James Bond für Besserwisser

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8) Bond rettet die Welt, aber wer rettet Bond?

Dem Kinohelden Bond wird vorgeworfen, er schaffe alles, meistere jede Situation mit links und verliere niemals. Diese Eigenschaften machten ihn zum unrealistischen Hau-drauf-Agenten mit übermenschlicher Aura. Wer sich mit Bond auseinandersetzt, wird feststellen, dass das nicht stimmt.

„Q“ - die von Desmond Llewelyn267 in 17 James-Bond-Filmen verkörperte Figur des Waffenmeisters - brachte es in „Lizenz zum Töten“ (1989) auf den Punkt: „Vergessen Sie nicht, 007, gäbe es keine Q-Branch, dann wären Sie schon lange tot!“.268

[no image in epub file]1993 hatte Desmond Llewelyn alias Q noch so manchen Trick in der Tasche

„Q“ deutet damit an, dass er James Bond durch die zahlreichen Erfindungen mehrfach das Leben gerettet hat. Das stimmt zwar, aber James Bond wäre schon lange von der Bildfläche verschwunden, gäbe es nicht die zahlreichen Bond-Girls und Nebencharaktere, die ihm das Leben retten.

Im ersten Film „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) ist 007 noch die ganze Zeit auf sich gestellt, seine Helfer kommen um oder sind nicht vor Ort, wenn es um Leben und Tod geht, und die Bondgirls sind eher schmückendes Beiwerk, um dem Zuschauer Erotik fürs Auge zu bieten - doch ab „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) überlebt Bond nur mit der Unterstützung dieser Figuren.

Im ersten Fall ist es sogar ein Schurke, der James Bonds Leben bewusst rettet. Red Grant schießt in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) einen Mann nieder, der versucht, Bond von hinten zu erstechen. Grant handelt nicht ganz uneigennützig: Er will, dass Bond überlebt, damit er ihm unwissentlich dabei hilft, Spectres Pläne in die Tat umzusetzen. Später will Grant Bond beseitigen, was ihm nicht gelingt.

Wer die Rolle als Bondgirl übernimmt, läuft Gefahr, als Charakterdarstellerin nicht mehr ernst genommen zu werden, denn Bondgirls sind so, wie sich Männer angeblich Frauen wünschen: immer knapp bekleidet, hilflos und willig. Aber auch wenn sie von Kritikern nur als blondes Beiwerk gesehen werden, das nicht zur Handlung beiträgt269, und obwohl Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer270 das Bild des Bondgirls verabscheuen und verurteilen, muss man zugeben, dass 007 ohne die Frauen den zweiten Film nicht überlebt hätte.

Erst ab „Moonraker - streng geheim“ (1979) traten in jedem Bondfilm hübsche Mädchen auf, die nichts mit der Handlung zu tun hatten. Den Anfang machten Françoise Gayat, die auch im Playboy zu sehen war, in der Rolle der Lady Victoria Devon271 und Catherine Serre als Gräfin Lubinski.

Nach der Rettung durch Red Grant steht Bond einer Gegnerin hilflos gegenüber: Rosa Klebb (Lotte Lenya272). Tatjana Romanova (Daniela Bianchi273) greift ein, bevor Klebb Bond erschießen kann, und schlägt ihr die Waffe aus der Hand. 007 gelingt es nicht, Klebb unter Kontrolle zu bringen. Die Frau hat eine vergiftete Spitze an ihrem Schuh und trifft 007 um ein Haar damit, bevor sie von Romanova erschossen wird.

In Flemings Roman kann 007 dem Gift nicht entkommen; der Autor hatte geplant, Bond sterben zu lassen. Doch Flemings Verleger überzeugte ihn vom Gegenteil. So wird Bond von René Mathis durch Mund-zu-Mund-Beatmung gerettet.274

Pussy Galore (Honor Blackman275) tauscht in „Goldfinger“ (1964) das Delta-9-Nervengas aus, dessen tödliche Wirkung die in Fort Knox276 stationierten Truppen ausschalten sollte. Indem sich Galore auf Bonds Seite schlägt, rettet sie ihn und vereitelt Goldfingers Plan.

Emilio Largo (Adolfo Celi277) kann die Atombomben in „Feuerball“ (1965) nicht zünden, nachdem er gemerkt hat, dass sein Erpressungsplan zum Scheitern verurteilt ist. Die für die Haupthandlung völlig unwichtige Person Ladislav Kutze (gespielt von George Pravda) hat die Zündvorrichtungen für die Bomben ins Meer geworfen und befreit außerdem Domino (Claudine Auger278), die von Largo an ein Bett gefesselt wurde. Domino erschießt Emilio Largo mit einer Harpune, kurz bevor der James Bond ins Jenseits befördern kann.

Die Figur Bond ist hier in der Tat nur auf der Leinwand präsent, um die Handlungsstränge zusammenzuführen.

Aki (Akiko Wakabayashi279) warnt Bond in „Man lebt nur zweimal“ (1967) mit dem Schrei „Deckung!“ und rettet ihm das Leben, als ein Schuss fällt. Im selben Film wirft Tiger Tanaka (Tetsurõ Tamba280) einen Ninjastern, der in Blofelds (Donald Pleasence281) Handgelenk stecken bleibt, und Blofeld, der 007 gerade erschießen will, trifft nicht.

Tracy di Vincenzo verhilft in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) 007 im Auto zur Flucht vor Blofelds Schergen, und Tiffany Case schleudert in „Diamantenfieber“ (1971) eine Tortenbombe auf Mr. Wint, als der versucht, James Bond zu erdrosseln. Der Agent nutzt die Schrecksekunde, überwältigt Wint, klemmt ihm die Bombe an den Frack und wirft ihn von der Queen Elizabeth282 über Bord. Noch vor dem Aufprall auf der Wasseroberfläche wird Wint in Stücke gerissen.

Neben Red Grant rettet ein weiterer Schurke das Leben des Agenten in „Leben und sterben lassen“ (1973), wenn auch unfreiwillig. Whisper (Earl Jolly Brown283) betritt James Bonds Hotelsuite genau in dem Moment, als eine Schlange versucht, sich in die Badewanne herabzulassen, in der der Agent sitzt und sich rasiert. 007, der Whisper hereinkommen hört, verlässt die Wanne und entgeht dem tödlichen Schlangenbiss. Auch der Zufall kommt Bond zu Hilfe.

In „Der Spion, der mich liebte“ (1977) wird James Bond wieder durch eine Frau gerettet: Anya Amasova stößt 007 beiseite, als Beißer versucht, ihm auf einer Baustelle einen Felsen auf den Kopf zu werfen. 007 ist sich dieser Rettung durchaus bewusst und spricht Amasova alias Triple X284 darauf an. Die emanzipierte sowjetische Agentin entgegnet knapp: „Wir alle machen Fehler, Mr. Bond.“

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Kristina Wayborn - Magda aus „Octopussy“(1983)

Mit Anya Amasova hatte sich zum ersten Mal ein deutlicher Wandel der Frauenfiguren in den James-Bond-Filmen vollzogen. Amasova ist nicht auf James Bond angewiesen, handelt selbstständig und ist ihm, was bisher nicht vorkam, sogar manchmal einen Schritt voraus. Dieses Frauenbild hielt sich in den kommenden drei Filmen, in denen es James Bond mit der CIA-Agentin Holly Goodhead (Lois Chiles285) in „Moonraker - streng geheim“ (1979), der rachsüchtigen Melina Havelock (Carole Bouquet) in „In tödlicher Mission“ (1981) und der Schmugglerin Octopussy286 (Maud Adams287) sowie ihrer akrobatischen Gehilfin Magda (Kristina Wayborn288) in „Octopussy“ (1983) zu tun hat.

Das Frauenbild entwickelte sich aber noch einmal zurück. In „Im Angesicht des Todes“ (1985) ist Stacey Sutton (Tanya Roberts289) zwar eine gebildete Frau (Geologin), aber dennoch völlig hilflos und Bond nicht gerade eine Hilfe. Kara Milovy (Maryam d'Abo290) in „Der Hauch des Todes“ (1987) trägt ebenfalls nicht aktiv zum Überleben des Agenten bei, ganz im Gegenteil: Sie bringt ihn mehrfach in fast auswegslose Situationen.291

Zurück zum zentralen Thema dieses Kapitels: Beißer, der in „Moonraker - streng geheim“ (1979) eine gewöhnungsbedürftige Wandlung durchmacht und sich auf die Seite des MI6 schlägt, rettet den Agenten das Leben, indem er eine Blockierung in der Dockingautomatik von Drax' Raumstation aufhebt und James Bond damit ermöglicht, sich zusammen mit Holly Goodhead auf den Weg zurück zur Erde zu machen.

Es gibt unzählige weitere Beispiele, in denen James Bonds tödliche Lage nicht offensichtlich ist. Dazu gehört die Szene, in der Melina Havelock ihn mit ihrer Armbrust in „In tödlicher Mission“ (1981) frei schießt. Bibi schlägt Erich Kriegler im selben Film eine Waffe aus der Hand, als er 007 erschießen will. In „Lizenz zum Töten“ (1989) wird der Agent mehrfach von Pam Bouvier (Carey Lowell292) gerettet, z.B. als sie Dario (Benicio del Toro293) anschießt, kurz bevor dieser 007 in die Zerhäckselungsmaschine stoßen kann.

Mit „Der Morgen stirbt nie“ (1997) wandelte sich das Bild der Frau ein zweites Mal. Hatten sich die Bondgirls zur vollwertigen und selbstständigen Frau entwickelt, war das Bondgirl nun eine Art „Kampfmaschine“. Bestes Beispiel dafür sind Wai Lin (Michelle Yeoh294) in „Der Morgen stirbt nie“ (1997), die ihre Gegner mit Karate295, Maschinenpistolen und Ninjasternen erledigt, und Jinx in „Stirb an einem anderen Tag“ (2002). Jinx, gespielt von Halle Berry, ist sogar der personifizierte weibliche James Bond. Sie ist NSA-Agentin, ist stark, elegant, fährt teure Autos und besitzt den gleichen trockenen Humor wie 007.296 Sie rettet Bond u.a., indem sie Mr. Kil (Lawrence Makoare297) mit einem Laserstrahl durch den Hinterkopf schießt, bevor er Bond mit seiner vergifteten Haarspange stechen kann.

Der Erfolg dieser Figur beim Publikum führte dazu, dass ein Spin-off298 mit der Hauptfigur „Jinx“ geplant wurde. Zu der Realisierung des Projekts kam es jedoch nicht.299

In „Casino Royale“ (2006) kehrt man mit Vesper Lynd zum „normalen“ Frauenbild zurück, aber auch sie rettet James Bond das Leben. Als der Agent mit einem Herzstillstand in seinem Aston Martin nach einer Vergiftung zusammenbricht, schließt Lynd den Defibrillator an und belebt Bond wieder. Felix Leiter gibt 007 in „Ein Quantum Trost“ (2008) einen Hinweis und Bond kann sich in letzter Sekunde retten. In „Skyfall“ (2012) tritt Eve Moneypenny einen Schurken k.o., der eine Waffe auf Bonds Gesicht richtet.

Gäbe es also keine hilfsbereiten, wachsamen Kontaktpersonen und vor allem keine Bondgirls, würde James Bond schon lange nicht mehr agieren. Er ist keineswegs der Alleskönner, der jede Situation problemlos überleben kann. James Bond ist den Gefahren seines Agentenberufes ausgesetzt.

 

Oft lassen Drehbuchautoren brenzlige Situationen zu Bonds Gunsten ausgehen. Daraus ergeben sich Momente zum Schmunzeln. So ist James Bond in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) zwar beim Kampf im Zigeunerlager dabei und tut auch alles, damit die Zigeuner gegen die Angreifer gewinnen, doch bewegt er sich fast wie nicht anwesend zwischen den kämpfenden, ringenden Menschen. Er wird nicht Teil des Chaos' und scheint eine Art Tarnkappe zu tragen. Dennoch kann er eingreifen.

Wie schnell er aber in Patt-Situationen gerät und in diesen auch verharrt, zeigt folgende kleine Statistik:


Ein Agent in der Falle - 007 mal nicht auf freiem Fuß:

Oftmals ist Bond nicht die aktive Figur in den Filmen. Regelmäßig gerät er in Gefangenschaft und ist in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt.


Film (Kinostart)SituationZeit in Gefangenschaft
„James Bond 007 jagd Dr. No“ (1962)Auf Crab Key gerät 007 in die Gefangenschaft seines Gegners. Er entkommt über einen Belüftungsschacht.1:13:39 bis 1:34:20 [20:41]
„Liebesgrüße aus Moskau“ (1963)Grant schlägt Bond nieder und hat ihn mehrere Minuten in seiner Gewalt. Bond tötet Grant im Kampf.1:24:05 bis 1:31:49 [7:44]
„Goldfinger“ (1964)300Oddjob sorgt dafür, dass 007 zu Goldfingers Gefangenem wird. Bond tötet Oddjob in Fort Knox.0:45:10 bis 1:38:33 [53:23]
„Feuerball“ (1965)A) Bond wird von Fiona Volpe gefangen genommen und entkommt beim Junkanoo. B) Bond wird von Largo in einer unterseeischen Höhle eingesperrt. Felix Leiter rettet ihn.A) 1:21:00 bis 1:23:00 [3:00] B 1:43:37 bis 1:48:00 [4:23] Gesamt: [7:23]
„Man lebt nur zweimal“ (1967)A) Bond wird gefangener von Helga Brandt. B) Bond ist in den Fängen von Blofeld.A) 0:44:51 bis 0:48:36 [3:45] B) 1:33:50 bis 1:43:43 [9:57] Gesamt: [13:42]
„Im Geheimdienst ihrer Majestät“ (1969)Spätestens, nachdem man ihn niedergeschlagen hat, ist Bond offiziell Geisel.301 Er kann aus dem Maschinenraum der Seilbahn entkommen.1:15:22 bis 1:25:15 [9:53]
„Diamantenfieber“ (1971)A) Von Wint und Kidd niedergeschlagen, erwacht Bond in einem Sarg und soll eingeäschert werden. Shady Tree öffnet den Sarg. B) Sobald Bond in Williard Whytes Penthouse eingedrungen ist, ist er in Blofelds Gewalt.302 Der Agent wird lebendig begraben und entkommt aus der Pipeline mit einem Trick. C) Auf Blofelds Ölbohrinsel angekommen, ist 007 kein freier Mann mehr, bis er aus seiner Zelle fliehen kann.A) 0:30:40 bis 0:32:16 [1:36] B) 1:10 bis 1:19:40 [9:33] C) 1:36:23 bis 1:44:50 [8:27] Gesamt: [19:36]
„Leben und sterben lassen“ (1973)A) Bonds erste Gefangenschaft beginnt mit einer drehbaren Nische im „Fillet of Soul“.303 B) Auch beim zweiten Besuch eines Lokals dieser Kette wird 007 seiner Freiheit beraubt. Er entkommt schließlich von Kanangas Krokodilfarm. C) Beim Durchqueren von Kanangas unterirdischem Reich gerät Bond ein drittes Mal in eine Falle.A) 0:22:30 bis 0:26:00 [3:30] B) 1:07:32 bis 1:21:26 [13:54] C) 1:44:37 bis 1:50:20 [5:43] Gesamt: [23:07]
„Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974)A) Im Garten von Hai Fat304 schlägt Schnick Schnack Bond nieder. Er kann später aus Hai Fats Karateschule flüchten. B) Sobald 007 einen Fuß auf Scaramangas Insel setzt, ist er ein Gefangener, bis er den Mann mit dem goldenen Colt erschießt.A) 0:49:05 bis 0:54:23 [5:18] B) 1:31:26 bis 1:47:48 [16:22] Gesamt: [21:40]
„Der Spion, der mich liebte“ (1977)Wie der Rest der U-Boot-Besatzung wird auch James Bond eine Geisel Strombergs. 007 kann seine Bewacher überlisten.1:25:15 bis 1:31:00 [5:45]
„Moonraker - streng geheim“ (1979)A) Bond wird niedergeschlagen und ist kurz in Gefangenschaft. B) Beißer nimmt Bond fest, doch Bond flüchtet durch einen Luftschacht. C) Selbst im Weltraum bleibt Bond nicht auf freiem Fuß, entkommt aber, indem er die Schwerelosigkeit in Drax' Raumstation auslöst.A) 1:08:06 bis 1:09:04 [0:58] B) 1:20:23 bis 1:25:56 [5:33] C) 1:40:18 bis 1:44:54 [4:36] Gesamt: [11:07]
„In tödlicher Mission“ (1981)A) Bond ist seinem Feind schon in der Pre-Title-Sequenz ausgeliefert. B) 007 befindet sich kurz in den Fängen von Gonzalez' Männern. C) Zusammen mit dem Bondgirl wird 007 von Kristatos seiner Freiheit beraubt und beim Kielholen fast getötet.305A) 0:01:40 bis 0:05:16 [3:36] B) 0:20:33 bis 0:21:15 [0:42] C) 1:32:36 bis 1:36:54 [4:18] Gesamt: [8:36]
„Octopussy“ (1983)A) Bond wird beim Bombenlegen entdeckt und gefangen genommen. Bianca hilft ihm zu entkommen. Gobinda schlägt Bond nieder. Er erwacht in Khans Monsunpalast und flüchtet von dort.306A) 0:02:54 bis 0:04:04 [1:10] B) 0:44:32 bis 0:58:58 [14:26] Gesamt: [15:36]
„Im Angesicht des Todes“ (1985)A) James Bond wird von May Day kurzfrsitig festgesperrt. B) Max Zorin sperrt 007 und Stacey Sutton in San Francisco in einen Fahrstuhl und will beide darin verbrennen.A) 0:49:13 bis 0:51:26 [2:13] B) 1:22:01 bis 1:26:36 [4:35] Gesamt: [6:48]
„Der Hauch des Todes“ (1987)Betäubt von Kara Milovys Wodka-Martini, bricht Bond zusammen und landet in Koskovs Händen. Die Flucht erfolgt von einem russischen Luftwaffenstützpunkt in Afghanistan aus.1:16:53 bis 1:26:42 [9:49]
„Lizenz zum Töten“ (1989)Dario erkennt Bond und nimmt ihn gefangen. Nachdem Dario in einer Maschine zerstückelt wurde, kann Bond fliehen.1:43:33 bis 1:50:28 [6:55]
„GoldenEye“ (1995)A) Kurzes Intermezzo mit Ourumov in der Pre-Title-Sequenz. Bond kann fliehen. B) Zukovsky hält 007 fest. C) Bond bekommt einen Betäubungspfeil ab und wird gefangen genommen. D) 007 ist in Trevelyans Raketenzug gefangen. E) Auch in Trevelyans Hauptquartier wird Bond entdeckt und seiner Freiheit beraubt.A) 0:06:43 bis 0:07:53 [1:11] B) 0:57:25 bis 0:59:35 [2:10] C) 1:07:53 bis 1:16:36 [8:46] D) 1:27:08 bis 1:29:22 [2:14] E) 1:45:14 bis 1:51:01 [5:47] Gesamt: [20:08]
„Der Morgen stirbt nie“ (1997)A) Bond wird auf Carvers Party gefangen genommen und zusammengeschlagen. B) 007 gerät in die Hände von Dr. Kaufman.307 C) Bond und Wai Lin sind Carvers Gefangene.A) 0:36:06 bis 0:37:35 [1:29] B) 0:53:34 bis 0:56:31 [2:57] C) 1:08:53 bis 1:14:47 [5:54] Gesamt: [10:20]
„Die Welt ist nicht genug“ (1999)Bond und Dr. Christmas Jones werden von Elektra Kings Männern in Istanbul festgehalten. 007 wird gefoltert und kann entkommen.3081:36:30 bis 1:44:07 [7:37]
„Stirb an einem anderen Tag“ (2002)James Bond wird verhaftet, gefoltert und gefangen gehalten.3090:12:14 bis 0:20:06 [7:52]
„Casino Royale“ (2006)Nach einem Autounfall ist 007 in den Händen von Le Chiffre, bis dieser von Mr. White erschossen wird.1:42:48 bis 1:49:18 [7:30]
„Ein Quantum Trost“ (2008)In diesem Film ist 007 zu keinem Zeitpunkt in den Händen der Schurken.
„Skyfall“ (2012)James Bond will von Sévérine zu Raoul Silva gebracht werden. Auf dem Weg zu dessen Insel wird 007 gefangen genommen und kann erst nach Sévérines Tod wieder entkommen.1:09:00 bis 1:20:18 [11:18]

[no image in epub file]Modell vom Raketenzug aus „GoldenEye“ (1995)

Ohne die TV-Version von „Casino Royale“ befindet sich 007 306 Minuten und 30 Sekunden von insgesamt 3144310 Minuten Filmlänge in Gefangenschaft, im Schnitt 9,75% seiner Missionszeit.

Gert Fröbe als Goldfinger wird noch heute als der Bondschurke gesehen. Neben seiner darstellerischen Leistung ist es keinem anderen Bond-Gegner gelungen, James Bond so lange in einem Film seiner Freiheit zu berauben. In „Diamantenfieber“ (1971), „Leben und sterben lassen“ (1973) und „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) ist Bond ähnlich lange in Gefangenschaft. Die Drehbücher der drei Filme stammen von Tom Mankiewicz, Regie führte Guy Hamilton, der auch „Goldfinger“ inszenierte.

[no image in epub file]Guy Hamilton am Set von „Goldfinger“ (1964)

Es gibt nur eine Mission, in der Bond die ganze Zeit über ein freier Mann ist. Den Grund, warum 007 so lange am Leben gelassen wird, obwohl er sofort hätte getötet werden können, meint u.a. Michael Scheingraber in „Die James-Bond-Filme“ aufgedeckt zu haben: „Er (der Gegner) nimmt Bond nicht ernst“. Dennoch sieht er Bond als einzige Person, die seine Pläne zu würdigen weiß, und verrät ihm deshalb, was er plant.311

In erster Linie geht es darum, das Publikum zu informieren. Doch im Film erwartet der Fiesling, dass Bond ihm ein Lob ausspricht, was er freilich nicht tut312.

Diese Fehleinschätzung Bonds, weil er meint, 007 könne nicht entkommen, und auch der absurde Plan spreche für den kranken Geist des Bösewichts. 007 sagt treffend in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962): „Unsere Kliniken sind voll von Menschen, die glauben, sie wären Napoleon oder Gott.“313

Fast alle Schurken der kommenden Filme sehen sich als Genies und stellen sich in einigen Fällen sogar über Gott, wie Carver in „Der Morgen stirbt nie“ (1997):

Carver: „Worte sind die neuen Waffen, Satelliten die neue Artillerie.“

Bond: „Und Sie sind demnach der neue alliierte Oberbefehlshaber?“

Carver: „Ganz genau. Cäsar hatte seine Legionen, Napoleon seine Armeen, ich habe meine Divisionen. Fernsehen, Nachrichten, Printmedien. Und bis heute um Mitternacht habe ich mehr Menschen informiert und beeinflusst als jeder andere in der Geschichte des Planeten, mit Ausnahme von Gott, natürlich. Das Beste, was er je zustande gebracht hat, waren die Zehn Gebote.“

Bond: „Jetzt sind Sie wirklich wahnsinnig.“

Carver: „Der Unterschied zwischen Wahnsinn und Genie definiert sich lediglich aus dem Erfolg.“314

Dazu schreibt Arthur Schopenhauer315: „Zwischen dem Genie und dem Wahnsinnigen ist die Ähnlichkeit, dass sie in einer anderen Welt leben als der für alle vorhandenen.“

Die Tatsache, dass der Schurke, geblendet und von sich selbst überzeugt, 007 nicht sofort vernichtet, ermöglicht Bond, aus der Gefangenschaft zu entkommen. Bond ist frei und rettet die Welt.


9) Weltherrschaft, der alte Traum

Die gängige Meinung, dass der Schurke in einem James-Bond-Film nur ein Ziel kennt, die Weltherrschaft, stimmt in den meisten Fällen nicht.

Dr. Julius No in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) versucht lediglich, die Raketenstarts von Cape Canaveral zu stören. Er arbeitet für Gofta316 und sinnt auf persönliche Rache, weil er als Wissenschaftler verkannt wurde; ein Schicksal, das er mit John Gardners Romanfigur Dr. Anton Muric aus „Countdown für die Ewigkeit“ (1981) teilt. Der will einen Super-Atom-Reaktor bauen, hat aber keine Genehmigung bekommen. James Bond verkennt auch Nos Pläne und wirft bei einem Gespräch ein: „Weltherrschaft, der alte Traum.“

Dieselbe Organisation, der No angehörte, will sich in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) für den Tod Nos rächen und James Bond aus dem Weg schaffen, womit auch dem Ansehen des Secret Service empfindlicher Schaden zugefügt werden soll. Eine Dechiffriermaschine vom Typ Lektor soll nebenbei einen satten Gewinn in die Spectre-Kasse spülen. Von Weltherrschaft keine Rede.

[no image in epub file]

Goldfinger steigt aus dem Helikopter - Schnappschuss am Set

Sogar Auric Goldfinger ist nur am Profit interessiert. Er will eine Wertsteigerung seines Goldes erreichen, indem er die Goldvorräte in Fort Knox atomar verseucht.

 

In Ian Flemings Roman ist das Ziel ein gewaltiger Diebstahl, der zwar nicht plausibel erscheint, wie später im Film von 007 erklärt wird, aber auch hier geht es lediglich um persönliche Bereicherung.

Reichtum ist für die Mächtigen der Unterwelt aus dem Bond-Universum ein Ansporn: Blofeld (Anthony Dawson317) lässt in „Feuerball“ (1965) von Emilio Largo Atombomben stehlen, um von den USA und Großbritannien ein Lösegeld in Höhe von einer Million Pfund in lupenreinen Diamanten zu erpressen.

Auch in „Man lebt nur zweimal“ (1967) hat Ernst Stavro Blofeld nur das Ziel, reicher zu werden. Der Versuch, einen Dritten Weltkrieg zwischen den USA und Russland auszulösen, ist Blofelds Auftrag, für den er 100.000.000 $ in Goldbarren erhalten soll.318 Die Auftraggeber bleiben im Hintergrund. Es handelt sich um eine nicht genannte Organisation aus dem asiatischen Raum.

Blofelds (Telly Savalas319) Belange in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) erscheinen noch absurder: Er will sich als Graf de Bleuchamp ins Privatleben zurückziehen, seinen Adelstitel anerkannt bekommen und Immunität genießen. So hat also der Schurke schlechthin (Blofeld kommt als Figur [genannt] in bisher fünf Filmen vor) einen Plan, der wegen seiner Belanglosigkeit beinahe lächerlich erscheint.

In „Diamantenfieber“ (1971) ist die Motivation des Gangsters wieder materieller Natur: Mit einem Riesenlaser, der im Weltall stationiert ist, sollen die Weltmächte erpresst werden. Wer am meisten zahlt, bekommt die beste Rüstung. Mr. Big alias Dr. Kananga will in „Leben und sterben lassen“ (1973) sein Heroin auf den Markt bringen, um die Preise für das Rauschgift in die Höhe zu treiben, wenn sich die Anzahl der Süchtigen in den USA verdoppelt hat. Scaramanga, der Mann mit dem goldenen Colt, verfolgt (zumindest am Ende des Films) zwei Ziele: Zum einen will er James Bond, den besten Geheimagenten des Secret Service, töten und zum anderen möchte er durch sein Solex (einen Energieumwandler), das er von Hai Fat „geerbt“ hat, satte Profite mit seinem Sonnenkraftwerk erzielen.

Der erste Schurke, der zumindest ein wenig an die Weltherrschaft denkt, ist Karl Stromberg (Curd Jürgens320) in „Der Spion, der mich liebte“ (1977). Er will die „schmutzigen“ Städte, New York und Moskau mit Atomraketen zerstören, damit die Menschen eine Chance zum Neuanfang haben. Sein weiteres Ziel ist es, eine Welt unter der Wasseroberfläche zu schaffen. 7/10 des Planeten, die Welt der Meere, wären dann sein Reich.

Christopher Wood, der Stromberg schuf, schrieb das Drehbuch für „Moonraker - streng geheim“ (1979), in dem seine Figur Hugo Drax versucht, die Menschheit von seiner Raumstation aus mit Gift zu vernichten. Wenn auf der Erde dann kein menschliches Leben mehr existiert (Tiere und Pflanzen sind gegen Drax' Gift immun), würde er seine im Weltraum gezüchtete Superrasse aus schönen und starken Menschen zur Erde zurückkehren und sie in seinem Sinne neu bevölkern lassen. Hugo Drax aus Ian Flemings Roman „Moonraker“ (1954) war von seinen teuflischen Plänen her etwas bescheidener: Er wollte lediglich eine Rakete auf London abfeuern, weil er die Engländer hasste.

Alle weiteren Schurken haben banalere Ziele:

Aris Kristatos in „In tödlicher Mission“ (1981) will den automatischen Angriffskoordinator (ATAC) aus einem Schiffswrack bergen und an die Russen verkaufen. Dies ist der einzige Film, in dem James Bond tatsächlich auch gegen Russland bzw. russische Agenten kämpft - in allen anderen Filmen stellen sich autarke Personen oder fremde Organisationen gegen ihn, und auch wenn es immer fälschlicherweise heißt, der britische Agent kämpfe häufig gegen die Sowjets, mag das auf Ian Flemings Romane zutreffen, nicht aber auf die Filme.

Der Prinz im Exil, Kamal Khan (Louis Jourdan321) arbeitet in „Octopussy“ (1983) mit General Orlow (Steven Berkoff322) zusammen, der die Machtübernahme im Westen plant. Khan jedoch will nur an einem riesigen Juwelenschmuggel verdienen.

Max Zorin ist ein Industrieller in der Mikrochipbranche und will in „Im Angesicht des Todes“ (1985) Silicon Valley durch eine riesige Flutwelle vernichten, um mit seinen Produkten den Computerchipmarkt zu beherrschen. In „Der Hauch des Todes“ (1987) veruntreuen Georgi Koskov (Jeroen Krabbé323) und Brad Whitaker (Joe Don Baker324) KGB-Gelder und sind außerdem an einem riesigen Opiumschmuggel beteiligt.

Rauschgift ist nach „Leben und sterben lassen“ (1973) auch das Hauptthema in „Lizenz zum Töten“ (1989). Franz Sanchez (Robert Davi325) verdient damit sein Geld und möchte seinen Markt erweitern. „Weltherrschaft“ ist der falsche Ausdruck für seine geschäftlichen Bestrebungen als Drogenbaron.

Die Figur Alec Trevelyan, deren Wurzeln auch in Ian Flemings Romanfigur Hugo Drax zu finden sind (Drax und Trevelyan geben sich beide als Engländer aus und sind gegen England. Sie haben vernarbte Gesichtshälften und werden lange Zeit für tot gehalten, bevor sie in Aktion treten), bricht per Computer in die Bank von England ein und transferiert sich elektronisch viel Geld.326 Mit der GoldenEye-Explosion, die einen elektromagnetischen Impuls über London auslösen soll, möchte er alle Spuren verwischen. Sein Ziel ist Reichtum.

Medienmogul Elliot Carver (Jonathan Pryce327), der Hauptschurke in „Der Morgen stirbt nie“ (1997), arbeitet daran, einen dritten Weltkrieg zwischen Großbritannien und China zu provozieren, was ihm die Exklusiv-Senderechte einbrächte.

Elektra King (Sophie Marceau328) benutzt in „Die Welt ist nicht genug“ (1999) den Terroristen Renard alias Victor Zokas, um den Bosporus nuklear zu verseuchen und die Welt von ihrer Ölpipeline abhängig zu machen.329

Gustav Graves, durch eine Genmanipulation aus Colonel Moon330 entstanden, möchte mit seinem Weltraumlaser „Ikarus“ das Minenfeld zwischen Nord- und Südkorea räumen, um seinen Truppen den Weg freizumachen. Durch den Zusammenschluss von Japan, China und dem Vereinigten Korea käme dann eine neue Supermacht zustande.

Le Chiffre (Mads Mikkelsen331), Bonds Hauptgegner in „Casino Royale“ (2006), will nur sein Leben retten, da er auf der Abschussliste von Verbrechern, deren Gelder er veruntreut hat, steht. Damit ist er ein kleiner Fisch. Da aber „Casino Royale“ (2006) und „Ein Quantum Trost“ (2008) unmittelbar aufeinander aufbauen, steckt wesentlich mehr dahinter: Dominic Greene und die Verbrecherorganisation „Quantum“.

Dominic Greene geht es in „Ein Quantum Trost“ (2008) um das wertvollste Lebensmittel auf Erden: Er möchte so viel Trinkwasser wie möglich kontrollieren, was er schafft, indem er General Medrano332 erpresst.333

Raoul Silva will sich als fallengelassener Agent an „M“ rächen. Er arbeitet bereits seit Jahren auf eigene Rechnung, sucht sich seine eigenen Geheimoperationen und lässt sich vom Meistbietenden für seine Verbrechen bezahlen. Nur ein Schurke strebt also tatsächlich die Weltherrschaft an: Hugo Drax. Karl Stromberg ist nur an der Unterwasserweltherrschaft interessiert. Da aber gerade diese beiden Filme in Deutschland besonders erfolgreich waren („Der Spion, der mich liebte“ (1977) war mit 7,6 Millionen Zuschauern in Deutschland der erfolgreichste Bond-Film, „Moonraker - streng geheim“ (1979) liegt mit 4,2 Millionen immerhin jetzt noch auf Platz 9), hat sich das Bild des Schurken, der nach Weltherrschaft strebt, fälschlicherweise in den Köpfen der Zuschauer und bei der Presse eingeprägt, und das bis heute.

Das Streben nach Macht, egal auf welchem Gebiet, weist auf die Neurose der Schurken hin, deren gestörte Vergangenheit bzw. Kindheit der Grund dieser Erkrankung ist. Ansatzweise wird in den Filmen darauf eingegangen, mehr jedoch in den Romanen.

Sigmund Freud334 schrieb: „Maßhalten, sich bescheiden, resignieren lernt es (das Kind) erst durch die Kultur der Erziehung. Bekanntlich neigt der Neurotiker zur Maßlosigkeit und Unmäßigkeit.“

James Bonds Gegner streben also nur selten die Weltherrschaft an, doch sie verraten 007 ihren Plan.

Wenn ein Verbrecher schließlich seine Pläne erläutert oder seine Beweggründe für ein bestimmtes Handeln rechtfertigt, erzählt er nicht nur, sondern er schmückt aus, schwärmt und gerät fast in einen Zustand der Trance. Die Reden erinnern an die Ausführungen Adolf Hitlers335. (Siehe Kapitel 25) Während James Bond Intelligenz, Stärke, Mut etc. in einer Person vereint, sind die meisten James-Bond-Widersacher nur mit einzelnen Fähigkeiten ausgestattet. Um jedoch Bond ebenbürtig zu erscheinen und zu einer echten Bedrohung zu werden, treten Schurken in den seltensten Fällen allein in Erscheinung (vgl. „James Bond XXL“).

Die folgende Einteilung in physisch starke Gegner Bonds, die meist in der Überzahl auftreten und psychisch starke Schurken, die meist Kopf einer Operation sind oder die Fäden ziehen, unterstreicht diese Theorie der Aufteilung der Eigenschaften.

In „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „In tödlicher Mission“ (1981) wird deutlich, wie eine Verschiebung der Figur in den einzelnen Kategorien erfolgen kann, wenn eine Figur hinzukommt oder den Filmtod stirbt.336

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Schurkentypen kann auch durch ungleiche Anzahl der Charaktere in einer Kategorie erzeugt werden, wie z.B. in „Lizenz zum Töten“ (1989). Die Figur des Franz Sanchez bedarf mehrerer Handlanger, um das Gleichgewicht zwischen „Körper und Geist“ des Bösen zu erzeugen.