MIND

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Wie funktioniert der Geist im entspannten und im angespannten Zustand?


In diesem Beitrag werden wir weiter erforschen, wie der Geist funktioniert, indem wir von der Vorstellung ausgehen, dass der Geist aus dem Energie- und Informationsfluss in und zwischen uns emergiert. Wir werden uns tief in die Implikationen unserer Arbeitsdefinition eines Aspektes des facettenreichen Geistes im Sinne eines verkörperten und relationalen, emergenten selbstorganisierenden Prozesses versenken, der den Energieund Informationsprozess reguliert. Könnte die Regulation gut verlaufen und Wohlbefinden erzeugen und nicht so gut verlaufen und Dysregulation erzeugen? Wir werden Ideen über den gesunden Geist überprüfen und wie wir ihn schaffen können, indem wir die natürliche Frage stellen, wie die Selbstorganisation optimiert werden kann, um Gesundheit zu ermöglichen.


Selbstorganisation, verloren und gefunden (1995–2000)

Es ist die Mitte des Jahrzehntes des Gehirnes.

Unsere Gruppe aus 40 Akademikern trifft sich regelmäßig, diskutiert die Verknüpfungen zwischen Geist, Gehirn, Beziehungen und Leben. Es gibt Zusammenarbeit und respektvollen Konflikt, Verbindung und Konversation, alles fokussiert auf die Anstrengung, Klarheit in diese vielen Probleme des Menschseins zu bringen. Inmitten dieser akademischen Bestrebungen arbeite ich auch als Psychotherapeut, sehe Menschen jeden Alters und jeder Herkunft mit einem breiten Spektrum an Problemen, die Leid in ihr Leben bringen, einschließlich ernster psychiatrischer Störungen wie etwa bipolarer Störung und Zwangsstörung, Beziehungskonflikte sowie Folgen von Trauma und Verlust. Meine Frau und ich haben jetzt zwei kleine Kinder und das Leben ist rund um die Uhr ausgefüllt.

Eines Abends erhalte ich einen Anruf von Tom Whitfield, ein Mentor, der seit meinem ersten Jahr an der Hochschule für Medizin zu einer wichtigen Person in meinem Leben geworden war. Tom klingt am Telefon schwach. Er erzählt mir, dass bei ihm Krebs diagnostiziert wurde. Er liegt im Sterben.


Ich lege den Hörer auf und starre aus dem Fenster.

Tom war wie ein Vater zu mir gewesen. Er diente mir fernab von Boston als Zufluchtsstätte, als ich in jenem Sommer nach der Schule mit ihm an seinem Programm für Gemeinde-Kinderkrankenschwestern in den Berkshire Mountains im Westen Massachusetts arbeitete. Tom nahm mich als Schüler an, aber ich wurde mehr zu einem Sohn. Ich nahm ihn nicht nur als einen Lehrer und Leiter, sondern auch als einen Vater an.

Im Laufe der Monate meines zweiten Schuljahres traf ich wiederholt verschiedene Mitglieder der Fakultät, die ihre Patienten und Studenten so behandelten, als ob wir keinen Geist hätten. Was ich damit meine, ist die Tatsache, dass den Gefühlen oder Gedanken, Erinnerungen oder Meinungen keine Aufmerksamkeit gezollt wurde. Diese inneren Aspekte des Geistes schienen meinen Begleitärzten nicht durch den Kopf zu gehen. Später vermochte ich zu verstehen, dass diese passionierten akademischen Doktoren sich lediglich um den physischen Aspekt der Behandlung ihrer Patienten kümmerten, nicht um den subjektiven Innenteil des Geistes im Zentrum des Lebens ihrer Patienten.

Obgleich ich an der Hochschule als Forscher in der Biochemie ausgebildet worden war und wusste, wie man über Moleküle denkt und sie und ihre Interaktionen misst, hatte ich nie das Gefühl, dass ein Mensch als ein Chemikalienbehälter betrachtet werden sollte. Wie wir später noch besprechen werden, schien der Sozialisationsprozessansatz in der medizinischen Ausbildung zu einer früheren Zeit jener Epoche in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren darin zu bestehen, uns dazu zu bringen, Menschen eher als Objekte denn als Zentren innerer subjektiver Erfahrung – als geistbegabte Wesen – anzusehen.

Nach zahlreichen Konfrontationen während meiner beiden ersten Jahre, als man mir ausdrücklich sagte, dass das Befragen der Patienten im Hinblick auf ihre Gefühle oder das, was die Krankheit in ihrem Leben bedeutete, etwas wäre, „das Ärzte nicht tun“, traf ich die schwere Entscheidung, nicht mehr länger Teil dieses Ausbildungsprozesses zu sein. Ich verließ die Schule.

Nachdem ich gegangen war, dachte ich, Tom enttäuscht zu haben. Ich hatte in meinem Geist die Vorstellung gehegt, dass er von mir erwartete, ein Kinderarzt wie er zu werden, vielleicht in die kleine Stadt zu ziehen, wo er mit seiner Frau, Peg, lebte, mich dort niederzulassen und mich ihm in der Praxis anzuschließen. Große Ideen meiner eigenen Imagination über deren Erwartungen nahmen meinen Geist gefangen und ließen unsere Beziehung jenes Jahr lang abkühlen. Als ich später zur Schule zurückkehrte und letztendlich die Pädiatrie wählte, nachdem ich meine medizinische Ausbildung in Boston abgeschlossen hatte, schienen er und Peg zufrieden zu sein. Aber als ich nach Kalifornien zog und mich ein Jahr später dafür entschied, in die Psychiatrieausbildung zu wechseln, hatte ich abermals das Gefühl, in ihren Augen ein Versager zu sein – die „wahre Medizin“ aufzugeben, wie die Leute an der Schule zu sagen pflegten, für irgendein softes medizinisches Spezialgebiet des Geistes, was immer auch das war. Wie mir von Studienkollegen und einigen Fakultätsangehörigen dann gesagt wurde, „wählen nur die schlechtesten Studenten die Psychiatrie“.

Als ich den Hörer an jenem Morgen mit Tom auflegte, schoss all das rasch in meinem Inneren in Gestalt von Bildern, die mein Gewahrsein überfluteten, heran. Die Geschichte floss aus den Tiefen meines Geistes ins Theater meines Bewusstseins, eine durch den Schock über Toms Nachrichten ausgelöste Geschichte.

Nach diesem ersten Jahr in der Pädiatrie in den frühen 1980er-Jahren, als es mich dazu hingezogen fühlte, mich direkt mit dem Geist zu beschäftigen, wechselte ich in die Psychiatrieausbildung. Im zweiten Monat meines Ausbildungsprogramms zum Facharzt kamen Tom und Peg zu Besuch, um sich auf ihrer Reise die olympischen Sommerspiele in Los Angeles 1984 anzusehen. Ihr Besuch beunruhigte mich, bereitete mir allerlei Sorgen über ihre drohende Missbilligung im Hinblick darauf, dass ich Toms Fach der Pädiatrie verlassen und meinen eigenen Weg gefunden hatte. Doch bei unserem ersten Abendessen war ich überrascht und erleichtert, zu entdecken, dass Tom auch aus der Psychiatrie „ausgeschieden“ war, nach 30 Jahren Praxis, um ein Therapeut zu werden, der Hypnose einsetzte, um Menschen mit medizinischen Herausforderungen wie Fettleibigkeit und Suchterkrankungen zu helfen. Es war eindeutig, dass mein Geist sich allerlei Szenarien ausgemalt hatte, die meine Sicht dessen, was im Hinblick auf Tom wirklich und zutreffend war, prägten, aber tatsächlich handelte es sich um unbegründete Projektionen meiner eigenen Ängste. Ich quälte mich selbst mit meiner Furcht vor ihrem Besuch herum.

Mein denkender Geist erzeugte allerlei Sorgen, mit Hilfe von Erinnerungen und Imaginationen, die in die Sorgen hineinverwoben waren, zu nadelspitzen Geschichten. Die Schreckensgeschichte fühlte sich real an.

Jenes Wiedersehenstreffen ermöglichte es mir, den Irrsinn dahinschwinden zu lassen. Die Erfahrung zeigt auch, wie unser Selbstgefühl derart tiefgehend von den Geschichten unseres eigenen Geistes geformt werden kann, dass der Fokus auf die Sorge gelegt wird, was andere über uns denken. Jahre später hatten wir entdeckt, dass eine aktive Mittellinie des „Ruhestandschaltkreises“1 im Gehirn, über den wir später noch ausführlich sprechen werden, als neuronale Verknüpfung jenes unaufhörlichen Geplappers über das Selbst und die anderen zu agieren scheint. Ich nenne diesen den OATS-Schaltkreis2, weil er unsere Aufmerksamkeit auf andere und das Selbst lenkt. Mein OATS-Schaltkreis erreichte einen Höhepunkt beim Grübeln darüber, wie ich Tom enttäuscht und wie er mich wahrscheinlich abweisen würde.

Nach dieser Zeit des Wiedersehenstreffens und der Korrektur meines OATS-Wahnsinns sollten Tom und ich gemeinsam Therapiekonferenzen besuchen und ich fühlte mich ihm und Peg sehr nahe. Unsere Verbindung war wiederhergestellt und wir blieben alle über jene Jahre meiner Psychiatrieausbildung miteinander mit einem Gefühl der Ruhe und Behaglichkeit verbunden.

Jetzt, mehr als zehn Jahre nach jenen olympischen Spielen und der Neuausrichtung meines narrativen OATS-Schaltkreises, saß ich da und starrte Löcher in die Luft nach Toms Anruf, ich fühlte mich schwer und leer, eine tiefe Traurigkeit breitete sich im Inneren meines Körpers aus und ließ mich für eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr aus dem Stuhl aufstehen.

Robert Stoller, ein anderer Mentor, den ich früher in Bezug auf die fragende und nicht antwortende Klarheit zitierte, war nur wenige Jahre zuvor bei einem schrecklichen Autounfall gestorben. Tom war der Nächste. Ich war in meinen Mittdreißigern, spürte aber, dass diese wichtigen Bindungsbeziehungen, diese Vaterfiguren in meinem Leben, immer noch prägende Aspekte meiner selbst waren. Bindung hört nicht auf, wenn wir das Elternhaus verlassen; wir brauchen vertraute Personen in unserem Leben, an die wir uns wenden können, um Anleitung und Trost zu bekommen. Diese Bindungspersonen zu verlieren fühlte sich an wie einen Teil meiner selbst zu verlieren. Wie auch bei Bobs plötzlichem Tod und der nachfolgenden Trauer, begann ich angesichts von Toms Diagnose jenes schwere, bange Gefühl der Verzweiflung und Hilflosigkeit wahrzunehmen.

Zu der Zeit, als ich von Toms Krankheit erfuhr, hatte ich mich bereits dazu entschlossen, die akademische Laufbahn zu verlassen. Ich war auf der Fakultät an der UCLA gewesen und leitete das Ausbildungsprogramm in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Nachdem ich meine Ideen mit Fachstudienberatern ausgetauscht und bemerkt beziehungsweise eher gefühlt hatte, dass etwas in meiner beruflichen Laufbahn geändert werden musste, dass etwas nicht zu mir passte, entschied ich mich, zu gehen.

 

Ich hatte immer gedacht, ein Vollzeit-Professor zu werden, zu arbeiten und das Leben eines Akademikers zu führen, aber die Dinge hatten sich geändert. Meine Interessen an breitangelegten interdisziplinären Konzeptualisierungen passten nicht recht mit dem verständlichen Drang einer modernen auf der Forschung basierenden Institution zusammen, die sich stark darauf fokussieren musste, dass eng definierte empirische Untersuchungen das vornehmliche Ziel der Full-Time-Fakultät waren. Ich war von vielen Ideen fasziniert, liebte wissenschaftliche Entdeckungen und war leidenschaftlich daran interessiert, empirisches Wissen mit praktischen Anwendungen zu integrieren, aber ich wollte mich nicht ausschließlich auf ein Gebiet, eine Thematik oder ein Forschungsprojekt konzentrieren. So entschied ich mich, zu gehen.

Seit den späten 1980er-Jahren, als ich meine Ausbildung als Kliniker absolvierte und mich aus der Gehirn- zur Gedächtnisforschung zurückzog und mich als Forschungsstipendiat dem Studium von Bindung, (Lebens-) Geschichten [eng. „narratives“, A.d.Ü.] und Entwicklung widmete, war ich davon fasziniert, wie der Geist unter dem Einfluss einer Reihe von zwischenmenschlichen Erfahrungen sich in Richtung Gesundheit oder Krankheit entwickelte. Ich hatte vorgeschlagen, dass irgendein Aspekt der Funktionsweise des Gehirnes die Wurzel ungelösten Traumas bilden könnte, welches das subjektive Leben einer Person und ihre Beziehungen mit anderen negativ beeinflusst. Im Laufe meiner Zeit als Akademiker nach meinem Stipendium hatte ich eingewilligt, akademische Zeitungsartikel, Kapitel und ein Lehrbuch zu verfassen, und zwar auf der Grundlage dieser Ideen zu Gedächtnis, Trauma und Gehirn, die den Weg in meine Unterrichtstätigkeit außerhalb der Universität gefunden hatten. Aber warum sollte ich einen akademischen Text verfassen, wenn ich die Akademie verlassen würde? Warum sollte ich mich nicht einfach für ein Leben in privater Praxis entscheiden, wenn ich es liebte, mich um Patienten zu kümmern und die klinische Arbeit so faszinierend und erfüllend fand? Warum sollte ich mich damit herumplagen, ein Buch zu schreiben? Diese Fragen hatten sich im Hintergrund meines Geistes abgezeichnet, als ich von Tom hörte und meine Reise zurück zur Ostküste plante, um ihm einen Besuch abzustatten.

Als ich an Bord des Flugzeugs ging, um das Land zu überqueren, war ich von Bildern und Gefühlen, Erinnerungen und Gedanken, von Leben und Verlust erfüllt. Mit einem neuen Notizbuch in den Händen, ein grünes unliniertes Tagebuch, das ich für die Reise gekauft hatte, begann ich zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass es so viele Dinge über dieses persönliche Trauma, Tom als eine Vaterfigur in meinem Leben zu verlieren, zu sagen gäbe und so viele Dinge, die ich als Psychotherapeut über Trauer und Heilung gelernt hatte, Dinge, die ich in meiner klinischen und Forschungsausbildung über Bindung, Trauma und das Gehirn, über den Geist und die Beziehungen gelernt hatte.

Während der sechstägigen Reise zurück in den Osten, strömte das Geschriebene nur so aus mir heraus. Ich schrieb „strömte aus mir heraus“, weil es sich genauso anfühlte. Aus jeder Pore schien eine Geschichte zu kommen, welche die Realität, die ich erfuhr, mit der wissenschaftlichen Forschung, die ich so liebte, vermischte. Ich schrieb das erste Konzept eines ganzen Buches in jenes als grünes Dienstag-Sonntag [engl. „Tuesday Sunday“, A.d.Ü.] bezeichnete Tagebuch, in dem es an jedem Tag der Reise ein Kapitel über den Kampf des Geistes mit traumatischem Verlust gab. Ich schrieb über das Gehirn, Beziehungen und den eigenen Schmerz, Tom zu verlieren – darüber, ihn im Krankenhaus zu sehen, über Erinnerungen an unsere Beziehung, die Geschichten unseres Lebens – einschließlich der Projektion meiner im Inneren erzeugten Fiktion, welche die wirklichen Fakten verzerrt hatte. Es war alles da, und ich teilte ein wenig von diesem emergierenden Schreiben mit Tom, als er in seinem Krankenhausbett lag. Was er hörte, schien ihm zu gefallen, und er bot mir mit seinem beruhigenden, bedächtigen Virginia-Wohlwollen seine gewohnte Unterstützung an, die ich auf all unseren gemeinsamen Reisen wiederbekommen hatte: „Das ist ein guter Weg, Dan!“

Tom starb ein paar Monate später. Ich beendete den Erfahrungsfluss in Worte zu übersetzen in dem grünen Tagebuch, das persönliche Reflexionen mit wissenschaftlichen Diskussionen verknüpfte, und wandelte es in ein vollständiges Manuskript um. Das Buch wurde am Fälligkeitstag an den Verlag geschickt. Nach ein paar Wochen erhielt ich die Antwort des Verlegers: Was in aller Welt hätte ich bloß geschrieben? Das war kein Lehrbuch, wie es mein Vertrag erforderte – es waren Memoiren. Ich schuldete ihnen ein Lehrbuch.

Eine tiefe Traurigkeit machte sich rasch breit, vertiefte mein Gefühl der Verzweiflung und der Trauer, Tom verloren zu haben, und ging in ein Gefühl der Leere, Hilflosigkeit und Unverbundenheit über. Tom war gegangen. Bob war gegangen. Meine Mitgliedschaft bei einer akademischen Gemeinschaft war vorbei. Mein lebenslanger Drang, das Innere und das Äußere, das Subjektive und das Objektive miteinander zu verbinden, knallte gegen eine scheinbar undurchdringliche Mauer. Ich hatte das Gefühl, dass ich niemals in der Lage sein würde, einen Weg zu finden, das Persönliche und das Berufliche miteinander zu verbinden, und dass die beiden, das Subjektive und das Wissenschaftliche, zumindest aufgrund meiner Anstrengungen, voneinander getrennt bleiben müssten. Jene Verzweiflung beraubte meinen Geist der Fähigkeit, meine Trauer auszudrücken oder irgendeine Hoffnung zu verspüren, einen Ausweg zu sehen. Ich fühlte mich erstickt und gelähmt.

Ich war in einer dunklen Wolke und machte lange Spaziergänge, auf denen ich mich fragte, was ich tun sollte. Jener Strand, der während meiner Kindheit und beim Nachdenken über die Natur des Geistes so inspirierend gewesen war, vermochte wenig an meinem Zustand auszurichten, er war nur ein Ort, um hoffnungslos umherzuwandern. Ich fühlte mich verloren. Ich entschied, dass ich mein persönliches Leben von meinen wissenschaftlichen Bestrebungen trennen musste. Irgendwie würde ich mich aufspalten, die Welt als ein fragmentiertes Ganzes bestehen lassen, den Geist von der Materie, die subjektive Erfahrung von der objektiven Wissenschaft trennen.

Aber meine fortlaufende berufliche Arbeit mit Patienten in jener Zeit brachte mich wieder in jene Realität zurück, der zufolge das Subjektive real war. Ich konnte sie nicht gut behandeln, wenn ich nicht unmittelbar mit ihren subjektiven Realitäten arbeitete. Meine wissenschaftliche Ausbildung ließ mir die Überzeugung, dass es einen Weg geben musste, empirische Einsichten mit emotionalem Wissen zu verbinden. Das Wissenschaftliche und das Subjektive mussten eine gemeinsame Grundlage finden. Das Berufliche und das Persönliche brauchten nicht ständig getrennt zu werden. Dennoch konnte ich keine Möglichkeit erkennen, wie ich vorankommen sollte, keinen Weg, die beiden Welten zu einer Art Zusammenarbeit zu bringen.

Zur gleichen Zeit wurde eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die nachdrücklich und mit selektiven wissenschaftlichen Argumenten behaupteten, dass Eltern kaum Einfluss darauf hätten, wie wir uns entwickeln, mit Ausnahme der Gene, die wir von ihnen vererbt bekämen. Als eine Person mit einer Beziehung zu Tom und Bob, als ein Sohn, als Wissenschaftler, der in der Bindungstheorie ausgebildet war, als Kliniker, als aktiver Elter und besorgter Bürger fühlte ich mich erzürnt ob der Ungenauigkeit dieser Vorschläge, selbst angesichts der Überzeugung ihrer Verfechter, eingebettet in diese unmissverständlichen Behauptungen der Wissenschaftler.

Meine eigene Ausbildung in der Wissenschaft, meine Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur legten mir nachdrücklich nahe, dass diese Autoren falsch lagen, wenn sie behaupteten, dass Elternkompetenz nichts bewirke. Zur gleichen Zeit wurden Mittel gemeindebasierter Programme zur Unterstützung von Risikofamilien gestrichen, und zwar mit der Begründung, dass sie keine öffentlichen Gelder verschwenden sollten, da man den Kindern durch die Unterstützung ihrer Eltern nicht helfen könne – alles hänge vielmehr von ihren Genen ab. Jene Frustration verstärkte meine Genesung und jene Behauptungen, Elternschaft könne nichts bewirken, wurden zu den stärksten Motivatoren, die ich mir nur wünschen konnte. Der Nebel meiner Verwirrung lichtete sich, und es gelang mir, einen Kontrapunkt zu dieser Überzeugung zu setzen.

Ich nahm jenes alte grüne Notizbuch aus dem Wandschrank, schaltete den Computer an und öffnete die Datei mit dem Dienstag-Sonntag-Originalmanuskript. In den darauffolgenden Jahren begann ich das, was ich aufgrund persönlichen Nachdenkens, von dem, was ich aufgrund harter empirischer Daten und sorgfältiger wissenschaftlicher Schlussfolgerung gelernt hatte, zu trennen. Ich verknüpfte diese Stränge zu einem neuen Manuskript; dieses Mal mit der Absicht, ein hoffentlich unangreifbares Dokument anbieten zu können, dass wissenschaftlich erhellte, wie unsere Beziehungen wirken – einschließlich jener zu unseren Eltern. Jenes Buch sollte den Titel The Developing Mind [dt. „Der sich entwickelnde Geist“, A.d.Ü.] tragen. Ich bin glücklich, sagen zu können, dass es zu einem nützlichen Abwehrmittel im Hinblick auf die Streichung von Geldmitteln aus Gemeindeprogrammen wurde, einschließlich jener, die sich auf die Hilfe von Risikokindern und ihren Familien fokussierten.

Ich teile Ihnen diese Geschichte mit, weil sie ein wesentlicher Teil meiner Reise zum Verständnis des Geistes war. Die Welt akademischen Publizierens sah die persönliche, innere Reflexion in einem Fachbuch oder einem wissenschaftlich fundierten Buch für gewöhnlich als „unangemessen“ an. Auch bei von Experten begutachteten Artikeln schien die Darlegung einer Innenansicht des mentalen Lebens nicht in Betracht zu kommen. Ein Verleger sagte mir einmal, dass es „unprofessionell“ wäre, mein inneres mentales Leben als Therapeut zu offenbaren – dass ich mir das besser für meine eigenen persönlichen Tagebücher aufheben sollte.

Ihre Standpunkte sind verständlich, wenn wir in Betracht ziehen, dass die Verbreitung von Wissen in der Welt nicht auf persönlicher Meinung, sondern auf sorgfältiger Beobachtung der Phänomene beruhen sollte. Tatsächlich nahm die Fachrichtung der akademischen Psychologie vor rund hundert Jahren eine ähnliche Haltung ein. Beim Studium des Geistes in der akademischen Welt hatte Subjektivität den Bereich „seriöser“ Daten verlassen.

Was aber, wenn der Geist selbst das wissenschaftlich zu studierende Phänomen ist? Was, wenn die subjektive Realität eine wahre Facette des Geistes ist? Wie erforschen wir dann den Geist, ohne uns in die subjektive Erfahrung zu versenken und ohne zu versuchen, die erfahrenen Phänomene auszudrücken. Würde ein die Subjektivität vermeidender Zugang nicht etwas Zentrales im Geist verfehlen? Würde eine Haltung, welche die für den Geist so wichtige Subjektivität außen vor lässt, nicht den Geist „aus dem Zusammenhang reißen“? Dies werden wir detaillierter in unserem nächsten Beitrag erkunden.

Nachdem The Developing Mind erschienen war, wurde ich gebeten, Workshops für Eltern abzuhalten über die Art und Weise, wie man all die Bindungsforschung verstehen und diese Ideen in der Erziehung der Kinder anwenden könne. Jener praktische Leitfaden Parenting from the Inside Out3, den ich zusammen mit Mary Hartzell, der Vorschulleiterin meiner Tochter, verfasste, nachdem wir gemeinsam Eltern-Workshops zu geben begannen, erhielt von den Verlegern mehrere Absagen. Als wir uns nach dem eigentlichen Grund für die Absage erkundigten, sagte man uns wiederholt, dass das Publikum nicht gesagt bekommen möchte, wie es für ein tieferes Verständnis seiner selbst „nach innen schauen“ müsse, um bessere Eltern zu sein; sie wollen vielmehr, dass man ihnen sagt, was mit ihren Kindern nicht stimmt und was sie tun sollen, um das Verhalten ihrer Kinder zu ändern.

Mary und ich wussten, dass die Forschung stattdessen einen Ansatz von innen nach außen unterstützte, so dass Sie sich vorstellen können, wie frustrierend dieser Konflikt und die Zurückweisungen waren. Die Wissenschaft ist sich darin einig: Das beste Anzeichen für die Bindung eines Kindes – (was nicht der einzige Faktor ist, aber ein dokumentiertes festes Anzeichen für die gesunde Entwicklung der Resilienz und des Wohlbefindens des Kindes) – ist das innere Selbst-Verständnis der Eltern im Hinblick darauf, wie ihre Kindheitserfahrungen ihre eigene Entwicklung beeinflusst haben. Wir hielten an der Wissenschaft fest und fanden glücklicherweise einen Verleger.

 

Die Wissenschaft des Geistes erfordert es, dass wir die innere Reflexion über die subjektive, persönlich erfahrene Realität einschließen. Verstehen, sich eine Meinung bilden, über Erinnerungen nachdenken, Selbst-Gewahrsein, Emotionsregulation, eine offene Geistesgegenwärtigkeit zu besitzen, all dies sind subjektive mentale Erfahrungen des Elters, welche die Entwicklung von Resilienz im Kind unterstützen. Aus einer praktischen Perspektive betrachtet, sind dies alle vermittelbare Fähigkeiten, welche die Art und Weise formen können, wie sich alle Kinder entwickeln. Die Wissenschaft des Geistes zeigt, wie wir gesehen haben, wie unsere Beziehungen, genauso wie unser Körper und sein Gehirn, den Menschen formen, der wir sind und der wir werden können. Wir können dies als den selbstorganisierenden Aspekt des Geistes betrachten, der ganz verkörpert und relational ist. Unsere Beziehungen untereinander geben die Richtung und Natur des Energie- und Informationsflusses vor – zwischen und in uns. Diese Beziehungen formen uns unser ganzes Leben hindurch.

Die wiederholte Absage des Kindererziehungsmanuskripts zu jener Zeit war für mich eine direkte und wohlbekannte Botschaft: „Nur die Fakten, keine Gefühle!“ Doch wie können wir tatsächlich miteinander über den Geist sprechen, ohne die subjektiven Gefühle des mentalen Lebens in unsere Diskussion mit einzuschließen? Ich hatte die Aufgabe, über den Geist bei Trauma und Heilung ein Fachbuch zu schreiben, und die Mühe, sowohl Fakten als auch Gefühle einzuschließen und dennoch ein Buch zu schaffen, welches jemand zu publizieren gewillt war, war umsonst gewesen. Jener gescheiterte Versuch schien das Gefühl der Trauer über den Verlust nicht nur von Tom, sondern auch der Bedeutung unserer Beziehung all die Jahre hindurch zu vertiefen. Später erinnerte mich die wiederholte Absage der Fortsetzung des Buches über die Kindererziehung von innen nach außen an dieses Gefühl der Verzweiflung. Ich verspürte dieses festsitzende Gefühl der Hilflosigkeit.

Tom zu verlieren war ein schmerzhafter Teil meines sich von Moment zu Moment entfaltenden Lebens. Aber in unserer Beziehung habe ich so viel gewonnen, nicht nur im Hinblick auf unsere Verbindung, sondern auch auf meine innere Stärke. Das Leben ist reich an Verlusten wie an Gewinnen und nun war ich von Schmerz erfüllt. Bindungspersonen formen den Menschen, der wir sind. Was aber machen wir, wenn wir einen so wichtigen Eckstein unseres Lebens, unseres Geistes verlieren?

Das Leben fließt, indem sich Energie und Informationen in jedem Augenblick ändern, quer durch den Raum und das große Spektrum an emergenten Möglichkeiten. Wir – der Energie- und Informationsfluss – entfalten uns, indem wir fortwährend emergieren, aus dem Möglichen ins Wirkliche und zurück in jenes Meer der Möglichkeiten. Ist das eine Intellektualisierung, die mich auf Distanz hält, sogar jetzt, da ich dies schreibe, vom Schmerz der Realität des Verlustes zu jener Zeit? Jemanden zu verlieren, den man liebt und der einen geformt hat, fühlt sich schrecklich an.

Trotzdem ist es wahr, dass wir den Fluss dieser Momente, einen nach dem anderen, niemals aufhalten können. Wir können unser Leben wie ein Fels fristen, nichts fühlen, uns mit niemandem verbinden. Diese Körper, die wir bewohnen, verfügen nicht über unendliche Momente, es ist wahr – wir können unser eigenes Leben verlieren, sogar als Felsen. Trotzdem scheint diese angespannte Sehnsucht nach Dauerhaftigkeit, nach dem Festhalten an jenen, die wir lieben, und an unserem eigenen Leben angesichts der unvermeidlichen Vergänglichkeit des Lebens ein zutiefst menschlicher Kampf zu sein. Das Wesen dieses Umstands wurde von einem lieben Freund der Familie, dem kürzlich verstorbenen Dichter und Philosophen, John O-Donohue, auf schöne Art und Weise zum Ausdruck gebracht. Am Vorabend seines Todes, als er während eines Radiointerviews danach gefragt wurde, ob ihn irgendetwas immer noch plagen würde, sagte er, dass „die Zeit wie feiner Sand in seiner Hand wäre“ und was immer er auch tun würde, er sie nicht festhalten könnte.

Während ich Ihnen jetzt über Tom schreibe, kann ich mich an das gleiche Gefühl des Untergehens erinnern, das ich damals hatte. Die Wiedererinnerung an Tom lässt Verzweiflung aufkommen, und diese weitet sich aus, wenn ich über Bob und John spreche, weil sie alle Teil einer Reihe von Verlusten sind, Menschen, die mir so viel bedeuteten, es immer noch tun. Trauer braucht seine Zeit, um sich zu lösen, sagen sie. Da aber Zeit nicht real sein könnte, was ist es dann, was Trauer braucht? Die Trauer löste in mir ein Gefühl der Lähmung aus, und zuweilen wurde ich von plötzlich eindringender Traurigkeit und von Bildern aus der Vergangenheit ergriffen. Es gab keine offenen Momente mehr, um ein Treffen mit Ton zu vereinbaren, keine weiteren Optionen für Verbindungen. Es gab eine Art aktiver Trauer, der jede Leichtigkeit mangelte und die sich einfach furchtbar anfühlte. Ich würde es nicht als Krankheit bezeichnen, aber es war das Gegenteil von „Leichtigkeit“ respektive „Entspannung“4. Ich war nicht in Ordnung, sondern in „Un-Ordnung“5. Ich war zuweilen nicht funktionsfähig, voller „Störungen“6. Ich war nicht im Einklang, hatte kein Wohlbefinden.

Was bedeutete dies, einen Geist zu haben, der sich nicht wohlfühlte?

Was macht das Wohlbefinden aus, können wir uns also fragen. Was heißt es, sich „nicht wohlzufühlen“?

Sie könnten sagen, dies war in Anbetracht von Toms Tod natürlich, und ich würde Ihnen zustimmen. „Dan, seien Sie nicht so hart zu sich selbst, Sie haben eine Person verloren, die wie ein Vater zu Ihnen war.“ Ja, Sie haben Recht, danke. Aber was kann man aus dieser Erfahrung lernen, fragte ich mich. Könnte Trauer ein Fenster zu einer zeitweiligen Form der Herausforderung des Wohlbefindens sein? Könnten wir etwas aus dieser subjektiven Erfahrung der Trauer lernen, das eine objektive Sichtweise dessen anregen könnte, was ein gesunder Geist sein könnte?

All diese auf einmal stattfindenden Dinge erschütterten meinen Gleichgewichtssinn. Im Laufe der Monate schlich sich so etwas wie Erleichterung ein, da ich zu akzeptieren vermochte, dass die Realität des Verlustes es zuließ, dass diese Momente aus der Vergangenheit, meine Verbindung mit Tom in Echtzeit, nun fixiert waren und nicht mehr verändert werden konnten, ganz gleich, was jemand tat. Dies war eine Art Wahrheit, die mich erfüllte. Trauer und Versöhnung führen zur Akzeptanz, die Vergangenheit nicht ändern zu können. Diesen Prozess zu durchlaufen erforderte es, dass ich eine Art von persönlichem, von Tom geformten Selbst losließ, um eine neue Emergenz „meiner selbst“ zu ermöglichen, die Tom und unserer Verbindung gefallen könnte, selbst wenn ich ihn nicht anrufen oder eine Reise planen konnte, um ihn zu sehen.

Die Arbeit am ersten Buch in jenen Jahren kreiste auch um eine Art von Wahrheit. Es handelte sich um ein Projekt, das größer war als dieses persönliche Selbst. Aus dem grünen Tagebuch ging eine neue Reihe von Schriften hervor, Dinge, die ich durch das Nachdenken über den Verlust Toms gelernt hatte. Es gab da etwas herauszufinden über meine Beziehung zu Tom und über unsere wissenschaftliche und gesellschaftliche Sichtweise dessen, wer wir sind und was uns formt, das alles aus dem gleichen Stoff gewoben zu sein schien.

Doch was geschah? Was konnte uns diese Trauer über den Geist mitteilen?

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