Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen

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1.4 Aufbauorganisation als Projektarbeit

In dem Würfel, der bisher von drei Seiten ausgeleuchtet wurde, finden sich die Inhalte der (aufbau-)organisatorischen Gestaltung. Es sind Beziehungen zwischen den Elementen herzustellen. Gleichzeitig werden auch die Dimensionen geregelt. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass die Gestaltung des Würfels für den organisatorisch Tätigen das zentrale Anliegen ist.

Aufbauorganisation – als Tätigkeit – ist fast immer gleichzusetzen mit Projektarbeit zur „Optimierung“ des Würfels. Was dabei alles zu beachten ist, soll in Abbildung 1.09 skizziert werden. Details finden sich in Band 1 dieser Schriftenreihe „Organisation und Business Analysis – Methoden und Techniken“.


Abb. 1.09: Projektmodell der Organisation

Um bei aufbauorganisatorischen Vorhaben zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen, müssen folgende Gebiete beherrscht werden:

Methode als Systematik zur Abwicklung organisatorischer Projekte. Klassisch wurden Organisationsprojekte nach dem Wasserfall-Modell umgesetzt. Auf eine detaillierte Planung folgten die Umsetzung und Einführung. Dieser Weg wird zunehmend durch ein agiles Vorgehen ersetzt, in dem überschaubare Teillösungen in enger Abstimmung mit den Betroffenen iterativ erarbeitet werden (z. B. nach der Scrum-Methode).

Projektmanagement als Aufbauorganisation von organisatorischen Projekten. Hier ist festzulegen, wer in welchem Umfang im Projekt mitarbeitet und welche Aufgaben im Projekt wahrzunehmen sind.

Techniken als Werkzeuge der Organisationsarbeit. Hier werden Arbeitstechniken als Werkzeuge zur Arbeit am Würfel (z. B. Erhebungs-, Analysetechniken, Techniken der Anforderungsermittlung, Darstellungstechniken) und die Managementtechniken als Werkzeuge zur Unterstützung der Arbeit der Projektgruppe (z. B. Zeitplanung, Aufwandsplanung) unterschieden. Einige Darstellungstechniken der Aufbauorganisation finden sich in den Kapiteln 3-7.

Change Management als alle bewusst gewählten Maßnahmen und Strategien im Umgang mit den betroffenen und beteiligten Menschen. Derartige Maßnahmen können dazu beitragen, die Akzeptanz und Motivation zu fördern, Konflikte zu vermeiden oder konstruktiv zu nutzen, wirksam im Projekt zusammenzuarbeiten und miteinander zu kommunizieren.

Literatur zu Kapitel 1

Brandes, U. et. al.: Management Y. Agile, Scrum, Design Thinking & Co. So gelingt der Wandel zur attraktiven und zukunftsfähigen Organisation. Frankfurt 2014

Fischermanns, G.: Praxishandbuch Prozessmanagement. 11. Aufl., Gießen 2013

Frost, J.: Aufbau- und Ablauforganisation. In: Schreyögg, G.; v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation. 4. Aufl., Stuttgart 2004, Sp. 45-53

Gloger, B.; Rösner, D.: Selbstorganisation braucht Führung. Die einfachen Geheimnisse agilen Managements. 2. Aufl., München 2017

Kosiol, E.: Organisation der Unternehmung. Wiesbaden 1962

Krüger, W.: Organisation der Unternehmung. 4. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln 2002

Krüger, W.; Bach, N. (Hrsg.) : Excellence in Change. Wege zur strategischen Erneuerung. 5. Aufl., Wiesbaden 2014

Laloux, F.: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München 2015

Pfläging, N.: Organisation für Komplexität. Wie Arbeit wieder lebendig wird – und Höchstleistung entsteht. München 2014

Schmidt, G.: Organisation und Business Analysis – Methoden und Techniken. 15. Aufl., Gießen 2014

Schmidt, G.: Organisatorische Grundbegriffe. 15. Aufl., Gießen 2014

Thommen, J.-P.: Management und Organisation. Konzepte – Instrumente – Umsetzung. Zürich 2002

Vahs, D.: Organisation. Ein Lehr- und Managementbuch. 9. Aufl., Stuttgart 2015

v. Werder, A.: Organisatorische Gestaltung (Organization Design). In: Schreyögg, G.; v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation. 4. Aufl., Stuttgart 2004, Sp. 1088-1101

2 Grundlagen der organisatorischen Gestaltung
2.1 Situativer Ansatz der Organisation

In der klassischen Managementlehre galt über Jahrzehnte der Satz: Die Struktur folgt der Strategie. Mit anderen Worten: eine sinnvolle Organisation hängt von den wesentlichen Zielen ab, die ein Unternehmen verfolgt. Seit den 1980er Jahren wurde immer stärker herausgestellt, dass auch „weiche Faktoren“, die als Kultur bezeichnet werden, bei der organisatorischen Gestaltung zu berücksichtigen sind. Es wird damit unterstellt, dass bestimmte Lösungen nur in bestimmten Kulturen wirksam werden können. Schließlich wurde immer deutlicher erkannt, dass auch die Technik – insbesondere die Informationstechnik – ganz erheblich die Organisation beeinflussen kann.

Hier wird davon ausgegangen, dass noch weitere Faktoren entscheidend dafür sind, ob sich eine Lösung in der Praxis bewährt. Es ist die jeweilige Situation zu beachten. Vor dem Hintergrund einer konkreten Situation können die unterschiedlichsten Lösungen „vernünftig“ sein. Dieser Ansatz warnt damit gleichzeitig auch davor, Rezepte zu übernehmen, d. h. Lösungen zu kopieren, die sich anderswo bewährt haben. Die Eignung einer Lösung muss vor dem Hintergrund einer konkreten Situation beurteilt werden. Diese Situation kann relativ komplex sein, wie die Abbildung 2.01 (siehe nächste Seite) zeigt.

Im Zentrum der Abbildung 2.01 stehen die organisatorischen Lösungen sowohl der Aufbau- als auch der Prozessorganisation. Unternehmens- oder systemübergreifend muss außerdem geregelt werden, wie gegebenenfalls mit Dritten kooperiert werden kann oder soll. Diese Zusammenhänge wurden bereits in Kapitel 1 erläutert.

Über diesen Lösungen steht die Strategie, die sich aus einer Vision ableitet und die zu konkreten Zielen führt. Hier wird also berücksichtigt, was ein Unternehmen erreichen will. Vision, Strategie und Ziele sind die internen Erwartungen und Vorgaben, an denen sich die Lösungen immer orientieren müssen.

Da Unternehmen und Systeme aber nicht um ihrer selbst willen bestehen, ist bei der organisatorischen Gestaltung immer auch darauf zu achten, für welchen Markt die Leistungen erbracht werden sollen. Wer sind unsere Kunden oder unsere potenziellen Kunden, was benötigen sie – vielleicht ohne dieses selbst schon zu wissen – beziehungsweise welche Produkte oder Leistungen wünschen sie?

Auf der anderen Seite stehen der Wettbewerb und das sonstige betriebliche Umfeld, welche die organisatorischen Lösungen maßgeblich beeinflussen können. Neben den Mitbewerbern und deren organisatorischen Lösungen sind die Lieferanten und das technologische Umfeld zu beachten.


Abb. 2.01: Übersichtsmodell – Einflussfaktoren auf die Organisation

Schließlich gibt es selbst gesetzte oder von außen vorgegebene Restriktionen, die den Handlungsspielraum für organisatorische Lösungen einengen oder bestimmte Lösungen erzwingen. Sie können ebenso wie die innerbetrieblichen Rahmenbedingungen eine Lösung wesentlich beeinflussen.

Als letzte große wichtige Gruppe sind hier Normen, Werte und andere kulturelle Merkmale zu erwähnen, von denen es abhängt, ob Lösungen akzeptiert werden und ob sie sich in der Praxis bewähren.

2.2 Gesamtmodell der Organisation

Diese eben skizzierten Sachverhalte sollen hier nun ein wenig weiter detailliert werden.

2.2.1 Inhalte der Aufbauorganisation

Im Zentrum dieses Modells stehen die Inhalte der organisatorischen Gestaltung, also die Sachverhalte, für die organisatorische Lösungen gefunden werden müssen. Sie wurden bereits in Kapitel 1 erläutert und werden in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt.

2.2.2 Vision, Mission, Purpose, Strategie, Ziele


Organisatorische Lösungen müssen sich an den Vorstellungen orientieren, die ein Unternehmen von sich hat oder die es erreichen will. An der Spitze solcher Vorstellungen steht häufig eine Vision oder eine Mission, der sich ein Unternehmen verschreibt. In der Umgangssprache wie auch in der Fachliteratur werden diese Begriffe sehr unterschiedlich verwendet und neuerdings um den Begriff Purpose erweitert. An dieser Stelle soll kurz erläutert werden, wie diese Begriffe verstanden werden.

Eine Vision ist eine auf die Zukunft gerichtete Leitidee über die eigene Entwicklung (MÜLLER-STEWENS/LECHNER, 2016). Sie beschreibt in kurzer und prägnanter Form, was ein Unternehmen für sich erreichen will oder was es sein möchte. Das könnten beispielsweise die Marktführerschaft, Qualitätsführerschaft, hohe Rentabilität etc. sein. Der Blick ist dabei eher nach innen gerichtet und hat weniger die Kunden bzw. den Markt im Auge. Eine Vision ist mittel- bis langfristig ausgelegt und gibt den Mitarbeitern Orientierung, Identifikation, Legitimation und Inspiration.

 

Bill Gates (Microsoft): In jedem Haushalt ein PC.

Motorola: Attain six-sigma quality (Wir wollen Six-Sigma-Qualität erreichen).

Boehringer Ingelheim: Value through innovation (Werte schaffen durch Innovation).

Solvay: Seit Gründung unseres Unternehmens vor 150 Jahren hat uns stets die tiefe Überzeugung geleitet, dass es unsere Aufgabe ist, mit innovativer Chemie Mitarbeitern, Kunden und Gesellschaft eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

UVEX: Wir wollen die besten unserer Branche sein. In der UVEX-Welt wollen wir Innovationsführer sein, damit weltweit wertorientiertes Wachstum schaffen und in allen unseren Aktivitätsbereichen und Märkten aufs Siegerpodest! Value follows innovation!

Eine Mission dient dazu, Mitarbeitern und insbesondere Dritten zu vermitteln, welchen Zweck ein Unternehmen erfüllen, welchen Nutzen es stiften will.

BMW: Freude am Fahren.

LBS: Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause.

Lufthansa: Nonstop you.

Walt Disney: Make people happy.

UVEX: Protecting People.

Mit der Mission soll also vor allem nach außen verdeutlicht werden, welchen Nutzen das Unternehmen stiften will. Der aufgrund des gesellschaftlichen Wertewandels heute immer häufiger verwendete Begriff „Purpose“ ist eine Fortführung von Vision und Mission. Er findet sich insbesondere in hierarchiearmen Organisationen, lässt sich am besten mit Daseinszweck oder Absicht übersetzen und betont den Sinn einer Unternehmung für Mitarbeiter, Märkte, Kunden und die Gesellschaft (der Begriff „Purpose“ wird in Kapitel 6 ausführlich erläutert).

Bei allen Unschärfen in der Abgrenzung dieser Begriffe stehen sie für ganzheitliche, umfassende und in die Zukunft gerichtete Vorstellungen darüber, wie sich das Unternehmen sieht und was es für sich und für den Markt erreichen will. Für ein konkretes Unternehmen bedeutet es Antworten auf die Fragen „Warum gibt es das Unternehmen?“, „Was macht das Unternehmen?“, „Woran wird der Erfolg des Unternehmens gemessen?“ Vision, Mission oder Purpose sollten immer auch dabei helfen, den einzelnen Mitarbeiter zu motivieren, ihm Orientierung zu geben und neue Mitarbeiter zu gewinnen. So sollte es für jeden Einzelnen erkennbar sein, ob das, was er aus Überzeugung tut, auch auf den Unternehmenszweck einzahlt.

Aus Vision, Mission und Purpose leitet sich die Unternehmenspolitik ab. Dazu gehören alle Entscheidungen, die das Verhalten eines Unternehmens nach außen und nach innen in allgemeiner Form bestimmen und sicherstellen sollen, dass ein Unternehmen langfristig Erfolg hat. Vision/Mission und Unternehmenspolitik gehen oft in ein Unternehmensleitbild ein, das Grundsätze, Ziele und Werte beinhaltet, an denen sich das Handeln und die längerfristige Planung eines Unternehmens ausrichten sollen.

Aufbauorganisatorische Lösungen können wesentlich dazu beitragen, die Vision und Mission bzw. den Purpose eines Unternehmens zu erreichen. Das setzt voraus, dass diese formuliert und allen Beteiligten auch bekannt sind. Viele kleinere und mittlere Unternehmen verzichten jedoch auf eine explizite Formulierung. Sie besteht bestenfalls in den Köpfen einzelner Personen. Demgegenüber ist ein Unternehmen ohne eine Strategie kaum denkbar. Der zunehmende Wettbewerb, der Zwang, profitable Märkte und Nischen zu finden, wie auch konkrete Anforderungen von Banken und Geldgebern haben dazu geführt, dass sich heute nahezu jedes Unternehmen über seine Strategie Gedanken macht und diese auch schriftlich niederlegt.

Eine Unternehmensstrategie beinhaltet die Gesamtheit aller mittelfristig wirkenden (2-5 Jahre) Entscheidungen und Maßnahmen, um Erfolgspositionen beziehungsweise Erfolgspotenziale aufzubauen, zu halten oder zu verändern.

Bei den Erfolgspositionen richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Markt:

Welche Produkte bieten wir in welchen Märkten an?

Wer sind unsere wichtigsten Mitbewerber mit welchen Stärken und Schwächen?

Was wollen wir tun, um unsere Märkte gezielt zu bearbeiten?

Die Erfolgspotenziale beinhalten alle materiellen und immateriellen Ressourcen, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen (sollen), um die strategischen Ziele zu erreichen:

finanzielle Ressourcen (Eigen- und Fremdkapital, Möglichkeiten, an den Kapitalmarkt heranzutreten)

physische Ressourcen wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen

immaterielle Ressourcen wie Patente, Lizenzen, Ruf des Unternehmens

IT-Ressourcen wie Hardware, Software, Infrastruktur

Human-Ressourcen (Mitarbeiter und deren Qualifikation)

kulturelle Ressourcen (Unternehmenskultur, gelebte Werte, Einstellungen)

strukturelle Ressourcen (Aufbau- und Prozessorganisation, Managementsysteme).

Bei allen genannten Positionen geht es nicht nur darum, festzustellen, wo ein Unternehmen heute steht, sondern darum, welche Position es zukünftig einnehmen will. So kann es sein, dass die strukturellen Ressourcen, also die Aufbau- und Prozessorganisation verändert oder verbessert werden müssen, um am Markt erfolgreich arbeiten zu können. Die kurz- bis mittelfristige Konkretisierung der Strategie findet sich im sogenannten Business Plan.

Unternehmensziele sind aus strategischen Größen abgeleitete, angestrebte Wirkungen – in dem Fall steht eine Strategie am Anfang, die anschließend in Ziele umgewandelt wird – oder aber die Ziele stehen am Anfang und müssen dann mit der Strategie in Einklang gebracht werden. Unternehmensziele sind auch der Ausgangspunkt für die Ableitung konkreter, detaillierter Zielvereinbarungen, die in Projekte einfließen oder für einzelne Mitarbeiter gelten.

Eher typisch ist ein Vorgehen von oben nach unten. Zuerst wird die Strategie erarbeitet, aus der dann grobe Ziele etwa für Unternehmensbereiche oder Abteilungen abgeleitet werden. Aus diesen Zielen werden dann stufenweise immer detailliertere Teilziele abgeleitet (z. B. Umsatzsteigerung als Oberziel, Gewinnung neuer Zielgruppen und Ausweitung von Marktanteilen in bestehenden Märkten als abgeleitete Ziele). Die Teilziele können dann operationalisiert werden, d. h., sie werden messbar bzw. eindeutig gemacht (z. B. 10% Neukunden im Segment X oder Steigerung des Marktanteils von 17% auf 20% in den nächsten zwei Jahren). Bei dem stufenweisen Prozess der Zielformulierung – die sinnvollerweise unter Beteiligung der jeweils betroffenen Ebenen bzw. im Rahmen von Projekten stattfinden sollte – wird auch von Kaskadierung von Zielen gesprochen. Bei den Zielen sollte immer auch geprüft werden, ob sie einen Bezug zur (Aufbau-)Organisation haben, d. h. ob organisatorische Regelungen betroffen sind oder benötigt werden, die hilfreich sind für die Erreichung der Ziele (z. B. Bildung zusätzlicher Stellen oder Rollen für die Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen, Produkte oder Regionen).


Abb. 2.02: Von der Vision zum Ziel

Da Ziele für organisatorische wie auch für andere Projekte eine zentrale Bedeutung haben, sollen sie hier noch ein wenig vertieft werden. Die einseitige Betonung der Interessen der Shareholder, die eine Zeit lang im Vordergrund stand, ist in den meisten Unternehmen wieder einer wesentlich breiter angelegten Stakeholder-Perspektive gewichen. Dabei wird anerkannt, dass es neben den Shareholdern auch noch andere wichtige Interessen und Interessengruppen gibt. Außerdem spielen bei diesem Ansatz auch nicht-monetäre Ziele eine wesentlich größere Rolle. Theoretisch gibt es eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Stakeholdern. Im Kern können sich normalerweise jedoch nur einige wenige dieser Gruppen mit ihren Zielen auch wirklich durchsetzen. Etwas vereinfacht soll hier von drei Gruppen von Zielträgern ausgegangen werden. Dabei repräsentieren die Ziele des Unternehmens auch die zentralen Ziele der Shareholder:

Ziele aus Sicht des Unternehmens

Ziele der Mitarbeiter

Ziele der Kunden.

Siehe dazu auch Band 1 dieser Schriftenreihe: „Organisation und Business Analysis – Methoden und Techniken“ (speziell die Kapitel 5.4 „Ermittlung der Ziele“ und 8 „Anforderungsermittlung“).

2.2.2.1 Ziele aus Sicht des Unternehmens

Hier sollen beispielhaft nur solche Ziele genannt werden, die vermutlich durch aufbauorganisatorische Maßnahmen erreicht werden können:

Effektivität

Effektivität ist eine Kennzahl, die angibt, in welchem Umfang Ziele erreicht werden. Sie gibt darüber Auskunft, ob die richtigen Dinge getan werden. Organisatorische Regelungen sind dann effektiv, wenn sie dazu beitragen, die Ziele zu erfüllen und damit letztlich auch dazu beitragen, die Vision und die Strategie zu erreichen.

Produktivität/Effizienz

Eine bestimmte Leistung soll mit einem hohen Wirkungsgrad erbracht werden, d. h. bei guter Ausnutzung vorhandener Mittel und Kräfte (Ressourceneffizienz) mit einem möglichst niedrigen Zeitaufwand und möglichst fehlerfrei (Prozesseffizienz).

Wirtschaftlichkeit

Die Leistung soll zu möglichst niedrigen Kosten erbracht werden, bzw. es sollen möglichst hohe Erlöse erzielt werden. Bei den Kosten können einmalige und laufende, fixe und variable Bestandteile unterschieden werden.

Zukunftssicherung

Es soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen langfristig am Markt überleben kann, z. B. durch klare Zuständigkeiten für Produktneuentwicklung und Wettbewerbsbeobachtung.

Ansehen

Die Lösung soll das Ansehen z. B. dadurch fördern, dass an hierarchisch herausgehobener Position Zuständigkeiten für Compliance und Umweltschutz eingerichtet werden, bewusst der letzte Stand der Technik eingesetzt wird, aufwändige bauliche Maßnahmen ergriffen werden oder sichtbare Anstrengungen zur Einhaltung sozialer Standards unternommen werden.

Koordination

Durch aufbauorganisatorische Lösungen soll sichergestellt werden, dass „die rechte Hand weiß, was die linke tut“, wenige Reibungsverluste entstehen, die Kräfte zur Bearbeitung bestimmter Produkt- oder Kundengruppen gebündelt werden.

Kontrollierbarkeit

Die oberen hierarchischen Ebenen sollen ständig in der Lage sein, gezielt die Entwicklung zu überwachen, um gegebenenfalls eingreifen zu können.

Transparenz

Die Zuständigkeiten sollen leicht durchschaubar sein, sodass interne Mitarbeiter ihre Ansprechpartner erkennen können und Externe wissen, wer für sie zuständig ist.

Flexibilität

Die Unternehmung soll in der Lage sein, auf spezifische Kundenwünsche oder auf Veränderungen des Umfelds schnell zu reagieren, sich anzupassen, neue Produkte zu integrieren usw. – mehr dazu insbesondere in Kapitel 6 „Hierarchiearme Agile Organisationsformen“.

Demgegenüber verfolgen Mitarbeiter andere, zum Teil sogar den Unternehmenszielen widersprechende Ziele.

2.2.2.2 Ziele der Mitarbeiter

Arbeitszufriedenheit

Die Mitarbeiter möchten Freude an der Arbeit haben. Sie möchten die Arbeit selbst und ihren Beitrag dazu als sinnvoll und wertvoll empfinden. Folgende Teilziele können diesem Ziel zugeordnet werden:

Abwechslungsreiche Aufgaben. Einseitige Anforderungen bringen einseitige, u. U. sogar gesundheitsgefährdende Belastungen mit sich. Darüber hinaus führt die einseitige Belastung zur Monotonie, die normalerweise die Leistungsbereitschaft beeinträchtigt.

Anspruchsvolle Aufgaben. Die meisten Menschen steigern ihre Leistungsbereitschaft, wenn sie qualitativ, d. h. hinsichtlich der Art der geforderten Leistung nicht unterfordert (aber auch nicht überfordert) werden.

Autonomie. Unter Autonomie wird der Freiheitsgrad verstanden, der einem Mitarbeiter bei der Erfüllung seiner Aufgaben zugestanden wird. Meistens bringt mehr Autonomie auch mehr Verantwortungsbereitschaft mit sich. Je weniger Eingriffe durch Vorgesetzte oder Dritte erfolgen, desto mehr fühlt sich der Mitarbeiter für seinen Bereich verantwortlich, desto mehr erhält er das Gefühl der eigenen Bedeutung und Unabhängigkeit. Die am weitesten entwickelte Form der Autonomie ist die Selbststeuerung von Gruppen oder betrieblichen Bereichen – siehe hierzu auch Kapitel 3 und Kapitel 6.

 

Beteiligung. Mitarbeiter möchten nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Sie möchten zumindest dann beteiligt werden, wenn ihr eigener Zuständigkeitsbereich betroffen ist.

Macht. Viele Mitarbeiter streben Einfluss auf andere Menschen, eine Ausweitung des eigenen Machtbereichs an.

Abschirmung

Dieses globale Ziel kann in weitere Einzelziele aufgegliedert werden:

Störungsfreie Arbeit. Möglichst große Abschirmung vor Störungen von außen (z. B. Telefon) oder innen (z. B. Eingriffe, Ablenkungen). Es ist allerdings unbestreitbar, dass bei monotonen Aufgaben „Störungen“, d. h. Ablenkungen, manchmal sehr erwünscht sind.

Gleichmäßige Auslastung. Möglichst wenige Überstunden zählen ebenso zu diesem Ziel wie die Abschirmung gegenüber zu hohen Belastungen.

Schutz vor unbegrenztem Zugriff. Die heutigen Kommunikationstechniken führen oft dazu, dass Mitarbeiter nahezu rund um die Uhr erreichbar sind. Das wird von vielen Menschen als eine unzumutbare Belastung empfunden.

Sicherheit

Auch dieses Ziel kann noch weiter untergliedert werden:

Ausreichende Information. Wenngleich eine „ausreichende Information“ subjektiv sehr unterschiedlich empfunden wird, so gilt doch tendenziell die Aussage, dass Mitarbeiter mehr wissen möchten als das, was im engsten Sinne zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist.

Klare Zuständigkeiten. Die Mitarbeiter wollen wissen, was ihre Befugnisse sind und wer ihnen in welchem Umfang Weisungen geben kann.

Klarheit über Anforderungen. Die Mitarbeiter wollen wissen, anhand welcher Maßstäbe sie beurteilt werden und was von ihnen verlangt wird. Nur bei klaren Anforderungen können sie selbst erkennen, ob sie mehr oder weniger erfolgreich waren. Dann sind sie nicht ausschließlich vom Urteil Dritter, insbesondere des Vorgesetzten abhängig.

Aufstiegschancen

Die meisten Mitarbeiter sind dann zu besonderen Leistungen bereit, wenn sie eine Chance für ihr persönliches Fortkommen sehen. Der Wunsch voranzukommen – was für viele immer noch hierarchischen Aufstieg bedeutet – ist in vielen Menschen tief verankert.

Konfliktfreiheit

Die Mitarbeiter streben Regelungen an, die sachliche Reibungen, die häufig auch zu persönlichen Reibungen führen, möglichst klein halten. Ursachen für solche Reibungen können beispielsweise organisatorisch beabsichtigte Wettbewerbssituationen sein, z. B. Konkurrenz im Markt und Konkurrenz um knappe Finanzmittel oder Mitarbeiterkapazitäten.

Bei den erwähnten Zielen der Mitarbeiter wird deutlich, dass ihnen bestimmte Unterstellungen über „den“ Menschen zugrunde liegen. Im Einzelfall ist es durchaus möglich, dass diese Annahmen nicht stimmen. Wenn organisatorische Regelungen für Personen getroffen werden, die im Voraus nicht bekannt sind, können die obigen Ziele zumindest als Hypothesen gelten. Wird die Aufbauorganisation um bekannte Personen herum gebaut, muss geklärt werden, ob diese Unterstellungen auch im konkreten Fall zutreffen.

2.2.2.3 Ziele der Kunden

Als Kunden werden hier sowohl die externen Nachfrager wie auch interne Abnehmer von Leistungen angesehen. So sind die Verbrauchsabteilungen „Kunden“ der Beschaffungsabteilung, Anwender der Informationstechnik sind Kunden der IT und eines Benutzerservice usw. In diesem weiteren Sinn sollen hier die Kundenziele gesehen werden.

Qualität

Der Kunde wünscht normalerweise qualitativ hochwertige, zumindest aber einwandfreie Produkte oder Leistungen.

Niedrige Preise

Niedrige Preise sind eindeutig Ziel interner wie externer Kunden. Dieses Ziel kann allerdings organisatorisch normalerweise nicht direkt beeinflusst werden. Durch organisatorische Maßnahmen können im günstigen Fall die Kosten gesenkt werden. Ob derartige Kostensenkungen an die Kunden weitergegeben werden oder nicht, gehört nicht mehr zu einer organisatorischen Fragestellung.

Schnelle Leistung

Die Kunden möchten ihre eigenen Wünsche „am liebsten schon gestern realisiert“ sehen. Bei Lagerprodukten bedeutet das beispielsweise hohe Verfügbarkeit der Produkte. Kurze Laufwege von Bestellungen gehören ebenso dazu wie die Einhaltung zugesagter Termine (Termintreue). Insbesondere in stark umkämpften Märkten ist die Schnelligkeit, in der Leistungen erbracht werden, ein erheblicher Wettbewerbsfaktor. Das gilt gerade auch dann, wenn nicht vom Lager verkauft werden kann, sondern Leistungen individuell für den Kunden erbracht werden, wie z. B. bei der Auftragsfertigung oder bei Dienstleistungen wie etwa der Bearbeitung eines Schadensfalls. In vielen Situationen gilt heute die These: „Die Schnellen fressen die Langsamen, nicht die Großen die Kleinen“.

Individuelle „Produkte“

Die Kunden möchten normalerweise keine Standardware. Vielmehr sollen die individuellen Anforderungen berücksichtigt werden. Demgegenüber ist einem Unternehmen meistens an möglichst „großen Serien“, d. h. gleichartigen Leistungen gelegen.

Eindeutige Ansprechpartner

Der Kunde möchte ohne großen Suchaufwand feststellen können, wer für ihn zuständig ist und wer über die notwendigen Informationen und Kompetenzen verfügt, um bei seinen Anfragen entscheiden zu können.

Die genannten Ziele sind teilweise voneinander abhängig. Sie müssen im Rahmen konkreter Projekte in ein Über-/Unterordnungsverhältnis gebracht und hinsichtlich ihrer Bedeutung gewichtet werden (siehe hierzu insbesondere Band 1 dieser Schriftenreihe: „Organisation und Business Analysis – Methoden und Techniken“).

Erfolgreiche aufbauorganisatorische Lösungen zeichnen sich dadurch aus, dass mit ihrer Hilfe möglichst viele der sich zum Teil widersprechenden, zumindest aber konkurrierenden Ziele erreicht werden. In jedem Fall sind Kompromisse zu schließen und die Interessen der verschiedenen Zielträger gegeneinander abzuwägen. Formal geschieht dies durch eine Gewichtung der Ziele.

Sind die Ziele für ein aufbauorganisatorisches Projekt bekannt, müssen die Maßstäbe bestimmt werden, anhand derer die Zielerreichung gemessen wird. Das wird auch als Operationalisierung der Ziele bezeichnet und ist dann die höchste Konkretisierungsstufe der Zielformulierung.

Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass es nicht die „richtige“ oder die „beste“ Aufbauorganisation gibt. Wenn beispielsweise die unter Kostengesichtspunkten effizienteste innerbetriebliche Abwicklung von Aufträgen höher gewichtet wird als die Wünsche der Kunden nach individueller und schnellerer Bearbeitung ihrer Bestellungen, wird vermutlich eine ganz andere Lösung gewählt als wenn die Kundeninteressen im Vordergrund stünden.

Abschließend werden die soeben erörterten Ziele noch einmal in einer Übersicht zusammengefasst.


Ziel der Unternehmung Ziele der Mitarbeiter Ziele der Kunden
Effizienz Produktivität Wirtschaftlichkeit Zukunftssicherung Ansehen Koordination Kontrollierbarkeit Transparenz Flexibilität Arbeitszufriedenheit - abwechslungsreiche Aufgaben - anspruchsvolle Aufgaben - Autonomie - Beteiligung - Macht Abschirmung - störungsfreie Arbeit - gleichmäßige Auslastung Sicherheit - ausreichende Information - klare Zuständigkeiten - Klarheit über Anforderungen Aufstiegschancen Konfliktfreiheit Qualität niedrige Preise schnelle Leistungen Berücksichtigung individueller Wünsche eindeutige Ansprechpartner

Abb. 2.03: Katalog möglicher aufbauorganisatorischer Ziele

Anhand einiger der in Abbildung 2.03 genannten Ziele soll versucht werden, die Beziehung von Zielen und aufbauorganisatorischen Lösungsbestandteilen zu verdeutlichen (die hier verwendeten Fachbegriffe werden in den folgenden Abschnitten vertieft erläutert):

Unternehmens- bzw. Bereichsziele


Unternehmens-/Bereichsziele Organisatorische Regelung
Effizienz Trennung einfacher von komplexen Fällen Spezialisierung von Aufgaben fallabschließende Bearbeitung
Koordination Bereichsorganisation nach Kunden- oder Produktgruppen kleine Leitungsspannen standardisierte Projektorganisation
Transparenz eindeutige Dokumentation von Zuständigkeiten Standardisierung von Entwicklungsprozessen aktuelles Berichtswesen

Mitarbeiterziele