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FETISCH

[NICHTS HAT SO VIEL ERFOLG WIE EXZESS.]

Fetisch bedeutet laut Wörterbuch – unter anderem – »eine exzessive und irrationale Fixierung oder Hingabe gegenüber einer bestimmten Sache«. Wir befinden uns also im Bereich der Irrationalität und damit einem Konzept, das für den Kontext einer Debatte über Wert wohl gar nicht so unpassend ist. Wir alle sind Menschen und fühlen und handeln in vielem irrational. Tatsächlich können wir nur rational sein, wenn wir Dinge durchdenken. Viel öfter agieren und reagieren wir instinktiv, auf Impuls.

Marketingleute wissen das und nutzen es schamlos aus. Sie verwandeln uns in Fetischisten, und wir lieben es, denn es bereitet uns körperliche Freude, uns irrational hinzugeben – einem Schuh, einem Auto, einem Smartphone, einem Duft, dem unglaublich attraktiven Körper, der gezeigt wird, um uns den Duft zu verkaufen.

Nichts an dem ist verwerflich, auch wenn es durchaus verwerfliche Aspekte daran geben mag, wie Werbung und Marketing in dein Gehirn eindringen, um Bedürfnisse und Gelüste in deinem Geist erwachsen zu lassen, die du vielleicht gar nicht willst. Aber Exzess ist nicht grundsätzlich falsch. »Mäßigung ist eine fatale Sache, nichts hat so viel Erfolg wie Exzess.« Auch das hat der schon zitierte Oscar Wilde gesagt. In seinem Fall erwies sich das als wahr und fatal zugleich, aber vielleicht gibt es ja auch so etwas wie moderaten Exzess.

Wenn alle sich ständig vernünftig verhielten und niemand jemals den Bogen überspannte, dann könnte daraus vielleicht eine sichere und wohlhabende Gesellschaft entstehen, aber es könnte auch sein, dass alle vor Langeweile sterben.

Damit Neues passieren kann, damit eine Zivilisation gedeihen und Innovation entspringen kann, sind Formen des Exzesses und des Fetischs notwendig. Wenn du dich nicht zwanghaft auf die Linien des Torsos deiner Skulptur fixierst, wie wirst du dann Michelangelo? Wenn es dir egal ist, ob das Orchester den Mollakkord für eindreiviertel Takte hält oder für eineinhalb, was für ein Dirigent bist du dann? Wenn dir jedes Blau recht ist, wie wirst du dann Monet oder Picasso?

Dasselbe gilt natürlich auch für Wissenschaft und Sport. Während wir diese Zeilen schreiben, erscheint das Bild des triumphierenden Kyle Giersdorf auf dem Bildschirm, wie er eine Trophäe emporhält und seine drei Millionen Dollar Preisgeld für den Sieg in der ersten »Fortnite«-Weltmeisterschaft zelebriert. Er ist 16 Jahre alt. Wir wissen nicht besonders viel von dem jungen Meister, außer dass er Amerikaner ist, sein Spielername Bugha lautet und er 99 andere Spieler schlug, alle männlich und alle ungefähr in seinem Alter. Die Konkurrenz im Kampf um die Teilnahme am Finale in New York war hart. Viele Tausende haben es versucht. Viel ließe sich spekulieren über Bugha, einer Sache können wir jedoch sicher sein: Er ist ein zwanghafter »Fortnite«-Spieler. Wäre er es nicht, hätte er es nicht an die Spitze geschafft.

Die Spanne der »Normalität« müssen wir also erst festlegen und können dann entscheiden, wer oder was hineingehört und was nicht. Roger Federer ist nicht normal. Er ist ein wunderbarer Tennisspieler und ein wahrer Gentleman, es gibt niemanden, der ihm gleicht. Und die Welt wäre wahrlich ärmer dran ohne ihn. Wir brauchen Menschen, die nicht normal sind, und wir müssen es uns gestatten, komplett unvernünftig zu sein von Zeit zu Zeit. Im richtigen Kontext. Zur richtigen Zeit. Im Rahmen des Vernünftigen … Klingt logisch?

FÜRSORGE

Was ist uns wichtig? Als Individuen? Als Gesellschaft?

Auch diese Frage ist nicht neu. Jede Generation, jedes Jahrhundert, jede Epoche muss sich fragen: Was ist uns wichtig? Was schätzen wir auf der untersten Ebene, und was heben wir hervor, fetischisieren und feiern wir?

[VON DEN ANDEREN 27 MAHLZEITEN WIRD DIR NUR SCHLECHT.]

Was kümmert uns, und wie kümmern wir uns? Wie kommt es, zum Beispiel, dass wir Fußballer und CEOs so sehr schätzen, dass wir ihnen an einem Tag das bezahlen, was wir dem durchschnittlichen Schullehrer im Jahr bezahlen? Nicht zu vergessen, dass deine Kinder im Schnitt mehr Zeit mit ihrem Schullehrer verbringen als mit dir. Wie spiegelt sich das, was uns wichtig ist, in unserer Wertschätzung und Fetischisierung wider? In unserer Entlohnung?

Vielleicht geht es nicht um Geld. Ab einem gewissen Wohlstandsniveau wird es – wie gesagt – irrelevant. Man wird nicht glücklicher davon, sich 30 Mahlzeiten am Tag leisten zu können, es sei denn, man möchte neun weitere Menschen ernähren. Das könnte dich glücklich machen. Von den anderen 27 Mahlzeiten wird dir nur schlecht.

Die digitale Moderne hat beachtliche Umbrüche mit sich gebracht, aber uns auch in eine Lage versetzt, in der wir alles mit frischem Blick betrachten können. Ähnlich wie die Renaissance die Zentralperspektive als völlig neu eröffnet und geholfen hat, die Welt auf ganz neue Weise zu begreifen, erlaubt uns auch unsere Ära unsere Lebensweise, um neue konzeptuelle Dimensionen zu erweitern. Und es ist sicher nicht zu viel gesagt, wenn wir sie als neue Formen der Zivilisation betrachten. So viel kann dazu schon gesagt werden: Wenn wir in diesen Dimensionen eine Rolle als bedeutsame menschliche Wesen spielen wollen, werden wir sie definieren und formen und auch verhindern müssen, dass die Welle technologischer Entwicklungen über uns hereinbricht und uns hinwegspült.

[GELD IST EINE ERFINDUNG.]

Zum Beispiel könnte das globale Dorf, das das Internet möglich gemacht hat, weniger als eine große Masse verstanden werden, sondern als unterschiedliche, facettenreiche, sich gegenseitig befruchtende Organismen, die sich zu einem viel größeren Organismus vernetzter Wesen verbinden. Du wirst im Laufe dieses Buches viel von »Wesen« lesen, denn wir wollen Menschen, Mensch-Maschine-Hybride und Maschinen aller Größen und Arten miteinbeziehen.

In diesem globalen Dorf haben wir eine deutliche Bewegung in Richtung kommerzieller Vertikalisierung erlebt. Das ist das Gegenteil von dem, was zuvor passierte. Vorher, in der Horizontalisierung, gab es viele große Firmen und Unternehmen, die über eine weite geografische Fläche verteilt waren, indem sie zum Beispiel so viele Läden wie möglich eröffneten, um sich einen Marktanteil zu sichern.

Heute funktioniert das nicht mehr. Stattdessen kann man einen ortlosen Monolithen bauen, wie Amazon, und alles von einigen wenigen über den Globus verteilten Zentren aus betreiben. Und mit »alles« meinen wir ziemlich wörtlich alles. Amazon ist schon lange kein einfacher Vertrieb mehr, sondern bietet hochspezialisierte Dienstleistungen an, nicht nur für Konsumenten, sondern auch für andere globale Unternehmen, wie zum Beispiel digitales Streamen für die BBC. Es besitzt und betreibt Kurierdienste, verwaltet einen Teil seines eigenen interkontinentalen Versands und besitzt sogar die physische Whole-Food-Biosupermarkt-Kette, nur um auch bei diesem Spiel die Finger mit drin zu haben.

Im Angesicht solcher Konzentration von Macht haben wir Bürger, Konsumenten, Menschen nur eine Chance, wenn uns klar ist, was wir von denen, die über diese Macht verfügen, verlangen. Und das ist Transparenz. Radikale Offenheit. Und Fürsorge. Für uns, für unsere Rechte und Freiheiten und für unseren Planeten.

Und glaub nicht, dass die Mächtigen zu mächtig oder die bestehenden Strukturen zu gefestigt sein können, um herausgefordert oder gar verändert zu werden. Denn alles, was wir an unserer Zivilisation für fix, fest und gewiss halten, ist tatsächlich flexibel. Es ist alles ausgedacht. Oft über Jahrhunderte hinweg, mit extrem guten Absichten und vernünftig durchdacht. Aber es ist eine Erfindung. Geld ist eine Erfindung. Ebenso die Regierung. Und auch der Nationalstaat.

Sogar unsere Mathematik ist eine Erfindung. Keine zufällige, aber eine, die über viele Jahrhunderte hinweg entstanden ist, um unser Begreifen der Welt zu formulieren und zu formalisieren. So wie sich unser Verstehen geändert hat, hat sich auch die Mathematik angepasst. Das beste, aber bei weitem nicht einzige Beispiel ist die Zahl Null. Wir sind bis ungefähr zum sechsten Jahrhundert ohne sie ausgekommen. In Europa ist man ihr mit solcher Skepsis begegnet, dass ihr Gebrauch per Gesetz verboten werden sollte. Heute können wir uns kaum vorstellen, wie wir je ohne sie zurechtgekommen sind, nicht zuletzt, weil es kein Konzept des Digitalen ohne sie gibt und wir mittlerweile so sehr daran gewöhnt sind.

Unsere Konzepte, die unsere Gesellschaft funktional machen, sind Erzählungen, und das ist nichts Schlechtes. Es bedeutet lediglich, dass wir nun, wo wir neue Narrative brauchen, welche erfinden können, ja sogar müssen. Denn wenn wir es nicht tun, tun es andere, und möglicherweise gefällt uns deren Weltsicht und Gestaltungsvorstellung nicht.

[SO ETWAS WIE DIE GESELLSCHAFT GIBT ES NICHT.]

Das soll nicht heißen, dass wir alles vom Tisch fegen und von vorne anfangen müssen. Auch hier liegt Fürsorge im Kern der Angelegenheit. Wenn man seine Wurzeln abschneidet, kann man nicht wachsen. Die Fertigkeit – und die Aufgabe – liegt darin, neue Narrative über die alten zu legen, sie zu umschließen und mitzutragen, um etwas Starkes und Beständiges daraus zu formen. Was wir brauchen, ist eine evolutionäre Lösung, die sich nicht gegen aktuelle Systeme sträubt, sondern in sie hinein- und durch sie hindurchwächst und sie in sich aufnimmt. Wie bereits angedeutet, stellt das Kollektiv eine solche Lösung dar.

Kollektive begannen in den 1980er-Jahren einen schlechten Ruf zu bekommen, als Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich und Ronald Reagan in den USA anfingen, das gesamte globale Wirtschaftssystem zu lenken, und dabei einen freien Markt schaffen wollten, der so unreguliert und individualistisch wie nur möglich war. In einem Interview mit dem Magazin Woman’s Own sagte Margaret Thatcher 1987: »Wer ist die Gesellschaft? So etwas gibt es nicht!« Es ist eines ihrer berühmtesten Zitate und wird oft verkürzt zu: »So etwas wie die Gesellschaft gibt es nicht.«

 

Aber so etwas wie die Gesellschaft gibt es eben doch. Genau die Tatsache, dass wir diese Gesellschaft seit Jahrzehnten vernachlässigen und ihre Existenz verneinen, erklärt zum Teil, weshalb wir uns in eine egoistische, entkoppelte, unerfüllte Einstellung versetzt haben. Eine Renaissance des Kollektivs muss kein Grund für Angst sein. Es handelt sich dabei um eine gemeinschaftliche Bemühung und Investition und nicht um etwas, das man unfähigen Amateuren überlässt, die es vermasseln, oder inkompetenten Regierungen. Ihr als Kollektiv wählt und setzt Professionelle, Experten und Organisationen ein, um es zu verwalten.

Die Frage danach, wer die operationalen Aspekte unserer Leben bestimmt, ist äußerst wichtig. Wenn du zum Beispiel einen Gefängnisbetrieb mit Profitausrichtung betreibst, wie es in vielen Teilen der USA der Fall ist, was tust du dann? Du machst es zum Primärinteresse der Gefängnisse, so viele Insassen wie möglich zu haben. Du hast ein System an der Hand, das sich mit Kriminellen füttert, denn wenn keine Kriminellen mehr ins Gefängnis geschickt werden, dann verringert sich der Umsatz des Unternehmens, und seine Daseinsberechtigung schwindet. Für die Firma und ihre Teilhaber ist das eine Katastrophe. Für die Gesellschaft als Ganzes wäre es wunderbar: Es wäre für sie das Ziel, keine Gefangenen zu haben, weil es keine Kriminellen gibt, die einen überfallen, auf einen schießen oder mit dem Messer angreifen, deinen Vater ermorden oder deine Tochter vergewaltigen. Die Interessen aller stehen in direktem Konflikt mit den Interessen derer, denen du die Verantwortung für den Betrieb der Gefängnisse übertragen hast. Was einer von vielen Gründen ist, warum staatlich betriebene Justizsysteme in Nordeuropa tendenziell eine extrem niedrige Rate an Wiederholungsstraftaten und eine hohe Erfolgsrate bei der gesellschaftlichen Reintegration aufweisen, während US-Gefängnisse bei beiden Aspekten katastrophal schlecht dastehen.

Das soll absolut nicht bedeuten, dass sich alles in staatlichem Besitz befinden oder öffentlich verwaltet werden sollte, um im Interesse der Gesellschaft zu funktionieren. Das ist in vielen Bereichen ganz klar nicht der Fall. Zum Beispiel schlägt niemand ernsthaft vor, dass Taxiunternehmen von der Gemeinde betrieben werden sollten. Die meisten würden jedoch zustimmen, dass sie durchaus reguliert werden sollten. Und wenn das nicht funktioniert und man auf unfreundliche und kundenfeindliche Taxifahrer stößt, dann ist ein Disruptor unter Umständen genau das, was gebraucht wird, um eine ausgeglichenere Situation zu schaffen.

[EIN ÖKONOMISCHES GLEICHGEWICHT IST KEIN TOTER TÜMPEL.]

Wirtschaftliches Gleichgewicht ist kein toter Tümpel. Es ist immer noch eine dynamische Flüssigkeit, aber eine, die nicht das Tal vergiftet, durch das sie fließt, und in der Leute nicht ertrinken oder davongeschwemmt werden. Was bedeutet: Wettbewerb ist keine schlechte Sache, und der Markt hat durchaus seinen Platz. Aber ob im traditionellen Umfeld oder im Raum der Disruption: Unsere ethischen Prinzipien und Standards müssen erhalten bleiben. Und das bedeutet, wir müssen klar ausdrücken, was unsere ethischen Prinzipien und Standards sind. Denn es gibt keine Bevölkerung auf dem Planeten, die langfristig gedeiht, wenn Teile von ihr ständig benachteiligt und ausgebeutet werden. Oder ein Teil erheblich und exzessiv überprivilegiert ist. Bei uns ist aktuell beides der Fall. Also brauchen wir neue Ideen.

Sobald man über Geld und Wohlstand und die extrem privilegierten und die systematisch Ausgebeuteten redet, kommt der Begriff »Wohlstandsverteilung« ins Spiel. Darum geht es hier jedoch nicht. Denn »Wohlstandsverteilung« denkt noch im alten System. Was wir brauchen, sind völlig neue Muster, die neue Arten von Wohlstand erzeugen und der Gesellschaft von Anfang an erlauben, davon zu profitieren.

SolarCoin ist ein Beispiel für die Art Denken, die wir meinen. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die 2014 als offenes Gemeinschaftsprojekt begann, um Leute anzuspornen, Solarenergie mit ihren eigenen Dach- oder Gartenanlagen zu produzieren. Wer teilnimmt, wird in einer festgelegten Kryptowährung entlohnt, die man gegen gewöhnliches Geld tauschen kann. Dieses Modell funktioniert Hand in Hand und auch unabhängig von sonstigen Einspeisungstarifen, die man für seinen nicht verbrauchten Strom erhält. An dieser Art Modell kann man mit relativ geringer Investition teilnehmen, es wird nicht von der Regierung kontrolliert, schöpft keine Profite für große Konzerne ab und existiert zur Bereicherung der Teilnehmer wie auch für den Planeten im Ganzen. Es ist gesund. Ob es mittel- oder langfristig Erfolg hat oder nicht, wird sich zeigen. Aber es ist eine Idee, die Aufmerksamkeit verdient.

LIEBE

Nachdem wir nun schon über »Fürsorge« im Zusammenhang mit Wirtschaft geschrieben haben, sollte es dich nicht allzu sehr überraschen, wenn wir nun noch das Thema »Emotion« anschneiden. Immer noch lassen sich Leute, vor allem in der Geschäftswelt, aufschrecken, wenn von Menschen als emotionalen Wesen auch im Rahmen der Wirtschaft gesprochen wird.

[UNSER UNTERBEWUSSTSEIN IST 1 000 000-MAL SCHNELLER ALS UNSER BEWUSSTSEIN.]

Die Neurowissenschaft kann das Verhältnis, in dem unser Unterbewusstsein im Vergleich zu unserem Bewusstsein Informationen verarbeitet, messen. Das Bewusstsein ist verantwortlich für rationales Denken, das wir für Entscheidungsprozesse nutzen. Der Intellekt erhält von uns absolute Priorität, wenn es um Kommerz, Geld, Fakten und Geschäfte geht. Er hat eine Kapazität von etwa 40 Bits pro Sekunde. Die Netzwerkgeschwindigkeit des Internet Service Provider (ISP), mit dem der Computer verbunden ist, auf dem dieser Satz geschrieben wurde, zeigt eine Downloadgeschwindigkeit von 109,52 Megabit pro Sekunde. Das ist 2 500 000-mal die Geschwindigkeit des Gehirns.

Glücklicherweise ist unser Unterbewusstsein 1 000 000-mal schneller als unser Bewusstsein und kommt auf 40 000 000 Bits pro Sekunde. Es ist immer noch nicht ganz so schnell wie eine vernünftige Internetverbindung, hat aber eine Geschwindigkeit, mit der sich arbeiten lässt. Und es erklärt, warum 95 bis 99 Prozent unserer Gedanken und Emotionen und der daraus abgeleiteten Handlungen nicht von unserem Bewusstsein, sondern unserem Unterbewusstsein reguliert werden. Als gesunde Menschen, die sich um sich selbst wie auch um andere kümmern wollen, müssen wir uns bewusst sein, was in und um uns herum passiert – nicht nur auf, sondern vor allem auch unter dem Radar. Wir müssen, wie man sagt, bewusst und achtsam handeln.

Der Boom, den es seit einiger Zeit im Bereich Achtsamkeit und Yoga, Meditation und überlieferten Therapiemethoden gibt, ist kein Zufall. Er muss Teil dessen sein, wie wir uns in der Gesellschaft und in unserer Wirtschaft organisieren. Achtsamkeit. Das macht nicht wenigen Leuten Angst, fühlen sie sich doch nicht fähig, auch nur 10 bis 20 Minuten am Tag einfach dazusitzen und »nichts« zu tun. Das Telefon wegzulegen. Die Gedanken abzuschalten. Die Lungen atmen und das Herz, unser Innerstes, sich eins mit dem Universum fühlen zu lassen. Das klingt schräg und weltverbesserlich, wenn doch Geschäfte die nüchterne, kompetente Entscheidungsfähigkeit erfordern. Aber um Entscheidungen welcher Art geht es denn eigentlich?

[WIR SIND EINE FAMILIE.]

Den Wert von etwas zu schätzen bedeutet, sich um etwas sorgen zu können. Den Wert einer Person zu schätzen bedeutet, sich um sie sorgen zu können. Selbst wenn sie 5000 Meilen entfernt auf der anderen Seite des Ozeans lebt und nicht meine Sprache spricht. Wir Menschen haben das Anthropozän erschaffen, wir haben es sogar nach uns benannt. Es ist keineswegs ein Gottesgeschenk, und es ist auch kein Versehen oder Zufall. Es ist von Menschenhand geschaffen. Wir leben zusammen auf diesem Planeten, und unabhängig davon, ob du dich zu den »Irgendwo«- oder den »Überall«-Menschen zählst, ob du durch die Weltgeschichte ziehst oder nicht, das globale Dorf ist auch deines, und somit bleiben für uns zwei Möglichkeiten übrig. Entweder wir sagen uns, wir haben alles vermasselt und so ist es eben, oder wir sagen, wir haben eine geteilte Verantwortung für uns selbst und füreinander; es ist unser Fels, unser Haus, unser Garten. Wir sind eine Familie.

Es ist unmöglich, Liebe in ein abstraktes Konzept zu bringen. Oder auf etwas anzuwenden, das zu groß ist, um es wirklich zu begreifen. Wir können nicht wirklich »den Planeten« lieben. Oder »die Gesellschaft«. Oder sogar »die Natur«. Aber wir können einen Fleck auf dem Planeten lieben. Wir können unseren Partner lieben oder jemanden in unserer Familie. Wir können ein Haustier lieben und Musik. Wir können Kunst lieben und Rugby. Wir können die Arbeit lieben, die wir tun, und das Wasser, die Luft, den Schnee und den Regen oder draußen in der Sonne zu sein. Wir können greifbare Dinge lieben und Dinge, auf die wir uns direkt beziehen.

Also geht es hier nicht um Händchenhalten oder darum, zur Sommersonnenwende nackt ums Lagerfeuer zu tanzen. Sondern um Erkenntnis, um Bewusstsein, um Empfindung. Und ja, wenn du mutig bist, um Liebe. Nur ist das Wort einerseits durch inflationären Gebrauch auf ein Niveau der X-Beliebigkeit entwertet und andererseits so gefährlich, so furchteinflößend, weil es sagt, dass wir als Spezies zu etwas fähig sind, das uns immense Macht gibt und gleichzeitig erschütternd verletzlich macht. Also machen wir uns darüber lustig, wenden es lieber nur auf Schokolade an, nennen es gefühlsduselig und weich.

Es ist nichts dergleichen. Liebe ist großartig, und wo sie am tiefsten ist, fällt sie schwer. Wenn du das nicht glaubst, schalte einfach die Nachrichten ein und denke an die Person, die gerade einige unschuldige Menschen getötet hat. Oder die gerade dabei ist, das ganze Land zum Teufel zu jagen. Jetzt versuche, sie zu lieben. Leicht? Romantisch? Schmalzig? Das glauben wir nicht …

»Liebe dich selbst«, sagt man, »und es ist egal, wen du heiratest.« Dieses Prinzip lässt sich noch erweitern: »Liebe dich selbst, und du kannst auch alle anderen lieben, egal wer sie sind.« Und wenn du das kannst, kannst du beginnen, einen sehr großen Wandel in die Wege zu leiten.

ORIENTIERUNGSAUSSAGEN

4.1

»Wir sind ethisch verpflichtet, die wahren Kosten für unsere Handlungen zu akzeptieren.«


Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: B, B, F.

4.2

»›Fair Trade-‹ und ›Bio‹-Siegel sollten überflüssig werden.«


Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: C, E, H.

4.3

»Wir benötigen ein neues Narrativ, von dem alle sagen können: ›So wollen wir es!‹«


Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: A, D, H.

4.4

»Unser ständiges Sprechen über Angst, Abgrenzung und Hass fördert unsere Unfähigkeit, liebevolle Lösungen zu finden.


Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: B, E, G.

ÜBUNGEN FÜR DEN WANDEL

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