Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht

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Anmerkungen

[1]

Schlösser wistra 2006, 81, 86.

[2]

Mankowski/Bock ZStW 2008, 704, 705.

[3]

Zur Verwaltungsrechtsakzessorietät und außerstrafrechtlichen öffentlich-rechtlichen Merkmalen vgl. Cornils S. 86 ff.; S/S-Heine/Hecker Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 11 ff.

[4]

Altenhain/Wietz NZG 2008, 569, 570; Mankowski/Bock ZStW 2008, 704, 705.

[5]

Altenhain/Wietz NZG 2008, 569, 570; Mankowski/Bock ZStW 2008, 704, 705.

[6]

Cornils S. 25.

[7]

Cornils S. 25.

[8]

Cornils S. 24.

[9]

Eine Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts im Rahmen des Umweltstrafrechts wird überwiegend – sofern diese nicht durch EU-Recht harmonisiert wurden – abgelehnt, vgl. dazu S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 42; NK-Böse Vor § 3 Rn. 66; a.A. SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 43. Eingehend zur Ausfüllung umweltstrafrechtlicher verwaltungsakzessorischer Tatbestandsmerkmale mit ausländischem Recht Hecker ZStW 2003, 880, 890 ff.; ders. FS Schröder, S. 531 f.

[10]

BGHSt 21, 277, 279 = NJW 1967, 2069 f; OLG Frankfurt NJW 1965, 508, 509; BayObLG NJW 1965, 2166; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 334; MK-StGB-Ambos § 7 Rn. 8; Walter JuS 2006, 870, 870; a.A. S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 41.

[11]

Ausführlich Lackner JR 1968, 268 ff.; a.A. aber Cornils S. 95 nach deren Ansicht der Umfang des Schutzbereichs darüber entscheidet, ob die Ergänzungsnorm im Einzelfall der ausländischen Rechtsordnung entnommen werden kann.

[12]

Vgl. BVerfGE 29, 198, 210.

[13]

NK-Böse Vor § 3 Rn. 66, Hecker ZStW 2003, 880, 898 ff.

[14]

Hecker FS Schröder, 530 ff.

[15]

Zu den Bedenken an der Umsetzung der EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt, auf der die neue Fassung des § 330d II StGB beruht, siehe Fromm ZUR 2008, 301, 303 ff.; Zimmermann ZRP 2009, 74, 76 ff.

[16]

Hecker FS Schröder, S. 531, 542 ff.

[17]

Vgl. dazu Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager 3. Kap. Rn. 12 ff.; Volk/Vogel § 15 Rn. 25.

[18]

Vgl. hierzu Schuster S. 371 ff.

[19]

Vgl. BGHSt 47, 138; BGH NStZ 2001, 201; BGH NStZ 2007, 595; BGH NJW 2007, 1295; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 3; Wabnitz/Janovsky/Pflaum Kap. 20 Rn. 10; Mosiek StV 2008, 94, 97; a.A. Tiedemann AT, Rn. 228; NK-Puppe § 16 Rn. 22; LK-Dannecker § 1 Rn. 149.

[20]

Vgl. hierzu nur Warda S. 41 ff; Müller-Magdeburg S. 166 ff.; Enderle S. 79 ff.; S/S-Sternberg-Lieben § 15 Rn. 103; Schlüchter wistra 1985, 43, 45 f.; Tiedemann S. 388.

[21]

Kraatz JR 2011, 58, 63; Schlösser/Mosiek HRRS 2010, 424, 426; Mankowski/Bock ZStW 2008, 705, 722.

[22]

§§ 283 ff. StGB als Blankettstrafgesetze sehen Park/Sorgenfrei 3 Kap. 5 Rn. 7; Rönnau ZGR 2005, 832, 848; differenzierend LK-Tiedemann § 283 Rn. 244 (unechtes Blankettgesetz); als normatives Tatbestandsmerkmal hingegen Liebelt NStZ 1989, 182; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 335. Zur Frage, ob es sich bei § 370 AO um einen Blanketttatbestand oder ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, etwa LK-Dannecker § 1 Rn. 149; Mosiek StV 2008, 94, 97. § 266 StGB ordnet Schmitz S. 208, als normatives Tatbestandsmerkmal, Mosiek StV 2008, 94, 97 hingegen als Blanketttatbestand ein.

[23]

S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 15 Rn. 99; LK-Vogel § 16 Rn. 40; Roxin AT I, § 12 Rn. 110; Bülte JuS 2015, 769, 773. Zu verfassungsrechtlichen Problemen, Enderle S. 113 ff.; Moll S. 63 ff.; Niehaus wistra 2006, 206, 207 ff.; Dietmeier S. 93 ff.

[24]

Zum Irrtum bei Blankettstrafgesetzen vgl. MK-StGB/Joecks § 16 Rn. 73 ff.; LK-Vogel § 16 Rn. 37 m.w.N.; S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 15 Rn. 99 ff.; eingehend Warda S. 41 ff.; Jakobs AT, 8. Abschn. Rn. 46 ff.; Jescheck/Weigend AT, § 29 V 3; NK-Puppe § 16 Rn. 148 ff.

[25]

Tiedemann S. 316 ff., 388 ff.; Backes S. 115; Kuhlen S. 418 ff.; Schlüchter wistra 1985, 43, 45 f.; Roxin S. 381 f.; Dietmeier S. 241 f.; Enderle S. 337 ff.; LK-Schünemann § 292 Rn. 65; beipflichtend LK-Vogel § 16 Rn. 40.

[26]

BVerfGE 4, 352, 357 f.; LK-Dannecker § 1 Rn. 149, 151 ff.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › II. Die Fremdrechtsanwendung als Teilbereich des Internationalen Strafrechts

II. Die Fremdrechtsanwendung als Teilbereich des Internationalen Strafrechts

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › II. Die Fremdrechtsanwendung als Teilbereich des Internationalen Strafrechts › 1. Zum internationalen Geltungsbereich deutschen Strafrechts

1. Zum internationalen Geltungsbereich deutschen Strafrechts

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Wird für einen konkreten strafrechtlichen Sachverhalt festgestellt, dass dieser Bezüge zum Ausland aufweist, stellt sich zunächst die Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Durch das Strafanwendungsrecht der §§ 3-7, 9 StGB wird der materielle Geltungsbereich deutschen Strafrechts abgesteckt, indem die Reichweite der deutschen Strafgewalt (sog. jurisdiction to prescribe) bestimmt und dadurch auch das anwendbare Recht festgelegt wird.[1] Bei Vorliegen bestimmter Anknüpfungspunkte[2] wird die deutsche Strafgewalt auf Auslandstaten erstreckt, bei denen dann nach den §§ 5-7 StGB deutsches Strafrecht gilt.[3] Terminologisch lässt sich zudem der internationale Anwendungsbereich vom Geltungsbereich einer deutschen Strafnorm unterscheiden. Der internationale Anwendungsbereich benennt die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz oder eine einzelne Norm bei Auslandssachverhalten Anwendung beansprucht; der Geltungsbereich den räumlichen Herrschaftsbereich des gesetzgebenden Staates, der den Rechtsanwender durch Rechtsanwendungsbefehl bindet.[4] Indem diese Bestimmungen den Anwendungsbereich beschreiben, für den sich das deutsche Strafrecht einen Bewertungsanspruch zuerkennt, bilden sie einen konstitutiven Bestandteil primärer Strafrechtsnormen, wenn auch nur im Sinne von objektiven Strafbarkeitsbedingungen.[5] Trotz des materiellrechtlichen Charakters haben die §§ 3 ff. StGB auch insofern verfahrensrechtliche Bedeutung, als es bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen nach gängiger Praxis zu einem Prozesshindernis kommt, das zu einer Einstellung des Verfahrens führt.[6] Die §§ 3-7, 9 StGB regeln damit das innerstaatliche Strafanwendungsrecht, das die Vorschriften über den sachlichen Anwendungs- bzw. Geltungsbereich des deutschen Strafrechts enthält und angibt, wie weit ein Sachverhalt, der hinsichtlich des Tatorts, des Täters oder des Verletzten internationale Bezüge aufweist, der innerstaatlichen Strafgewalt unterliegt.[7]

Anmerkungen

[1]

S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 1; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 2 jew. m.w.N; Jescheck/Weigend AT, § 18 I 1.

 

[2]

Um einer unbegrenzten Ausdehnung der nationalen Strafgewalt entgegenzuwirken, bedarf es für Fälle mit Auslandsberührung eines völkerrechtlichen Anknüpfungspunkts (genuine link), um im Einzelfall einen unmittelbaren Bezug zur Strafverfolgung im Inland herzustellen. Als solche Anknüpfungspunkte gelten speziell das Territorialitätsprinzip nach § 3 StGB (Begehungsort der Tat), das Schutzprinzip (Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter), § 5 StGB, das Weltrechtsprinzip, § 6 StGB, sowie das aktive und passive Personalitätsprinzip, § 7 I StGB (Staatsangehörigkeit des Täters oder Opfers), die durch den Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege und das Kompetenzverteilungsprinzip ergänzt werden, vgl. Hecker EuStR, 2.1.3 Rn. 11; Ambos § 3 Rn. 4 ff.; LK- Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 216 ff.

[3]

S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 1.

[4]

Mankowski/Bock ZStW 2008, 704, 708; wohl auch Nowakowski JR 1971, 633, 635.

[5]

MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 3; S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 6; SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 4; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 2; Hecker EuStR, 2.1.1 Rn. 3; Jakobs AT, 5. Abschn Rn. 12.

[6]

BGHSt 34, 1, 3 f; BGH NJW 1995, 1844; SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 3; Hecker EuStR, 2.1.1 Rn. 3; Fischer Vor §§ 3-7 Rn. 1; NK-Böse Vor § 3 Rn. 11; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 4, was der verfahrensrechtlichen Komponente in Form der jurisdiction to adjudicate and enforce entspricht. Vor einer mehrfachen oder nachrangigen Strafverfolgung bei Vorliegen mehrerer nationaler Strafansprüche schützt innerhalb der EU das transnationale ne bis in idem, das in Art. 50 GRCh verankert und nun mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon durch Art. 6 I EUV rechtsverbindlich ist, dazu eingehend Hecker EuStR, 13.

[7]

Vgl. Fischer Vor §§ 3-7 Rn. 1; Jescheck/Weigend AT, § 18 I 1; Satzger IntStR/EuStR, § 3 Rn. 3; Ambos § 1 Rn. 5; Oehler § 1 Rn 1. Das Pendant zur Begründung und Ausübung staatlicher Strafgewalt bildet die Pflicht zur Achtung der Souveränität anderer Staaten, insbesondere deren Gebietshoheit, aus der auch der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz entspringt, dazu NK-Böse Vor § 3 Rn. 12.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › II. Die Fremdrechtsanwendung als Teilbereich des Internationalen Strafrechts › 2. Zur Abgrenzung des Internationalen Strafrechts vom Internationalen Privatrecht

2. Zur Abgrenzung des Internationalen Strafrechts vom Internationalen Privatrecht

50

Obgleich das Strafanwendungsrecht vielfach als Internationales Strafrecht bezeichnet wird, kommt dem Strafanwendungsrecht trotz der missverständlich suggerierten Nähe zum Internationalen Privatrecht keine kollisionsrechtliche Funktion zu.[1] Sinn und Gehalt des Internationalen Privatrechts (IPR) besteht darin, diejenige Rechtsordnung zu bestimmen, die für den Sachverhalt mit Auslandsbezug die engste Verbindung aufweist.[2] Dabei wird durch allseitige Kollisionsnormen bestimmt, ob der inländischen oder einer ausländischen Rechtsordnung die Normen zur privatrechtlichen Beurteilung eines solchen Sachverhalts zu entnehmen sind und darüber hinaus die Voraussetzungen festgelegt, auf welche Weise Rechte und Rechtslagen anzuerkennen sind, die sich aus einem ausländischen Recht ergeben.[3] Das Strafanwendungsrecht legt hingegen einseitig die Grenzen deutscher Strafgewalt unter Orientierung der verfolgten Strafzwecke und unter Inkaufnahme konkurrierender Strafgewalten fest, so dass die Normen bestenfalls einseitige Kollisionsnormen sind.[4] Das Kollisionsrecht bildet damit das Korrelat zur Anwendung fremden Strafrechts. Denn nach Festlegung der zur Anwendung berufenen ausländischen Norm wird diese nicht Bestandteil des eigenen Rechts, sondern bestimmt auch über die Rechtsfolge unmittelbar selbst.[5]

Anmerkungen

[1]

Vgl. Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 1; Satzger EuStR/IntStR, § 3 Rn. 4.

[2]

Vgl. MK-BGB/Sonnenberger IPR, EGBGB Art. 3 Rn. 24; v. Bar/Mankowski IPR I, § 7 Rn. 108; Kropholler § 4 II.

[3]

MK-BGB/Sonnenberger Einl. IPR, Rn. 3. Zur Unterscheidung allseitiger von einseitigen Kollisionsnormen im IPR Siehr § 47 I 3; Kropholler § 13 III 1.

[4]

Vgl. NK-Böse Vor § 3 Rn. 9; Hecker EuStR, 2.1.1 Rn. 2; Satzger IntStR/EuStR, § 3 Rn. 4; SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 1 f; Zieher IntStR, 33 f.

[5]

Wietz S. 91.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › II. Die Fremdrechtsanwendung als Teilbereich des Internationalen Strafrechts › 3. Zur Ausdehnung des Schutzbereichs auf ausländische Rechtsgüter

3. Zur Ausdehnung des Schutzbereichs auf ausländische Rechtsgüter

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Gesondert vom Geltungsbereich deutschen Strafrechts muss die weitere Frage geklärt werden, ob der jeweilige deutsche Straftatbestand den Rechtsgüterschutz überhaupt auf ausländische Rechtsgüter erstreckt oder vielmehr eine Beschränkung auf rein inländische Rechtsgüter aufweist.[1] Im Kern geht es dabei um die Frage, ob das betreffende Verhalten in einem Maße nationale (deutsche) Interessen berührt, dass es gerechtfertigt oder sogar notwendig erscheint, es am inländischen Rechtsgüterschutz teilhaben zu lassen.[2] Die Reichweite des Rechtsgüterschutzes muss dabei durch eine umfassende Auslegung des Strafgesetzes ermittelt werden und ist für jeden Fall gesondert zu prüfen.[3] In welcher Reihenfolge bei der Prüfung vorgegangen werden muss – ob also vor der Bestimmung des nationalstrafrechtlichen Geltungsbereichs zunächst die Eröffnung des Schutzbereichs geprüft werden muss, oder dieser vielmehr eine zwingend vorrangige Voraussetzung der Prüfung darstellt – ist umstritten. Bei der Auslegung der Strafnorm erfolgt bereits inzident die Prüfung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Denn bei einer Nichtanwendbarkeit deutschen Strafrechts nach den Grundsätzen der §§ 3 ff. StGB besteht ein Prozesshindernis, wodurch sich eine Prüfung des Schutzbereichs erübrigt.[4] Daraus kann auf eine vorrangige Prüfung des Geltungsbereichs geschlossen werden. Andererseits setzt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts das Vorliegen einer „Tat“ nach deutschem Recht voraus, was wiederum für eine vorrangige Prüfung des Schutzbereichs spricht.[5] Im Hinblick auf die Fremdrechtsanwendung kann dieser Streit jedoch dahinstehen, da diese jedenfalls das Vorliegen beider Merkmale erfordert.

52

Der Schutzbereich deutschen Strafrechts ist immer dann berührt, wenn durch das inkriminierte Verhalten inländische Rechtsgüter verletzt werden.[6] Eine Unterscheidung des Schutzbereichs nach in- und ausländischen Rechtsgütern bietet sich demnach an, ist jedoch nur im Hinblick auf staatliche Interessen relevant.[7] Rechtsgüter, die grundsätzlich durch den einschlägigen deutschen Straftatbestand geschützt werden, sind alle Individualrechtsgüter wie Leben, Freiheit, Vermögen und Ehre. Sie sind unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Rechtsgutsinhabers oder der Belegenheit des Rechtsguts schutzwürdig.[8] Die Erstreckung des Schutzes deutschen Strafrechts auch auf Ausländer resultiert aus dem völkerrechtlichen Fremdenrecht, das dem Ausländer einen „minimum of justice“ und damit auch ein Mindestmaß an strafrechtlichem Schutz garantiert.[9] Ausländische Rechtsgüter hingegen werden nicht ohne Weiteres vom deutschen Strafrecht geschützt, da die deutsche Staatsgewalt nicht dazu berufen ist, Interessen fremder Staaten unter ihren Strafrechtsschutz zu stellen.[10] Staatliche Rechtsgüter ausländischer Staaten scheiden deshalb bereits auf dieser Ebene aus dem Schutzbereich des deutschen Strafrechts aus. Dies beruht zum einen auf dem völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz und zum anderen darauf, dass die betreffenden Tatbestände eng in die innerstaatliche Rechts- und Verfassungsordnung eingebunden sind.[11] Aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung des Gesetzgebers kann der Schutzbereich auch auf ausländische staatliche Interessen oder internationale Institutionen ausgedehnt werden, wie dies beispielsweise bei völkerrechtlichen Abkommen, transnationalen oder unionsrechtlichen Rechtsgütern der Fall ist.[12] Zumeist ergibt schon der Wortlaut der betreffenden Tatbestände, dass diese ausschließlich inländische staatliche Interessen schützen.[13] In den übrigen Fällen ist mittels der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln, ob der Schutz sich auch auf ausländische Rechtsgüter erstreckt.[14]

Anmerkungen

[1]

Hecker EuStR, 2.1.2 Rn. 4; Ambos § 1 Rn. 32; Satzger EuStR/IntStR, § 3 Rn. 12; MK-StGB/Ambos Vorbem. §§ 3-7 Rn. 73; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 5.

[2]

Ambos § 1 Rn. 32; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 81; Hecker EuStR, 2.1.2 Rn. 4; Satzger IntStR/EuStR, § 3 Rn. 12; Fischer Vor §§ 3-7 Rn. 4; vgl. zum Rechtsgüterschutz im Rahmen des § 170 StGB auch Oehler JR 1975, 292, 293 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242; OLG Karlsruhe NJW 1978, 1754; OLG Frankfurt NJW 1978, 2460; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601.

[3]

LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 272; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 5; Nowakowski JR 1971, 634; Hecker EuStR, 2.1.2 Rn. 4; Satzger IntStR/EuStR, § 3 Rn. 13; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 83; Ambos IntStR § 1 Rn. 34.

[4]

Satzger IntStR/EuStR, § 3 Rn. 13 f.; SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 31; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 273; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 5; zustimmend auch Mankowski/Bock ZStW 2008, 704, 747; offengelassen von MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 82.

[5]

So die h.M. vgl. BGHSt 21, 277, 279 = BGH NJW 1967, 2069; BGHSt 29, 85, 88; S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 31; differenzierend NK-Böse Vor § 3 Rn. 55; Fischer Vor §§ 3-7 Rn. 4; Walter JuS 2006, 870, 870; ders. wistra 2001, 321, 322 m.w.N.; so auch OLG Saarbrücken JR 1975, 291 ff.; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317.

[6]

Ambos § 1 Rn. 34.

[7]

Vgl. Ambos § 1 Rn. 38; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 73 ff.; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 274.

[8]

Ambos § 1 Rn. 38; S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 33; LK- Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 274; SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 33; Leipold/Tsambikakis/Zöller/Zöller Vor § 3 Rn. 5.

[9]

 

NK-Böse Vor § 3 Rn. 56; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 276; Jescheck/Weigend AT, § 18 III 8.

[10]

BGHSt 22, 282, 285; Jescheck/Weigend AT, § 18 III 8; Nowakowski JZ 1971, 634; Oehler Rn. 778 ff.; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 277; Jakobs AT, 5. Abschn Rn. 1.

[11]

Hecker EuStR, 2.1.3 Rn. 9; MK-StGB/Ambos Vor § § 3-7 Rn. 76; Ambos IntStR, § 1 Rn. 35; NK-Böse Vor § 3 Rn. 58; S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 35; Oehler Rn. 233.

[12]

Fischer Vor §§ 3-7 Rn. 5, 10. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs findet sich bei den §§ 102-104, 129b, 152 StGB, dazu Ambos § 1 Rn. 38 ff.; S/S-Eser Vorbem. §§ 3-9 Rn. 36. Zur Erweiterung des Schutzbereichs des deutschen Strafrechts im Interesse der Europäischen Union vgl. Hecker EuStR, 2.1.2 Rn. 6 ff., 7.3.2.3 Rn. 31, 7.4 Rn. 67 ff.; LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 281 ff.

[13]

Besonders deutlich ist dies bei den Staatsschutzdelikten, §§ 80 ff. StGB, den Amtsdelikten, §§ 331 ff. StGB oder dem Schutz staatlichen Vermögens, § 264 VII StGB, § 370 i.V.m. § 1 I AO, vgl. dazu NK-Böse Vor § 3 Rn. 57; Jescheck/Weigend AT, § 18 III 8.

[14]

Vgl. LK-Werle/Jeßberger Vor § 3 Rn. 296; MK-StGB/Ambos Vor §§ 3-7 Rn. 75; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung

III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung

53

Die Thematik der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht fand in den letzten Jahren aufgrund europarechtlicher Einflüsse wieder vermehrt Eingang in wissenschaftliche Arbeiten.[1] Dass es sich dabei aber um kein neuartiges Phänomen des Strafrechts handelt, zeigen Untersuchungen um den Einfluss außerstrafrechtlicher ausländischer Rechtssätze schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich im Hinblick auf die Vorgehensweise der Ausfüllung zivilrechtsakzessorischer Merkmale unterscheiden.

Anmerkungen

[1]

Vgl. etwa Mosiek StV 2008, 94, 94 ff.; Mankowski/Bock ZStW 2008, 705 ff.; Altenhain/Wietz NZG 2008, 569 ff.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung › 1. Die Untersuchung von Neumeyer

1. Die Untersuchung von Neumeyer

54

Bereits 1903 widmete sich Neumeyer der Untersuchung über die verbotene Handlung im internationalen Strafrecht.[1] Er stellte dabei fest, dass die Tatbestandshandlung entweder in ihren einzelnen Merkmalen oder auch die Handlung als Ganzes in ihrer Rechtswidrigkeit von ausländischen Gesetzen bestimmt werden kann. Das Strafrecht schütze grundsätzlich Güter, die anderen Rechtsgebieten angehören und für die das IPR die zuständige Rechtsordnung bezeichne. Die Rechtswidrigkeit im Sinne des Strafrechts könne daher durchaus nach dieser lex causae[2] bemessen werden. Das Gesamtinteresse, das Schutzobjekt der Strafdrohung sei, befinde sich in Abhängigkeit von dem angegriffenen Sondergut, wobei das Maß dieser Abhängigkeit aber verschieden sein könne. So könne die Rechtswidrigkeit einer Handlung, die das Gesamtinteresse an der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung berührt, einerseits auf sich gestellt und lediglich den einschlägigen Strafdrohungen zu entnehmen sein, andererseits aber auch von der Zulässigkeit der Handlung nach dem für das beteiligte Sonderinteresse maßgebenden Recht, mithin von der lex causae abhängen. Welcher Gruppe die einzelne Strafbestimmung angehöre, könne nur anhand einer Einzelfallbetrachtung festgestellt werden. Die kriminelle Rechtswidrigkeit einer Handlung bemesse sich stets nach dem Recht des Staates, der die Handlung bei Strafe verbiete. Sofern die Rechtswidrigkeit aber außerstrafrechtlich begründet sei, müsse diejenige Rechtsordnung herangezogen werden, die materiell über erlaubt oder verboten entscheide und die dabei auch eine ausländische sein kann.[3]

55

Neumeyer gelangt damit zu dem Ergebnis, dass in den Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit einer Handlung von ihrer Unzulässigkeit nach dem materiell maßgebenden Recht abhängt, Internationales Privat- oder Verwaltungsrecht darüber zu entscheiden habe, welche Gesetze Anwendung finden. Fehle es hingegen an einer materiellen Abhängigkeit der kriminellen Rechtswidrigkeit, bestehe auch keine Möglichkeit, der lex causae auf ihre Abgrenzung Einfluss zu gewähren.[4] Bereits kurz nach Inkrafttreten des BGB wurde damit von Neumeyer die Funktionsweise des Internationalen Strafrechts und insbesondere zutreffend erkannt, dass außerstrafrechtliche Vorfragen mithilfe des Internationalen Privatrechts zu lösen sind.