Etwas Komisches geschah auf dem Weg in den Himmel

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„VERSCHWINDET.“

Wir rannten, als sei der Teufel hinter uns her.

Als im Herbst die Schule wieder anfing, nahm ich weiterhin die Pfade durch den South-Side-Wald. Gelegentlich taten Matt und Joe das auch. Tina mied diesen Weg völlig. Brock wiederum mied uns, egal wo er uns sah. Henry winkte mir in der Schule zu, aber unsere Freundschaft ging allmählich auseinander, und das ging mir echt ziemlich nahe. Ein paar Monate später zog ich von Iowa nach Florida. Ich sah keinen von ihnen jemals wieder, auch dann nicht, als ich mit sechzehn wieder nach Des Moines zurückkehrte. Sie waren einfach verschwunden. Im Laufe der Zeit vergaß ich schließlich ihre Nachnamen. Wenn man mich bitten würde, mir vorzustellen, wie sie als Erwachsene aussehen könnten – ich glaube, ich wäre nicht in der Lage, sie bei einer polizeilichen Gegenüberstellung wiederzuerkennen.

Aber an diese Nacht erinnere ich mich ganz genau. Irgendwann erzählte ich neuen Freunden von den Ereignissen, und ein paar von ihnen guckten genauso, wie ihr vermutlich gerade guckt, wo ihr diese Zeilen lest. Und trotzdem hatten die meisten von ihnen Erfahrungen gemacht, die genauso abgefahren waren wie meine. Es war großartig, Freunde zu haben, die ganz ähnliche Dinge erlebt hatten, und wir redeten über diese Geschehnisse und darüber, woran wir glaubten. Wir glaubten an Geister: an die richtig echten, verdammte Scheiße noch mal total gruseligen Geister. Wir erforschten gemeinsam andere verlassene Häuser, erlebten dabei aber niemals etwas, das ähnlich extrem gewesen wäre wie unsere früheren Erfahrungen. Aber unser Glaube war stark – meiner ist es heute mehr denn je, denn über die Jahre habe ich Dinge gesehen und gehört, die nicht nur völlig verrückt waren, sondern auch völlig real. Ich habe ein paar Beweise gesammelt, aber bei den meisten Dingen handelt es sich um Augenzeugenberichte, und die will ich hier wiedergeben. Aber bevor wir weitermachen, bevor ich euch diese Geistergeschichten erzähle, lasst mich erst einmal erklären, weshalb ich dieses Buch überhaupt schreibe.

Ihr müsst wissen, ich bin ziemlich dafür berühmt, in manchen Kreisen auch berüchtigt, ein „gläubiger Atheist“ zu sein, was natürlich in gewisser Hinsicht einen Widerspruch in sich darstellt. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich glaube nicht an Gott. Ehrlich, das habe ich wirklich nie getan. Schon früher nicht, als ich noch zu klein war, um mich gegen den sonntäglichen Kirchgang zu verwahren, und daran hat sich bis heute nichts geändert, da ich hier auf diesem Stuhl sitze und auf dieser Computertastatur tippe. Ich glaube nicht an Gott. Ich lehne Leute, die das tun, nicht ab, und ich betrachte sie auch nicht mit Geringschätzung, aber meine Reaktion auf Leute, die schreckliche Dinge ständig als „Gottes Werk“ deklarieren, ist recht bitter und bösartig, um es milde auszudrücken. Man könnte sagen, dass es nie lange dauert, bis ich mir ein Urteil über solche Typen bilde, die selbst schnell über andere urteilen.

Also stellt sich natürlich die Frage: Wie kann ich an Geister glauben … aber nicht an Gott? Wie kann ich über die Existenz von Jehova und seiner gruseligen, gefiederten Lakaien spotten und gleichzeitig ganz ernsthaft postulieren, dass wir von Geistern, Erscheinungen, Poltergeistern oder Wiedergängern umgeben sind? Wie kann ich ein ganzes Buch meinen Schilderungen der verschiedenen Ereignisse aus diesem Bereich widmen, wo ich doch genau weiß, dass man mich bestenfalls als Heuchler und schlimmstenfalls als Wirrkopf betrachten wird?

Wie ihr in diesem Buch feststellen werdet, besteht die Arbeitsthese in einer Gegenüberstellung aus Glauben und Wissen.

Ich glaube aus verschiedenen Gründen nicht an Gott. Erstens gibt es keine echten Beweise für seine Existenz, abgesehen von den üblichen Verdächtigen, auf die Priester und ähnliche Gestalten immer wieder gern verweisen, dieses ganze Zeug von wegen der Mensch und das Universum und so. Aber das halte ich für geistigen Dünnschiss. Die Wissenschaft hat uns so viel mehr Beweise geliefert als Gott, und obwohl er so gepriesen wird, hat er in meinen Augen nichts Überzeugendes vorzuweisen. Bloß, weil es das Universum gibt und die Menschen darin existieren – das ist kein Grund und kein Beweis für einen unsichtbaren alten Mann oben im Himmel. Da könnte ich mir schon eher vorstellen, dass wir vom Weihnachtsmann erschaffen wurden, da immerhin meine Geschenkwünsche mit einer gewissen Berechenbarkeit erfüllt werden. Gott hat mich niemals gerettet, und der Weihnachtsmann hat mir nie ein Harpunengewehr gebracht, also scheiß auf den ganzen Quatsch.

Zweitens tragen Gott und seine so genannten Leistungen zu viele menschliche Fingerabdrücke. Die Bücher Gottes wurden alle von Menschen geschrieben, Menschen haben seine Kriege ausgefochten und waren stets die ersten, die seine Wunder beschrieben, seit es zum ersten Mal hieß, Schnee entstünde durch seinen heiligen, eisigen Atem. Weswegen Menschen, die sonst unglaublich selbstverliebt sind, jemand anderen die Lorbeeren einheimsen lassen, dem sie gar nicht zukommen, ist mir zwar ein verdammt psychotisches Rätsel, aber trotzdem halten die Leute an dieser Doktrin fest, eben weil sie indoktriniert wurden. Man hat es ihnen eingehämmert, dass Gott existiert, obwohl die Menschen ihre Hämmer mit so viel Energie geschwungen haben, dass sie nicht einmal gemerkt haben, wie sehr sie sich gegenseitig attackierten.

Drittens ist Gott für mich so real wie jene Götter, die in Asgard oder in Walhalla hausen. Er könnte in Comic-Heften auftauchen, was vielleicht sogar eine gute Idee wäre, wenn man die jüngere Generation dazu bringen will, dass sie sich ernsthaft mit ihm beschäftigt. Letztlich ist Gott unfehlbar, weil die Menschen fehlbar sind, und weil viele Menschen jemanden brauchen, an den sie glauben können und der ihnen überlegen ist. Das ist ja ganz okay soweit … aber dann könnte man doch auch an die Zahnfee glauben. Die gibt einem wenigstens Geld für Körperteile, die man sonst sowieso weggeschmissen hätte. Gott bringt einen dazu, diese Vierteldollar in seinen Klingelbeutel zu stecken, obwohl die Kirche steuerbefreit ist. Aufgrund der Inflation bekommt mein Sohn inzwischen ganze Dollar für seine Beißerchen, und ganz genauso kriegen die Schwarzkittel auch mehr Zahngeld als früher. Ist irgendwie ziemlich krank, das Ganze, aber andererseits ist das ja nicht meine Kohle.

Ich bin entsetzt über den Hass, den Gottes Anhänger in die Welt ablassen wie Fabriken ihre umweltverschmutzenden Abwässer. Ich lache über die selbsternannten Propheten, die so sehr damit beschäftigt sind, ihre eigene Version von Gottes Geschichte zu propagieren, dass sie nicht einmal merken, dass ihre Prophezeiungen nicht zu den Berichten aller anderen passen und sein Wort daher völlig widersprüchlich hinausposaunt wird. Mir graut vor dem Gezänk der weltweit organisierten jüdisch-christlichen oder islamischen Gruppierungen, weil sie alle davon ausgehen, im Recht zu sein. Religion hat uns Menschen mehr zerstritten, als dass sie uns je zusammen gebracht hätte. Menschliche Gesellschaftsformen ächten normalerweise alles, was Streit und Gewalt begünstigt, aber diese ganzen frommen Ärsche haben wohl weltweit ihre Finger an den entscheidenden Schaltstellen.

Also, wie gesagt, ich bin nicht so der gottesfürchtige Typ. Und genau darin liegt das verdammte Problem: Wie kann ich ein Atheist sein, also jemand, der von dem ganzen Gedöns der Bibeltreuen nichts hält und der keine Verbindung zu irgendwelchen Religionen verspürt, aber gleichzeitig zutiefst überzeugt an die Existenz des Paranormalen glauben? Für mich hat das eine nicht unbedingt mit dem anderen zu tun, aber beides war schon miteinander verwoben, als wir noch auf den Bäumen hockten und mit viel Mühe versuchten, all das um uns herum zu begreifen, was wir nicht essen, ficken oder ausscheiden konnten. Zyniker werden wohl behaupten, meine „Augenzeugenberichte“ könnten leicht als „Einbildung“ bezeichnet werden, oder als „Winkelzüge einer hyperaktiven Phantasie“.

„Es ist schlicht unmöglich, dass so etwas geschehen sein kann.“ – „Ich glaube dir nicht – du bist ein Lügner und ein Scharlatan.“ (Na gut, bisher hat mich noch nie jemand einen „Scharlatan“ genannt, aber es wäre obergeil, wenn das mal jemand täte.) Oh, und dann gibt’s natürlich noch den Spruch, den ich noch mehr scheiße finde als alle anderen: „Du hast gesehen, was du sehen wolltest, und das ist alles.“

Eins will ich gleich mal klarstellen: Ich wollte diese Scheiße nicht sehen, und ich will diese Scheiße auch heute noch nicht sehen. Diese Geschichten treiben mich schon seit sehr langer Zeit um, und jeder, der sich mit schrecklichen Erinnerungen herumschlägt, der weiß, dass sie niemals verschwinden. Ich habe sie heute noch genauso klar vor Augen wie damals, als sie sich ereigneten. Von mir aus könnt ihr so skeptisch sein, wie ihr wollt. Ich glaube an Geister, weil ich welche gesehen habe, und ich glaube nicht an Gott, weil er mir schlicht und ergreifend bisher noch nicht begegnet ist. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Unerklärlichen und dem Unbegründeten. Und trotzdem gibt es überall auf unserem blaugrünen Planeten Denkmäler, Kirchen, Statuen, großartige Gemälde, Bücher und Fanfaren für Unseren Herrn im Himmel. Die Leute bejammern und preisen seinen Namen wie den einer scharfen Braut, die sie mal hatten, als sie Mitte zwanzig waren und sich alle Mühe gaben, ihr Leben zu verschwenden. Aber dieselben Organisationen machen sich über Menschen wie mich lustig, die selbst erlebt haben, wie sich vor ihren Augen eine paranormale Aktivität abspielte. Soll das ein Witz sein?

Mit diesem Buch will ich versuchen, damit zurechtzukommen. Ich werde euch wahre Geschichten erzählen, die mir passiert sind, und von denen gibt es einige, und ich werde euch mitnehmen auf meiner Suche nach Beweisen, auf meinen Ausflügen mit mehreren „Geisterjäger“-Gruppen, die ihr Bestes geben, um Informationen und Spuren zu sichern, die auf die Existenz von Geistern hindeuten. Ich werde euch die Geschichten anderer Leute erzählen, aber auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen – jene, die nicht ans Unnatürliche glauben, und jene, die auf die Religion vertrauen. Und dann werde ich versuchen, nach Auswertung all dieser Fakten, zu einem sinnvollen Schluss zu kommen.

 

Außerdem werde ich Dinge testen, mit denen ich es bisher noch nie probiert habe, zum ersten und zum letzten Mal, falls ich dabei übel auf die Nase fallen sollte. Jedenfalls werde ich meine persönliche Variante von „Sesselfurzer-Wissenschaft“ zu Rate ziehen und sehen, ob ich eine wissenschaftliche Begründung für diese mysteriösen Phänomene finde, die wir Geister nennen. Ich habe ein paar ziemlich weit hergeholte Häppchen, die ein Stockwerk höher in der guten alten Oberstübchen-Bank von Quatsch & Blödsinn vor sich hin köcheln, aber je mehr ich versucht habe, bestimmte Bereiche und bestimmte Argumentationsweisen zu berücksichtigen, desto öfter habe ich festgestellt, dass ein paar dieser Mutmaßungen, wie ich sie anstelle, gar nicht so unplausibel sind, wie ich zuvor vermutet hatte. Vielmehr wurden meine ursprünglichen Hypothesen gestärkt, und vor allem löste sich dadurch meine innere Blockade, die nicht zugelassen hatte, die entsprechenden Worte überhaupt laut zu äußern. Von daher bin ich jetzt bereit, den entsprechenden Behörden gegenüber in dieser Sache auszusagen und nach bestem Wissen und Gewissen, wohlformuliert und überzeugend meine Schilderung und meine Beweise vorzutragen. Leider bedeutet das, dass bei mir die beinahe schon diabolische Verwendung der Wörter „Scheiße“, „verdammt“ oder auch „verfickt“ gelegentlich mal ausbleiben wird. Ich weiß, ihr alle erwartet natürlich, dass ich ordentlich damit um mich schmeiße, und dass auch immer mal wieder von Säcken und Schwänzen und Fürzen die Rede sein wird. Aber das muss warten. Ich verspreche, ich werde euch zu gegebener Zeit und bei gegebenem Anlass schon wieder mit einer ordentlich rüden Sprache erfreuen, aber es kann sein, dass es zwischendurch viele Seiten geben wird, die eher mit Theorien und Überlegungen gefüllt sein werden. Ihr habt mein vollstes Mitgefühl, und ich bitte euch inständig, schreibt dem Lektor dieses Buches deswegen unbedingt ein paar böse Briefe – die liebt er.

Verdammte Scheiße, jetzt wurde ich ja schon fast ein bisschen trübsinnig, was? Und das ist es natürlich gar nicht, was ihr von einem Corey-Taylor-Buch erwartet habt. Ich weiß schon, ihr freut euch auf ein paar schöne Storys übers Pissen und über die Narben, die man zum Beispiel von einem Deckenventilator kriegt. Aber ich wollte mit diesem Buch keine Fortsetzung meines Erstlingswerkes schreiben, sondern vielmehr eine Fortführung. Die Leute haben den völlig falschen Eindruck gewonnen, beim ersten Buch hätte es sich um meine Lebensgeschichte gehandelt. Das ist komplett falsch. Dieses Buch und auch das vorangegangene Werk sind keine Autobiografien, und zwar schlicht und ergreifend deswegen nicht, weil ich mit dem Leben noch nicht fertig bin. Hey, verdammt, während ich diese Gesülze hier zusammentippe, bin ich gerade erst 39 geworden – ich habe erst die Hälfte der Strecke hinter mir! Ich weiß noch nicht mal, wie man solche Bücher eigentlich genau bezeichnet, aber bloß, weil ich ein paar ausgesuchte und hässliche Geschichten aus der gar nicht so guten alten Zeit erzähle, sind das keine Lebensbeichten. Wenn überhaupt, dann sind es Essays mit autobiografischen Elementen. Aber das sieht schon wieder aus wie so eine Scheiß-Bezeichnung, die im Buchladen um die Ecke in irgendeinem Stück Holz über einem Regal eingraviert ist. Also würde ich vorschlagen, wir schieben das hier jetzt mal schön in ein „Sachbuch“-Regal, wobei ich ziemlich sicher bin, dass ein ganzer Haufen Buchhändler diese Pappe ruckzuck in der Musikabteilung versenken wird, zu meinem großen Ärger natürlich. Auf diesen Seiten geht es nämlich ziemlich wenig um Musik, und von daher hat man mich wohl wieder einmal missverstanden. Aber wie heißt es so schön, shit happens. Irgendwie kriege ich am Schluss jedes Mal die Rolle einer Marmorstatue, die von fiesen Tauben umringt wird, die sich gerade reichlich Beeren und Käfer reingezogen haben. Legt ruhig los, ihr Vögel: Wenn ihr auf mich scheißt, werde ich mehr Macht erlangen, als ihr euch überhaupt vorstellen könnt … wenn man Lucas und Guinness glauben will, heißt das.

Dieses Buch liegt eher auf der Linie von Das Imperium schlägt zurück als auf der Linie von Der Zorn des Khan. Star Trek 2 war eine ordentliche Fortsetzung, Episode 5 hingegen bietet das nächste Kapitel der Geschichte. Bevor ihr ganz und gar abdreht und arme Unschuldige anmacht, die nicht auf mich einwirken können: zwischen der Fortsetzung und dem nächsten Kapitel besteht ein Unterschied. Klärt das also mal lieber mit euren Anwälten. Oh, noch besser: Ich werde mal sehen, ob ich diese spezielle Debatte in meiner Comic-Con-Runde unterbringe, unter dem Titel: „Scheiß oder heiß: Eine sinnlose Diskussion über ein völlig unerhebliches Thema, das höchstens dreihundert Leute auf dem ganzen Planeten nachts um den Schlaf bringt.“ Die Besetzung wird allererste Sahne: der Typ, der Biggs gespielt hat, der Typ, der mit seinem Arm die Puppe bewegte, die mal Alf genannt wurde, einer von den Jonas Brothers (die würden dieses Werk sehr schätzen) und Jonathan Frakes, wenn der nicht gerade zu beschäftigt damit ist, herrlich grottige Filme für den Syfy Channel zu drehen. Ich bin das Arschloch in der Mitte, denn es gibt immer ein Arschloch in der Mitte. Könnt ihr gerne überprüfen: Guckt mal selber nach. Wie hat Gandhi noch so schön gesagt: „Zwischen der Spalte und dem Sack gibt es einen Freund, mit dem man sich das ganze Leben herumschlagen muss.“ Halt – war das Gandhi oder mein Onkel Bill?

Sieht so aus, als wäre ich gerade mal wieder ein bisschen abgeschweift. Das ist Lebenszeit, die ich nie zurückbekommen werde. Lasst uns mal lieber wieder zum Thema zurückkehren, bevor ich jetzt noch anfange, von Benedict Cumberbatch zu erzählen. Aber es stimmt natürlich: Der Typ ist wunderbar. Scheiße … tut mir leid … zurück zum Buch.

Es ist ein Thema, mit dem ich mich schon so lange herumgeschlagen habe, bis ich selbst schon anzweifelte, was ich gesehen habe. Aber jedes Mal, wenn ich diese Erinnerung abrufe, weiß ich, dass es passiert ist. Ich weiß es. Ich weiß das so sicher, wie ich davon überzeugt bin, dass das Licht angeht, wenn ich auf einen Schalter drücke, oder dass mein Auto beim Drehen des Zündschlüssels anspringt, sofern genug Benzin im Tank ist. Vielleicht ist das nicht dasselbe wie Glauben – Wissen hat immer den Vorteil, dass man schon mal dabei gewesen ist. Glauben ist mehr was für die armen Säcke auf der anderen Seite des Zauns, die mich so gern zu sich rüberholen würden, damit ich bei ihrem frommen Ringelpiez mitspiele. Aber auf gewisse Weise glaube ich auch. Ich glaube Menschen, die mir ihre Geschichten erzählen. Ich glaube einfach, wenn ich unerklärliche Tonbandstimmen höre oder ein Video sehe, auf dem sich so bizarre Dinge abspielen, dass ich es noch einmal gucken muss, und wenn mir dann immer noch nicht klar ist, was da läuft, dann brüte ich ziemlich lange darüber nach. Das mache ich, weil ich glaube. Aber ich habe auch einen Grund zu glauben. Ich war schon oft genug selbst in solchen Situationen. Ich habe keine Erfahrungen mit dem Herrn gemacht; ich habe keine Videos oder Tondokumente, die mir beweisen, dass es ihn gibt. Und fangt mir bloß nicht mit diesen Muffin-Typen an, die das Gesicht von Jesus Christus auf einer ausgerollten Tortilla oder einem gegrillten Käsesandwich sehen. Was ist das bloß, das den Allmächtigen immer mit irgendwelchem Getreidekram in Verbindung bringt? Offenbar kriegt Jehova vor allem bei komplexen Kohlehydraten einen Harten.

Also, wenn ihr so seid wie ich, zumindest ein bisschen so, dann blättert schön weiter, und wir gucken dann mal, was wir zusammen entdecken werden. Manchmal ist es ein Vorteil, wenn man das Drehbuch kennt, bevor man den Film guckt. Wir alle kämpfen mit dem Bekannten ebenso wie mit dem Unbekannten. Es dämpft unseren Enthusiasmus und sorgt dafür, dass wir nicht alle moralischen Grundsätze verlieren. Aber es sorgt auch dafür, dass wir ständig weiter suchen – und dabei darauf hoffen, einen Blick auf die andere Seite der metaphysischen Turnhalle zu erhaschen, wo die ganzen Irren herumspringen und sich mit riesigen roten Völkerbällen bewerfen. Irgendwann weiß man einfach, dass ein Punkt kommen wird, wo sie ihre Aufmerksamkeit auf unsere Seite richten – und dass dann die Hölle losbrechen wird. Allerdings werden wir nicht mal ansatzweise ahnen, aus welcher Richtung es über uns hereinbrechen wird, aber wir werden zumindest spüren: Irgendwas kommt auf uns zu. Zumindest so viel werden wir wissen, und mehr verlangen wir ja gar nicht. Wir wollen es nur wissen. Es gibt andere, unergründliche Mysterien jenseits unseres Verständnishorizonts, in den Niederungen des endlosen Weltraums, viele, viele Millionen und Milliarden Kilometer und Lebenszeiten von uns entfernt, für deren Erkundung die meisten von uns weder das Stehvermögen noch die Geduld aufbringen können. Scheiße, es gibt immer noch Gegenden auf diesem Planeten, die der Mensch noch nicht erforscht hat, und Gattungen, die wir noch nicht entdeckt haben, von den enorm schnellen Fortschritten, die sich regelmäßig im technischen Bereich vollziehen, gar nicht zu reden. Wenn mir also irgendwelche Skeptiker einreden wollen, es sei unmöglich, dass solche Dinge existieren, und das, was ich erzähle, könne demzufolge gar nicht wahr sein, dann ist das eine Bremsbarriere aus Wichssaft, nichts weiter.

Machen wir uns nichts vor: Seid ihr letztlich nicht froh darüber, dass es noch immer ein paar phantastische Dinge gibt, die sich noch nicht vollständig erklären lassen?

Überlasst die Mathematik den Raumfahrern. Überlasst die Theorien den Wünschespezialisten. Überlasst die Vorverurteilung den Heuchlern und Arschlöchern. Atmet noch einmal tief durch, genießt das Gefühl und stürzt euch kopfüber und ohne nachzudenken mitten in die Action. Zögert nicht. Zweifelt nicht einmal einen kurzen Augenblick lang. Folgt euren Instinkten und begebt euch an Orte, von denen ihr nicht geglaubt hättet, dass ihr sie je betreten würdet. Der dünne Stoff der Realität hält so viele verborgene Taschen bereit, dass man überall ein paar Münzen Wechselgeld darin finden kann – ihr müsst bloß ein bisschen tiefer graben, damit ihr nicht nur die Kaugummis und die längst abgehakten Fehler in die Finger bekommt. Aber wenn ihr der Sache Zeit gebt, dann können wir etwas Wunderbares entdecken, etwas, woran man glauben kann. Es ist viel besser, auf Entdeckungsfahrt zu gehen und befriedigt, wenn auch mit noch mehr offenen Fragen, zurückzukehren, als zu Hause zu hocken und nur abzulästern, weil man sich vor den Antworten fürchtet, die im Ungewissen liegen. Manchmal winkt noch reicherer Lohn, wenn man ein solches Projekt von Anfang an zu seinem eigenen gemacht hat. Klar, es ist immer schön, die Geschichten zu hören, die tapfere Entdecker von ihren Reisen mitbringen, aber was uns wirklich weiterbringt, das sind die Storys, die wir aus eigener Erfahrung miteinander teilen. Natürlich ist es immer dieser erste Schritt, der am meisten Angst macht. Keine Sorge – ich bin bei euch. Hier wird niemand über euch lachen, über euch urteilen oder euch verarschen. Das werde ich nicht zulassen. Genau das hier ist nämlich das Großartige an neuem Wissen.

Es mag fremdartig sein, und es mag euch eine verdammte Scheißangst einjagen, aber ihr werdet staunen.

IHR WERDET STAUNEN.