger in seinen Händen halten würde. Er versicherte Robsahm, dass sie sich in der nächsten Welt wiedersehen würden, wenn es in dieser nicht mehr sein sollte. Robsahm notierte, dass Swedenborg fröhlich und beschwingt gewesen sei, als er ging – als ob er auf dem Höhepunkt seines Lebens stehe.117

Swedenborg reiste zunächst nach Amsterdam und blieb dort acht Monate, während er Die wahre christliche Religion veröffentlichte. Dann ging er weiter nach London und wohnte bei seinem Freund Richard Shearsmith. Er setzte seine Schriftstellerei fort und arbeitete an einem Index für Die wahre christliche Religion. Kurz vor Weihnachten 1771 erlitt er einen Schlaganfall. Innerhalb eines Monats war er in der Lage, seine Schriftstellerei wieder aufzunehmen, obgleich sein Sprechen noch betroffen war. Es wurde ihm und den Freunden um ihn klar, dass Swedenborg sich dem Ende seines Lebens näherte. Tatsächlich teilte er Elizabeth Reynolds, der Magd Shearsmiths (sie wurde später dessen Ehefrau) mit, dass er am 29. März um fünf Uhr in die geistige Welt eintreten werde. Sie notierte, dass ihm diese Idee ganz angenehm erschiene, „[…] als ob er Urlaub machen würde.”118

Reynolds beschrieb, wie sie am Sonntag, 29. März 1772, am Bett Swedenborgs saß, als er die Glocke schlagen hörte und fragte, wie viel Uhr es sei. Als sie ihm sagte, es sei fünf Uhr, sagte er, das sei gut. Er dankte ihr, segnete sie und nach zehn Minuten verstarb er friedlich, nachdem er einen sanften Seufzer hatte hören lassen.119

 

Swedenborg Begräbnis fand in der schwedischen Kirche in London am Sonntag, 5. April 1772, statt. Der Gottesdienst war gut besucht, er füllte die kleine Kirche. In Schweden hielt der Konsistorialrat der Minen eine Lobrede in der Adelskammer. Emanuel Swedenborg hatte diese Welt verlassen, um gewiss selbst herauszufinden, was nach diesem irdischen Leben folgt.120

3. DARLEGUNG VON SWEDENBORGS SCHLÜSSELANSCHAUUNGEN
ÜBERBLICK

Swedenborg schrieb ausführlich über viele Themen. Seine theologischen Arbeiten umfassen über 40 Bände. Es ist eine Herausforderung, seine Überlegungen kurz zusammenzufassen. Sie werden tiefgehend, sehr verfeinert dargelegt und gelegentlich werden gewöhnliche Begriffe verwendet, um Besonderheiten zu bezeichnen, die von ihrer normalen Verwendung abweichen. Es gibt viele Versuche, seine Schlüsselanschauungen zusammenzufassen und jeder ist von anderer Struktur. Glücklicherweise war Swedenborg in seinen Betrachtungen, insbesondere seinen theologischen, außerordentlich konsistent. Mithin findet man, gleichgültig wo man beginnt, eine Gemeinsamkeit jeder seiner Überlegungen mit den übrigen vor. Swedenborg ist vorrangig für seine theologischen Anschauungen bekannt, obgleich seine wissenschaftlichen Ideen für diese Studie ebenfalls von Interesse sind.

Moderne Forscher neigen dazu, zwischen Swedenborgs früheren Werken und seinen späteren theologischen Schriften scharf zu unterscheiden. Im Stil besteht zwischen beiden Gruppen ein deutlicher Unterschied. Die wissenschaftlichen Werke Swedenborgs, insbesondere seine anatomischen Schriften, referieren gewöhnlich das bekannte Material zu einem Thema, aus dem Swedenborg dann seine ‚Induktionen’ entwickelt, die häufig ziemlich originell sind. Seine theologischen Bücher wiederum zitieren als Autoritäten bestimmte Bücher aus dem Alten und Neuen Testament, dazu seine eigenen spirituellen Einsichten und Erfahrungen. Gewöhnlich dienen spirituelle Erfahrungen und Einsichten dazu, seine Exegese der Bibel zu erklären und Konzepte daraus zu entwickeln.

Gleichwohl ließen sich viele seiner Konzepte und Paradigmen, die er in seinen wissenschaftlichen Werken entwickelt hatte, vollständig dem neuen Inhalt seiner theologischen Schriften anpassen. Die Erörterung der Konzepte in diesem Abschnitt erfolgt lediglich in Überblicken. Eine detaillierte Analyse folgt später, wenn sie mit den Anschauungen anderer Personen wie etwa A. T. Still oder W. G. Sutherland verglichen werden. Die Darlegung beginnt mit den theologischen Überlegungen und schließt mit einigen auf Anatomie beruhenden Konzepten.

THEOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN

Swedenborg beschreibt Gott als singuläre Wesenheit eines göttlichen Menschlichen, dem universellen Menschen, der nicht als liebender und weiser charakterisiert sei, sondern zugleich die Quelle aller Liebe und Weisheit selbst bilde, welche die Schöpfung durchdringe und erhalte. Swedenborg betrachtet den Schöpfer sowohl als intelligent als auch als liebend. Er habe das Universum geschaffen, damit es nach Gesetzen existiere, sowohl geistig wie natürlich. Gott transzendiere den gesamten Raum und die gesamte Zeit, doch funktioniere er auf der Ebene natürlicher Existenz entsprechend einer innewohnenden Ordnung, welche die Schöpfung durchdringe. Swedenborg beschreibt eher eine Drei-Einigkeit Gottes, seine Einheit in dreifacher Differenziertheit, denn eine Dreifaltigkeit. Die Einheit in dreifacher Differenziertheit zeige sich in der einen Person des Herrn. Entsprechend finde sie sich in jeder Person wieder, in dessen Seele, seinem Mentalen und seinem Körper, die zusammen ein einheitliches Ganzes bildeten. Sofern man dies angemessen betrachte, offenbare die gesamte Schöpfung die zugrunde liegende Liebe und Weisheit des Schöpfers. Swedenborg beschreibt weiter, dass aus Gott als einer Quelle göttliche Liebe und Weisheit ausfließe, um die gesamte Schöpfung zu erhalten. Diese göttliche Weisheit und Liebe erscheine in der geistigen Welt als eine geistige Sonne, aus der geistige Wärme und entsprechendes Licht strömten, welche der Wahrheit und der Liebe entsprächen. Dieses geistige Licht und die entsprechende Wärme erhielten die geistige Welt, die wiederum die natürliche Ebene der Existenz erhalte.121

Swedenborg betont, dass die gesamte Schöpfung universalen Gesetzen folgen müsse, wobei die natürliche Ebene der Existenz die höhere geistige Realität reflektiere und diese wiederum die Liebe und Weisheit des Schöpfers abbilde. Gott habe das physische Universum geschaffen, damit es als Matrix und Fundament der geistigen Ebene der Wirklichkeit diene. Daher vermöge das Studium der natürlichen Welt die höhere Wahrheit zu erschließen, sofern der eigene Verstand und die Aufmerksamkeit angemessen ausgerichtet würden. Jedoch ersetze die durch göttliche Offenbarung erschlossene Wahrheit nicht einfach jene, wie sie angemessen durch Swedenborgs biblische Exegese verstanden werde. Sowohl Gott als auch die Erfahrung stellten bedeutende Quellen des Lernens dar.122

Swedenborg stellte fest, dass Gott den Menschen nach seinem Bild vollständig mit Körper, Mentalem und Geist geschaffen habe. Der Herr habe uns mit einem Sinn zur Selbstwahrnehmung geschaffen und erhalte uns in der Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, mit dem Ziel, dass wir seine Liebe freigiebig zurückgeben. Liebe und Weisheit seien in unserem Mentalen beheimatet bzw. im Willen (in der Intention) und im Verstehen (der Urteilskraft), woraus unser hauptsächliches Leben bestehe. Gott habe die Menschen als deutlich von ihm unterschiedene Wesen geschaffen, die aber empfänglich seien für seine Weisheit und Liebe in einer von den anderen Geschöpfen abweichenden Weise. Diese Freiheit und Selbstwahrnehmung ermöglichten es uns, eigene Entscheidungen zu treffen und geistig so zu wachsen, wie wir es wünschten. Swedenborg betrachtete die Liebe als die grundlegende Energie und Substanz aller menschlichen Lebewesen, wobei die Weisheit als Mittel dazu diene, die Liebe in ihrem Gebrauch auszudrücken. Die Menschen entwickelten sich folglich geistig durch ihre Lieben und durch deren Manifestationen im Gebrauch angewandter Weisheit. Das geistige Wachsen umfasse auch das tägliche Leben, welches das wahre Wissen in der Praxis umsetze. Das Leben werde als ein Leben im Gebrauch guter Intentionen gelebt, als Leben der Liebe. Swedenborg gibt diesem schrittweisen Wachstumsprozess einen Namen: Regeneration. Er proklamierte, dass die gesamte Religion lebendig sei und das religiöse Leben darin bestehe, Gutes in liebender Intention zu tun. Das dauere auch nach dem Tod an. Das Ziel des Herrn bei der Schaffung des Universums habe darin bestanden, einen Himmel aus der menschlichen Rasse zu errichten.123

Swedenborg schildert eine Hierarchie der Lieben, beginnend bei der Liebe zum Herrn, über die Nächstenliebe und die Liebe zur Welt bis hinunter zur Selbstliebe. Alle diese Formen seien notwendig und, sofern sie in angemessener Ordnung gehalten würden, gut. Sie führten zu einem Leben in Gesundheit und Glück, sowohl hier auf der Erde als auch im nächsten Leben in der Ewigkeit. Swedenborg erkannte, dass die echte Ehe der Liebe die größte Möglichkeit für geistiges Wachsen zwischen den Eheleuten bilde, sofern die Ehe geistig enger werde und die Partner ihre Identitäten aufrechterhielten. Sofern diese Liebe wahrhaftig sei und ihre Verpflichtung ernst, dauere die Liebe fort. Und das verheiratete Paar bleibe auch in der nächsten Welt auf seiner Reise immer zusammen.124

Swedenborg zufolge ist die menschliche Rasse zum Zweck eines ewigen himmlischen Lebens geschaffen, das universelle Erlösung für jedermann einschließt. Diejenigen, die an etwas Größeres als an ihr eigenes Selbst glaubten und eine Art Liebe gegenüber ihrem Nächsten übten, seien dem Himmel verpflichtet. Je besser sie die menschliche Natur, die Natur Gottes jedoch verstünden und entsprechend geistig wüchsen, desto stärker arbeiteten sie daran, dies tatsächlich auf ihr eigenes geistiges Wachstum anzuwenden. Je mehr sie Übel als Sünden gegen den Herrn vermieden, umso wirksamer werde der Prozess, der zur persönlichen Regeneration mit einer Verbesserung der Individuen im Besonderen und der Gesellschaft im Allgemeinen führe. Da alle ihre Freiheit erhalten hätten, bestehe die Möglichkeit, die Selbstbezogenheit über alles zu setzen und sich vom Herrn abzuwenden hin zu einem Leben in der Hölle, sowohl in diesem als auch im kommenden Leben. Swedenborg stellte fest, dass, obgleich jeder zu einem Leben im Himmel bestimmt sei, jedes Individuum dennoch die Wahl habe, sich der Hölle zuzuwenden. Es handele sich dabei um eine Wahl, die alle durch die Entwicklung ihrer Liebe im gesamten Leben träfen, keineswegs komme es auf den Glauben alleine an.125

Swedenborg spricht von einer sehr aktiven spirituellen Realität. Obgleich eine direkte (unmittelbare) Verbindung zwischen jedem Menschen und dem Herrn existiere, gebe es auch eine indirekte (vermittelte) Verbindung durch die geistige Welt. Swedenborg versteht den Tod als Übergang von der Menschheit des irdischen Lebens zu der des geistigen. Die Seele sei im irdischen Leben gegenwärtig, sie stelle die belebende Kraft des Körpers dar, welcher sie bekleide. Der Tod bestehe im Sterben des Körpers und im Fortbestehen der Seele in der geistigen Welt. Swedenborg beschreibt in diesem Zusammenhang die Nahtoderfahrung sehr detailliert. Darin stimmt er in bemerkenswerter Weise mit den relativ jungen Beschreibungen von Nahtoderfahrungen durch Menschen, die von der modernen Medizin wiederbelebt wurden, überein. Er stellt zudem fest, dass nicht jeder von uns nur eine Seele besitze, die den Körper belebe, sondern sie sich zudem in Gestalt eines geistigen Körpers zeige, welcher der natürlichen Gestalt entspreche. Dieser geistige Aspekt lebe nach dem Tod vollständig weiter mit einer menschlichen Gestalt in der Form eines geistigen Körpers.126

Swedenborg beschreibt eine geistige Wirklichkeitsebene, die von Geisterwesen bevölkert werde, den Verstorbenen. Er stellt fest, dass die geistige Realität aus den Himmeln (mit drei Ebenen), den Höllen (ebenfalls mit drei Ebenen) und einer vermittelnden Ebene dazwischen bestehe, welche er als ‚die Welt der Geister’ bezeichnete. Beim Tod verlasse die Seele den Körper und betrete die Welt der Geister, wobei der betroffene Geist einen Reinigungsprozess durchlaufe, eine Selbstprüfung und ein Selbstverstehen der eigenen, alles außer Kraft setzenden, lenkenden Liebe. Swedenborg beschreibt ein Prinzip geistiger Assoziation, demzufolge jedes Individuum von anderen mit ähnlichen geistigen Qualitäten und Zuständen in diesem und im nächsten Leben angezogen werde. Alle Geisterwesen verfügten im nächsten Leben über eine sie umgebende Sphäre, die ihrem Charakter und der Liebe entspreche, die von jedem Individuum ausgehe, einem Geruch vergleichbar, der von den Geisterwesen wahrgenommen werden könne. Wie es eine endlose Variation von Affektionen und Charakteren gebe, so gebe es auch eine analoge Verschiedenheit der Sphären, welche die Einzigartigkeit des Einzelnen zum Ausdruck bringe. Diejenigen mit ähnlichen Charakteren und Sphären seien miteinander kompatibel und zögen einander an, während diejenigen mit entgegen gesetzten Sphären voneinander abgestoßen würden. Swedenborg erklärt, dass eine Person nach dem Tod allmählich zu dem Ort ziehe, welcher mit ihrer herrschenden Liebe zusammenpasse, zu einer Gesellschaft ähnlicher Menschen im Himmel oder in der Hölle. Swedenborg schildert den Himmel als angefüllt mit Gruppen von Engeln, die ähnliche Sphären teilen. Sie fänden es gut, für andere nützlich zu sein, und genössen das Leben mehr als irgendetwas anderes in ihrer früheren natürlichen Existenz. Die Hölle bestehe dagegen in einer inversen Spiegelung des Himmels. Sie sei durch die zerstörerische Kraft der negativen Lieben derjenigen verformt, die sich entschlossen hätten, dort zu leben. Gleichwohl gebe es eine Art Ordnung, um die Einwohner davon abzuhalten, einander zu verletzen. Und sie müssten etwas Nützliches tun. Swedenborg stellt zudem deutlich fest, dass, obgleich die geistige Existenzebene in die natürliche einfließe, die Interaktion beider Ebenen unbewusst erfolge.127

 

Swedenborg betrachtete sich selbst aufgrund göttlicher Vorhersehung bzw. sowohl durch seine Studien als auch durch sein geistiges Wachsen und seine spirituellen Erfahrungen in seinem gesamten Leben als vorbereitet, als ein besonderes Werkzeug zu dienen, der Welt neue Wahrheiten zu lehren und mitzuteilen. Er erklärte, dass es ihm ermöglicht worden sei, als Forschender nach Wahrheit bewusst in die geistige Welt einzutreten, um Einsichten zu bestätigen, die ihm vom Herrn eröffnet worden wären und die sich aus der Exegese des biblischen Buchstabens im Hinblick auf dessen innere Bedeutung ergeben hätten. Er stellte zudem fest, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass kein anderer versuchen solle, Geisterwesen zu kontaktieren und die gleichen spirituellen Reisen zu unternehmen wie er, weil dies nicht der Ordnung entspreche. Er erläuterte, dass es durch ein Leben im Lichte der Selbstprüfung, der Reue und des geistigen Wachsens, welches auf der Anwendung der Wahrheiten auf das eigene Leben beruhe, von selbst zur Aufklärung käme. Dies beruhe auf der Beziehung jedes Individuums zum Herrn, insofern es in der geistigen Regeneration wachse. Swedenborg sah seine Mission darin, spirituellen Glauben zu vermitteln, indem er die verborgene Bedeutung im Alten und Neuen Testament erläuterte und so das Fundament für eine neue Kirche legte, der alle Menschen aller Zeiten angehören könnten. Entschieden riet er anderen davon ab, mit den Geisterwesen Kontakt aufzunehmen. Er erklärte, dass es zu unbewussten Verbindungen mit Geisterwesen kommen könne, sich diese jedoch nicht der Menschen dieses Lebens bewusst seien. Er stellte fest, dass der Versuch eines Kontakts mit den Geisterwesen einen unordentlichen Sachverhalt darstelle, denn dies fördere lediglich Kontakt mit bösartigen Geisterwesen, welche das Individuum täuschen und irreführen würden. Er erklärte, dass nichts Gutes aus bewusstem Kontakt mit Geisterwesen entstehen könne, wenn man davon absehe, dass großartige Sachverhalte offenbart und erfahren würden. Nur Verwirrung und Täuschung würden daraus resultieren.128

Zu Swedenborgs einzigartigen Konzepten sind diejenigen von Entsprechungen, unterschiedenen Graden und Einströmen zu zählen. Er erklärte, dass es Beziehungen zwischen verschiedenen, einander entsprechenden Ebenen unterschiedener Grade gebe. Diese fielen typischerweise unter ein dreigliedriges Muster von Zweck, Ursache und Wirkung. Der höchste Grad in einer Folge sei der ‚Zweck’ bzw. die Absicht, der mittlere die ‚Ursache’ und der unterste die ‚Wirkung’. Vom höchsten Grad aus flössen die höchsten, universellsten Anschauungen und Sachverhalte in die unteren Grade hinab. Die unteren Grade bildeten umgekehrt Repräsentationen der höheren Grade. Eine Veranschaulichung stellten Liebe, Weisheit und ihr Gebrauch dar, wie bereits dargestellt. Ein anderes Beispiel seien Seele, Mentales und Körper. Jeder Aspekt sei von den anderen unterschieden, doch zusammen bildeten sie eine Einheit. Der Seele komme der Grad des Zwecks bzw. der Absicht zu, das Mentale liege auf der Ebene der Ursache und die Wirkung werde vom Körper ausgeführt. Es bestehe eine Entsprechung dieser drei unterschiedenen Ebenen. Diese Entsprechung könne ebenso in anderen Bereichen gefunden werden. Insbesondere entdeckte Swedenborg die verborgene Wissenschaft der Entsprechungen für den Buchstaben in der Heiligen Schrift. Indem er den Worten entsprechende Bedeutungen zuordnete, erkannte er darin enthaltene höhere Konzepte und Wahrheiten, welche den eigentlichen inneren, geistigen Sinn des Wortes enthüllten. In seinen gesamten theologischen Werken stimmen diese Entsprechungen überein. Er beschrieb ebenfalls eine Entsprechung zwischen geistiger und natürlicher Ebene aufgrund eines Einströmens des geistigen in den natürlichen Aspekt. Dieses Einströmen komme direkt vom Herrn und indirekt (vermittelt) durch die Welt der Geisterwesen, obgleich es keine bewusste Interaktion zwischen natürlicher und geistiger Welt gebe.

Swedenborg war insbesondere am Einströmen der Seele in den Körper und an der Repräsentation des Körpers in der Seele interessiert.129

Eine der Entsprechungen, die Swedenborg am häufigsten beschreibt, ist diejenige des universellen Menschen (auch als ‚großes menschliches Wesen’ oder ‚großer Mensch’ übersetzt). Er zeigte, dass der Zweck aller Himmel darin bestehe, eine übergreifende menschliche Form auszubilden, den universellen Menschen, welcher den Schöpfer spiegele, den göttlichen Menschen. Wenn wir geistig wüchsen, helfe uns der Prozess der Regeneration dabei, die Gestalt des universellen Menschen zu spiegeln. Tatsächlich sei die gesamte Schöpfung, insbesondere die menschliche Gestalt, in vieler Hinsicht ein Mikrokosmos des Makrokosmos.130

Swedenborg präsentierte zahlreiche neue Interpretationen alter Ideen und viele neue Konzepte in seiner Theologie. Er beschrieb das zukünftige Wachstum einer neuen Spiritualität, welche die Welt einschließlich der bestehenden Kirchen durchdringen werde. Er empfand sich nicht an eine bestehende Gestalt des Christentums gebunden. Tatsächlich kritisierte er viele der Ansichten des Christentums seiner Zeit. Er nahm die schrittweise Ankunft eines neuen Zeitalters mit dem Anwachsen einer Neue Kirche voraus, welche die Krönung aller vorhergehenden Kirchen sein werde, die auf Erden existiert hätten, und die gesamte Menschheit durchdringen werde, sodass die Menschheit dem Herrn und einem Himmel auf Erden näher käme. Stets vertrat er eine optimistische Sicht auf die Zukunft des Menschengeschlechts.131