Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Anmerkungen

[1]

Warda S. 5; Karpen S. 86 f.

[2]

Satzger Europäisierung, S. 217.

[3]

Binding S. 179 f.

[4]

S/S-Eser/Hecker Vor § 1 Rn. 3; LK-Vogel § 16 Rn. 36.

[5]

Vgl. Moll S. 24; eingehend zum ursprünglichen Begriff Warda S. 5 ff.

[6]

Da es in Abgrenzung zu den echten Blankettstrafgesetzen am charakteristischen „Kompetenzsprung“ fehlt, werden diese unechte Blankettstrafgesetze genannt, Karpen S. 95, Moll S. 26; Tiedemann S. 259 f; LK-Vogel § 16 Rn. 36. Gleichbedeutend, aber von Teilblankettgesetzen sprechend, S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 15 Rn. 99; auch NK-Puppe § 16 Rn. 19. Zum Teil wird auch zwischen einem weiten und einem engen Blankettbegriff unterschieden. Diese Differenzierung entspricht terminologisch der Unterscheidung zwischen echten und unechten Blankettstrafgesetzen, vgl. Warda S. 11. Unechte Blankettstrafgesetze sind in der Regel als Binnenverweisungen ausgestaltet.

[7]

Lohberger S. 28 ff.; Moll S. 40 ff. sprechen von teilweise ergänzungsbedürftigen Blankettvorschriften. Enderle S. 81 kommt zu dem Ergebnis, dass die von ihr als teilweise unvollständige Blankettverweisungen bezeichneten gegenüber gänzlich unvollständigen Tatbeständen mittlerweile dominieren.

[8]

Sog. Inkorporationstheorie, vgl. BVerfGE 47, 285, 310, 312; Karpen S. 67; Moll S. 27; Bülte JuS 2015, 769, 770.

[9]

Moll S. 27.

[10]

Grundlegend BVerfGE 75, 329, 342 f.; Dietmeier S. 10; Warda S. 8 f.; Hohmann ZIS 2007, 38, 42.

[11]

BGHSt 20, 177, 180; Niehaus wistra 2006, 206, 206 f; Karpen S. 89.

[12]

Vgl. Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 76; Ambos § 11 Rn. 19 f.; Enderle S. 54 ff.

[13]

Vgl. Enderle S. 110.

[14]

BGHSt 20, 177, 181; S/S- Eser/Hecker Vor § 1 Rn. 3; Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 76.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › I. Zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht › 4. Normative Tatbestandsmerkmale

4. Normative Tatbestandsmerkmale

42

Normative Tatbestandsmerkmale werden als Bestandteile des gesetzlichen Tatbestands erkannt, die auf eine „außerhalb ihrer Stammnorm liegende Norm“ verweisen.[1] Im Gegensatz zu den Blankettstrafgesetzen muss der Tatbestand der normativen Tatbestandsmerkmale nicht ergänzt werden, sondern bedarf nur der Konkretisierung durch den zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale berufenen Richter.[2] Normative Tatbestandsmerkmale werden ihrerseits von den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen abgegrenzt, deren Abgrenzung jedoch nur im Hinblick auf die Lehre vom Vorsatz von Bedeutung erlangt und hier nicht weiter vertieft werden soll.[3] Charakteristisch sollen normative Tatbestandsmerkmale „wertungsbedürftig“ sein, da es zu ihrer Feststellung eines ergänzungsbedürftigen Werturteils bedarf, wohingegen die deskriptiven Tatbestandsmerkmale nur „beschreibenden“ Inhalts sein sollen und in aller Regel nur aufgrund sinnlicher Wahrnehmung feststellbar sind.[4]

Anmerkungen

[1]

Schlüchter S. 23.

[2]

Vgl. BVerfGE 78, 205, 213; Satzger Europäisierung, S. 218 f.; LK-Dannecker § 1 Rn. 149.

[3]

Zur Abgrenzung vgl. SK-Rudolphi § 16 Rn. 21; Fischer § 16 Rn. 4; S/S-Eisele Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 64; eingehend Müller-Magdeburg S. 131 ff.; eine Abgrenzung aus terminologischen Gründen für sinnvoll erachtend Roxin AT I, § 10 Rn. 60; LK-Vogel § 16 Rn. 28 ff.; ablehnend dagegen LK-Walter Vor § 13 Rn. 42.

[4]

So die h.M. vgl. LK-Walter Vor § 13 Rn. 42; LK-Vogel § 16 Rn. 25; Jescheck/Weigend AT, § 15 I 4, § 22 III 2 b); Backes S. 36 ff.; Müller-Magdeburg S. 131 ff.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › I. Zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht › 5. Akzessorietätsformen

5. Akzessorietätsformen

43

Eine Unterscheidung nach der unterschiedlich starken Ausprägung der strafrechtlichen Akzessorietät nimmt Cornils vor und differenziert nach drei verschiedenen Erscheinungsformen strafrechtlicher Akzessorietät.[1] Unter die Anwendungsform der ausdrücklich verweisenden Akzessorietät fallen die Blankettstrafgesetze. Dieser Form der Strafgesetze ist immanent, dass sie zwar die Strafandrohung enthalten, hinsichtlich der Voraussetzungen aber, an die die Strafandrohung geknüpft wird, auf andere Vorschriften verweisen. Normative Tatbestandsmerkmale hingegen begründen eine stillschweigend verweisende Abhängigkeit. Zwar ist im Gegensatz zu den Blankettstrafgesetzen bei diesen der Tatbestand bereits gebildet, doch weisen auch sie eine Art von „Unvollständigkeit“ hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale auf, indem diese Normen anderen außerstrafrechtlichen Rechtsquellen in ihrer originären Form entnommen werden müssen. Die dritte Form strafrechtlicher Abhängigkeit wird von ihr als „indirekte Akzessorietät“ bezeichnet. Die außerstrafrechtlichen Normen werden hierbei lediglich zur Auslegung und Konkretisierung herangezogen, etwa zur objektiven Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen der Fahrlässigkeit, für die Begründung der Garantenstellung bei den Unterlassungsdelikten oder zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit, ohne dass es dafür einer gesetzlichen Verweisung bedarf.[2]

Anmerkungen

[1]

Cornils S. 10 ff. Eingehend zu den unterschiedlichen Akzessorietätsformen auch Hohmann ZIS 2007, 38, 40 ff.

[2]

Ganzer Abschnitt Cornils S. 10 ff. Für diesen Fall lassen sich auch keine allgemeinen Grundregeln für eine Behandlung der Fremdrechtsanwendung aufstellen, sondern sie erfordern eine gesonderte Überprüfung im Einzelfall. Die Erscheinungsform der indirekten Akzessorietät bleibt in dieser Arbeit außer Betracht.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › I. Zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht › 6. Verweisungstechniken

6. Verweisungstechniken

44

Sowohl normative Tatbestandsmerkmale als auch Blankettstrafgesetze sind Verweisungsnormen. Eine Verweisungsnorm ist eine Rechtsnorm, die den gesetzlichen Tatbestand nicht selbst vollständig umschreibt, sondern im Wege der Verweisung auf andere Vorschriften Bezug nimmt.[1] Die Bezugnahme auf andere Vorschriften erfolgt dabei durch verschiedene Formen von Verweisungstechniken. Binnenverweisungen stellen Verweisungen innerhalb ein- und desselben Gesetzestextes dar, bei der typischerweise am Ende eines Gesetzes Verstöße gegen die in dem Gesetz aufgestellten Ge- oder Verbote unter Strafe gestellt werden.[2] Eine Außenverweisung liegt vor, wenn die Blankettnorm auf andere Gesetze verweist, die damit von einem eigenständig legitimierten Gesetzgeber stammen.[3] Die Bezugnahme erfolgt dabei „parallel“ oder „über Kreuz“, letztgenannte Technik findet sich bei der Verweisung des Bundesgesetzgebers auf Landesgesetze oder umgekehrt.[4] Hingegen nennt sich der Verweis auf Vorschriften, die keine förmlichen Gesetze sind, Delegation.[5] Zwischen Binnen- und Außenverweisungen wird auch im Hinblick auf die Bezugnahme der Blankettnorm auf unmittelbar geltendes Unionsrecht unterschieden. Binnenverweisungen verweisen ausschließlich auf Zuwiderhandlungen gegen nationales Recht, Außenverweisungen sanktionieren einen Verstoß gegen Unionsrecht.[6] Eine Unterscheidung nach der Geltungszeit des Verweisungsobjekts treffen statische und dynamische Verweisungen, deren Differenzierung vor allem im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz von Bedeutung ist. Statische Verweisungen nehmen auf eine bereits bestehende Norm oder zu einem anderen bestimmten Zeitpunkt geltende Fassung des Verweisungsobjekts Bezug.[7] Der Normtext steht inhaltlich fest, der dadurch auch bei einer nachträglichen Änderung des Blankettgesetzes nicht beeinflusst wird.[8] Der Gesetzestext der dynamischen Verweisungknüpft an die „jeweils gültige Fassung“ an oder verweist pauschal auf andere Vorschriften.[9] Eine Änderung des Ausfüllungstatbestands wirkt sich mithin zugleich auch auf den Inhalt der Verweisungsnorm aus. Der Gesetzgeber des Blanketttatbestands hat darauf insbesondere im Falle von Verweisungen auf Unionsrecht keinen Einfluss, so dass sich hier verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf eine unzulässige Kompetenzverlagerung, den Bestimmtheitsgrundsatz und den Parlamentsvorbehalt stellen.[10] Dynamische Verweisungen sind sowohl in der Form als Binnenverweisung als auch als Außenverweisung möglich.[11] Eine sog. versteckt dynamische Verweisung liegt vor, wenn das statisch in Bezug genommene Verweisungsobjekt seinerseits auf andere Normen dynamisch weiterverweist.[12] Der Vollständigkeit halber sollen hier noch ausdrückliche Verweisungen, bei denen die Ausfüllungsregel mit der genauen Paragraphenangabe im Blankettgesetz bezeichnet wird, sowie konkludente Verweisungen, deren Inhalt der Verweisung sich erst durch Auslegung der Verweisungsnorm ergeben,[13] genannt werden.

 

Anmerkungen

[1]

Krey EWR 1981, 127; Satzger Europäisierung, S. 216.

[2]

Vgl. dazu Enderle S.11; Moll S. 29 f. Die Technik der Binnenverweisung dient der gesetzgebungstechnischen Vereinfachung, da mehrfache Aufführungen von Sanktionen vermieden werden, der Normadressat aber trotzdem dem Gesetzestext den vollständigen Sanktionstatbestand entnehmen kann, Dietmeier S. 43. Satzger hingegen versteht unter Binnenverweisungen jene, bei denen die Verweisungselemente zwar in unterschiedlichen Gesetzen geregelt sind, wohl aber vom gleichen Gesetzgeber stammen, vgl. Satzger Europäisierung, S. 216.

[3]

Moll S. 30; Dietmeier S. 44.

[4]

Enderle S. 11.

[5]

Karpen S. 107 ff.

[6]

Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 77.

[7]

Dazu BVerfGE 47, 285, 312; 60; 135, 155; Krey EWR 1981, S. 128; Karpen S. 76; Moll S. 45.

[8]

BVerfGE 47, 285, 312; 60, 135, 155. Diese Methode bietet dem Gesetzgeber den Vorteil, Gesetzestexte verkürzen zu können, indem die wörtliche Wiedergabe des Gesetzestextes der in Bezug genommenen Norm erspart wird, vgl. Moll S. 44 f.

[9]

BVerfGE 60; 135, 155; BGHSt 42, 79, 85; OLG Köln NJW 1988, 657, 658; Enderle S. 11; Karpen S. 67; Satzger Europäisierung, S. 217.

[10]

BVerfGE 47, 285, 312; Moll S. 45, 68 ff.; Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 81; zu verfassungsrechtlichen Bedenken bereits Karpen S. 120 ff.

[11]

Dynamische Verweisungen bieten den Vorteil, den Gesetzgeber durch die Anbindung an externes, außertatbestandliches Recht zu entlasten. Der Tatbestand wird für inhaltliche Veränderungen in der Zukunft geöffnet, indem die Verweisungsnorm dem jeweils neu gefassten Verweisungsobjekt angepasst wird, vgl. Karpen S. 68 f.

[12]

Krey EWR 1981, S. 150 f.; Moll S. 45; Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 79. Wegen der dynamisch in Bezug genommenen Norm bestehen in diesem Fall die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie bei den rein dynamischen Verweisungen.

[13]

Konkludente Verweisungen treten hauptsächlich im StGB auf, dazu zählen etwa §§ 153 ff.; § 292, § 365 I StGB, vgl. Enderle S. 17. Eine konkludente Verweisung spricht auch § 266 StGB mit dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aus, Tiedemann AT, § 5 Rn. 197.

Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › I. Zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht › 7. Ausfüllung akzessorischer Tatbestandsmerkmale mit ausländischem Recht

7. Ausfüllung akzessorischer Tatbestandsmerkmale mit ausländischem Recht

45

Das Strafrecht enthält somit vielfach Blanketttatbestände und normative Tatbestandsmerkmale, bei denen die Strafnorm selbst nur die „Sanktionshülle“[1] bereit stellt, deren Ausfüllung sodann durch andere Rechtsnormen erfolgt. Das Strafrecht bemüht sich hierbei nicht um eigene Begriffsbildungen, sondern bedient sich der Vorarbeit außerstrafrechtlicher Rechtssätze.[2] Da im weiteren Verlauf dieser Arbeit das Verhältnis zivilrechtlicher Abhängigkeit der Strafnorm untersucht werden soll, beschränkt sich die Untersuchung nun im Folgenden auf diesen Bereich.[3] Die außerstrafrechtlichen zivilrechtlichen Normen und Rechtsbegriffe werden von der Strafnorm dabei mit der Prägung und dem Inhalt in Bezug genommen, die sie durch das Zivilrecht erfahren haben.[4] Je stärker der außerstrafrechtliche Bezug einer Norm ist und je weniger Raum dabei für eine eigenständige strafrechtliche Begriffsbildung bleibt, desto eher wirken sich Änderungen der Bezugsmaterie auch auf das Strafrecht aus.[5] Sofern dabei nur Normen des deutschen Zivilrechts in Bezug genommen werden, finden sich hinsichtlich dieser Akzessorietätsbeziehungen keinerlei Besonderheiten. Anders ist dies jedoch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug zu beurteilen. Verweisen Straftatbestände auf zivilrechtliche Normen, kann dies in der Konsequenz dazu führen, dass bei Auslandssachverhalten zur inhaltlichen Ausfüllung jener Straftatbestände des nationalen deutschen Rechts auf die Rechtsordnung eines anderen Staates zurückgegriffen werden muss und sich somit die Thematik der Fremdrechtsanwendung stellt.

a) Zur Fremdrechtsanwendung bei den normativen Tatbestandsmerkmalen

46

Bei den normativen Tatbestandsmerkmalen gelangt man nur bei jenen Begrifflichkeiten zu einer Maßgeblichkeit ausländischen Rechts, die den Vorschriften anderer Rechtsbereiche zu entnehmen sind (z.B. „Ehe“, § 171 StGB, „fremd“, § 242 StGB). Für diese Art der normativen Tatbestandsmerkmale ist kennzeichnend, dass die Werthaltigkeit dieser terminologischer Begriffe stark von anderen Rechtsgebieten abhängig ist.[6] Das Strafrecht tritt dabei bewusst als unselbständige und abhängige Rechtsmaterie zurück, um sich der Sachnähe willen die speziellere Begriffsinterpretation der Primärnormierung anzueignen.[7] Außerrechtlichen Tatbestandsmerkmalen („rücksichtslos“, § 315c I Nr. 2 StGB) oder solchen, bei denen das Strafrecht selbst die gesetzliche Definition vorgibt („Angehöriger, Amtsträger, Richter, Behörde“, § 11 StGB) oder dem Begriff durch die Aufnahme ins StGB eine eigenständige Bedeutung zugekommen ist („Urkunde“, § 267 StGB), fehlt die Bindung an ein außerstrafrechtliches Rechtsgebiet, weshalb eine Fremdrechtsanwendung in diesen Fällen nicht möglich ist.[8]

b) Zur Fremdrechtsanwendung bei den Blankettstraftatbeständen

47

Ebenso ist innerhalb der Gruppe der Blankettstraftatbestände zu differenzieren. Naturgemäß stellt sich bei den Blankettvorschriften, die in Form von Binnenverweisungen ausgestaltet sind, die Frage nach einer Fremdrechtsanwendung nicht, da zur Ausfüllung der Blankettsanktionsnorm auf eine bestimmte Vorschrift desselben Gesetzgebers verwiesen wird und diese folglich an bestimmte inländische Normen gebunden sind. Anders ist dies bei den Blanketttatbeständen in der Form von Außenverweisungen, deren inhaltliche Ausgestaltung von einem anderen Normgeber als dem Gesetzgeber der verweisenden Norm stammt. Da die Ausfüllungsnorm zumeist in der Form von Rechtsverordnungen oder Verwaltungsakten ausgestaltet ist, wäre es zwar rechtstechnisch möglich, sie bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt dem ausländischen Recht zu entnehmen.[9] Auch bei der Verweisung einer Blankettstrafnorm auf eine andere Rechtsordnung oder Rechtsvorschriften steht rechtstechnisch einer Fremdrechtsanwendung nichts entgegen. Jedoch entspricht es allgemeiner Ansicht, dass Blankettstrafnormen nicht mit ausländischem Recht ausgefüllt werden können.[10] Dies gründet sich darin, dass nur durch ein Zusammenlesen von Blankett und ausfüllender Norm die Strafvorschrift entsteht, die als Grundlage der Sanktionierung dient. Die Heranziehung von ausländischen Rechtsvorschriften zur Ausfüllung der Blankettnorm würde zu einer Anwendung sowohl von deutschem als auch von ausländischem Recht führen, wofür sich in den Vorschriften des Strafanwendungsrechts der §§ 3-7 StGB jedoch keine Rechtsgrundlage finde.[11] Anders ist dies nur bei der Ausfüllung durch unionsrechtliche Normen, da diese unmittelbaren Vorrang vor dem nationalen Recht genießen. Das Unionsrecht bildet zusammen mit den förmlichen Gesetzen des Bundes und der Länder die Gesamtrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und stellt daher taugliches Verweisungsobjekt nationaler Strafvorschriften dar.[12] Ausländische Verwaltungsvorschriften können daher als Ausfüllungsnorm eines deutschen Blankettstrafgesetzes herangezogen werden, sofern diese durch EU-Richtlinien harmonisiert wurden und damit auch die zu deren Umsetzung erlassenen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates Teil des gemeinsamen europäischen Umweltrechts sind, wodurch ihre Anwendung in der Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung gründet.[13] Einen Fall der gesetzlich angeordneten Fremdrechtsanwendung enthält § 330d StGB.[14] Der neue Absatz 2 ermöglicht die Anwendung deutscher Strafnormen des Umweltstrafrechts auch dann, wenn die Tathandlung in einem anderen Mitgliedstaat der EU begangen wurde und dabei gegen Pflichten aus dem Umweltverwaltungsrecht eines anderen Mitgliedstaates verstoßen wurde.[15] Da die tatbestandsrelevanten Rechtsvorschriften des § 330d I Nr. 4 a StGB nicht mehr nur auf deutsche Umweltgesetze beschränkt sind, sondern auch alle umweltrelevanten Verordnungen der Union inklusive des harmonisierten Umweltrechts der Mitgliedstaaten umfassen, wurden die deutschen Umweltdelikte nunmehr in unionsrechtsakzessorische Tatbestände gewandelt.[16] Eine Fremdrechtsanwendung bei Blankettstrafgesetzen ist darüber hinaus auch dann anerkannt, wenn die Einbeziehung ausländischer Normen auf einem ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehl des deutschen Gesetzgebers beruht.[17] So wird etwa in § 38 V WpHG ausdrücklich Bezug auf ausländische Verbotsnormen zu Insiderrecht genommen.[18] Eine ausdrückliche Ausdehnung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter durch eine autonome Entscheidung des Gesetzgebers enthält beispielsweise auch der Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 VI AO. Der BGH ordnet diesen Straftatbestand als Blankettstrafgesetz ein, bei dem zur Ausfüllung auch ausländische Steuervorschriften herangezogen werden können.[19]

c) Zur Bedeutung der Abgrenzung normativer Tatbestandsmerkmale von den Blankettnormen

48

Für die Fremdrechtsanwendung hat der Umstand, dass Blankettnormen nicht mit ausländischem Recht ausgefüllt werden können, zur Folge, dass noch vor der Frage, welchem Recht außerstrafrechtliche Inzidentfragen bei Auslandssachverhalten zu entnehmen sind, jene von den normativen Tatbestandsmerkmalen abgegrenzt werden müssen. Die Abgrenzung der Blankettstrafgesetze von den normativen Tatbestandsmerkmalen bereitet in der Praxis häufig Schwierigkeiten und gab auch in der Literatur Anlass zur Auseinandersetzung.[20] Mangels klarer Unterscheidungskriterien und fließender Übergänge wird eine Differenzierung zwischen Blanketttatbeständen und normativen Tatbeständen als reichlich willkürlich und wenig tragfähig zum Teil generell abgelehnt.[21] Abgesehen von der Frage nach geeigneten Abgrenzungskriterien finden sich zudem beinahe für jede ergänzungsbedürftige Norm verschiedene Meinungen hinsichtlich ihrer Charakterisierung.[22] Eine Abgrenzung ist jedoch auch im Hinblick auf die dogmatische Einordnung des Irrtums und aus verfassungsrechtlichen Aspekten von Relevanz.[23] In Bezug auf die Einordnung von Irrtumsfragen ist bis heute umstritten, ob nur der Inhalt der Ausfüllungsnorm zum Tatbestand des Blankettgesetzes gehört oder auch ihre Wirksamkeit und Existenz und ein Irrtum hierüber somit als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum zu behandeln ist.[24] Im irrtumsfunktionalen Kontext wird daher von vielen Autoren vertreten, dass eine Differenzierung nicht sachgerecht sei und für Blankettgesetze dieselben Regeln wie für normative Tatbestandsmerkmale gelten sollen.[25] Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen überwiegend Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots und des Parlamentsvorbehalts nach Art. 103 II GG. Bei Blanketttatbeständen soll nicht nur die Sanktionsnorm, sondern auch die Ausfüllungsnorm den Anforderungen der Gesetzesbestimmtheit nach Art. 103 II GG entsprechen müssen, während sich die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei den normativen Tatbestandsmerkmalen nur auf die Strafrechtsnorm selbst, nicht jedoch auf die begrifflich einbezogenen außerstrafrechtlichen Normen beziehen sollen.[26] Eine vertiefende Auseinandersetzung mit dieser Problematik soll im verfassungsrechtlichen Teil dieser Arbeit erfolgen.