Andor - Reise durch das Weltentor

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Wieder ein Volltreffer. Zwar wurde der Aufprall durch das Wasser gebremst, doch der Tritt zeigte Wirkung. Horyet sackte in die Tiefe, und ich versuchte an die Oberfläche zu gelangen. Mir wurde langsam schwarz vor Augen. Bloß nicht das Bewusstsein verlieren, ermahnte ich mich.

Du musst es schaffen!, hämmerte es in meinem Kopf. Du musst am Leben bleiben! Ich nahm meine letzten Kräfte zusammen und durchbrach erschöpft die Wasseroberfläche. Mit weit aufgerissenem Mund, saugte ich die Luft gierig ein.

Plumps!

Ich spürte einen dumpfen Aufprall, hustete, keuchte und spie Wasser, dann schnappte ich wieder nach Luft. Als ich den Blick hob, bemerkte ich, dass ich auf dem Marmorboden in der Duschkabine lag. Das Wasser aus dem Duschkopf spritzte mir ins Gesicht.

Ich versuchte langsam und gleichmäßig zu atmen, dabei blieb ich auf dem Boden liegen. Was für eine abgefahrene Scheiße war das denn? Ein Traum war das auf keinen Fall, oder doch?

Ich betrachtete mir mein linkes Fußgelenk und stellte fest, dass es wirklich kein Traum gewesen war. Wie hatte Horyet das gemacht? War ich vor ihm denn nirgendwo sicher?

Langsam erhob ich mich, stellte das Wasser ab und humpelte aus der Dusche. Dann schnappte ich mir ein frisches Handtuch vom beheizten Handtuchhalter und trocknete mich ab. Meine Hände zitterten leicht. Mein nächster Griff holte den weichen Frottee-Bademantel vom Haken, den ich mir schnell überzog.

Ich blickte rasch in den Spiegel. Soll ich mich noch rasieren? Nein, schüttelte ich den Kopf. Mein Herz hämmerte. Wer weiß, was dann geschehen würde. Ich malte mir aus, wie Horyets Hand aus dem Spiegel hervorschoss und wie er mich am Hals packte, würgte und versuchte mich in den Spiegel hineinzuziehen. Nein danke! Auf diese Tortur hatte ich keinen Bock, also verließ ich das Bad und wollte mich kurz in den Sessel setzen und mich von der Strapaze erholen.

Die Polsterung des Sessels war bequem und der Stoffbezug weich. Ich legte meine Füße auf die gepolsterte Fußbank und wollte kurz die Augen schließen.

NEIN! Bloß das nicht! Meine Augen müssen offen bleiben, sagte ich mir im Stillen vor und versuchte mich mit anderen Gedanken ein wenig abzulenken. Das Zimmer ist ganz nett eingerichtet, nickte ich zufrieden und warf einen Blick auf die flauschigen Teppiche, die auf dem hellbraunen Parkettfußboden lagen. Die braunen Möbel sind im Biedermeier Stil und vermutlich aus Kirschbaumholz, dachte ich. Ich warf einen Blick zur Seite und bewunderte den großen Schreibtisch.

Erinnerungen wirbelten durch meinen Kopf wie ein Blitzgewitter: Mein Leben war eine Lüge, meine Vergangenheit ein Rätsel. Wer war ich in Wirklichkeit? Waren meine Träume Erinnerungen an mein früheres Leben? War ich wirklich von einem anderen Planeten? Es war zum Kotzen. Mein Leben war völlig aus den Fugen geraten. Ich war hier, um ein dämliches Tor zu finden, das in eine andere Welt führen sollte. Und dann? Was sollte ich tun, wenn ich dieses verflixte Tor, wie immer es auch aussehen mochte, gefunden hatte?

Als ich einen Blick auf meine Armbanduhr werfen wollte, stellte ich fest, dass ich sie nicht angezogen hatte. Sie musste noch im Bad liegen. Ich ging sie holen und kehrte in den Sessel zurück. Ein wenig Zeit blieb mir noch.

Natürlich konnte ich eine Bombe bauen und das verdammte Tor in die Luft jagen. Als ich weiter darüber nachdachte, kam mir der Gedanke: Was wäre, wenn dieses verflixte Tor in einem bewohnten Gebiet auftauchen würde? Oder in einem Bahnhof, oder auf einem Flugplatz, oder in einem Park? Sollte ich dann immer noch dieses verfluchte Ding in die Luft sprengen? Nein! Also musste ich mir eine Alternative überlegen. Aber wie sah sie aus? Kommt Zeit, kommt Alternative, sagte ich mir im Stillen vor und erhob mich aus dem Sessel. Langsam wurde es Zeit sich fertig zu machen und in die Bar zu gehen. Also zog ich mich an. Ich entschied mich für das blaue Hemd und den dunkelbraunen Anzug.

Was sollte ich mitnehmen? Die Visitenkarte von John Smith dem Privatdetektiv hatte ich in meinem Portemonnaie verstaut.

Ich nahm die technische Kugel aus meinem Reisekoffer und betrachtete mir die silbrig glatte Oberfläche, die sich kalt anfühlte. Wofür dieses Ding gut war, wusste ich immer noch nicht. Ich wusste nur, dass es einen Ton abgeben konnte. Ich verstaute das Ding wieder im Reisekoffer.

Mein Blick fiel auf den quadratischen Behälter aus Leder, in dem sich ein weiteres technisches Gerät befand. Wozu dieses Gerät benutzt werden konnte, wusste ich auch nicht. Ich ließ das Ding ebenfalls im Reisekoffer liegen.

Okay, die Laptoptasche wollte ich nicht auf dem Zimmer lassen. Darin befand sich unter anderem ein rätselhaftes, goldenes Medaillon mit einer ovalen silbernen Fläche. Noch ein Rätsel, das ich lösen musste.

Ich schnappte mir das Larat aus dem Reisekoffer. Sollte ich es in die Innentasche meines Jacketts stecken? Etwas zu schwer dafür, stellte ich fest und verstaute es in der Laptoptasche.

Bei dem Gedanken, dass jemand in das Zimmer eindringen könnte und den Reisekoffer durchwühlen würde, schauderte es mich. Was wäre, wenn derjenige die technischen Geräte einstecken und damit verschwinden würde? Wozu ich sie brauchte, wusste ich im Moment noch nicht, aber ich vermutete, dass sie irgendwann wichtig sein würden. Also nahm ich schnell die technische Kugel und den quadratischen Lederbehälter mit dem technischen Gerät aus dem Reisekoffer heraus und verstaute sie ebenfalls in der Laptoptasche.

Noch ein kurzer Blick in den Spiegel, dann verließ ich das Zimmer.

Nicht lügen, sondern beichten

Völlig aufgewühlt hastete ich durch den edlen Flur. Meine Armbanduhr verriet mir, dass ich schon vor zwei Minuten in der Hotelbar hätte sein sollen, dennoch ging ich rasch am Aufzug vorbei in Richtung Treppenhaus.

Mit einem Mal hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden und die Vermutung, dass hinter der nächsten Tür mein größter Feind auf mich lauern würde – Horyet.

In letzter Zeit hatte ich schon allerlei ausgeflippten Kram erlebt. Vor ein paar Tagen glaubte ich noch, dass ich vor meinem Gedächtnisverlust ein bürgerliches Leben geführt und eine Familie hatte – eine Frau, vielleicht sogar Kinder. Auch hatte ich nie die Hoffnung aufgegeben, dass meine Eltern vielleicht noch lebten.

Neben mir öffnete jemand eine Zimmertür. Ich erschrak und trat einen Schritt zur Seite. Ein älterer Mann kam aus dem Zimmer heraus, musterte mich und hob die buschigen Augenbrauen. Dann warf er den Kopf ein Stück in den Nacken und grinste mich an.

»Schreckhaft?«, fragte er.

»Einen langen und schlechten Flug gehabt«, log ich ihn an.

»Der Aufzug ist gleich da vorne«, sagte er und deutete in die Richtung, aus der ich gekommen war.

»Ich nehme die Treppe«, sagte ich. »Will mich ein wenig bewegen.«

Er nickte stumm und ging in Richtung Aufzug.

Schreckhaft, dachte ich. Wenn du den Mist erlebt hättest, der mir widerfahren ist, dann wärst du auch ein wenig schreckhaft, alter Mann.

Okay. Alter Mann war jetzt nicht ganz nett von mir, aber im Augenblick lagen meine Nerven blank. Im Treppenhaus stutzte ich, weil mich Jennifer noch nicht auf dem Handy angerufen hatte.

Mir knurrte leicht der Magen. Wir hätten uns besser im Restaurant verabredet. Na ja, gut, dann nehmen wir erst einmal einen Drink, und dann gehen wir in ein schönes Restaurant.

Wieder warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Sechs Minuten Verspätung. Der Weg hierhin hatte doch länger gedauert, als ich gedacht hatte. Ich hätte wohl doch besser den Aufzug nehmen sollen. Die elegante, bronzefarbene Ausstattung der Hotelbar war die perfekte Umgebung, um einen inspirierenden Cocktail zu genießen. Und genau das sollte ich auch tun. Vielleicht kam ich dann wieder auf andere Gedanken und konnte so meine Schreckhaftigkeit überwinden.

Jennifer saß an der Bar und sah zu mir hinüber. Ihr Blick verriet mir, dass ihr meine Verspätung wohl nichts ausmachte. Sie hatte sich schon ein Getränk bestellt, einen Martini vermutete ich. Als ich näher kam, sah ich in ihrem Gesichtsausdruck, dass gleich eine Flut von Fragen mich überschwemmen würde. Hoffentlich gelang es mir an der Oberfläche zu bleiben und nicht jämmerlich zu ersaufen.

»Hallo, da bin ich«, sagte ich ein wenig verlegen.

»Wird ja auch Zeit«, warf sie mir an den Kopf, aber zwei Sekunden später zeigte sie zu meinem Glück ein leichtes Lächeln. Gleich würde sie loslegen: Wer bist du in Wirklichkeit? Wer war die Kreatur in dem Büro von Giller? Was wird hier gespielt, Bill? Hast du mich die ganzen Jahre über angelogen? Kann ich dir jemals wieder vertrauen?

»Trinkst du etwas?«, fragte sie mit sanfter Stimme.

Ich musste sie wohl verdutzt angestarrt haben, denn sie fragte sofort: »Hast du irgendetwas, Bill?«

»Nein«, schüttelte ich den Kopf.

Ich stellte die Laptoptasche auf dem Boden vor der Theke ab und nahm links neben Jennifer Platz.

»Ist das jetzt die Antwort auf meine erste oder zweite Frage?« Sie zog die Augenbrauen hoch.

Ich lächelte und sagte, als ich gleichzeitig nach der Getränkekarte griff: »Ich werde mir einen Cocktail bestellen, und es ist alles in Ordnung.«

Ich lehnte mich zurück und studierte die Karte. Obwohl Jennifer, wie ich vermutete, massenweise Fragen auf den Lippen lagen, schwieg sie und ließ mich in Ruhe einen Cocktail aussuchen.

Der Barkeeper kam auf uns zu, und ich bestellte einen Snowball.

»Gute Wahl«, sagte Jennifer.

Wir beobachteten wie der Barkeeper Eiswürfel, Zitronensaft, Zucker und Whisky in einen Shaker gab und ihn kräftig schüttelte.

 

»Hätte mir statt einen Martini besser auch einen Cocktail bestellt«, sagte sie.

»Kannst dir ja danach noch einen Cocktail bestellen.«

»Okay«, gab sie mir zu verstehen, als der Barkeeper mit dem großen Becherglas Snowball ankam.

»Ihr Drink«, sagte der Barkeeper.

»Danke«, nickte ich ihm leicht zu.

Ich stieß mit Jennifer an.

»Der ist verdammt gut«, schwärmte ich und stellte das Glas wieder auf der Theke ab.

»Und?«, fragte sie nur.

Der Barkeeper bereitete zwei weitere Cocktails zu. Vermutlich für die beiden Gäste am Tisch rechts hinter uns.

»Das Zimmer ist hervorragend«, lenkte ich ab und warf einen kurzen Blick zum Barkeeper hinüber.

»Ja«, sagte Jennifer langsam und merkte wohl, dass ich wegen dem Barkeeper nicht näher auf ihre Frage eingehen wollte.

Wir beobachteten stumm, wie der Barkeeper einen Caipirinha und einen Sunrise zubereitete. Als er die Cocktails auf ein Tablett stellte und an den Tisch brachte, fragte ich: »Was willst du denn wissen?«

»Alles«, sagte sie leise. »Ich will alles wissen.«

»Okay«, flüsterte ich und griff nachdenklich nach meinem Cocktail, dann erzählte ich ihr, wie ich mein Gedächtnis verloren hatte. Obwohl sie das ja bereits wusste, unterbrach sie mich nicht.

Als ich einen Blick zurück über die Schulter warf, sah ich, wie der Barkeeper durch die Tür verschwand.

Dann erzählte ich kurz von der Katastrophe im Verlag und kam schnell auf mein Erlebnis mit Tricia im Aufzug zu sprechen. Jennifer erfuhr von mir, dass dort ein Monster versucht hatte, Tricia in den Spiegel hineinzuziehen.

»Und warum hatte Tricia nichts davon gesagt?«, unterbrach sie mich, als ich ihr gerade von dem Vorfall mit dem Privatdetektiv John Smith erzählen wollte.

»Sie hatte das Bewusstsein verloren«, antwortete ich kurz.

Der Barkeeper kam pfeifend mit zwei Flaschen Rum zurück.

Jennifer trank ihren Martini aus und griff nach der Getränkekarte.

»Passt bei Ihnen noch alles?«, fragte der Barkeeper freundlich, als Jennifer die Karte beiseite gelegt hatte.

»Einen Blackest Russian«, bestellte sich Jennifer.

»Wow«, sagte ich nur.

»Ja, nach deinen Geständnissen brauche ich einen stärkeren Drink.«

Der Barkeeper schaute mir kurz vorwurfsvoll in die Augen, dann fragte er mich: »Möchten Sie auch noch etwas bestellen?«

»Einen Tequila Caliente, bitte.«

Der Barkeeper nickte mir zu und machte sich an die Arbeit.

»Hast aber einen guten Schluck drauf«, lächelte Jennifer breit.

»Schmeckt mir«, nickte ich.

Mist, dachte ich, ausgerechnet jetzt bekomme ich wieder diese verdammten Kopfschmerzen. Ich werde sie einfach nicht los.

»Ist was, Bill?«, fragte Jennifer.

»Wieder diese blöden Kopfscherzen«, sagte ich.

»Hast du keine Tabletten?«

»Oben im Zimmer vergessen.«

Jennifer öffnete ihre Handtasche und gab mir eine Schmerztablette.

»Danke.«

Ich ließ mir vom Barkeeper ein Glas Wasser geben, dann deutete ich auf den Tisch in der hinteren Ecke.

»Sollen wir uns dorthin setzen?«, fragte ich.

Jennifer nickte mir zu.

Wir warteten geduldig auf unsere Cocktails und beobachteten den Barkeeper bei der Zubereitung des Blackest Russian. Er füllte Tequila, Johannisbeerlikör, Limettensaft, Grenadine und Eiswürfel in ein Becherglas und verrührte es. Dann gab er einen Schuss Sodawasser dazu.

»Wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich unbedingt so ein Cocktailseminar besuchen«, schwärmte ich Jennifer vor.

»Ja, das wäre bestimmt interessant und lustig«, lächelte Jennifer vergnügt »Da mache ich sofort mit«, ergänzte sie.

Der Barkeeper bereitete den Tequila Caliente zu und gab Kaffeelikör und Wodka in ein kleines Becherglas, ließ die Eiswürfel vorsichtig hineingleiten und rührte das Ganze mit dem Barlöffel um. Zack, den Trinkhalm ins Glas und fertig war der Cocktail.

»Bitte sehr«, sagte er.

»Vielen Dank«, nickte Jennifer.

»Danke«, sagte ich und schnappte mir anschließend die Laptoptasche.

Zusammen mit den Cocktails gingen wir an den ausgesuchten Tisch. Hier saßen wir etwas ungestörter, außer Hörweite des Barkeepers und der beiden Gäste am Tisch.

Jennifer probierte ihren Cocktail.

»Super«, schwärmte sie und verdrehte leicht die Augen. »So, Bill, jetzt will ich aber alle Informationen von dir bekommen!« Ihre Stimme klang sanft aber fordernd.

Ich erzählte ihr etwas über den Privatdetektiv John Smith und wie er Anfang der Woche mit einem Aktenkoffer vor meiner Haustür gestanden hatte.

Jennifer hörte mir aufmerksam zu.

Dann erzählte ich ihr von meinen Fundstücken und was ich bis zum derzeitigen Zeitpunkt darüber erfahren hatte. Sie hörte mir sehr interessiert zu und unterbrach mich mit der Frage: »Wäre es vielleicht denkbar, dass die technischen Geräte für deine Kopfschmerzen oder das Brummen in deinem Kopf verantwortlich sind?«

Ich stutzte und schlürfte an meinem Cocktail.

»Entschuldigung«, sagte ich gedankenvoll. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, antwortete ich auf ihre Frage.

An der Geschichte mit dem goldenen Medaillon war sie sehr interessiert und wollte unbedingt wissen, wie es mir gelungen war, in diese Bank einzudringen. Ich erzählte ihr von dem Brief, der mit Geheimtinte geschrieben war, und dem Schließfachschlüssel mit der Nummer 418.

Dann erfuhr ich von Jennifer, dass ihr früher schon so manche Dinge an mir geheimnisvoll vorgekommen waren. Ihre Stimme klang leicht wütend. Welche Dinge meinte sie wohl? Ich wollte sie später danach fragen. Dann machte sie mir Vorwürfe, weil ich sie die ganze Zeit über angelogen hatte.

Ich bemerkte, wie sich ein Gefühl der Unruhe in ihre Wut mischte. Was sollten die Vorwürfe? Ich hatte sie keineswegs angelogen. Obwohl ich doch zugeben musste, dass ich mich ihr wesentlich früher hätte anvertrauen sollen.

»Entschuldigung«, sagte sie leise. »Eigentlich habe ich kein Recht dazu ...«

»Ist schon gut, Jennifer«, winkte ich ab. »Ich hätte dir schon ...«

»Wer war dieser Typ, der wieder von den Toten auferstanden war?«, unterbrach sie mich. »Erzähl mir von ihm«, forderte sie mich auf.

»Dieser Mistkerl«, flüsterte ich und bemerkte, dass ich dabei eine finstere Miene aufgesetzt hatte. »Sein Name ist Horyet«, sagte ich mit fester Stimme.

Jennifer trank an ihrem Cocktail und sah mich erwartungsvoll an. Natürlich wollte ich ihr die Geschichte über diesen mysteriösen Horyet nicht vorenthalten und überlegte, wo ich anfangen sollte.

»Wo ist er dir zum ersten Mal begegnet?«, fragte Jennifer.

Genau, dachte ich. Damit fange ich an. Ich begann damit, wie ich diesem Horyet im Londoner Park begegnet war. Jennifer hörte mir schweigsam zu, und ich wusste in diesem Augenblick nicht, ob sie mir die Geschichte abnahm. Als ich fertig war, trat ein kurzes Schweigen ein.

»Da hattest du aber Glück gehabt, dass diese beiden Männer aufgetaucht waren«, sagte sie. »Wer waren sie?«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Vermutlich vom Geheimdienst«, flachste ich und lachte. »Keine Ahnung, wirklich«, sagte ich mit ernster Miene und ergänzte: »Aber, wenn ich so über alles nachdenke, hätten sie von irgendeiner Sondereinheit sein können.«

Zum krönenden Abschluss kamen wir auf den Namen ANDOR zu sprechen. Als sie von mir erfuhr, dass es sich dabei vermutlich um mich handeln könnte, verlor ihr Gesicht an Farbe. Sie wollte sofort etwas über die außerirdischen Monster und den Krieg erfahren, doch darüber konnte ich ihr nichts berichten.

Unsere Cocktails neigten sich dem Ende zu. Ich überlegte, ob ich noch einen Tequila Caliente bestellen sollte. Jennifer entschied sich für ein Wasser. Es war wohl vernünftiger nicht noch mehr Alkohol zu trinken, also wollte ich mir eine Cola bestellen und winkte den Barkeeper an unseren Tisch.

»Du bist also vermutlich, nun ja, dieser mysteriöse Andor?«, fragte sie nach, als der Barkeeper gegangen war.

»Ja«, nickte ich.

»Das ist alles schwer zu glauben«, schüttelte sie den Kopf.

»Kann ich nachvollziehen. Ich selbst verstehe so vieles noch nicht«, antwortete ich und schüttelte leicht den Kopf dabei.

»Warum wird dieser Krieg geführt? In welchem Sonnensystem befindet sich dein Planet?«, fragte sie.

»Es steht ja noch nicht fest, dass ich von einem anderen Planeten komme«, gab ich ihr zu verstehen. »Ich habe bis jetzt nur davon geträumt, einen Beweis gibt es nicht.«

»Aha.«

»Schau mich an, Jennifer. Sehe ich etwa wie ein Außerirdischer aus?«, flüsterte ich ihr zu.

Sie zögerte.

»Nein«, sagte sie schließlich. »Wie sieht denn ein richtiger Außerirdischer aus?«, lächelte sie charmant.

»Tja«, flüsterte ich. »Also ...«

Dann blitzten düstere Gedanken durch meinen Kopf. Konnte ein Außerirdischer einem Menschen ähneln? Die seltsamen Monster, die ich zu Gesicht bekommen hatte, hatten jedenfalls keine Ähnlichkeit mit einem Menschen. Aber dieser Horyet konnte sich verwandeln und war dann äußerlich nicht von einem Menschen zu unterscheiden.

Der Barkeeper brachte die Getränke und stellte sie auf den Tisch.

»Danke«, sagte ich und griff nach der Cola. Das tat gut. Jennifer griff nach dem Wasser und trank.

»Also, weißt du nichts über einen Krieg?«, hakte sie nach und kniff misstrauisch die Augen zusammen.

»Nein ... ehrlich nicht«, antwortete ich. »Ich habe wirklich keine Ahnung«, betonte ich.

»Ich habe da noch eine Frage ... Bill«, sagte sie gedehnt. »Warum gerade München?«

Die Frage kam spät, aber ... sie kam, dachte ich.

»Willst du es mir nicht verraten?«

Natürlich wollte ich Jennifer darüber nicht im Ungewissen lassen und erzählte ihr, dass ich auf der Suche nach irgend so einem Tor zur Ewigkeit war, das sich irgendwo in München auftun sollte. Wie dieses Tor aber genau aussah und wo es sich öffnen würde, konnte ich ihr nicht sagen. Ich wusste es einfach nicht.

Sie nippte nachdenklich an ihrem Wasserglas.

»Alles in Ordnung?«, fragte ich.

Blöde Frage, ging es mir durch den Kopf.

»Ja«, antwortete sie.

»Gut. Dann können wir ja ein Taxi rufen.«

»Taxi?«, fragte Jennifer erstaunt.

»Ich dachte, du bist vielleicht auch hungrig«, sagte ich.

»Okay, und wohin gehen wir?«, fragte sie gespannt.

Ich bemerkte, wie ich die Stirn krauste.

»Möchtest du thailändisch Essen gehen?«, fragte ich.

»Gerne«, nickte sie.

»Sollen wir zahlen?«, fragte ich.

Sie nickte und griff in die Handtasche.

»Ich lade dich ein«, sagte ich.

»Das ist aber nicht nötig.«

»Lass mich zahlen!«, sagte ich.

»Okay«, lächelte sie. »Danke.«

»Ich hab da eine Idee«, sagte ich und winkte dem Barkeeper zu.

Als er mir die Rechnung präsentierte, blieb mir für einen kurzen Moment die Luft weg. Ich wollte doch nicht die Einrichtung hier erwerben, lediglich die Getränke bezahlen. Dann fragte ich den Barkeeper nach einem thailändischen Restaurant. Natürlich empfahl er zuerst das Hotelrestaurant.

»Haben Sie noch einen anderen Tipp?«, fragte ich höflich.

»Das YUM kann ich sehr empfehlen«, sagte er und erzählte uns etwas von dem Restaurant und der thailändischen Küche dort.

Das Restaurant lag nicht weit von unserem Hotel entfernt – ungefähr zehn Minuten zu Fuß. Wir waren begeistert und ließen uns vom Barkeeper den Weg beschreiben. Dann verabschiedeten wir uns von ihm.

Der Barkeeper ging wieder zur Bar und bereitete für einen Gast einen Cappuccino zu.

»So ein Mist!«, fluchte ich leise, als wir gerade aufstehen und gehen wollten und ich hinter Jennifer jemanden auf uns zukommen sah.