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Eine Woche nach unserem ersten Treffen begab ich mich auf einen sehr, sehr langen Spanziergang am Strand, richtete meinen Blick auf die Wellen am Strand, wo ich aufgewachsen war, wanderte die Küstenlinie der Bucht von Santa Monica auf und ab und stellte mir Fragen. Über jenen Ort nachzudenken, an dem das Meer auf das Land trifft und an dem ich mein Leben gelebt hatte, dort auf jenem Sandstrand, erfüllte mich mit einem Gefühl der Kontinuität, etwas, das Damals und Jetzt, Wasser und Land miteinander verknüpfte. Ich hatte den Eindruck, dass Wellen, Energiewellen, ein Element darstellten, das Gehirn und Beziehungen gemeinsam war. Wellen verändern sich ständig, entfalten sich in jedem Augenblick auf neu auftauchende Arten und Weisen, bilden Muster, die dynamisch sind – das heißt, dass sie aufsteigen und fallen, sich verändern, sich gegenseitig beeinflussen.

Energiewellen tauchen als Muster auf, als Veränderungen des Energieflusses von Moment zu Moment. Energie tritt in unterschiedlichen Formen auf, wie Licht oder Klang, als eine Reihe von Frequenzen und als Amplitudenverteilung. Selbst Zeit kann mit dem Auftauchen von Energiemustern in Verbindung gesetzt werden, wie moderne Physiker es nun aufgrund ihrer neuen Sichtweisen der Natur von Energie und Realität erforschen. Diesen neuen Sichtweisen zufolge beeinflussen die festen Energiewellen der Vergangenheit das Entstehen von Wellen in der Gegenwart und formen die Entfaltung der potenziellen neuen Wellen. Fix, entstehend und offen, könnte Zeit selbst die Veränderung von Energie entlang eines Spektrums zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit mit sich bringen.

Energie, sagen Physiker, wird am besten beschrieben als ein Potenzial, etwas zu tun. Dieses Potenzial wird gemessen als die Bewegung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit entlang eines Spektrums von Wahrscheinlichkeiten, was manchmal als Wellenfunktion oder Wahrscheinlichkeitsverteilungskurve bezeichnet wird. Wir erfahren diesen Energiefluss nicht als eine irgendwie magische, nicht wissenschaftliche Sache, sondern als fundamental für die Welt, in der wir alle leben. Wir mögen die Energiefelder, die uns umgeben, nicht sehen, wie es der berühmte Wissenschaftler Michael Faraday vor zwei Jahrhunderten bei seiner Entdeckung der Elektrolyse und des Elektromagnetismus beschrieb, aber sie sind real. Wir mögen desgleichen auch oftmals die Ursprünge der Energie als ein Meer des Möglichen nicht spüren, aber wir erfahren in unserem Gewahrsein die Herausbildung des Möglichen zum Wirklichen, Tatsächlichen. Das ist der Energiefluss, die Veränderung dieser Wahrscheinlichkeitsfunktion. Das Licht ist aus, nun ist das Licht an. Der Raum ist still, nun sprechen Sie. Sie sehen jemanden auf sich zukommen, einen lieben Freund, und werden Zeuge einer warmen Willkommensumarmung. Das ist die Transformation von Möglichkeit in Wirklichkeit. Es ist der Energiefluss, den wir jeden Moment unseres Lebens erfahren.

Einiges an diesem eintretenden Energiefluss hat symbolischen Wert mit einer Bedeutung jenseits der Energiemuster selbst. Ich weiß von der Kognitionswissenschaft, dass solch eine symbolische Bedeutung „Information“ genannt werden könnte. Ich schreibe oder spreche Kauderwelsch, und es könnte keine Bedeutung haben. Aber ich schreibe oder sage, „Golden Gate Bridge“, und voilà, Energie besitzt Information – sie steht für etwas anderes als die reine Form von Energie, die sich aus einem Meer an Möglichkeiten in diese eine Wirklichkeit manifestiert hat. Nun sage ich „Eiffelturm“, und aus dem weiten Meer fast unendlicher Potenzialitäten taucht dieses eine Energiemuster auf, eine Information, die sich als sprachliches Symbol dieser architektonischen Struktur in Paris manifestiert.

Doch nicht alle Energiemuster enthalten Informationen. Daher könnte das Element, das Gehirn und Beziehungen gemeinsam haben, Energie selbst sein; oder, um vollständig zu sein, jenes gemeinsame Element könnte einfach „Energie und Information“ genannt werden. Wenn sie danach gefragt werden, legen viele Wissenschaftler dar, dass alle Informationen von Energiewellen oder Energiemustern mitgeführt werden. Andere Wissenschaftler sehen das Universum als grundlegend aus Informationen bestehend an, wobei Energiemuster aus jener Basis der Realität auftauchen, ein aus Informationen konstruiertes Universum. Dergestalt drücken sich Informationen selbst in jeder Sichtweise mittels Energieumwandlungen aus, die Entfaltung des Potenzials, etwas zu tun, in ein reales Etwas. Das ist Energie in einer Nussschale. Beide Begriffe, Energie und Information, könnten eine brauchbare Grundlage der Betrachtung darstellen, vor allem dann, wenn beide Perspektiven zu einem einheitlichen Konzept zusammengefügt werden.

Diese Muster oder Wellen entstehen, wenn sich Energie in der Zeit verändert, wenn sie fließt, sich jeder Augenblick in der Gegenwart entfaltet. Für unsere Erfahrung des geistigen Lebens, das sich ständig entwickelt und verändert, scheint der Begriff des Flusses [bzw. des Fließens, A.d.Ü.] gut zu passen. Selbst wenn der Vorschlag einiger Physiker, dass Zeit kein einheitlicher Prozess sei, wie wir ihn uns vorstellen, sich als wahr herausstellt, ist jene Zeit keine in sich verschiedene Entität in der Welt, die fließt, als vielmehr ein mentales Konstrukt unseres Gewahrseins der Veränderung; alle Wissenschaftler stimmen darin überein, dass die Realität von Veränderung erfüllt ist, wenn nicht durch die Zeit, dann durch den Raum oder durch die Wahrscheinlichkeitskurve. Veränderung entlang der Wahrscheinlichkeitskurve meint die Bewegung der Energie entlang des Spektrums zwischen offenem Potenzial und Realisation als Tatsächlichkeit. Daher können wir den Begriff Fluss verwenden, um die Veränderung durch die Zeit oder den Raum oder die Wahrscheinlichkeit oder vielleicht irgendeinen anderen Aspekt der Realität zu kennzeichnen. Fluss bedeutet Veränderung. Wir können die Wendung „durch die Zeit“ wie in „Fluss der Zeit“ verwenden, um einfach diesen Fluss nachzuvollziehen, die verschiedenen Dimensionen der Veränderung in unserer gelebten Wirklichkeit. Und daher könnte der grundlegende Ausdruck für dieses vorgeschlagene zentrale Element des Geistes „Energie- und Informationsfluss“ sein.

Ich hatte damals, wie heute noch, den Eindruck, dass man vorschlagen könnte, dass der Energie- und Informationsfluss das zentrale Element eines Systems ist, das der Ursprung des Geistes ist.

Aber was ist dieses System, aus dem der Geist entsteht? Was ist es, was sind seine Grenzen und was sind seine Eigenschaften? Das Grundelement dieses Systems könnte Energie- und Informationsfluss sein – doch wo taucht dieser auf?

Den Strand entlanggehend und die Wellen beobachtend, schien es mir, dass das Ufer sowohl vom Sand als auch vom Meer gebildet wurde. Die entstehende Küstenlinie ergab sich aufgrund des Sandes und des Meeres, nicht aufgrund eines der beiden. Die Küste war sowohl Strand als auch Meer.

Könnte der Geist, irgendwie, sowohl innerhalb als auch dazwischen sein?

Energie und Informationen fließen durch den ganzen Körper, nicht nur durch das Gehirn. Energie und Informationen fließen auch zwischen einer Person und anderen Menschen in Kommunikationsmustern und in Verbindungen mit der weiteren Umgebung, in der jene Person lebt – wie diese von mir an Sie durch das Buch übermittelten Worte. Wir können sagen, dass der Energie- und Informationsfluss zwischen unserem Körper und den nicht körperhaften Komponenten der Welt stattfindet – die Welt der „anderen“ und unserer Umgebung – genauso wie in uns selbst – innerhalb unseres Körpers, einschließlich des Gehirnes. Ich setze das Wort andere in Anführungszeichen, um uns daran zu erinnern, dass dies lediglich ein Wort ist – die Vorstellung eines Selbst respektive eines Ich versus den anderen müssen wir auf unserem Erkundungsweg vor unserem geistigen Auge behalten.

Aber wenn sich herausstellen sollte, dass Energie- und Informationsfluss ein System bilden, das den Geist entstehen lässt, was könnte der Geist tatsächlich sein? Gefühle, Gedanken und Erinnerungen, könnten Sie sagen. Ja, jene sind wichtige, richtige Beschreibungen des Inhaltes und der Aktivitäten des Geistes. Dies sind Arten und Weisen, mit denen wir die subjektive Realität des mentalen Lebens beschreiben. Viele Disziplinen bieten derart bedeutende Beschreibungen mentaler Prozesse an. Doch was sind diese wirklich? Erstaunlicherweise weiß es niemand genau. Auf der Ebene der Neurowissenschaft versteht niemand – wie wir erwähnt haben –, wie neuronales Feuern die subjektiv wahrgenommene Erfahrung einer Idee, einer Erinnerung oder eine Emotion erzeugen könnte. Wir wissen es einfach nicht.

Jahre später machten der Philosoph und Physiker Michel Bitbol und ich einen langen Spaziergang während eines einwöchigen Zusammentreffens einer Gruppe von rund 150 Physikern, und wir stimmten darin überein, dass die Subjektivität eine „Prime“ [bzw. eine „Primrealität“, A.d.Ü.] des Geistes sein könnte – etwas, das auf nichts anderes reduziert werden kann. Ich konnte dann sehen, dass subjektive Erfahrung als etwas Wichtiges aus dem Energie- und Informationsfluss entstehen könnte. Wie das geschieht, wissen wir einfach nicht. Aber als etwas Wichtiges kann es nicht einfach auf etwas anderes reduziert werden, oder womöglich sogar nur auf einen Ort wie dem Gehirn und seinem Feuern. Aber zumindest eine mögliche Verbindung zwischen subjektiver Erfahrung und Energie- und Informationsfluss identifiziert zu haben, verschafft uns einen Ausgangspunkt, um unser Verständnis des Geistes zu vertiefen. Den Energie- und Informationsfluss als einen grundlegenden Teil eines Systems zu betrachten, das den Geist entstehen lässt, einschließlich seiner subjektiven lebendigen Beschaffenheit, scheint ein angemessener Ausgangspunkt zu sein, um unser Verständnis zu vertiefen.

Da wir desgleichen nicht verstehen, wie das Gewahrsein subjektiver Erfahrung aus dem neuronalen Feuern entstehen kann, könnte diese Erfahrung des Bewusstseins nicht auch hauptsächlich ein Energie- und Informationsfluss sein? Mit anderen Worten, um eine subjektive Erfahrung zu haben, müssen wir gewahr sein, so dass sowohl das Gewahrsein als auch die subjektiven Erfahrungen, die das Gewahrsein ermöglichen, eine Primrealität des Energie- und Informationsflusses sind. Dies erklärt in keiner Weise wirklich, wie diese wichtigen Aspekte des Geistes tatsächlich entstehen, aber es weist uns zumindest die richtige Richtung auf unserem Weg.

 

Wir können auch jenseits der Primrealität von Subjektivität und vielleicht von Bewusstsein selbst gehen und nach der Informationsverarbeitung unseres Denkens, Erinnerns oder wertenden emotionalen Lebens fragen. Was stellen diese mentalen Aktivitäten dar?

Wenn ich Sie bitte, mir zu sagen, was beispielsweise ein Gedanke ist, könnten Sie es als schwierig empfinden, genau auszudrücken, aus was diese häufig auftretende mentale Aktivität besteht. Das Gleiche könnte geschehen, wenn Sie ein Gefühl betrachten und zu sagen versuchen, was es mit diesem auf sich hat. Was eine Emotion wirklich ist, weiß im Grunde niemand. Es gibt viele Beschreibungen dessen, was ein Gedanke oder ein Gefühl umfasst, publiziert in einer Überfülle von Büchern und Aufsätzen, doch selbst wenn Sie diese anspruchsvollen wissenschaftlichen, philosophischen und kontemplativen Sichtweisen berücksichtigen oder dies direkt mit ihren Autoren diskutieren, bleibt die Kernessenz von Gedanken und Gefühlen, meiner Ansicht nach, recht schwer zu fassen.

Wir könnten zumindest etwas Spezifischeres über den Geist sagen, und zwar im Sinne subjektiv erfahrener Muster eines Energieflusses, die manchmal Informationen enthalten. Das ist ein sehr guter Ausgangspunkt, da wir damit beginnen können, den Energie- und Informationsfluss als den Ursprung des Geistes ausfindig zu machen und seine Verortung sowohl innerhalb des Gehirnes als auch an anderen Stellen anzusetzen.

Wir haben ein Gehirn im Körper, ein verkörpertes Gehirn. Wir haben auch Beziehungen zu anderen Menschen und zum Planeten, unsere relationale Realität, und wir haben einen Energie- und Informationsfluss in uns (durch die Mechanismen des Körpers, einschließlich seines Gehirnes) und zwischen uns (in unserer Kommunikation innerhalb von Beziehungen).

Großartig. So klären wir das Grundelement (Energie- und Informationsfluss) und die Verortung (innerhalb und zwischen) eines möglichen Systems des Geistes. Wir beginnen Aspekte des Was und Wer des Geistes stärker zu beleuchten.

Dies ist, ich weiß, nicht die Art und Weise, in der Menschen oft über ihr Leben schreiben oder sprechen. Die Vorstellung, dass sich etwas sowohl in uns als auch zwischen uns befindet, zwei Orte zugleich, könnte seltsam, nicht eingängig und sogar schlichtweg falsch erscheinen. Als ich mich darauf vorbereitete, diese Sichtweise der Gruppe von 40 im Herbst 1992 vorzustellen, beunruhigte es mich, dass diese Sichtweise seltsam und unbegründet erscheinen würde. Doch lassen Sie uns ein paar der Implikationen dieser Ideen erkunden und sehen, wohin sie uns führen.

Wenn dieses verkörperte und relationale System aus Energie- und Informationsfluss die Quelle des Geistes ist, was genau könnte der Geist innerhalb dieses Systems sein? Ja, wir gehen davon aus, dass das System aus Energie und Informationen besteht, und diese verändern sich mit der Zeit, dem Raum und der Wahrscheinlichkeitsverteilung oder in einer anderen fundamentalen Art und Weise. Dieser Wandel, diese Veränderung wird Fluss genannt. Und wir schlagen vor, dass dieser Fluss sowohl innen als auch zwischen stattfindet.

So sind wir näher dran. die mögliche Grundlage des Was und Wo des Geistes zu erhellen.

Doch was könnte der Geist tatsächlich innerhalb dieses Systems sein? Vielleicht sind unsere mentalen Aktivitäten einfach Primrealitäten des Energie- und Informationsflusses, wie sie sich in und zwischen uns entfalten. Dergestalt ist das System selbst die Quelle des Geistes. Doch jenseits der Geistesaktivitäten wie etwa in Gestalt von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, jenseits der Informationsverarbeitung und jenseits des Bewusstseins und seiner Primrealität subjektiv gefühlter Strukturen könnte der Geist auch mehr umfassen? Könnte eine Definition des Geistes als etwas, das mit einem Energie- und Informationsfluss zu tun hat, jenseits dieser üblichen Beschreibungen formuliert werden?

Um diese grundlegenden Fragen anzugehen, müssen wir die Natur dieses Systems analysieren, von dem wir ausgehen, dass es den Geist entstehen lassen könnte.

Das System des Energie- und Informationsflusses in und zwischen uns verfügt über drei Eigenschaften: 1) Es ist offen für Einflüsse außerhalb seines selbst; 2) Es kann chaotisch, bedeutsam, unbestimmt und in seiner Entfaltung zufällig sein; und 3) Es ist nicht-linear, was bedeutet, dass kleine Inputs zu großen, nicht leicht vorhersagbaren Ergebnissen führen. Diese drei Kriterien ermöglichen es Mathematikern, für einige insbesondere das dritte, ein System als komplex zu definieren; offen, potenziell chaotisch und nicht-linear.

Einige Menschen hören den Begriff komplex und werden nervös. Sie möchten verständlicherweise mehr Einfachheit in ihrem Leben haben. Aber kompliziert zu sein ist nicht das Gleiche wie komplex zu sein. Komplexität ist in vielerlei Hinsicht auf elegante Art und Weise einfach.

Wenn Sie über Ihr eigenes Leben, Ihre Innere Erfahrung und Ihre relationalen Welten nachdenken, bemerken Sie, dass diese drei Charakteristika gegenwärtig sind? Während des Spaziergangs am Strand dachte ich über mein eigenes Leben nach, über die Erfahrung des Geistes und stellte mir vor, wie offen, potenziell chaotisch und nicht-linear es gewesen war. Wenn Sie auch so fühlen, dann könnten Sie die sich ergebende Schlussfolgerung verstehen und vielleicht sogar die Aufregung, sagen zu können, dass der Geist ein Aspekt eines komplexen Systems ist.

Große Sache. Doch warum sollte sich jemand darum kümmern?

Nun, die Bedeutung dieser Sichtweise beruht auf den Implikationen, die sich mit den folgenden Fakten und der induktiven Schlussfolgerung ergeben. Ein System besteht aus interagierenden Grundelementen. Eine Eigenschaft komplexer Systeme besteht darin, dass sie über emergente Eigenschaften verfügen – Aspekte des Systems, die sich einfach aus der Interaktion von Elementen des Systems ergeben. In diesem Fall des Systems des Geistes sind die Elemente, die wir als die Grundzüge, die Essenz dieses Systems, vorschlagen, Energie und Information. Die Modalitäten, in denen diese Elemente interagieren, werden im Energie- und Informationsfluss offenbar. Das ist das Was des Geistes, zum Teil. Und das Wo? In uns – innerhalb des Körpers als einem Ganzen, nicht nur im Kopf – und zwischen uns – in unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu unserer Umgebung, zur Welt.

In Ordnung, das ist das Wo und das Was zum Teil – etwas, das auf natürliche Art und Weise aus dem Energie- und Informationsfluss innen und zwischen entsteht.

Gut. Als Nächstes sehen wir, dass eine emergente Eigenschaft komplexer Systeme einen faszinierenden Namen hat: Selbstorganisation. Direkt aus der Mathematik kommend, ist der Prozess der Selbstorganisation die Art und Weise, in der ein komplexes System sein eigenes Werden reguliert. Mit anderen Worten, das Entstehen aus einem System (der emergente Aspekt) ist eine Art Prozess, der in einer rekursiven, selbstverstärkenden Manier seine eigene Entfaltung (Selbstorganisation) organisiert.

Wenn sich das nicht eingängig anfühlt, sind Sie nicht allein. Was das bedeutet, ist, dass etwas entsteht, das zurückkehrt und das reguliert, aus dem es entstanden ist. Das ist der emergente, selbstorganisierende Aspekt eines komplexen Systems.

Ich fragte mich, was wäre, wenn der Geist die selbstorganisierende Fähigkeit des Energie- und Informationsflusses wäre, während er sich in und zwischen uns entfaltet?

Andere hatten das Gehirn als ein selbstorganisierendes System beschrieben, aber was wäre, wenn der Geist nicht bloß auf das Gehirn beschränkt wäre? Einige Denker haben den Geist als verkörpert beschrieben (Varela, Thompson & Rosch, 1991). Doch was wäre, wenn der Geist nicht ganz, nicht vollständig verkörpert wäre, sondern auch ganz, vollständig relational? Was wäre, wenn das ganze System nicht auf den Schädel beschränkt, nicht einmal von Haut begrenzt wäre? Könnte jenes System nicht ein ganzheitliches sein, ein offenes, potenziell chaotisches, nicht-lineares System eines Energie- und Informationsflusses, das sowohl in als auch zwischen uns liegt? Und wenn ja, könnte es nicht eine mathematisch untermauerte Idee eines emergenten selbstorganisierenden Prozesses geben, der sowohl aus dem Innen- als auch dem Zwischen-Sein entsteht? Statt an zwei Orten zugleich zu sein, ist das System des Energie- und Informationsflusses ein System, ein Ort, der nicht an unsere Gehirne oder Körper gebunden ist.

Schädel und Haut sind keine limitierenden Grenzen des Energie- und Informationsflusses.

Das Innerhalb- und Zwischen-Sein dieses einen Prozesses des Geistes zu akzeptieren war und bleibt etwas, das nicht dem entspricht, wie Akademiker oder Kliniker über das mentale Leben zu reden pflegen. Ein Prozess, der in und zwischen uns verteilt ist? Oberflächlich betrachtet, macht das keinen Sinn. Doch dies war die Grundidee, die mich innerlich bewegte, inmitten eines Meers von Vorstellungen vom Geist als bloßer Gehirnaktivität in diesem Jahrzehnt des Gehirnes.

Jenseits der wichtigen subjektiven Qualität des Geistes, jenseits sogar unseres Gewahrseins dieser Subjektivität und vielleicht sogar getrennt von unserer Informationsverarbeitung, war die Idee diese: Könnte ein Aspekt des Geistes als eine sich selbstorganisierende, emergente Fähigkeit dieses komplexen Systems verkörperten und relationalen Energie- und Informationsflusses gesehen werden?

Ich kehrte von jenem Spaziergang am Strand zurück und las mehr darüber, um mich für das nächste wöchentliche Treffen vorzubereiten, und es war verblüffend. Ich konnte in der Literatur nichts darüber finden, um die Verbindung des Verkörperten mit dem Relationalen zu untermauern, aber es schien mir eine logische Schlussfolgerung aufgrund der Mathematik der komplexen Systeme und des Nachsinnens über den Geist als Teil eines offenen, potenziell chaotischen, nicht-linearen Systems unseres Lebens zu sein. Wenn man das Grundelement als Energie- und Informationsfluss ansah, dann könnte vielleicht gemeinsam eine Brücke gebaut werden, die das Lebenswerk sowohl der Neurowissenschaftler als auch der Anthropologen und aller im Raum Befindlichen verbinden würde. In dieser nächsten Woche schlug ich den 40 versammelten Akademikern vor, dass wir folgende Arbeitsdefinition dieses einen Aspektes des Geistes in Betracht ziehen könnten: ein verkörperter und relationaler, selbstorganisierender, emergenter Prozess, der den Energie- und Informationsfluss sowohl innen als auch dazwischen reguliert.

In zusammengefasster Form, dieser sich selbstorganisierende Aspekt des Geistes kann kurz definiert werden als ein verkörperter und relationaler Prozess, der den Energie- und Informationsfluss reguliert.

Wo tritt dies auf? In Ihnen und zwischen Ihnen. Was ist es? Zumindest ein Aspekt des Geistes – nicht die Totalität des Geistes, aber ein wichtiger Zug – kann als ein sich selbst organisierender Prozess betrachtet werden, der aus dem Energie- und Informationsprozess in und zwischen uns entsteht und diesen reguliert.

Dieser Vorschlag eines Aspektes des Geistes als eines verkörperten und relationalen sich selbstorganisierenden, emergenten Prozesses des Energie- und Informationsflusses erklärt nicht die Primrealität subjektiver Erfahrung, aber könnte sich als mit ihr verbunden herausstellen, und zwar auf Arten und Weisen, die wir noch nicht verstehen. Oder es könnte sein, dass die subjektive Erfahrung gelebten Lebens, obgleich vielleicht eine emergente Eigenschaft des Energieflusses, etwas ist, das sich von der Selbstorganisation unterscheidet. Wir werden dieser Frage auf unserer Reise nachgehen,

Diese Sichtweise erklärt nicht das Bewusstsein, unsere Fähigkeit, gewahr zu sein und eine Wahrnehmung des Wissens zu haben. Innerhalb dieses Bewusstseins haben wir auch ein Gewahrsein des Wissens, und sogar eine Wahrnehmung des Wissenden. Aber diese Aspekte des Bewusstseins – wie die subjektive Erfahrung, die wir beim Gewahrsein haben – könnte desgleichen aus dem Energiefluss entstehen, sich aber letztlich von dem selbstorganisierenden Aspekt des Geistes unterscheiden.

 

Auch die Informationsverarbeitung könnte ein Teil der Selbstorganisation sein, obgleich die Vorstellung einer Regulation des Energie- und Informationsflusses, in jeder dieser Facetten des Geistes, höchstwahrscheinlich mit der Selbstorganisation verknüpft zu sein scheint. Wir werden die Wechselbeziehungen dieser vier genannten Facetten des Geistes im Auge behalten; Subjektivität, Bewusstsein, Informationsverarbeitung und Selbstorganisation. Jede von ihnen könnte verkörpert und relational sein, aber die genauen Wechselbeziehungen dieser Facetten werden im Brennpunkt unserer Erkundungsreise stehen.

Es ist auch wichtig, anzumerken, dass dieser Aspekt der Selbstorganisation des Geistes – obgleich die subjektive Realität, das Bewusstsein und sogar die Informationsverarbeitung letzten Endes innerhalb unseres Körpers, vielleicht sogar dominant im Gehirn, verortet sein könnte – auf beide, den Körper wie die Beziehungen, verteilt sein könnte. Je mehr wir jedoch Phänomene wie das Cloud-Computing [dt. „Datenwolken“, A.d.Ü.] und die Arten und Weisen betrachten, auf denen miteinander verbundene Computer gemeinsam zur Informationsverarbeitung beitragen können – eine Verarbeitung, die zumindest teilweise von den Absichten der Menschen gesteuert ist –, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Innen- und Zwischen-Sein ein fundamentaler Part der Informationsverarbeitung eine Facette des Geistes ist. Wir werden diese Probleme noch eingehender auf unserer Weiterreise erkunden, einschließlich des Bewusstseins und seiner wahrgenommenen Subjektivität.

Es ist diese Differenzierung der Facetten des Geistes, die uns helfen kann, freier und ganzheitlicher bei unserem Erkundungsversuch, den Geist zu definieren. Diese sorgfältigen Unterscheidungen könnten auch hilfreich sein, einige der Spannungen zwischen den Forschern zu reduzieren, die verschiedene Facetten mentaler Erfahrung studieren könnten, ohne zu bemerken, dass diese differenzierte Aspekte einer einzigen Realität sein könnten, der Realität des Geistes. Sprache und sorgfältige Reflexion könnten Klarheit schaffen, die kollaborative Verbindungen fördern könnte.

Damit ganz klar ist: Diese Arbeitsdefinition des Geistes als eines verkörperten und relationalen selbstorganisierenden Prozesses maßt sich nicht an, die Ursprünge der subjektiven Realität, des Bewusstseins oder der Informationsverarbeitung zu erklären. Aber was sie anbietet, das ist ein übersichtlicher Arbeitsplatz, von dem aus wir uns tiefer in andere wichtige Aspekte des Geistes versenken können. Sie legt nahe, dass diese selbstorganisierende Facette des Geistes auf natürlichem Wege dem Energie- und Informationsfluss entspringt und diesen auch reguliert – in und zwischen uns. Diese Sichtweise klärt nicht nur das Was, sondern auch das Wo dieses Aspektes des Geistes.

Beziehungen sind die Art und Weise, wie wir Energie und Informationen teilen. Die Begriffe Gehirn oder verkörpertes Gehirn beziehen sich auf den verkörperten Mechanismus des Energie- und Informationsflusses. Dieser Vorschlag legt nahe, dass zumindest eine Facette des Geistes der verkörperte und relationale selbstorganisierende, emergente Prozess ist, der aus dem Energie- und Informationsfluss entspringt und diesen reguliert. Mit anderen Worten, der Energie- und Informationsfluss ist verkörpert (das verkörperte Gehirn oder einfach das Gehirn), wird geteilt (Beziehungen) und reguliert (Geist).

Einige Akademiker bekümmerte diese Definition, wie mir ein Professor persönlich mitteilte: „Energie ist kein wissenschaftliches Konzept und sollte niemals dazu verwendet werden, um den Geist zu beschreiben.“ Doch wenn Physik Wissenschaft ist, ist Energie angemessen für einen wissenschaftlichen Vorschlag. Ein anderer Forscher sagte, dass diese Sichtweise „den Geist vom Gehirn trennt“ und „uns in der Wissenschaft zurückwirft“. Aber obwohl wir diese Sorgen ernst nehmen können, bewirkt der Vorschlag, meiner Ansicht nach, genau das Gegenteil. Er bringt die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen eher zusammen, als sie zu trennen, wie das allzu häufige Ergebnis zeitgenössischer Herangehensweisen (siehe Mesquita, Barret & Smith, 2010). Dieser Vorschlag trennt das Gehirn überhaupt nicht vom Geist; er legt vielmehr ihre tiefe Wechselbeziehung nahe. Tatsächlich rückt er ein wichtiges von wissenschaftlicher Seite häufig unbeachtetes, aber grundlegendes Element des menschlichen Lebens und Geistes ins Blickfeld – unsere Beziehungen zueinander und zur Welt, in der wir leben.

Gehirn, Beziehungen und Geist sind drei Aspekte einer Realität: Energie- und Informationsfluss. Diese Perspektive kann als Dreieck menschlicher Erfahrung angesehen werden.

Diese Sichtweise teilt die Wirklichkeit nicht in voneinander getrennte, unabhängige Stücke; sie anerkennt vielmehr ihre miteinander verbundene Natur.

Beziehungen, das verkörperte Gehirn und der Geist sind drei Aspekte einer Realität, wie die beiden Seiten und der Rand einer Münze. Der Geist ist Teil eines komplexen Systems mit dem fundamentalen Element des Energie- und Informationsflusses. Die eine Realität dieses Systems ist im Energie- und Informationsfluss geteilt, verkörpert und reguliert.


Das Dreieck menschlicher Erfahrung: Energie- und Informationsfluss.

Diese Definition erhellt auch einige der fundamentalen Vorstellungen des Wer, Was, Wo, Wie und Warum des Geistes. Wer wir sind, wird durch den Energie- und Informationsfluss geformt. Was wir sind, ist das Teilen,

Verkörpern und die Regulation dieses Flusses. Wo wir sind, ist sowohl im Körper, in den wir hineingeboren wurden, und in den Beziehungen, die den Körper mit anderen Menschen und anderen Orten verbinden, anderen Entitäten jenseits der Körpers selbst. Wie sich all dies entfaltet, werden wir im nächsten Beitrag tiefgehend erkunden – aber aus dieser Perspektive können wir sehen, dass der Geist eine emergente Eigenschaft unseres Innen- und Zwischen-Seins ist. Das Warum ist eine große philosophische Frage, aber aus der Perspektive eines komplexen Systems betrachtet, könnte das Warum einfach ein Ergebnis der Emergenz der Komplexität, der Fähigkeit zur Selbstorganisation sein.

Und was hat es mit dem Wann des Geistes auf sich? Unsere Wahrnehmung des Wann entfaltet sich, wenn Energie entsteht, von Augenblick zu Augenblick – sogar dann, wenn wir über die Vergangenheit nachdenken oder uns die Zukunft vorstellen. Emergenz findet jetzt statt, und jetzt, und jetzt. Auf einer Erfahrungsebene ist der Fluss die Entfaltung des Jetzt aus dem Offenen über das Emergente hin zum Fixen, wie wir bei dem Versuch gesehen haben, die Vorstellung von Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit neu auszurichten. Wenn Zeit nicht als Entität existiert, die selbst fließt, wie wir erwähnten, dann kann der Begriff des Flusses in unserer Definition einfach als eine bedeutsame Veränderung angesehen werden. Ja, etwas kann sich über die Zeit verändern, aber Veränderung entfaltet sich im Raum und kann sich sogar über andere Aspekte von Energie und Informationen wie etwa die Bewegung der Position entlang der Wahrscheinlichkeitsverteilungskurve entfalten. Transformationen in Mustern, Veränderungen in der Wahrscheinlichkeitsverteilung und Wechsel in vielen Aspekten der Energie wie Dichte, Amplitude, Frequenz und sogar Form sind das, was der Energiefluss nach sich zieht.

Daher ist jetzt jetzt. Und Veränderung ist meistens unvermeidlich.