Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz

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Ach, mein unglücklicher Bruder war einer von den vornehmsten Lastergefärthen des jungen Grafen von Vatz! gegenseitige Freundschaft verband beyde, und Rudolfs schwache Seele hielt es für den höchsten Gipfel der Ehre, in die Fußtapfen des ausschweifenden Donats zu treten.

Meine Warnungen vermochten nichts über den Verblendeten; ihr wißt, jede Lehre, die aus dem Munde einer Klosterfrau geht, gilt eben darum nichts bey den Weltleuten, weil sie von einer Nonne vorgebracht wird. Weit mehreren Eindruck machte dasjenige, was die schöne Adelheit sprach, auf das Gemüth ihres Verehrers. Ich habe euch gesagt, mein Bruder sey unter den Bewunderern des Fräuleins von Sargans gerade derjenige gewesen, welcher ihr am wenigsten mißfiel, und das ist auch alles, was sich damals von ihren Gefühlen für ihn sagen ließ. Rudolf ward zwar mit Recht für den schönsten Jüngling seiner Zeit gehalten, aber Adelheit dachte zu edel, sich durch eine glänzende Außenseite blenden zu lassen, und derjenige, den sie jetzt mit ihrer Wahl beehrte, würde sicherlich gleich seinen Gefärthen von ihr übersehen worden seyn, wenn sie in diesem schwindelnden Gehirn nicht Funken von Mannsinn, und in diesem verirrten Herzen nicht Spuren von Tugendliebe entdeckt hätte.

Was vermag nicht Weiberschönheit mit ächter Tugend verbunden über eine Seele, welche noch nicht unter die ganz verwahrlosten zu rechnen ist! An Adelheits Hand begunnte Rudolf bald einige Schritte auf dem Wege des Lasters zurück zu gehen, und da gänzliche Entfernung von dem bisherigen Schauplatze seiner Thorheiten die einige Bedingung war, unter welcher sie in eine Verbindung mit ihm willigte, so war mein Bruder bald völlig gerettet.

O Adelheit! Wie dankte ich dir beym Abschied für die Trennung von demjenigen, den ich in deinen Armen so sicher, als im Geleit seines Schutzengels wußte! Gern ließ ich ihn von mir, den guten Weg zu gehen, den du ihn führen würdest!

Die nunmehrige Frau von der Wart beredete ihren Gemahl, der ihr nichts abschlagen konnte, mit ihr an Kaiser Alberts Hof zu gehen, und daselbst Beschäftigung zu suchen, wie sie sich für seinen Stand und seine Jahre schickte, und Rudolf hatte wider diesen so billigen44 Vorschlag nur eine Einwendung. Kaiser Albert war Kaiser Adolfs unrechtmäßiger Nachfolger, war sein Mörder; dieser unglückliche Monarch, den ein Bösewicht so frühzeitig auf seiner schönen Laufbahn aufhielt, war ein alter Freund und Beförderer unsers Hauses gewesen, unser Vater hatte in der bekannten Schlacht bey Wormbs45 sein Leben in seiner Vertheidigung aufgegeben, und seinem Sohn, dem jungen Rudolf, welcher damals seine erste Waffenprobe ablegte, nebst andern jungen Kriegern, noch mit sterbender Stimme, Rache an dem Kaisermörder Albert anbefohlen.

Dieser väterliche Befehl war die Ursach gewesen, daß Rudolf nicht in die Dienste des siegenden Alberts trat, und, wie gute Vorschriften oft böse Folgen haben, aus Mangel an ritterlicher Beschäftigung, in das wüste Leben gerieth, aus welchem ihn Adelheit rettete, und eben dieser väterliche Befehl war es auch, was ihm jetzt zu dem Dienste Kaiser Alberts verleitete.

Adelheits Wille überwand endlich alle seine Bedenklichkeiten, er nahm an Kaiser Alberts Hof Dienste, und suchte zu vergessen, daß er einen Fürsten Herrn nannte, welcher der Mörder des geliebten Adolfs war. Adelheits Ueberredungen vermochten allein den zuweilen in seiner Seele aufwallenden Unwillen zu dämpfen, und ihn auf dem Wege seiner Pflicht fest zu machen. Er zeigte sich bey verschiedenen Gelegenheiten in Alberts Diensten als ein Held, und dankte seiner Gemahlin, welche ihn der Weichlichkeit entriß, und den Funken der Tapferkeit in seiner Seele aufbließ.

Doch zeigte er bey allen Gelegenheiten, daß Alberts Dienste ihm lästig waren, und daß er nichts sehnlicher wünschte, als sie mit gerechtern Waffen zu vertauschen. Er mischte sich auf eine unglückliche Art in die Streitigkeiten der Markgrafen Friedrich und Diezmann mit ihrem Vater, er war ein Gefangner des letztern, und die unglückliche Adelheit vermochte nichts zu seiner Rettung zu unternehmen, als Flucht zu ihrem Bruder nach Italien.

Graf Donat hörte nicht auf die Hülfeflehende Stimme seiner Schwester, achtete nicht auf die Bedrängnisse seines ehemaligen Freundes. Seine eigenen Schicksale beschäftigen ihn gegenwärtig zu sehr, um ihn einen Gedanken für andere übrig zu lassen.

Donats ganze Lage hatte sich geändert. Ehemals der Günstling eines großen Fürsten, von ihm mit Gnade und Reichthümern überschüttet, war ihm jetzt nach dem Tode dieses seines Beschützers bey seinen ungeheuren Verschwendungen, nichts zu seiner Rettung übrig, als die Verbindung mit einer Person, welche er nicht lieben konnte, und die nichts empfehlendes hatte, als eine thörigte Zärtlichkeit für ihn, und großes Vermögen. Imagina war, als Adelheit nach Italien kam, vor kurzem Graf Donats Gemahlinn geworden, sie gab sich für eine Tochter des ermordeten Kaiser Adolfs aus, und hielt in dem Charakter einer so hohen Dame jede übermüthige Begegnung erlaubt, welche sie andern wiederfahren ließ. Hätte Adelheit die geringste andere Aussicht gehabt, sie würde den Schutz, den sie hier fand, mit Verachtung verworfen haben, aber hülf- und freundlos, wie sie war, hatte sie nichts übrig, als Unterwerfung.

Sie mußte sich gefallen lassen, statt die Hülfe ihres Bruders nach dem Orte zu ziehen, wo ihr Gemahl derselben bedurfte, Graf Donaten nach Rhätien zu folgen, wo Auftritte ihrer warteten, von welchen ihr, theure Noria, zum Theil Zeuginn gewesen seyd.

Gram, fehlgeschlagene Hoffnungen, Verbindung mit einer Person, die er haßte, und vor allem die Folgen langgeübter Ausschweifungen, Krankheit und nagendes Gewissen, hatten Graf Donats Gemüth ganz umgekehrt, und seine böse Seite völlig wieder zum Vorschein gebracht.

Sein menschenfeindliches Herz suchte Beschäftigung, und da Adelheits Anblick ihm das Schicksal seiner unglücklichen Mutter in den Sinn brachte, das er bisher ganz vergessen hatte, und an welchem er durch Saumseligkeit46 nicht außer Schuld war, so fiel der Gedanke wie ein Blitzstrahl in seine Seele, nach Rhätien zu gehen, Lukretien zu rächen, seinen Vater wegen ihres Todes zur Rechenschaft zu fordern, und seine Ansprüche auf seine Besitzungen geltend zu machen.

Graf Walter und ihr, seine Gemahlinn, waren der Frau von Wart von Kindheit an mit den gehäßigsten Farben geschildert worden, demohngeachtet schauerte sie vor der Rache, welche euch gedroht ward. Das Rachschwerd vom Sohn gegen den Vater gezuckt, welch ein herzempörender Anblick für die sanfte Seele einer Adelheit! Ihre Bitten, ihre Vorstellungen vermochten nichts bey Graf Donaten und seiner herrschsüchtigen Gemahlinn, welche auf den Untergang Graf Walters Hoffnungen künftiger Grösse baute. Die ersten Proben von der Grausamkeit ihres Bruders erhielt Adelheit zu Schloß Uspunnen. Das Gerücht wird euch gesagt haben, wie der blutgierige Donat in jenen Gegenden wüthete. Die Angst, mit welcher ihr der Annäherung eures Feindes auf Graf Walters Burg entgegen sahet, bewies, daß ihr es ganz wußtet, was ihr von seinem sinnlosen Toben zu gewarten hattet.

Auch Adelheit wußte es, und sie zitterte, wenn, auch nicht für die verkannte Noria, doch für einen Vater, welchem, wenn er auch ganz der Tyrann war, wie man ihn ihr schilderte, doch die Natur gegen seinen Sohn gewisse Vorrechte gab, welche durch keine Betrachtung vernichtet werden konnten.

Die bekümmerte Tochter würde noch mehr durch gewisse Besorgnisse gelitten haben, wenn es ihr nicht gelungen wär, in einer guten Stunde, ein eidliches Versprechen von Graf Donaten zu erringen, daß das Leben und die Wohlfarth seines Vaters ihm heilig seyn, daß er nie seine Hände mit Graf Walters Blut beflecken wollte.

Sollte man wohl ein solches Versprechen für nöthig gehalten haben? Selbst Graf Donat fühlte das Beschämende in Adelheits Bitten, und machte ihr ihre Zudringlichkeit zum Vorwurf. Gewiß war er nicht ganz der Unmensch, für den, man ihn zu Zeiten in seinen tobenden Launen halten mußte, und ich trage Bedenken, ihm den geringsten Antheil an einer That zuzuschreiben, welche mit undurchdringlicher Dunkelheit bedeckt ist, und zu deren Verübung ich selbst den boshaften Schwiegerus nicht ruchlos genug halte. Graf Walters kläglicher Tod war gewiß die Folge eines Ausbruchs seiner eigenen Verzweiflung, seine eigene Hand strafte ihn wegen ehemaliger Verbrechen!

Ihr seyd Augenzeuginn der folgenden Auftritte gewesen. Euer Anblick gewann euch Adelheits Herz und vernichtete alle Vorurtheile, welche sie wider euch hatte. Sie strebte, euch für den Unglück, das euch drohte, zu warnen, aber sichtbare und unsichtbare Hindernisse legten sich eurer Rettung in den Weg. Die Zaghaftigkeit eurer Warnerinn, Imaginens Gegenwart, und der seltsame Zufall, der euch in jener Nacht aus einander scheuchte, verbanden sich, euch eurem Unglück entgegen zu führen.

Adelheit konnte von der schauervollen nächtlichen Begebenheit nie deutlich sprechen, sie bezog sich auf eure Aussage, und das, was ihr mir auf meine Bitte ehemals über diesen Gegenstand geschrieben habt, war genau das, was ich aus ihren, und als mich die Neugier einmal zur Nachforschung trieb, auch aus Imaginens Munde erfuhr, alles gleich dunkel, seltsam und unerklärbar.

Auf Adelheits Seele machte dieser Vorgang die unmittelbare Würkung eines geistigen Wesens auf ihre Einbildungskraft den tiefsten Eindruck. Sie war des andern Morgens, als man es für gut hielt, sie von der Mitreise nach dem Schlosse ihres unglücklichen Vaters zurückzuhalten, würklich krank, und ward in einem Zustande zu mir gebracht, den man sich nicht traurig genug denken kann.

Ihr rückkehrender Bote, den sie an euch abgefertiget hatte, war nicht klug genug gewesen, ihr die Nachricht von dem Tode ihres beklagenswürdigen Vaters und von eurer Gefangennehmung mit Vorsicht beyzubringen; sie machte sich, nach Art schwacher allzu zartempfindender Seelen, tausend Vorwürfe, als ob sie durch irgend ein Versehen Theil an diesen beyden unglücklichen Begebenheiten genommen hatte, und es gelang der Freundschaft erst spät, ihr Herz über diesen Punkt zu beruhigen. Ihren Kummer zu vermehren, breitete sich bald darauf das Gerücht von dem Tode ihres Gemahls aus, der unter Herzog Alberts von Sachsen rächenden Händen gestorben seyn sollte. Da mich das Glück jetzt zur Oberinn dieses Klosters gemacht hatte, so konnte ich meiner Adelheit das angenehmste Leben in unsern stillen Mauern anbieten, aber sie schlug alles aus, die Begierde bey dem Grabe ihres Gemahls zu weinen, die Begierde euch zu retten, riß sie in die Welt zurück. Sie wußte euch als die Gefangene eines Mannes, dessen Grausamkeit sie kannte, und sie schwur, nicht zu ruhen, bis sie eure Bande gebrochen habe.

 

Eure Verbindung mit den Gräfinnen von Homburg und Rappersweil war ihr nicht in ihrem ganzen Umfange bekannt, auch schien ihr die Macht dieser beyden zu schwach, euch der Gewalt des mächtigen Grafen von Vatz zu entreissen. Sie hätte lieber die halbe Welt zu eurer Hülfe aufgeboten, und glaubte eure Rettung nicht verfehlen zu können, wenn sie sich zu Kaiser Rudolfs Töchtern wandte, von welchen sie aus eurem Munde wußte, daß sie eure Jugendfreundinnen gewesen waren.

Wie es ihr bey diesen mächtigen Fürstinnen glückte, ist euch bekannt. Nur die gutmüthige Herzoginn von Sachsen, die fromme Agnes, welche in ihrem eigenen Hause Unglück genug hatte, das ihr vor der Welt zum Vorwand hatte dienen können, sich um fremdes Leiden nicht zu bekümmern, verwendete sich für euch mit solchem Ernst, daß ihr frey wurdet, und mit ihr, ihre Schwester Euphemia, die, wie ich höre, nächstens ihr Kloster zu Tull gänzlich verlassen wird, um in dem Eurigen ihr Leben zu beschliessen. O Noria! wie verlange ich, euch persönlich zu kennen! Welch eine Frau müßt ihr seyn, da ihr drey der edelsten Seelen, eine Agnes, Adelheit und Euphemia so unaufhörlich an euch zu fesseln vermochtet!

Doch ich vergesse die Heldinn meiner Geschichte, die unglückliche Frau von der Wart, über den Gedanken an euch, oder soll ich nicht lieber sagen, ich scheue mich, sie in meiner Erzählung der traurigen Entscheidung ihres Schicksals entgegen zu führen?

Adelheit fand an Kaiser Alberts Hof, den sie in euren Angelegenheiten besuchen mußte, ein Glück, das sie in dieser Welt nicht mehr gehofft hatte, fand – ihren Gemahl lebend. Eben das Gerücht, welches Rudolfs Tod ausbreitete, hatte ihm die Treue seiner Adelheit verdächtig gemacht. Jene Reise, welche diese Unschuldige nach Italien zu ihrem Bruder that, ihn zur Rettung ihres gefangenen Gemahls aufzumahnen, jene Reise, welche sie bald darauf mit Graf Donaten gezwungen nach Rhätien unternehmen mußte, die lange Zeit, welche sie, von Rudolfs Tode überzeugt, in stillem Gram zubrachte, ohne etwas von sich hören zu lassen,, hatte die gehäßigste Auslegung gefunden; aber sie durfte sich nur zeigen, um bey demjenigen, der sie so unaussprechlich liebte, jeden Verdacht zu zerstreuen, durfte nur sprechen, um ihn von dem zu überzeugen, was die Wahrheit und das Zeugniß dererjenigen vor sich hatte, unter deren Augen sie gelebt hatte.

Welche Zunge vermag das Wiedersehn getrennter Liebenden, den Vorschmack jenes Wiedersehens jenseit des Grabes, in einer bessern Welt zu schildern! Auf einer Seite zernichteter Wahn eines kläglichen Todes, auf der andern gerechtfertigte Treue, und nun volle, herzliche Wiedervereinigung, eine Seligkeit, welche das erste Umfangen der Liebe übertrift! Verzeiht, Noria; eine Klosterfrau vermag solche Dinge nicht zu beschreiben, nur zu fühlen! Ohne Zweifel versteht ihr solche Auftritte besser als wir, die wir von den seeligsten Rechten der Menschheit ausgeschlossen sind.

Die glücklichsten Tage unserer Freundinn begannen von diesem Augenblick. Adelheit, welche ihren Gemahl durch Unglück veredelt, durch Jahre gereift, durch Trennung und Mißverständnisse ihr theuer gemacht, jetzt erst mit dem ganzen Umfang der Zärtlichkeit, deren ihr edles Herz fähig war, zu lieben anfing, sehnte sich nach nichts mehr, als nach einsamen Genuß ihres Glücks, sie schlug das zerstörte Schloß Uspunnen, welches jetzt die Herren von Eschenbach neu erbaut hatten und dem Herrn von der Wart, ihrem Freunde, zur Wohnung, antrugen, zum Schauplatz häuslicher Ruhe vor, aber Rudolf war jetzt durch festere Bande, als jemals, an Kaiser Alberts Hof gefesselt. – Sein Leben, seine Freyheit, sein ganzes gegenwärtiges Glück dankte er einem fürstlichen Jünglinge, den man nur sehen durfte, um ihn zu lieben, dessen Schicksal man nur kennen durfte, um sich für ihn zu intereßiren, wenn man auch nicht, so wie Rudolf, durch Dankbarkeit an ihn gebunden war. Er war die Ursach, warum Adelheits Gemahl jetzt an keine Entfernung denken konnte.

Soll ich diesen edeln und gefährlichen Mann euch nennen? Doch wer kennt nicht den unglücklichen Johann von Schwaben, wer beklagt und verabscheut gegenwärtig nicht in ihm zugleich den unterdrückten Prinzen und den unbefugten Rächer seiner selbst. – Armer Jüngling! was hast du durch die rascheste unüberlegteste aller Thaten, zu welcher dich böse Ratgeber verleiteten, gewonnen? Unter welchen Himmel schweifst du ruchlos wie der erste Mörder umher, ohne deinem eigenen Gewissen entfliehen zu können? und welches wird das Ziel deiner elenden Wanderungen seyn?

Zu der Zeit, da Adelheit und Rudolf von der Wart sich mit unauflöslichen Banden an den jungen Herzog von Schwaben fesselten, war er noch nicht der Verbrecher, zu dem ihn die Uebereilung, mit welcher er dem Schicksal vorgreifen wollte, gemacht hat; damals würde er vor dem Namen, mit welchem ihn vielleicht noch die späte Nachwelt bezeichnen wird, zurück gebebt seyn47 *). Jung, liebenswürdig, unglücklich, gewann er jedes Herz, und selbst Adelheit, deren kluge Vorsicht48 gleich anfangs aus der festen Freundschaft zwischen diesem Prinzen und ihrem Gemahl Unglück ahndete, konnte sich nicht entbrechen49, ihm gewogen zu seyn, ihm in seinen Klagen gegen seinen unbilligen50 Vormund den Kaiser, der ihn um seine väterlichen Erblande betrügen wollte, recht zu geben, und die Beförderung seines Glücks zu wünschen.

Ich sagte, Adelheit habe aus der Verbindung ihres Gemahls mit dem Herzog von Schwaben Unglück geahndet, und wie war das auch anders möglich, wenn man die Lage und den Charakter beyder erwog. Johann war rasch, feurig, ein Liebhaber der Freude, und ward von seinem hinterlistigen Oheim mit überflüßigen Mitteln zu jugendlichen Ausschweifungen versehen. Kaiser Albert fand seinen Vortheil darin, den Jüngling, dessen Glück er untergraben wollte, in Labyrinthe zu verstricken, aus denen er schwerlich den Rückweg finden konnte. Die Vergehungen, zu denen er ihm Gelegenheit gab, sollten das Mittel werden, sein eignes widerrechtliches Verfahren gegen seinen Neffen vor der Welt zu entschuldigen, und Johann ging nur gar zu leicht in die gelegten Fallstricke.

Rudolf, sein Freund, glich ihm in den Hauptzügen seines Charakters. Adelheits Warnungen hatten den Hang zu Ausschweifungen, welchen ihr Gemahl frühzeitig in Graf Donats Schule einsog, nicht so ganz ausrotten können, daß er jetzt bey gegebener Gelegenheit nicht wieder erwacht seyn sollte, und ob gleich Rudolf dem jungen Prinzen hinlänglich an Jahren überlegen war, um sein Führer zum Guten werden zu können, so ließ er sich doch nur gar zu oft von ihm auf Wege hinreissen, welche nicht die besten waren. Was für Besorgnisse mußte die Schwäche ihres Gemahls in ihr erregen, und was für düstre Wolken sah sie noch auf einer andern Seite über ihn zusammen ziehen.

Daß der Herr von der Wart kein großer Verehrer seines Herrn, Kaisers Alberts, war, daß wußte jedermann, seine eigene Zunge hatte oft seine wahren Gesinnungen gegen ihn und den ermordeten Kaiser Adolf in Stunden der Offenherzigkeit deutlich genug ausgeplaudert, und er hätte nicht nöthig gehabt, sich noch überdem an den jungen Herzog von Schwaben zu fesseln, um sich verhaßt und verdächtig zu machen. Der Kaiser schwieg, aber sein Schweigen war fürchterlich, und Adelheit hatte hinlängliche Erfahrung in den Sitten der Großen, um vorauszusehen, der Zorn, den man noch nicht mit genugsamer Sicherheit über den jungen Prinzen durfte ausbrechen lassen, würde sich einst schnell gegen seine Freunde, und besonders gegen den geliebtesten unter ihnen, den Herrn von der Wart, wenden.

Laß uns fliehen, mein Geliebter! sagte sie oft in ahndungsvollen Stunden, laß uns fliehen! Wir athmen hier schwüle Gewitterluft, der Tag war heis, die Wolken thürmen sich auf, der Blitzstrahl wird losbrechen und uns zerschmettern. Rudolfs Antworten waren selten beruhigend für sie, er lachte ihrer Besorgnisse, er sprach viel von Johanns künftiger Grösse, nennte Alberts Namen selten, ohne die Benennung Kaisermörder anzuhängen, und der Rache zu erwähnen, die ihm sein Vater sterbend anbefohlen hatte. Adelheits Angst wuchs, ihr Zureden ward dringender, und da sie sich gegenwärtig in einem Zustande befand, welcher ihrem Gemahl Hoffnungen gab, denen er lange vergeblich entgegen gesehen hatte, so zitterte er vor dem Schaden, den heftige Gemüthsbewegungen ihr zuziehen konnten, und dachte zum erstenmal in seinem Leben darauf, sich gegen die, welche er liebte, zu verstellen, und die wahre Lage der Sachen, welche immer bedenklicher wurde, ihren Augen zu entziehen.

Rudolf hatte unter seinen Dienern einen jungen Edelmann, Russeling genannt, welcher ehemals dem Herzog yon Schwaben diente, und nebst ihm bey der Befreyung des Herrn von der Wart, aus dem Gefängniß des Herzogs von Sachsen, geschäftig war. Rudolf liebte diesen jungen Menschen ungemein, und merkte nicht, daß er einen Verführer in ihm hegte, welcher ihn dem Abgrunde des Verderbens entgegen führte. Russeling war einer von jenen kleinen Feinden, welche großen Herren nicht selten gefährlicher werden, als derjenige, der ihre Lande mit großen Kriegsheeren angreift, und ihren Thron zu erschüttern droht. Aller Haß, vom Vater auf Sohn geerbt, brannte wider den Kaiser in seinem Herzen, er wiegelte insgeheim alle seine übrigen Hasser gegen ihn auf, goß mit jedem neuen Gespräch neues Gift in die Seele des Herzogs von Schwaben, bey welchem er viel Zutritt hatte, und entzündete auch in Rudolfs Seele die Flamme immer von neuem, welche Adelheits milde Ueberredungskunst zu löschen strebte.

Der Verräther sah, daß ihm in seinem bösen Vorhaben niemand hinderlicher war, als die Gemahlinn seines Herrn, und diese von dem Schauplätze zu entfernen, welcher, den gemachten Anlagen nach, nun bald mit Kaiserblut getränkt werden sollte, ward jetzt sein Hauptgeschäft.

Rudolfs Bitten, Adelheit möchte sich von dem unruhigen Hofe entfernen, und ihre Niederkunft lieber auf dem stillen Schlosse in den rhätischen Gebürgen erwarten, das sie schon oft zum Sitz häuslicher Glückseligkeit gewählt hatte, waren bisher vergebens gewesen; sie wagte es nicht, ihren Gemahl in der gefährlichen Lage, in welche ihn Johanns Freundschaft setzte, allein zu lassen; aber als Rudolf sich zu verstellen begunnte, als der schlangenzüngige Russeling hervortrat, als er sie auf die geflissentlichen Aufwartungen des Herzogs von Schwaben aufmerksam machte, und sie in denselben, vielleicht mit Ungrund, verbotene Liebe ahnden ließ, da gab sie nach. Flucht, meynte sie, sey das beste, jeden gefährlichen Eindruck zu tilgen. Ruhe vor den geräuschvollen Auftritten des Hofes war ihr nöthig, und das Versprechen ihres Gemahls, ihr bald zu folgen, und dann die ländliche Stille nie wieder zu verlassen, tödete jede Besorgniß.

Welch ein Abschied, Noria, welch ein Abschied mag der der beyden unglücklichen Eheleute gewesen seyn! Auf beyden Seiten Unglücksahndung, deren man sich nicht erwehren konnte, auf beyden das Gefühl schmerzhafter Liebe, welche nimmer getrennt zu werden wünscht, und zugleich die aus sehr verschiedenen Gründen entspringende Ueberzeugung, Trennung sey nothwendig!

Man riß sich endlich mit Gewalt los; Russeling begleitete auf Befehl seines Herrn die Frau von der Wart an den Ort ihrer Bestimmung, aber kehrte, sobald er sie eingerichtet sahe, schnell zurück, um keine Gelegenheit zu Ausführung seiner Absichten zu versäumen, welche, da alles zusammen kam, die böse That zur Reife zu bringen, nur gar zu schnell erfüllt wurden.

Adelheit lebte indessen in der Einsamkeit von Uspunnen das Leben, welches ihrer Lage angemessen war. Der Zustand, in welchem sie sich befand, machte ihr Herz allen Besorgnissen doppelt zugänglich, sie hatte ihren schwachen Gemahl in einer Verkettung von Umständen verlassen, welche jede ihrer schwarzen Ahndungen rechtfertigen mußte, auch merkte sie wohl, daß sie an der Burg von Uspunnen nicht eben den schicklichsten Ort gewählt hatte, sich in ihrem Trübsinn aufzuheitern.

 

Diese Gegenden, in welchen sie den Frühling ihres Lebens als eine elende Gefangene zugebracht hatte, wo sie nährlich von dem Tode der Flammen und des Hungers gerettet ward, der Begräbnißort ihrer unglücklichen Mutter, was für Einflüsse konnte dieser auf ein ohnedem tausendfältig beunruhigtes Gemüth haben! Zwar hatten die Herren von Eschenbach ihre zerstörte Burg gar herrlich und neu aufgebaut, und sie durch jeden Aufwand von Kunst fast unkenntlich gemacht, aber Adelheits lebhafte Einbildungskraft sahe immer mehr das, was ehemals war, als was sie jetzt erblickte.

Die Zeit ihrer Entbindung nahte heran, und der Augenblick, vor welchem ihr bange war, wurde ihr durch die Zukunft einiger Freundinnen erleichtert. Ihr und ich, die wir der theuren Adelheit der Freundschaft nach die nächsten waren, wurden durch unsern Stand an unsere Klöster gefesselt. Die Gräfinn Imagina von Vatz war tod, und würde auch wohl, hatte sie gelebt, von ihrer Schwägerinn weder gewünscht noch verlangt worden seyn, auch wären wir alle wahrscheinlich der Hülfsbebürftigen nicht so tröstlich gewesen, als die gutherzigen Bewohnerinnen des Frutiger Thals, welche auf die erste Nachricht, die Adelheit, welche ehedem durch Vorbitte dem in ihren Gegenden wüthenden Grafen Donat so mächtig Einhalt zu thun wußte, sey vorhanden, freundlich herbey eilten. Walter Fürsts Mutter, und Henrich Melchthals Eheweib, welche jetzt Donats Tyranney in diese Gegenden getrieben hatten, erschienen und boten bescheiden ihre Dienste an, auch blieb die brave Mechtild Staufacherinn aus Steinen nicht dahinten. Ach diese guten Matronen51 sind es, von denen ich die Erzählung der folgenden Scenen habe; aus Adelheits Munde konnte ich sie nicht erhalten.

Die Frau von der Wart hatte jetzt einem Sohne das Leben gegeben, und die Erscheinung dieses lächelnden kleinen Weltbürgers verscheuchte den größten Theil des Trübsinns seiner bekümmerten Mutter. Nur er, nur mein Rudolf sollte jetzt gegenwärtig seyn, rief sie oft mit Entzücken aus, um meine Freuden zu theilen, und die Besorgnisse wegen seines Schicksals, welche noch immer nicht schweigen wollen, zu vernichten!

Und ihr Wunsch ward erfüllt, ehe sie es meynte, aber ach, ohne ihr die gehoffte Freude zu gewähren.

Nur spät gelangen die Gerüchte aus der großen Welt zu den Wohnungen der stillen Gebürge, und doch giebt es Dinge, welche der Ruf auf schnellern Flügeln umherträgt, weil sie groß und schrecklich genug sind, um halbe Welttheile aufmerksam zu machen.

Fürstenmord! Vatermord! wer bebt nicht bey diesen fürchterlichen Namen! Kaiser Albert war tod, war unter der Hand des unglücklichen Johanns von Schwaben und seiner Freunde gefallen, man sagte sich diese schreckliche Post in den Gegenden, wo Adelheit lebte, bereits ziemlich laut ins Ohr, ohne sie ganz glauben zu wollen. Adelheits Frauen sahen, daß sie ihrer Dame in die Länge nicht würden verschwiegen bleiben können, und die vornehmste unter ihnen, die verständige Mechtild, nahm es über sich, ihr mit Schonung etwas von der schauervollen Begebenheit, und so wenig als möglich von dem Antheil, den der Herr von der Wart an dieser That hatte, kund zu thun; aber der Zufall vernichtete die Maaßregeln, welche sie so vorsichtig genommen hatte.

Adelheit saß, mit dem kleinen Rudolf im Arm, an einem Fenster, das auf den weiten Schloßplatz sahe. Ein einsamer Ritter sprengte herein; Adelheit sprang mit einem unartikulirten Freudengeschrey auf, und flog nach der Thür. Was wollt ihr machen, gestrenge Frau? schrie die ihr nacheilende Mechtild; aber die Frau von der Wart war schon auf dem Flur, und legte ihrem eben abgestiegenen Gemahl seinen Sohn in die Arme

Rudolf drückte Mutter und Kind an seine Brust, und folgte ihr unter dem Jubel des Schloßgesinds, das sich um seinen Herrn versammelte, in die Halle, wo neue Umarmungen, Fragen, Ausrufungen und alles frohe Getös der Freude seiner wartete.

Das Entzücken, den so sehnlich Gewünschten so unvermuthet in ihren Armen zu sehen, machte die Frau von der Wart blind, die frohe Geschwätzigkeit der Liebe ließ sie es nicht bemerken, daß sie allein die Sprechende war, und manche Stunde verging, ehe sie die Frage, wie so stumm? wie so bleich? an ihrem Herrn ergehen ließ.

Dem Hofgesinde hatte die Veränderung ihres Gebieters und seine Schreckensgestalt, die jedes Gerücht, das von ihm ausgebreitet wurde, zu bestätigen schien, nicht entgehen können. Die erste Freude, mit welcher sie ihn empfingen, ging schnell vorüber, und alle zogen sich jetzt schüchtern zurück, weil sie Fürstenblut an seinen Händen zu erblicken glaubten.

Was ist dir mein Trauter? fragte endlich Adelheit ihren Gemahl, der mit starrem tief zur Erde gesenkten Blick dasaß, und sie nicht zu verstehen schien.

O nichts! nichts! rief er, indem er aufsprang und ans Fenster trat. Alles ist gut! Es ist ja nun geschehen, was geschehen sollte! Nur mein thörichtes Herz will noch nicht anfangen ruhiger zu schlagen!

Und was ist geschehen? fragte die immer ängstlicher werdende Adelheit.

Rudolf, ohne ihr zu antworten, merkte an, daß der Abend einbreche, und befahl einem Knappen, zuzusehen, daß alle Pforten wohl verriegelt, und das Fallgitter beym schmalen Felsenwege niedergelassen werde.

Wozu diese Vorsicht? mein Geliebter, sprach Adelheit, die sich um seinen Hals schlang, du bist sicher in den Armen der Liebe? Wir haben keine Feinde!

Adelheit! – Sonst, da Albert noch lebte, hatten wir nur einen Feind! seit er fiel, lauren tausend Rächer auf unsern Untergang!

Albert? Kaiser Albert tod? – und durch wen? schrie Adelheit mit einem Tone, der alles faßte, was Entsetzen und Unglücksahndung in sich hat.

Rudolf sah sie mit düstrer gefalteter Stirn an, und nahte sich ohne Antwort der Thür.

Adelheit folgte, und wiederholte mit kaum hörbarer Stimme ihre Frage.

Rudolf neigte sich zu ihr herab, und flüsterte ihr deutlich genug, daß Mechtild, welche allein im Zimmer gegenwärtig war, es verstehen konnte, seinen, des Herzogs von Schwaben, und noch einen andern Namen ins Ohr. – Weis Adelheit nun, setzte er mit einem schrecklichen Blicke hinzu, mit welchem Namen sie hinfort ihren Gemahl zu begrüssen hat?

Der Eindruck, den die fürchterlichste aller Erklärungen auf die unglückliche Gattinn des Verbrechers machen konnte, ist zu errathen. Es giebt Augenblicke, wo ein einiges Wort hinlänglich ist, uns den vollen Umfang unsers Schicksals vor die Seele zu bringen, wir überschauen mit einem einigen großen Blicke das ganze All, fassen den ganzen Gehalt desselben in einem einigen Gefühl zusammen, unter welchem wir, die Riesengestalt, die sich vor uns ausdehnt, führe den Namen Glück oder Elend, – gemeiniglich erliegen.

Adelheit lag sinnlos zu den Füssen ihres Gemahls, und seine Umarmungen nebst den Bemühungen ihrer Frauen, erweckten sie nur zu langen Leiden. Zwar ihrer Seele ward gänzliche Bewußtlosigkeit ihrer fürchterlichen Lage zu Theil, aber ihr Körper litt unter den wüthendsten Anfällen einer Krankheit, welche sie dem Tode nahe brachte.

Monate verstrichen, ehe man sie gerettet nennen konnte, und eine ähnliche Zeit, ehe sich ihr Gemüth an die Erfüllung langgehegter schwarzer Ahndungen, hinlänglich gewöhnen konnte, um nicht in den schrecklichen Zustand, dem sie vor kurzem entgangen war, zurück zu fallen.

Rudolfs Lage war in der Zeit, da er durch das Elend seiner Gemahlinn doppelt litt, immer bedenklicher geworden, die Zeit glücklicher Flucht war an Adelheits Krankenlager ungenutzt verstrichen, die Wunden seines Gewissens, von der lindernden Hand der Freundschaft unverbunden, waren gefährlicher geworden, er erblickte, wie es jedem Verbrecher geht, die vollbrachte That mit andern Augen, als die zu vollbringende, er war ohne Trost, und Kaiser Alberts Rächer traten ihm bereits auf die Fersen.

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