Der Arthur-Schramm-Literaturpreis

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Der Arthur-Schramm-Literaturpreis
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Cristina Zehrfeld

Der Arthur-Schramm-Literaturpreis

oder Ein Drittel von dreißig Prozent für die Besten unter den Schlechten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Arthur-Schramm-Literaturpreis oder Ein Drittel von dreißig Prozent für die Besten unter den Schlechten

Nachtrag

Kein Mensch ist fehlerfrei

Impressum neobooks

Der Arthur-Schramm-Literaturpreis oder Ein Drittel von dreißig Prozent für die Besten unter den Schlechten

Erzgebirgische Künstler haben es gut, denn sie werden in ihrer Heimat geradezu auf Händen getragen. Ich habe das selbst erlebt, denn in unserer Kulturhochburg wird jährlich ein Literaturwettbewerb ausgetragen. Jahr für Jahr habe ich meine besten Texte zu diesem Wettbewerb eingereicht, aber mein Bestes war nie gut genug. Das hat mich zwar geärgert, aber gewundert hat mich das nicht. Literarisch gesehen hat das Erzgebirge eben Weltniveau. Es braucht schon viel Selbstvertrauen, sich mit den wortgewandten Dichtern der Region messen zu wollen. Immer wieder habe ich es versucht, immer wieder war es vergebens. Doch als ich schon beinahe aufgeben wollte, hat sich meine an Sturheit grenzende Ausdauer wider Erwarten ausgezahlt.

Eines schönen Tages war es tatsächlich so weit: Ich war als Preisträgerin dieses unglaublich renommierten Literaturwettbewerbs auserwählt worden. Ausgerechnet in einem Jubiläumsjahr. Der Preis wurde seit zehn Jahren vergeben. Die Preisverleihung im Festsaal des Schlosses zu S. sollte offenbar ganz großes Kino werden. Jedenfalls war der organisatorische Aufwand so unüberschaubar groß, dass die Veranstalter vor lauter Organisiererei glatt vergessen hatten, auch MIR eine Einladung zukommen zu lassen. Fast wäre mir dieses Mega-Ereignis also entgangen. Ich wäre untröstlich gewesen. Aber gerade noch rechtzeitig, nämlich drei Tage vor der großen Bambule, wurde der Lapsus ausgebügelt. Die insgesamt drei Preisträgerinnen (darunter, wie gesagt, ICH!) wurden per E-Mail zur Preisvergabe eingeladen.

Weil ich mir der hohen Ehre vollkommen bewusst war, habe ich mich in meinen besten Zwirn gezwängt und bin losgedüst nach S., wo hoch droben über der Stadt das prächtige Schloss aufragt. Schüchtern habe ich den Schlosshof betreten. Überall standen gewichtig dreinblickende Menschen. Ich schob mich also mit entschuldigender Miene vorbei, und beinahe wäre ich auch tatsächlich gänzlich unbehelligt bis in den Festsaal gekommen. Allerdings hat dann eine Dame mittleren Alters ihre persönliche Bekanntschaft zu mir schamlos ausgenutzt und den Offiziellen am Einlass verraten, dass ich ICH bin und das ich zu den Preisträgerinnen gehöre. Damit konnte ich mir eine freie Platzwahl natürlich abschminken. In einer Kulturhochburg wie dem Erzgebirge gibt es nämlich naturgemäß einen Kultursekretär, und als der Herr Kultursekretär nun wusste, dass ich eine der glücklichen Preisträgerinnen bin, hat er mich ohne lange zu zögern persönlich mit Handschlag begrüßt und mir meinen Platz zugewiesen. Freiwillig hätte ich mir diesen speziellen Platz garantiert nicht ausgesucht, weil er wegen seiner Entfernung zum Gang doch eher schwierig zu erreichen war. Doch zum Glück war zehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn noch niemand im sogenannten Festsaal.

Mein Platz war ganz vorn, gleich in der zweiten Reihe. Weiter vorn ging nicht, weil ja in der ersten Reihe der Kultursekretär sitzen musste und der Landrat und die Juroren und die bundespolitische Prominenz, die an diesem Tag aus zwei Mitgliedern des Bundestages (nebst Gattin) bestehen sollte. Der mir zugewiesene Platz war rechts außen, also direkt an der Wand. Wären die beiden anderen Preisträgerinnen (nebst Gatte) bereits anwesend gewesen, dann wäre es UNMÖGLICH gewesen, auf meinen Platz zu gelangen. Der Festsaal im Schloss zu S. ist nämlich festlich, aber eben nicht groß. Die Tatsache, dass zweiundfünfzig Stühle in vier Reihen gestellt worden waren, sagt ganz und gar nichts über die Saalgröße aus. Zweiundfünfzig Stühle, das mochte der Zahl der angemeldeten Gäste entsprechen. Für die Größe des Raumes waren es definitiv zwei Stuhlreihen zu viel. Aber ich hatte Glück. Zum einen bin ich dünn genug für eng gestellte Stuhlreihen, und zum anderen war ich für den Moment mutterseelenallein im Festsaal, denn selbstverständlich war der Herr Kultursekretär längst wieder enteilt. So ein wichtiger Mensch hat zu so einer wichtigen Veranstaltung eben sehr viele wichtige Aufgaben.

Ich zwängte mich zu dem mir zugewiesenen Platz und war mir für den Moment dankbar, dass ich sehr pünktlich und sehr dünn bin. In den nächsten Minuten füllte sich der Festsaal zusehends. Auch eine fünfköpfige Akkordeongruppe marschierte ein, die für die musikalische Umrahmung zuständig war. Ausgerechnet Akkordeon, dachte ich. Schrecklich. Aber wir sind nun mal im Erzgebirge und da wird auf Tradition allergrößter Wert gelegt. Der musikalische Auftakt war dann weniger schrecklich als von mir erwartet. Ein Walzer von Dmitri Schostakowitsch. Es konnte schlimmer kommen.

Als erster Redner stellte sich der Herr Kultursekretär ans Mikrofon. Auf den ersten Blick ein durch und durch bodenständiger, kleinbürgerlicher Herr. Kein Mensch hätte dem untersetzten Mann vermutlich eine Affinität zur Kunst unterstellt. Jedenfalls nicht, so lange er den Herrn nicht von HINTEN gesehen hat. Auf dem Weg zum Rednerpult WAR der Herr Kultursekretär allerdings von hinten zu sehen und damit auch sein Rattenschwanz, diese Bubenfrisur aus dem letzten Jahrhundert, die auch unter den Namen Zündschnur oder Saschazöpfchen bekannt ist. Der extravagant frisierte Herr Kultursekretär hat dann jedenfalls eine sehr schöne Rede gehalten. Er hat betont, welch zentrale Bedeutung dem Arthur-Schramm-Wettbewerb innerhalb der Literaturszene des Erzgebirges, innerhalb von Sachsen und sogar bundesweit zukommt. Vor allem hat der Herr Kultusekretär aber versichert, dass ihm gerade DIESER Wettbewerb wegen seiner Bedeutung für das intellektuelle und kulturelle Leben auch ganz persönlich am Herzen liegt. Ich war begeistert.

Innerhalb seiner zehnminütigen Redezeit hat der Herr Kultursekretär es auch nicht versäumt, mehrmals zu wiederholen, dass die Preisgelder dieses Wettbewerbes wirklich opulent sind und dass die Ausschüttung so ungeheurer Summen für Literatur alles andere als normal ist. Ich hatte vorher extra noch einmal in der Ausschreibung nachgeschaut und wusste daher, dass stolze Eintausendfünfhundert Euro ausgelobt worden waren. Das war zwar deutlich weniger als in den Vorjahren, aber immerhin. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung, wie gigantisch mein Anteil sein müsste, denn ich hatte ja die offizielle Mitteilung bekommen, dass der Preis zu gleichen Teilen vergeben wird. Ich war in Mathe nicht schlecht und ahnte also schon, WIE opulent mein Preis sein würde. Nachdem ich es also grob überschlagen hatte, habe ich mich etwas geniert, dass ich eine solch gigantische Summe, ach was sage ich, einen solch geradewegs unvorstellbar hohen Betrag bekommen sollte.

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