Hearts Collide

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Aus der Reihe: Collide-Lovestory #1
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Ich drehe mich nach rechts und ... Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein.

"Das ist hoffentlich ein schlechter Scherz", sage ich mehr zu mir selbst und verdrehe die Augen.

Mister Neunmalklug.

"Nein, es ist eine Tatsache. Er hat das komplette Konzept des Buches von Morris Hendler geklaut. Das bemerkt eigentlich jeder Vollidiot." Er macht sich immer unsympathischer und soll einfach die Klappe halten.

"Könntest du bitte still sein? Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, wenn ständig dumme Worte aus deinem Mund kommen.“ Ich sehe ihn nicht mal an.

Aiden schnaubt, ist dann aber tatsächlich still. Tja, leg dich bloß nicht mir an.

Ich kann ihn bis hier hin riechen. Moschus und Jasmin. Ich liebe Jasmin ... Stop, konzentrier dich auf die Lesung. Stell dir einfach vor, er wäre gar nicht hier. Leider gar nicht so einfach. Sein betörender Duft vernebelt meine Sinne total und ich höre der Geschichte nur noch halbherzig zu.

Aiden hatte Recht. Die Tochter des Protagonisten litt an Krebs und der Vater brachte sich am Ende um.

Nachdem noch zwei weitere Autoren ihre Bücher vorgelesen haben war ich erleichtert, dass Aiden keine Kommentare mehr abgegeben hat, sondern einfach nur noch schweigend neben mir saß und seine Düfte verteilt hat.

Ich wende mich an Aby, die links neben mir sitzt. "Was machen wir jetzt?"

"Wir könnten -" Aby stoppt und sieht hinter mich. "Hey, Aiden, ich wusste gar nicht, dass du auch kommst."

Ich verdrehe die Augen und sehe nicht mal hinter mich. Wahrscheinlich grinst er wieder blöd mit seinem Grübchenlächeln.

"Hab mich spontan dazu entschieden mal wieder vorbeizuschauen. Auch, wenn ich heute nichts vorlese", höre ich ihn sagen.

"Aby", quengle ich ungeduldig. Ich will keine Sekunde mehr neben diesem arroganten, gut riechenden Grübchenlächeln sitzen. Er bringt mich durcheinander und macht mich nur wütend, das kann ich momentan nicht gebrauchen.

Aby sieht jetzt wieder mich an. "Ach so, ja, wir könnten zu Clavers in die Bar gehen. Die anderen Jungs wollen auch mit." Sie sieht wieder grinsend zu Aiden rüber.

Nein, tu es bitte nicht. Bitte, bitte nicht. Lass ihn einfach hier und lass uns gehen.

„Aiden, komm doch mit, wenn du heute Abend nichts mehr vorhast."

Verflucht. Natürlich fragt sie, ob er mitkommt. Wie sollte es auch anders kommen? Innerlich verdamme ich sie dafür. Ich hatte ihr doch heute Mittag erzählt, dass ich ihn nicht ausstehen kann.

"Gerne." Ich höre, dass Aiden aufsteht.

Ich koche und funkle Aby wütend an.

Sie schaut mich nur entschuldigend an, als würde das jetzt meinen Abend retten.

Also machen wir uns zu sechst auf den Weg zu Clavers, um - wie Aby es ausgedrückt hat - uns besser kennenzulernen. Die Lust ist mir durch Aiden stetig vergangen.

Wir betreten eine kleine typische Bar mit Billiardtisch und Frauen mit aufreizenden Kleidern die irgendwelche betrunkenen Kerle anschmachten. Es riecht hier nach Alkohol und Rauch und man hört durch versteckte Lautstärker das Lied Come As You Are von Nirvana. Wenigstens läuft keine Technomusik. Das hätte mir jetzt noch den Rest gegeben.

Wir setzen uns an einen Tisch ganz hinten in der Ecke. Aby sitzt schräg von mir gegenüber, neben Leon. Lucas und Noah sitzen neben mir und Aiden sitzt mir genau gegenüber. Was auch sonst.

Eine männliche Bedienung kommt an unseren Tisch. "Hi, ich bin Colder, was darf ich euch denn bringen?"

Lucas, Leon, Noah und Aby bestellen ein Bier.

"Einen On The Rocks, bitte", sagen Aiden und ich gleichzeitig.

Wir schauen uns verwirrt an. Ich zucke nur mit den Schultern, als wäre das ein kleiner Zufall gewesen. Dabei kenne ich niemanden, der auch gerne On The Rocks trinkt.

"Also Ravely." Noah beginnt als erster ein Gespräch. "Erzähl mal was von dir! Wir kennen uns ja schon alle gegenseitig."

"Nenn mich bitte Rave. Aby hat sich so viel Mühe mit dem Spitznamen gemacht, also sollte er auch benutzt werden." Wow, das habe ich selbstbewusster gesagt, als ich dachte.

"Genau!" Aby lacht.

"Also ich bin Rave, achtzehn Jahre alt, komme aus den tiefsten Tiefen Englands und bin jetzt auf der ZOS um englische Literatur zu studieren", erzähle ich. Um ehrlich zu sein, schäme ich mich ein wenig, dass ich nicht mehr erzählen kann. Ich wette alle von ihnen hier, könnten schon einen Bestseller über ihr Leben schreiben.

Ich bin ein absoluter Langweiler.

"Das war‘s?", fragt Leon und schaut mich erstaunt an.

"Ja, ich denke schon."

"Hast du einen Freund?", fragt Lucas mich ganz direkt und ich schnappe erschrocken nach Luft. Das kam unerwartet.

Die Bedienung kommt gerade wieder an den Tisch und bringt unsere Getränke. Ich lächle dem Kellner zu und bedanke mich stumm dafür, dass er mir geholfen hat dieser Frage aus dem Weg zu gehen.

Doch nichts da. "Also?" Lucas lässt nicht locker.

Mist. Alle, bis auf Aiden, warten gespannt auf meine Antwort.

"Nein, habe ich nicht." Ich nehme einen Schluck von meinem Getränk, um nicht mehr dazu sagen zu müssen.

"Wie kommt das denn? Du bist doch hübsch." Noah lächelt.

Ich spüre wie mir leicht die Röte in den Kopf schießt. Das war mal offen. "Danke, aber Beziehungen sind einfach nichts für mich. Ich bin achtzehn Jahre alt. Ich hab noch mein ganzes Leben lang Zeit so etwas wie Beziehungen zu führen." Ich spüre klar Aidens Blick auf mir.

"Endlich mal eine Frau, die weiß, was sie will", lacht Leon.

"Ey, ich weiß auch was ich will!", wirft Aby gespielt beleidigt ein und verschränkt die Arme.

"Nein, weißt du nicht."

Auch Noah stimmt zu. "Du hast jede Woche eine neue große Liebe. Also ich bitte dich."

"Jahaa, weil es immer der Richtige sein kann!"

"Ich denke, man weiß von der ersten Sekunde an, ob jemand der oder die Richtige ist." Auch Aiden meldet sich mal zu Wort und nimmt theatralisch einen Schluck von seinem Getränk nach dieser unfassbaren Weisheit. Idiot.

Ich beäuge ihn mit erhobenen Augenbrauen.

"Oho, der Meister hat gesprochen", ruft Lucas und tut so, als würde er sich vor Aiden beugen.

Alle anderen lachen.

"Das stimmt nicht", sage ich und schaue auf mein Glas.

Alle in der Runde schauen mich an, als hätte ich ihnen erzählt, dass ich Krebs heilen könnte. Sie scheinen darauf zu warten, dass ich mehr sage.

"Also nehme ich an, dass du an Liebe auf den ersten Blick glaubst?", frage ich Aiden mutig und beäuge ihn.

"Liebe auf den ersten Blick ist ein Mythos. Doch von Anfang zu merken, dass jemand zu einem gehört, nicht. Oder würdest du etwa das Gegenteil behaupten?", sagt er mit fester Stimme und richtet sich auf.

Ich zucke abwegig mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Ich denke, das ist Schwachsinn. So etwas wie geistliche Verbindungen oder Seelenverwandtschaft existiert einfach nicht. Sonst wären die Menschen heutzutage glücklich, weil sie mit den richtigen Leuten agieren."

"Die Menschen sind unglücklich, weil sie sehen, was sie sehen wollen. Zu denken, dass geistliche Verbindungen nicht existieren, macht dich zu einen von ihnen. Wenn du richtig hinsiehst, weißt du von der ersten Sekunde an, wer zu dir gehört und wer nicht. Vielleicht solltest du mehr Bronté lesen." Er grinst verhöhnt und nimmt noch einen Schluck von seinem Getränk, ohne den Blick von meinen Augen zu nehmen.

Ich kneife die Augen zusammen und merke schon wie sich mir tausend Worte im Kopf zusammenbrauen.

Als ich gerade etwas Gemeines sagen will, stoppt mich Aby. "Okay, wenn zwei Philosophen sich streiten, sollte man dann aufhören, wenn es am schönsten wird", lacht sie und hebt ihr Bier in die Luft. "Auf einen schönen Abend!"

Kapitel 3

"Du warst aber schon mal verliebt, oder?" Aby sieht mich mit erhobenen Brauen an.

Irgendwie werden die Fragen immer persönlicher.

"Na ja ... was heißt schon verliebt." Meine Worte sind nicht mehr als ein undeutliches Gemurmel, bedacht darauf sie nicht anzusehen.

"Wie? Du willst uns doch jetzt nicht verklickern, dass du noch nie verliebt warst!"

Ich versuche mich an meinen Freund aus der zehnten Klasse zu erinnern und suche nach irgendeinem Anzeichen, das mir sagen könnte, dass es Liebe war. War es definitiv nicht. Er einfach eine Notlösung dafür, dass ich die einzige war, die noch nie einen Freund hatte, mehr nicht. Außerdem war er ein Vollidiot.

Auch der Rest der Gruppe sieht mich jetzt verblüfft an. Sogar Aiden scheint überrascht zu sein.

"Also hattest du auch noch keinen Freund?" Auch Noah betrachtet mich argwöhnisch.

"Doch, hatte ich. In der zehnten Klasse war ich mal mit jemandem fünf Monate zusammen."

"Aber du hast ihn nicht geliebt?" Aby scheint außer sich zu sein.

"Nein." Ich räuspere mich einmal. "Ich meine, ich war damals gerade mal sechzehn geworden. Ich mochte ihn und wollte wissen wie es ist, einen Freund zu haben, aber ..." Ich komme mir wirklich bescheuert vor. Eigentlich sollte ich mich doch gar nicht verteidigen müssen. So etwas tun Jugendliche doch, oder? Beziehungen haben und sie wieder beenden. Hier scheint es ein Tabuthema zu sein. Ich versuche, vom Thema abzulenken und frage Lucas über sein Studium über Wirtschaftsmathematik aus. Hauptsache, ich muss diese blöden Fragen nicht mehr über mich ergehen lassen.

Aby und ich kamen erst um ein Uhr nachts am Campus an. Für meine Verhältnisse war das viel zu spät und ich nehme mir vor, es bei diesem einen Abend zu belassen. Konzentration auf das Wichtige ist angesagt. Und das ist der Unterricht und die Literatur. Da geht nichts dran vorbei, obwohl der Abend eigentlich unterhaltsam war.

 

Als ich im Bett liege, um endlich schlafen zu können, gehen mir zu viele Gedanken durch den Kopf. Vor allem muss ich an Aiden denken. Kurzerhand entschließe ich, meinen Laptop anzumachen und meine Gedanken niederzuschreiben. Ich dachte an den Abend heute. Ich schrieb über Aiden und seine Arroganz. Dass er an geistliche Verbindungen glaubt und On The Rocks trinkt. Wie er nach Jasmin roch.

Ich träume in dieser Nacht von grünen Augen und meinem ersten Buch.

Als ich am nächsten Tag den Kurs für Literatur betrete, fällt mir auf, dass Aiden schon da ist. Er sitzt wieder in der letzten Reihe und redet gerade mit einem Mädchen, das neben ihm sitzt. Sie schmachtet ihn an, als würde er ihr gerade erzählen, dass er letzte Nacht die Welt vor einem Meteoriten gerettet hat. Außerdem quetscht sie ihm ihre Brüste schon fast komplett ins Gesicht. Ich dachte immer, solche Frauen gibt es nur in Filmen und Büchern. Ich gehe auf die letzte Reihe zu und setze mich ans andere Ende, um Aiden und dem blonden Busenwunder bloß nicht zu nahe zu sein.

"Rave, setz dich doch nach vorne zu uns!"

Ich schaue nach vorne und sehe Leon, der mir von der Mitte des Raums aus zuwinkt.

Ich wundere mich, warum mir nicht vorher aufgefallen ist, dass Leon hier auch in diesem Kurs ist und wieso er mir es gestern nicht erzählt hat. Aber egal. Zwischen so vielen Leuten zu sitzen scheint mir keine gute Idee zu sein. Es ist schlicht weg einfach unmöglich, sich in diesem Trubel zu konzentrieren und ich muss mich verbessern, um - genau wie Aiden - mein erstes Buch herauszubringen. Dieser Neid ist wirklich unerträglich, ich sollte damit aufhören.

"Nein, danke. Ich bleibe lieber hier hinten!", rufe ich Leon zurück und lächle ihn dabei an, um ihm nicht das Gefühl zu geben, ich hätte etwas gegen ihn.

Leon sieht mich stirnrunzelnd an, nickt aber dann einverstanden.

Als ich mich zu meinem Rucksack bücke, um meinen Block rauszuholen, fällt mein Blick auf Aiden.

Er sieht mich resigniert an.

Ich kneife leicht meine Augen zusammen und sehe ihn fragend an. Soll er sich doch wieder Blondchen widmen. Sie scheint ja quasi nach seiner Aufmerksamkeit zu betteln.

"So, Ruhe, bitte", ruft Professor Snow durch den Saal. "Ich hoffe, ihr habt gestern schon ordentlich viel aufgeschrieben, immerhin kann viel am ersten Schultag passieren. Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema 'Sinn des Lebens'. Lasst uns mal ein wenig philosophieren. Irgendwelche Vorschläge?"

Schon meldet sich die erste Schülerin. "Ich finde, der Sinn des Lebens ist leben."

"Ja, das ist richtig, Saskia. Aber werden wir mal ein wenig genauer. Was genau bedeutet denn 'leben'?"

"Partys und Sex!", schreit ein Schüler lachend.

Die Klasse stimmt mit ein und auch der Professor muss lachen.

Ich reiße nur meine Augen auf und wundere mich, was in dem Kopf dieses Schülers vor sich geht. Partys und Sex ist kein gutes Konzept, um ein erfülltes Leben zu leben. Außer man ist interessiert an Geschlechtskrankheiten und einem Alkoholproblem.

"Okay, ich möchte, dass wir jetzt reihum gehen und jeder einmal - in ein, zwei Worten - sagt, was für ihn der Sinn des Lebens ist", schlägt Professor Snow vor.

Schon fängt die Runde an. Manche sagen Kinder kriegen, reich werden, etwas Wunderbares erschaffen und reisen.

Dann ist Aiden dran. "Menschen", sagt er einfach, nach kurzem Überlegen.

Ich spüre sogar kurz seinen Blick auf mir.

Menschen? Was meint er denn damit?

Als ich an der Reihe bin, steht meine Antwort fest. "Erfolg."

Der Professor sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. Er hat wohl erwartet, dass ich wie alle anderen Mädchen Liebe oder so etwas wie Heiraten sage. Aber nein, für mich steht Erfolg an erster Stelle und das wird sich auch nicht ändern.

Nach den Kursen beschließe ich, Scar anzurufen. Ich setze mich auf eine Bank am Campus und schalte, während ich mir das Handy ans Ohr klemme, den Laptop an, um meine Hausaufgaben zu erledigen.

"Ravely! Endlich rufst du an!"

"Scar, ganz ruhig." Ich lache. "Wie geht's dir so?"

"Mir? Super. Aber viel wichtiger ist doch erst mal, wie es dir geht. Wie ist die ZOS? Los, ich will alles wissen."

Ich lächle leicht in mich hinein, während ich den Laptop auf meinen Schoß lege und Word öffne. "Also gestern ..." Ich verstumme, weil ich merke, dass mir irgendetwas die Sonne klaut. Ich schaue nach oben und sehe Aiden da stehen, der mich blöd angrinst. "Scar, warte mal kurz". Ich presse das Handy an meine Brust und richte mich dann an Aiden. "Willst du nicht wem anders in der Sonne stehen?"

Er scheint erst kurz verwirrt zu sein, tritt aber dann einen Schritt zur Seite. "O, tut mir leid."

"Ravely, wer ist da?", höre ich Scars Stimme durch mein Handy.

Ich halte mir das Handy wieder ans Ohr und betrachte Aiden skeptisch. "Niemand."

"Niemand? Hat sich aber anders angehört. Ist er süß? Komm, sag schon."

Aidens Grinsen wird breiter und als ich gerade etwas ins Telefon sagen will, nimmt er es mir kurzerhand weg und hält es sich ans Ohr. "O, hallo Scar."

Mir klappt die Kinnlade runter. Das erlaubt er sich jetzt nicht wirklich, oder? Ich springe auf und will es ihm wieder wegnehmen, aber ich bin zu klein und er ist einfach zu stark. "Gib es mir sofort wieder zurück." Ich versuche möglichst leise zu reden, damit uns niemand komisch ansieht.

Er grinst mich nur blöd an und spricht wieder ins Handy. "Ich bin Aiden. Ich hab eben deine Frage gehört, ob ich süß bin und da dachte ich mir, - da Ravely total in ihre Hausaufgaben gesunken war - dass ich deine Frage einfach selbst beantworte. Ja, ich bin süß. Sogar der Süßeste. Außerdem bin ich im selben Kurs wie Ravely."

Ich kann es nicht fassen. Was fällt ihm ein? Ich versuche weiter, ihm das Handy abzunehmen. Leider ohne Erfolg.

"Ich würde ja noch mehr mit dir plaudern, aber der kleine Zwerg hier läuft schon rot an. Also wieso rufst du sie nicht später nochmal an? Ich wünsch dir noch einen schönen Tag!" Er legt auf.

Ich nehme ihm sofort das Handy ab. "Was sollte das denn?" Ich versuche so wütend wie möglich zu klingen.

Aiden lacht mir nur ins Gesicht. "Hach, mach dich locker. War doch nur ein kleiner Scherz."

"Ha-ha, ich hab mich echt totgelacht. Und jetzt geh bitte wieder, ich muss hier noch Sachen erledigen."

Er schaut mit erhobener Augenbraue auf meinen Laptop und atmet dann einmal tief ein. "Okay, es tut mir leid."

"Sagtest du bereits."

"Ich hab eine Idee. Wie wäre es, wenn wir nochmal von vorne anfangen? Ich meine, wir sind beide im gleichen Kurs und ich finde, wir sollten irgendwie versuchen miteinander auszukommen. Wie wäre das?"

Kapitel 4

Ich schaue ihn ungläubig an. Das kann doch nicht sein Ernst sein. Ich stoße ein leises Lachen hervor. "Danke für das Angebot, aber ich tue so etwas nicht." Mit einem verkniffenen Augenverdrehen setze ich mich wieder auf die Bank.

Er sieht mich fragend an. "Was tust du nicht?"

"Das hier." Ich zeige mit meinem Finger zu ihm und wieder zu mir. "Was auch immer du dir daraus erhoffst. Ich tue es nicht."

"Du meinst Freundschaften?" Er lacht. Aiden scheint zu denken, dass ich ihn auf den Arm nehmen will.

"Freundschaften, Bekanntschaften, Liebschaften, ... nenn es wie du willst, aber ich brauche so etwas einfach nicht."

Aiden setzt sich neben mich auf die Bank und mustert mich eindringlich. "Aber du warst doch auch mit Aby und den anderen bei der Lesung gestern Abend. So etwas nenne ich eigentlich Freundschaften aufbauen."

"Aby hat mich quasi angebettelt mitzukommen und außerdem interessiere ich mich für Literatur und aufsteigende Autoren. Wie auch immer ..." Ich stehe auf, klemme mir meinen Laptop unter den Arm und ziehe mir meinen Rucksack an. Aiden verfolgt jede meiner Bewegungen. "Ich werde jetzt gehen. Komm bloß nicht auf die Idee mir zu folgen, ansonsten muss ich wohl oder übel annehmen, dass du ein gruseliger Stalker bist." Ich sehe ihn ein letztes Mal abschätzend an und gehe dann den Steinweg entlang.

"Darf ich wenigstens noch fragen, warum du so etwas nicht machst?", ruft mir Aiden noch hinterher.

"Nein, darfst du nicht!" Ich setze das unschuldigste Lächeln auf, das ich ihm bieten kann und sehe ihn über die Schulter hinweg an. Dass ich mich einzig und allein auf meine Autorenkarriere konzentrieren möchte, behalte ich besser für mich. Schon zu oft habe ich Leute mit meinem - wie sie immer behaupteten - 'kranken' Engagement abgeschreckt. Obwohl es doch gar nicht so schlecht wäre, Aiden abzuschrecken. Dann würde er mich wenigstens nicht mehr nerven. Ich frage mich sowieso, was er von mir möchte. Er kennt mich so gut wie gar nicht, bis auf die paar Fragen, die Aby, Leon, Lucas und Noah mir gestern Abend gestellt hatten. Aber das sagt doch kaum etwas über mich aus. Oder?

Zurück in meinem Zimmer sehe ich Aby auf ihrem Bett liegen und telefonieren. Sie schrickt schnell auf, als ich das Zimmer betrete und flüstert schnell in ihr Handy, dass sie Schluss machen muss. Ihr Kopf ist so rot wie eine Tomate. Was ist denn mit der los?

"O, Rave, du bist ja schon da." Sie zwirbelt eine Haarsträhne um ihren Finger.

Ich sehe sie misstrauisch an und setze mich an meinen Schreibtisch. "Ja, offensichtlich." Ich mustere sie mit erhobener Augenbraue und vielsagendem Lächeln. "Wer war denn da am Telefon?"

"Hach, ähm ... nicht so wichtig." Sie lügt ja wie gedruckt. Nicht mal Blickkontakt kann sie mit mir halten.

"Aby, jetzt spuck es schon aus." Ich lache.

Jetzt explodiert sie vollkommen. "Okay, pass auf! Ich hab dir doch gestern erzählt, dass ich total auf den Lehrer vom Mathekurs stehe."

Ich ahne nichts Gutes. "Okay?"

"Gestern hat er mich nach dem Unterricht zu sich gerufen und er hat mir angeboten mir Nachhilfe zu geben. Und na ja, heute war unsere erste Stunde ..." Sie beißt sich verlegen auf die Unterlippe.

Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie weiterreden soll.

"Wir hatten Sex!"

Mir klappt die Kinnlade runter und ich sehe sie ungläubig an. "Ach du Scheiße, Aby!" Entsetzt halte ich mir die Hände an den Kopf.

"Ja, ist das nicht toll? Ich meine, er ist wirklich toll und so mega intelligent. Er ist zwar sechs Jahre älter als ich, aber Alter ist ja eigentlich nur eine Zahl und -"

"Nein, Aby, das ist ganz und gar nicht toll! Dafür kann er ins Gefängnis kommen!"

"Quatsch, das bleibt doch alles unter uns."

Mal wieder komme ich vom Glauben an die Menschheit ab. "Unter uns? Mir hast du es sofort erzählt und mich kennst du gerade mal seit zwei Tagen!"

"Jetzt mach dich mal locker! Ist ja immer noch meine Sache mit wem ich schlafe, okay?" Jetzt ist sie definitiv aufgebracht. Eigentlich hat sie ja Recht. Es geht mich normalerweise gar nichts an. Und wenn es rauskommt, dann ist es eben ihr Problem, nicht meins.

"Okay, du hast Recht. Tut mir leid. Ich wollte dir nur die möglichen Konsequenzen aufzeigen."

Aby nickt und steht auf, um sich ein paar Schuhe anzuziehen.

"Wo gehst du hin?", frage ich, während ich meine Schulsachen auf dem Schreibtisch ausbreite.

"Zu Cam."

"Cam?"

"Na, der Professor." Sie kichert. "Wir haben jetzt ein Date in der Stadt. Er lädt mich ins Kino ein. Ist das nicht süß?"

Lächelnd schüttle ich meinen Kopf, während ich meinen Laptop aufklappe. Ich wünsche ihr noch viel Spaß und sie geht.

Jetzt, da ich mein Buch für den Kurs sehe, in das ich jeden Tag reinschreiben muss, fliegen meine Gedanken wieder zu Aiden. Ich frage mich, was er immer so hinein schreibt. Ob er schon mal was über mich geschrieben hat? Schlechtes oder Gutes?

Ich schüttle den Gedanken beiseite und rede mir ein, dass ich die Aufgaben einfach schnell hinter mich bringen will, damit ich mich meinem neu gekauften Buch widmen kann.

Ich wache durch ein lautes Klopfen an der Tür auf. Ich muss wohl während des Lesens eingeschlafen sein. Draußen ist es schon dunkel und ich schaue auf die Uhr. Elf Uhr einundfünfzig. Warum sollte jemand so spät noch bei uns Klopfen? Ich leuchte mit meinem Handy auf Abys Bett und muss feststellen, dass sie gar nicht da ist. Dann ist sie das bestimmt, mit Sicherheit hat sie ihren Schlüssel nur vergessen.

 

Es klopft noch einmal.

"Ja, ich komm ja schon", stöhne ich und quäle mich aus dem Bett. Insgeheim bete ich, dass es wirklich nur Aby ist, denn ich trage nur einen Schlüpfer und ein T-Shirt von meinem Dad. Ich öffne die Tür einen Spalt, um hinauszuspähen.

Aiden steht davor und zeigt mir sein breitestes und freudigstes Lächeln.

Aus reinem Reflex knalle ich die Tür vor seiner grinsenden Nase wieder zu. Was will er denn jetzt schon wieder hier? Und das auch noch um die Uhrzeit.

"Rave, komm mach auf“, höre ich seine abgedämpfte Stimme durch die Tür. Ihm scheint es gar nichts auszumachen, dass wir fast zwölf Uhr nachts haben.

"Nein! Wir haben zwölf Uhr nachts!"

"Genau genommen haben wir, Moment." Kurze Stille. "Elf Uhr zweiundfünfzig".

Ich verdrehe die Augen. Selbst so spät ist er noch ein Idiot.

"Jetzt mach einfach auf."

Kurz überdenke ich meine Möglichkeiten. Entweder ich mache ihm jetzt nicht auf und ich werde einfach weiter schlafen, oder ich mache ihm auf und vielleicht ... keine Ahnung. Was denn vielleicht? Ich bin auf jeden Fall irgendwie neugierig. Ich entscheide mich für Möglichkeit zwei und öffne leise die Tür. Aiden hat immer noch dieses Grinsen auf den Lippen. Er betritt mein Zimmer und ich muss sagen, dass er unglaublich gut aussieht. Seine Haare hat er mir einem dunkelgrünen Stirnband zurückgebunden. Er trägt wie immer eine schwarze skinny Jeans mit Loch und dazu ein einfaches weißes T-Shirt. Sind das etwa Tattoos auf seinen Armen und seinem Schlüsselbein? Dazu graue Boots und er sieht einfach ... gut aus. Fast schon unverschämt.

Als ich merke, dass ich ihn ganz schön offensichtlich anstarre, erröte ich und sehe kurz weg. Ich verschränke die Arme. "Also was gibt's?"

Aiden steht genau vor mir und mustert mich von oben bis unten. "Erstens mal: nettes Höschen." Er zeigt auf meine Unterhose.

Ich werde sofort rot und ziehe mein Shirt noch ein wenig tiefer. Wenn mein Körper noch mehr Blut in meinen Kopf pumpen könnte, würde er wahrscheinlich jede Sekunde explodieren und die ganzen schönen blauen Wände beschmieren.

"Zweitens: Ich finde, es ist Zeit für einen kleinen Mitternachtsausflug."