Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs

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Ein Charisma, eine Gabe des Heiligen Geistes als Hilfe zum Apostolat, ist also nur zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen. Es wird ganz ähnlich wie die Firmung als Gabe und Aufgabe verstanden, es ist allerdings nicht direkt als Wirkung der Firmung beschrieben, sondern als eine Gabe des Heiligen Geistes, die den Getauften und Gefirmten mit auf den Lebensweg gegeben wird. Und dieses Leben ist in vollem Umfang in den Prozess der Zeugenschaft für Christus mit einzubeziehen. Die sozialen Gruppen, in denen die Christinnen und Christen leben, wie auch die zeitlichen Einflüsse, denen alle Menschen unterliegen: all dem soll mit Liebe und Achtung begegnet werden, weil Zeugenschaft für Christus nur im persönlichen Leben möglich ist86. Peter Hünermann erklärt, dass eine „sichtbare Erneuerung des missionarischen Geistes […] durch dieses Dokument [AG] in der nachkonziliaren Kirche“87 nicht ausgelöst wurde. Festzuhalten ist aber auch, dass auch AG 11 das Apostolat der Laien nicht vom hierarchischen Priestertum abhängig macht, sondern als ursprüngliche Sendung zusammen mit dem hierarchischen Priestertum versteht88.

Gerade im Dekret Orientalium Ecclesiarum. Über die katholischen Ostkirchen tritt eine weitere Frage zu Tage, die auch in der römischkatholischen Kirche in Deutschland für Diskussionen sorgt: nämlich die Frage nach dem Zeitpunkt der Firmung, die bewusst nicht beantwortet wird: „Das Konzil möchte zwar die ältesten Traditionen wiederhergestellt sehen, läßt aber den Zeitpunkt der Firmspendung offen“89. Während sich aber in den deutschsprachigen Ländern die Diskussion eher darum drehte, mit der Firmung zu warten und erst mündige junge Erwachsene zur Firmung zuzulassen90, geht es in OE darum, sowohl die Firmung im Anschluss an die Taufe als auch die Firmung zu einem späteren Zeitpunkt zuzulassen. Dabei zeigen die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils Interesse daran, dass möglichst viele Christinnen und Christen das Sakrament der Firmung empfangen, denn „um des Seelenheiles willen hält das Konzil nicht unbedingt am Prinzip der Rituszugehörigkeit fest. Alle orientalischen Priester dürfen sogar lateinisch Getaufte und auch unabhängig von der Taufspendung und ohne rituelle Konsequenz firmen, ähnlich umgekehrt lateinische Priester mit entsprechenden Vollmachten“91. Dies mag gerade dann überraschen, wenn man davon ausgeht, dass die Firmung kein heilsnotwendiges Sakrament ist92. Gerade die zeitliche Zusammengehörigkeit von Taufe, Firmung und Eucharistie in den orientalischen Kirchen mag zu dieser Haltung beigetragen haben. Sowohl die Bestimmung in LG 26, nach der die originären, erstberufenen Spender der Firmung die Bischöfe sind, als auch das Prinzip der Rituszugehörigkeit werden damit zugunsten des Seelenheiles der Christinnen und Christen ausgeweitet.

Nach Günter Koch lassen sich deshalb die wenigen aber wichtigen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Firmung folgendermaßen zusammenfassen: Taufe und Firmung gehören eng zusammen (LG 11; SC 71), Sie vereinigen mit Christus, dem Haupt (AA 3). Die Firmung verbindet vollkommener mit der Kirche (LG 11; AA 3), sie schenkt eine besondere Kraft des Heiligen Geistes (LG 11; AA 3) und befähigt und verpflichtet so nachdrücklicher zum Apostolat, zur Verwirklichung der christlichen Berufung (LG 11; AA 3). Die Bischöfe sind dabei die erstberufenen, originären Spender des Sakramentes des Firmung (LG 26)93. Günter Koch ist der Ansicht, dass das Zweite Vatikanische Konzil entscheidende und grundlegende Aussagen zur Firmung gemacht hat94, während Heribert Mühlen die Auffassung vertritt, das Zweite Vatikanische Konzil habe keine neuen Aspekte der Firmung vorgetragen95. Für Josef Zerndl ist diese Frage von geringerer Bedeutung, entscheidend sei vielmehr, dass auch das Zweite Vatikanische Konzil die prekäre Zuordnung von Tauf- und Firmwirkung nicht geklärt habe, so Zerndl96. Wenn das Zweite Vatikanische Konzil aber nichts zur exakten Unterscheidung von Tauf- und Firmwirkung beigetragen hat, kann man auch fragen, ob dies nicht eben die innere Zusammengehörigkeit der beiden Sakramente stärkt. So sehr auch Theologinnen und Theologen versucht haben, die spezifische Unterschiedlichkeit herauszuarbeiten, so bleibt man doch letztlich auf die innere Verbundenheit von Taufe und Firmung verwiesen, wobei die Beziehung zum Sakrament der Taufe nicht als ein exklusives Merkmal der Firmung interpretiert werden kann. Die Relation zum Sakrament der Taufe ist bei jedem einzelnen Sakrament ebenso zu berücksichtigen, wie die Beziehung zur Eucharistie.

1.1.4 Entfaltung dieser Aspekte der Firmung – die Beschlüsse der Synoden

Die Sendung der Getauften und Gefirmten war dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein wichtiges Anliegen. Betätigungsfelder oder Anregungen, die Sendung im alltäglichen Leben umzusetzen, sucht man aber vergebens. Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland und die Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR hatten auch deshalb die Aufgabe, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu fördern und „zur Gestaltung des christlichen Lebens gemäß dem Glauben der Kirche beizutragen“97. Dazu mussten sich beide Synoden in besonderer Weise auch mit dem Sakrament der Firmung auseinandersetzen. Die Schwierigkeit lag vor allem darin, dass Papst Paul VI. Im Jahr 1971 den Ritus der Firmspendung einer Revision unterzogen hatte98. Die Firmung der Erwachsenen folgt dem in den orientalischen Kirchen üblichem Ablauf von Taufe-Firmung-Eucharistie. Die Firmung von Heranwachsenden findet in der Regel nach der ersten Spendung der Eucharistie und des Bußsakramentes statt. Der Empfang der Firmung wurde abhängig gemacht von der Taufe, der Erlangung des Vernunftgebrauchs, einer katechetischen Unterweisung und der rechten Disposition zur Erneuerung des Taufversprechens99. In der Überarbeitung des Firmritus sollte deutlich werden, dass in der Firmung die Gabe des Heiligen Geistes mitgegeben wird100, die bis dahin übliche Spendeformel, die den Spender des Sakramentes in der Ersten Person als handelndes Subjekt nannte101, wurde abgeändert und die Betonung der Spendung der Firmung wurde erstens auf die Salbung mit Chrisamöl an der Stirn, und zweitens auf die Auflegung der Hände gelegt mit der neuen Spendeformel: Sei besiegelt mit der Gabe des Heiligen Geistes102 gelegt. Gerade der Bezug auf die Gabe des Geistes darf aber nicht exklusiv oder unter Zurückstellung der Taufe verstanden werden, denn Papst Paul VI. ordnete die Firmung in die Reihe der Initiationssakramente ein und verwies ausdrücklich auf die Taufe als Wiedergeburt, die Firmung als Stärkung und die Eucharistie als Nahrung für das ewige Leben103. Neuartig ist die vom Zweiten Vatikanischen Konzil her inspirierte beziehungsweise aus den Verlautbarungen her ableitbare zentrale Stellung der pneumatologischen Dimension der Spendeformel. Die Firmung ist somit in ihrer Beziehung zur Taufe und in ihrer Hinordnung auf die Eucharistie zu verstehen.

Diese neuen Konstellationen stellte auch die Gemeinsame Synode vor Herausforderungen, was dazu führte, dass zeitweise ein eigenes Dokument zur Taufpastoral geplant war, unter Auslassung des Sakramentes der Firmung104. Die Auseinandersetzung mit der Firmung geschah in der Gemeinsamen Synode vorwiegend in dem Synodenbeschluss Schwerpunkte heutiger Sakramentenpastoral. Der Beschluss Die Beteiligung der Laien an der Verkündigung erwähnt die Firmung überraschender Weise nur beiläufig, stellt sie aber in eine Reihe mit der Taufe als „geistgewirkte Befähigung zum Glaubenszeugnis“105.

Inhaltlich ist der Synodenbeschluss Schwerpunkte heutiger Sakramentenpastoral davon gekennzeichnet, dass die Relevanz der Sakramente im persönlichen Leben sichtbar werden soll. Richard Hartmann formuliert dies folgendermaßen: „Es geht den Synodalen darum, den Zusammenhang der Sakramente mit den Grundfragen nach dem Leben, nach bestimmten und zentralen Stationen herzustellen. Sakramente sollen nicht ‚einseitig als Gnadenmittel verstanden’ werden, ohne den Lebensbezug und die Christusbeziehung zu entfalten“106. Der Synodenbeschluss stellt den Bezug zum alltäglichen Leben gleich im ersten Abschnitt deutlich heraus und beginnt mit der Feststellung, dass Menschen in besonderen Lebenssituationen die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen. Die Sakramente werden in diesem Kontext als Deutungsmöglichkeit und als Ausfaltung der Bestimmung des Menschen verstanden. Dass Sakramente Zeichen des Heils sind und in Jesus Christus, dem Ursakrament, begründet sind, würde vielen Menschen allerdings nicht mehr deutlich – „der Bezug zum eigenen Leben und das Angebot einer persönlichen Begegnung mit Christus“107 würden nicht mehr erkannt. Die Zeichen der Liebe und der Nähe Gottes, als welche die Sakramente auch bezeichnet werden, sind in der Kirche für jeden Menschen auffindbar, besonders sinnenfällig in der Gemeinde, die als Gemeinschaft der Gläubigen an einem Ort verstanden wird108. Deshalb möchte die Synode die Sakramente nicht nur als punktuelle Kontakte von Sakramentenempfängern mit der Gemeinde verstanden wissen, sondern auf vielfältige Weise zu Begegnungen mit der göttlichen Wirklichkeit auffordern.

Die Firmung ist, wie alle Sakramente in ihrer pneumatologischen Dimension zu verstehen. Denn der Heilige Geist leitet die Kirche, die wiederum der Ort für die einzelnen Sakramente in den Gemeinden ist. Sie muss außerdem auch in ihrer Beziehung zur Taufe gesehen werden und sie führt zu einer „neuen Befähigung und Beanspruchung des Getauften zum christlichen Leben“109. Fragen nach einer genaueren Unterscheidung von Taufe und Firmung beantwortet der Synodentext nicht. Entscheidender sind die Anweisungen zur Firmpastoral, die aus der Zusammengehörigkeit der Initiationssakramente abgeleitet werden.

 

Der Ort der Firmung ist die konkret verfasste Gemeinde, in der die Firmung in nicht allzu großen Abständen vom Bischof oder einem Bevollmächtigten gefeiert werden soll. Zusätzlich zu dieser Verortung der Firmung in der Gemeinde soll der Pate dem Firmanden helfen, seinen Ort in der Gemeinde zu finden. Deshalb ist die Glaubenshaltung des Paten das eigentliche Kriterium für deren Auswahl. Kann kein geeigneter Pate gefunden werden, kann auch auf den Paten verzichtet werden110.

Spender der Firmung ist nach Möglichkeit der Bischof. So soll den Firmanden die Zusammengehörigkeit ihrer Gemeinde mit der Diözese und mit der Weltkirche vermittelt werden111. Entfalten soll sich die Firmung in einem Leben aus dem Glauben. Die Gefirmten sollen gelernt haben „als geistliche Menschen eine persönliche Beziehung zu Gott [zu finden] und bereit sein, gemeinsam und als einzelne in Kirche und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“112. Dabei sollen die Gefirmten in der Seelsorge mithelfen können, in den kirchlichen Räten aktiv sein, die caritativen Einrichtungen mit ihrem Engagement unterstützen und im liturgischen Bereich Aufgaben übernehmen. Alle diese Stellungen und Funktionen sind mit einer Gnadengabe des Geistes verbunden und deshalb wären gerade Gefirmte in solchen Positionen wichtig.

Eine große Schwierigkeit ist die Frage nach dem Alter der Firmanden: „Je mehr die eigene Entscheidung und Reife des Firmlings betont wird, desto eher wird ein höheres Alter gefordert. Dies, so wird festgehalten, sei jedoch keine theologische, sondern eine pastorale Ermessensfrage“113. Günter Koch hält dem gegenüber fest, dass die „pastorale Frage nach dem rechten Firmalter […] auch von dem favorisierten theologischen Ansatz“114 abhängt und somit nicht eine Entscheidung nur nach persönlichem Ermessen ist. Das kommt eigentlich auch im Synodenpapier zum Ausdruck:

Angeführt wird 1) das Argument, die Firmung im 7. Lebensjahr würde es ermöglichen, die altkirchliche und bei der Eingliederung Erwachsener in die Kirche übliche Reihenfolge der Initiationssakramente Taufe-Firmung-Eucharistie einzuhalten. 2) Dem wird aber entgegengehalten, dass gerade die Findung der eigenen persönlichen Möglichkeiten zu einem freiheitlich verfassten christlichen Leben in diesem Lebensalter noch nicht möglich ist. 3) Deshalb wird für eine Firmung ungefähr im 12. Lebensjahr plädiert. In diesem Alter könne das Kind / der oder die Jugendliche bereits Zeuge des Glaubens sein und die Bedeutung der Firmung nachvollziehen. Es bleibt eigentlich dann nur die Frage offen, wie ein Kind im 10. Lebensjahr die Bedeutung der Gegenwart des erhöhten Herrn Jesus Christus im eucharistischen Brot begreifen kann, wenn es die Erstkommunion feiert. Deutlich sichtbar wird deshalb, dass der Synodentext ein Kompromissdokument ist, das bei verschiedenen Meinungen der Synodalen das richtige Mittelmaß finden will115. Der Wunsch war jedenfalls, dass das Synodenpapier einen Beitrag zur „Erneuerung der Kirche im Leben ihrer Gemeinden“116 leistet.

Einen ähnlichen Weg ging die Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR, indem sie das Sakrament der Firmung ausschließlich in dem Dokument Aspekte des Verkündigungsdienstes der Gemeinde berücksichtigte117. Die wenigen Aussagen zur Firmung machen deutlich, dass der Auftrag zur Verkündigung in Taufe und Firmung gegeben ist und dass alle Getauften und Gefirmten an der Sendung der Kirche in der Welt teilnehmen118. Die katechetische Arbeit mit jungen Christen erfordert, auf ihre Lebensumstände einzugehen. Ebenso sollen die Eltern der Firmanden in ihrem Glauben gestärkt werden119.

1.1.5 Sachthemen für die interdisziplinäre Arbeit mit der Firmung

In einer interdisziplinären Untersuchung müssen die verschiedenen Wissenschaften miteinander ins Gespräch gebracht werden. Dies geschieht dadurch, dass Kriterien beziehungsweise Sachthemen benannt werden, die in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden und welche eine Fokussierung des normativ-theologischen Gehalts der Firmung ermöglichen. Gleichzeitig müssen diese Sachfragen im weiteren Verlauf der Arbeit den ritualwissenschaftlichen und empirisch-sozialwissenschaftlichen Entwürfen gestellt werden können.

Es kann festgehalten werden: Als Teil der christlichen Initiation steht die Firmung in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils an einem Berührungspunkt zwischen individueller Biographie und kirchlicher Gemeinschaft. In der persönlichen Biographie muss im christlichen Selbstverständnis der Blick auf das Pascha-Mysterium offen bleiben, das eigene Leben mit seinen alltäglichen Begebenheiten muss in Bezug auf das Leben und Sterben, die Worte und Taten sowie die Auferstehung Jesus Christi geführt und verstanden werden. Damit gehört jeder Christ / jede Christin in die Gemeinschaft des Kyrios, also zur Kirche. Die Firmung ist ein Heilszeichen für die kirchliche Gemeinschaft und für den /die Einzelne, denn die Gabe des Heiligen Geistes wird in der Firmung mit auf den Weg gegeben und die kirchliche Gemeinschaft wie die Firmanden stärker miteinander verbunden.

Die kirchliche Gemeinschaft ist immer eine gesandte. in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Fokus von der Verteidigung des Glaubens stärker auf die Ausbreitung des Glaubens, auf die Zeugenschaft für Christus hin gelenkt. Gerade als Heilszeichen für die Kirche verdichten sich in der Firmung sowohl sakramentale Gabe und Aufgabe an den Einzelnen und an die Gemeinschaft. Die genannten Aufgaben reichen von der Ausbreitung des Glaubens in Wort und Tat, der Zeugenschaft für Christus bis hin zur Verpflichtung auf ein ethisch tugendhaftes Leben und der spirituellen Durchdringung des persönlichen Lebens.

Mit der Gabe des Heiligen Geistes ist auch verbunden, dass die Firmung im Pascha-Mysterium und im Pfingstgeschehen verortet wird. Das heißt, dass die Firmung Zeichen der Liebe und der Nähe Gottes ist, der seinen Sohn und den Heiligen Geist gesandt hat. Die Begegnung mit Gott wird in der jüdischchristlichen Tradition als personal und als väterlich-liebende beschrieben. Mit Gott in Kontakt zu treten, bedeutet, einen kommunikativen Akt einzugehen und weiterzuführen. Dazu wird in der persönlichen Biographie ein Passageritual wie die Firmung benötigt, das zwar Elemente des alltäglichen sozialen Lebens aufnehmen kann, aber nicht auf weltliche Initiationsriten reduziert beziehungsweise mit ihnen verwechselt werden soll. In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Wunsch geäußert, möglichst viele Getaufte sollen das Sakrament der Firmung empfangen. In nachkonziliarer Zeit wurde für den Empfang der Firmung die Erlangung des Vernunftgebrauchs, also das 7. Lebensjahr, vorgeschrieben. Einzelne örtliche Ausgestaltungen wurden zugelassen, in Deutschland wird die Firmung in der Regel in einem höheren Alter gespendet.

In diesem Zusammenhang können nun Sachthemen benannt werden, die in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synoden in Deutschland mit der Firmung in Verbindung gebracht werden. Diese Themen stehen theologisch in komplexen Zusammenhängen ebenso auch ihre jeweils eigene Binnenlogik. Damit ist keine Unterscheidung und keine Trennung der Firmung in verschiedene, klar voneinander abgrenzbare Dimensionen intendiert. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, theologische Aussagen in einen interdisziplinären Diskurs einzuführen. Gewählt wurden hierfür die Kriterien Biographie und Gemeinschaft, weil die Firmung Teil der christlichen Initiation ist. Das Gottesbild, das die Dokumente prägt und die vielfältigen Zuschreibungen von Gabe und Aufgabe, die mit der Firmung verbunden werden. Die Kriterien Glaubensleben und Kommunikation liegen thematisch nahe an der persönlichen Biographie, thematisieren aber die Beziehung zur Gemeinschaft und die persönliche Begegnung mit Gott. Letztlich folgen noch die Kriterien Passageritus und Alter der Firmanden, zu denen die Dokumente sehr ergiebige Aussagen gemacht haben. Die folgende Tabelle fasst die Sachfragen und ihre theologischen Begründungszusammenhänge kurz zusammen:

Tabelle 2: Sachthemen und ihre theologische Binnenlogik


SachthemenTheologische Binnenlogik
Biographie- steht in Beziehung zur meta-historischen Bedeutsamkeit der Person Jesu Christi (Zerndl)- wird geheiligt- wird mit der kirchlichen Gemeinschaft stärker verbunden
Gemeinschaft- ist von Jesus Christus gesandt- muss den Blick auf alle Menschen und die gesamte Schöpfung richten- ist in konkret verfasster Gemeinde, Diözese und in der Weltkirche erfahrbar
Gottesbild- ist personal- ist von einer liebenden Zuwendung zu allen Menschen geprägt- der Heilige Geist leitet die Kirche
Gabe und Aufgabe- richtet sich sowohl an den Einzelnen wie an die Gemeinschaft- zusätzlich zur Firmung wird ein Charisma zum Aufbau der Kirche und zum Heil der Welt gegeben- beinhaltet eine Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat- führt zur Ausbreitung des Glaubens
Glaubensleben- beinhaltet die Verpflichtung zu einem tugendhaften Leben- steht im gemeinsamen Priestertum durch Taufe und Firmung auf einer sakramentalen Basis
Kommunikation- ist eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus in den Sakramenten- ist eine Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit
Passageritual- kann Elemente der Initiation des alltäglichen Lebens übernehmen, darf aber nicht darauf reduziert werden- vereinigt mit Christus- geschieht durch Auflegung der Hände, Salbung der Stirn und die Formel: Sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist- Verortung in der konkret verfassten Gemeinde- der Pate als Begleiter unterstützt
Alter- verschiedene örtliche Traditionen sind möglich und erwünscht- Voraussetzung 7. Lebensjahr

Im Verlauf der Arbeit muss geprüft werden, ob und wie diese Themen in den wissenschaftlichen Diskurs mit Ritualwissenschaften und empirischen Sozialwissenschaften eingebracht und welche Ergebnisse herausgearbeitet werden können. Dadurch können die befreienden Erinnerungen aus der Glaubenspraxis der Kirche in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden für eine zeitgemäße Darlegung des christlichen Glaubens mittels nichttheologischer wissenschaftlicher Zugänge (Mette). Die Aussetzung der theologischen Binnenlogik mit Ergebnissen und Herangehensweisen anderer Wissenschaften soll dazu dienen, das Sakrament der Firmung besser zu verstehen und im Hinblick auf die pastorale Praxis besser zu situieren (Först). Dazu ist es allerdings notwendig, die theologisch virulenten Themen der Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fokussieren. Gerade die Firmtheologien des 20. Jahrhunderts bieten viele Ansatzpunkte zur Vertiefung und Ausweitung des Verständnisses der Firmung. Einige Themen werden aber bereits seit Jahrhunderten in der Theologiegeschichte diskutiert, wie das Beispiel der Bedeutung der persönlichen Biographie in der Firmtheologie zeigt, die bereits in der Sakramententheologie Thomas von Aquins zu entscheidender Bedeutung gekommen ist.

1.2 Blick in die Geschichte der Theologie: Firmung vom Ausgangspunkt Biographie her gesehen - die Sicht Thomas von Aquins

Als eine der großen Leistungen Thomas von Aquins gilt sein Beitrag zur Systematisierung der Sakramentenlehre120. Auch wenn Thomas nicht als erster die Sakramente in den biographischen Kontext eines Menschenlebens eingeordnet hat, so habe er diese Analogie doch originell ausgearbeitet und zur Grundlage seiner Sakramententheologie gemacht121. Damit wandte er sich auch von anderen möglichen Gruppierungen ierungen der Sakramente ab, wie der Einteilung nach Tugenden und Sünden122. Während damit in der Theologie Thomas’ also die Taufe mit der Geburt aus dem Mutterschoß vergleichbar wäre, sei die Firmung mit der Stärkung vergleichbar, die das eigenständige Leben eines Menschen erst ermöglicht. Dies wird bereits im Sentenzenkommentar deutlich123.

Taufe und Firmung erscheinen bei Thomas von Aquin als zwei Sakramente, die einerseits eng miteinander verwoben sind, weil es um die Analogie zur carnalis nativitas geht. Die Geburt aus dem Mutterschoß ist Voraussetzung für die Stärkung, die zur Überlebensfähigkeit eines Kindes beiträgt. Ähnlich ist auch die Taufe als die Eingliederung in den Leib der Kirche Voraussetzung dafür, dass der Christ / die Christin so gestärkt wird, damit er öffentlich den Namen Christi bekennen kann. Andererseits sind Taufe und Firmung auch voneinander unterschieden, denn die Eingliederung in den Leib Christi wird hier von dem öffentlichen Bekenntnis zu Christus unterschieden. Die Firmung erhält dadurch einen missionarischen Charakter, welcher der Taufe in dieser Weise nicht zugesprochen wird. Zusätzlich gerät die Firmung durch diese Bestimmung in die Nähe des Sakraments der Weihe. Während aber die Firmung „dem Getauften das übernatürliche Handeln als Privatperson [ermögliche, vervollkommene der ordo] den Christen als Amtsperson und als führendes Glied der Kirche“124. Dadurch erhält die Firmung bei Thomas einen Aspekt, der auf das Handeln als gläubiger Christ / als gläubige Christin hin ausgerichtet ist. Dieses Handeln ist möglich durch die perfectio prima, die in der Taufe Grund gelegt ist. Die höchste Vervollkommnung besteht darin, mit dem primus agens in Verbind zu gelangen: „Diese Funktion habe die Eucharistie, weil sie den Christen mit Christus, der Quelle des christlichen Lebens, verbinde“125.

 

Thomas bleibt bei dieser Analogie zum biographischen Kontext eines Menschenlebens aber nicht stehen. In seiner Summa Theologiae greift Thomas den Gedanken der perfectio wieder auf und verbindet ihn mit Wachstum und Speise126. Die Firmung wird hier mit dem Wachstum verglichen, das im Menschen schon selbst angelegt sei. Wenn die Firmung mit diesem Wachstum in Verbindung gebracht wird, dann wird man die Taufe als Grundlage und Ursache dieses Wachstumsprozesses voraussetzen. Der Selbstand des Christen / der Christin wird in der Firmung also vermehrt (augmentum) und gestärkt (confirmatio). Die Eucharistie hingegen wird mit all dem verglichen, das durch Hinzufügung (adiunctio) zur Vervollkommnung gelangt. Refectio erinnert dabei an die Erfrischung, aber auch an das Neu- oder Wiedergeschaffensein, das dem gläubigen Menschen in der Eucharistie widerfährt.

Die Firmung wird bei Thomas allerdings nicht als selbstverständliche Ergänzung der Taufe angesehen. Sie führt zu einer perfectio formalis, weil durch sie ein tugendhaftes Leben besiegelt wird. Dadurch wird sie wieder eng mit der Eucharistie verknüpft, weil die Eucharistie zur perfectio führt, insofern als sie die consecutio finis bezeichnet127.

In dieser Analogie zur Biographie eines Menschen versteht Thomas eindeutig das Erwachsenenalter als Vervollkommnung des Kindesalters. Vom Jugendalter ist gar nicht die Rede, eine eigene Wertigkeit kommt diesen Lebensabschnitten gar nicht zu. Es wird zumeist von der Stärkung gesprochen, die mit der Firmung gegeben wird. Die Firmung kann aber nicht alleine zur Stärkung des menschlichen Lebens eines Christen / einer Christin beitragen, die Eucharistie darf dabei nicht aus den Überlegungen herausfallen, weil durch sie Stärkung noch einmal ganz sinnlich erfahrbar beim Verzehr der konsekrierten Hostie geschieht. Die Firmung steht dabei in einer merkwürdigen Spannung: einerseits soll sie den Christen dazu befähigen, im öffentlichen Bereich von Christus Zeugnis abzulegen, andererseits soll der Christ dies als Privatperson tun, damit das Sakrament der Firmung nicht mit dem Sakrament der Priesterweihe verwechselt werden kann. Insgesamt aber haben alle Sakramente bei Thomas den Zweck, „der Gottesverehrung zu dienen“128. Deshalb müssen alle Sakramente in ihrer Relation zur Eucharistie verstanden werden, weil sie die finis, das Ziel und den Endpunkt aller Sakramente darstellt129.

Bei Thomas ist Firmung als Sakrament des öffentlichen Bekenntnisses Christi deutlich auf die Taufe bezogen. Er unterscheidet schon im Sentenzenkommentar drei verschiedene Modi, nach denen aliquid spirituale im Empfang der Sakramente, die einen Charakter, ein Merkmal einprägen, übertragen wird. 1) „Uno modo ut aliquis in se spritualia participet“130. Dieser Modus wird in der Taufe übertragen, weil jeder Getaufte an eine spiritualis potentia passiva innehat, also beispielsweise die Vollmacht zum Empfang der Sakramente. 2) „Alio modo ut spiritualia quis in notitiam ducat per eorum fortem confessionem”131. Dieser Modus sei in der Firmung gegeben und befähige zur Standhaftigkeit in Zeiten der Verfolgung, wozu Thomas die Legende des Heiligen Sebastian in Erinnerung ruft. 3) „Tertio modo ut etiam spiritualia credentibus tradat”132. Dieser Modus ist in der Priesterweihe gegeben, die wie Taufe und Firmung auch einen geistlichen Charakter verleiht.

Thomas warnt ausdrücklich davor, sich aus Furcht dem Sakrament der Firmung zu entziehen133. Taufe, Firmung und das Sakrament der Weihe werden bei ihm mit dem Priesteramt Christi verbunden134. Der sakramentale Charakter, der in Taufe, Firmung und Priesterweihe übertragen wird, ist also auf eine jeweils eigene Art Teilnahme am Priesteramt Christi: „Im Gegensatz zum Taufcharakter, bei dem es sich um ein passives Vermögen zum Empfang der anderen Sakramente handele, werden Firm- und Weihecharakter vom Sentenzenkommentar als aktive Vollmachten ‚zur Ausspendung der Sakramente und zur Ausübung anderer heiliger hierarchischer Handlungen’ bezeichnet“135. Das bedeutet, dass die Sakramente auf die Eucharistie hin bezogen sind. Während die Taufe zum Empfang der Eucharistie berechtigt, ist die Firmung sowohl auf den Empfang der Eucharistie als auch auf die Sendung in der Eucharistie bezogen und das Sakrament der Weihe auf die Vollmacht zur Konsekration. Die Taufe gerät somit in den Bereich des persönlichen, des eigenen Heils, die Firmung erscheint als eine Beauftragung zum Kampf und zur Verkündigung136. Diese aktive Komponente der Firmung wird allerdings durch eine passive ergänzt, wonach die Firmung – wie die Taufe – zum Empfang der Eucharistie befähige und diese vollende.

Ein ähnliches Verhältnis wechselseitigen Ergänzens und Oszillierens zwischen Aktivität und Passivität zeigt sich auch bei der gratia sacramentalis, die auf der einen Seite bei jedem Sakrament unterschieden sein soll, auf der anderen Seite aber immer die gratia sanctificans beinhalte137. Dadurch löse Thomas von Aquin laut Adolf Adam das schwierige Verhältnis zwischen der Tauf- und der Firmgnade und die Frage nach der Steigerung der Taufgnade durch die Firmgnade138:

„Durch die Taufe erfolgt eine gewisse Verähnlichung der Seelensubstanz mit dem göttlichen Sein und eine übernatürliche Stärkung der Seelenkräfte durch die mit der heiligmachenden Gnade verbundenen ‚virtutes et dona’. Dieses ‚gottähnliche’ Leben der Seele erfährt durch die spezielle Firmgnade eine Reifung und Vollendung, die auch verstärkend auf die ‚virtutes et dona’ wirkt. Gleichzeitig wird die im Getauften noch vorhandene Schwachheit geheilt und der Gefirmte zu den ihm übertragenen Aufgaben durch besondere Kräfte, deren Quelle die Passion Christi ist, befähigt. Diese Begnadung wird dem Heiligen Geist zugeeignet“139.

Thomas von Aquin bezeichnet die sacramentorum effectus ausdrücklich als „diversae medicinae peccati, et participationes virtutis dominicae passionis“140. Davon unterschieden sind nochmals die „diversae virtutes et diversa dona Spiritus sancti“141. Die Sakramente stehen somit bei Thomas in einem christologischen Begründungs- und Erklärungszusammenhang, die ihren Höhepunkt in der Theologie des Leidens und Sterbens Jesu Christi findet. Die Gaben des Heiligen Geistes sind auf verschiedene Handlungen der Christen und Christinnen hin ausgerichtet, weil in der Taufe bereits die Mitteilung des Heiligen Geistes gegeben ist. Von einem völligen Fehlen pneumatologischer Überlegungen in der Sakramententheologie Thomas’ zu sprechen, ist allerdings auch nicht korrekt, denn: „Baptismus aquae efficaciam habet a passione Christi, cui aliquis configuratur per Baptismum; et ulterius, sicut a prima causa, a spiritu sancto“142. Damit wird die Wirksamkeit der Taufe nicht nur von der Passion Jesu Christi abhängig gemacht, sondern auch vom Heiligen Geist. Allerdings entfaltet Thomas diese pneumatologische Dimension der Taufe nicht weiter und überträgt sie auch nicht explizit auf die Firmung. Aber die Firmung kann in der Theologie Thomas’ nicht ausschließlich und gegenüber der Taufe als das Sakrament des Heiligen Geistes verstanden werden.