Forever Collide

Text
Aus der Reihe: Collide-Lovestory #3
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Verdammte Scheiße.

„Und außerdem alle Rechte an Ihrem Buch", sagt Black leise zu mir und schiebt mir das Blatt Papier noch näher über den Tisch. „Lesen Sie sich jedes einzelne Worte genau durch, versuchen Sie etwas zu finden, ihre Rechte zurück zu bekommen. ... Sie werden nichts finden."

Mir werden zwei Tage Zeit gegeben, um die 421.000,00 Dollar zu bezahlen oder ich kann mit mindestens sechs Monaten Staatsgefängnis rechnen.

421.000,00 verkackte Dollar!

Wenn ich eins weiß, dann ist das, dass ich unter keinen Umständen ins Gefängnis gehen will. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich diese Summe überhaupt bezahlen kann. Ich habe mit höchstens 200.000,00 Dollar Strafe gerechnet, aber 420.000,00 ... Das ist zu viel. Viel zu viel.

Die Wohnung muss ich ebenfalls noch heute verlassen, doch das dachte ich mir schon. Ein Schlafplatz ist das kleinste Problem momentan, ich würde schon irgendwo ein Hotel finden.

„Du steckst richtig tief in der Scheiße", merkt Steven an, als wir BPE verlassen.

Mich plagt ein heftiger Kopfschmerz und ich reibe mir die Schläfen. „Ich weiß."

Er legt mir seine Hand auf die Schulter. „Wenn du Hilfe brauchst oder so, dann sag’ mir einfach Bescheid, ernsthaft. Ich kann dir ein Hotelzimmer besorgen, ich kann mir vorstellen, dass du es dir nicht leisten kannst jetzt für so was Geld auszugeben."

„Nein, ist schon in Ordnung." Ich nehme seine Hand von meiner Schulter. „Ich bekomme das irgendwie hin. Eventuell habe ich genug Geld, ich weiß es nicht, die Verkaufserlöse in den letzten Monaten waren hoch. Ich denke, ich ... Das klappt alles schon. Ich habe bisher alles alleine geschafft, da wird mir auch kein Arschloch wie Black einen Strich durch die Rechnung machen."

„Aiden." Steven sieht mich eindringlich an. „Nimm das alles nicht auf die leichte Schulter. Mag ja sein, dass dir momentan alles am Arsch vorbei geht, aber die Situation, in der du gerade steckst, ist mehr als gefährlich. Ruf mich einfach an, wenn du einen Schlafplatz brauchst, Geld oder keine Ahnung, irgendetwas. Ich werde mir nachher nochmal den Vertrag ansehen, den du mit Black damals unterschrieben hast, um zu überprüfen, ob sie dir wirklich einfach alle deine Rechte an dem Buch wegnehmen können."

Ich nicke nur und würde am liebsten in eintausend Teile zerspringen.

„Also dann ..." Er klopft mir noch einmal mitleidig auf die Schulter. „Melde dich, wenn ich irgendetwas für dich tun kann. Du wirst von mir hören, wenn ich den Vertrag durchgelesen habe."

„Danke ..."

„Kein Problem, Kumpel ... Halt die Ohren steif." Er betritt wieder BPE und ich starre auf den grauen Boden unter meinen Füßen.

Ich stecke knietief in der Scheiße. Knie fucking tief. Wenn ich tatsächlich die Strafe irgendwie bezahlen kann, kann ich es mir nicht mehr leisten nach England zurück zu fliegen, geschweige denn mir eine Wohnung zu besorgen, um überhaupt irgendwo schlafen zu können. Und ich werde nicht Steven nach Geld fragen, auf gar keinen Fall.

Auf dem Weg zur Bank, blicke ich auf mein Handy, um eventuell nachzusehen, ob Raven sich gerührt hat.

Nichts.

Kein Anruf, keine Nachricht, rein gar nichts. Wenn sie wenigstens an meiner Seite wäre, wäre die ganze Scheiße nur halb so schlimm. Okay, wenn sie noch an meiner Seite wäre, müsste ich jetzt nicht all mein Geld blechen, um nicht in den Knast zu wandern.

Ich komme in der Bank an, schiebe meine Kreditkarte in den Automaten und bete insgeheim, dass jetzt mindestens 422.000,00 Dollar drauf sind. Wenn ich wenigstens noch den Flug nach England bezahlen kann, habe ich die Möglichkeit heute Abend noch nach England zu fliegen.

Der Ladebalken lädt ... Komm schon.

Der Kontostand beträgt 413.017,63 Dollar.

Ich muss mich an dem Automaten abstützen.

Neuntausend Dollar. Mir fehlen verdammte neuntausend Dollar!

Ich starre auf die Zahl auf dem kleinen Bildschirm und halte mir die Hand an den Kopf, versuche ruhig zu atmen.

Neuntausend Dollar.

Wo zur verdammten Hölle soll ich neuntausend Dollar herbekommen?

Das alles kann nur ein beschissener Albtraum sein. Es muss ein beschissener Albtraum sein. Ich habe das Gefühl, dass mich heute noch ein verdammter Blitz trifft. Schlimmer kann die Kacke nicht werden.

Erst Raven, jetzt das Geld, mehrere Anklagen und verdammt nochmal zu wenig Geld, um überhaupt von alle dem letzten Endes flüchten zu können.

Komplett erschöpft und abgekämpft ziehe ich meine Karte wieder aus dem Automaten und verlasse die Bank.

Es gäbe noch eine Möglichkeit, wie ich aus der Sache rauskomme. Eine letzte verfluchte Möglichkeit. Ich hasse mich dafür, dass ich überhaupt darüber nachdenke, aber ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen.

Ich setze mich auf eine Bank in einem kleinen Park und wähle die Nummer meiner Mutter. Ich widere mich selbst an. Wie kann ich nur so erbärmlich enden?

Reumütig halte ich mir das Handy ans Ohr, stemme die Ellenbogen auf meine Knie und versuche diesen niemals endenden Kopfschmerz loszuwerden. Wahrscheinlich habe ich ihn verdient.

„Na mein Schatz", trällert meine Mutter glücklich in die Leitung.

Jetzt hasse ich mich noch mehr dafür, dass sie gleich nicht mehr so glücklich sein wird.

„Mum", sage ich viel zu müde, schließe die Augen. „Ich brauche deine Hilfe."

„Natürlich! Was ist denn los? Ich habe dir doch gesagt, dass das Geschenk für Raven perfekt ist, also brauchst du nicht nochmal nachfragen", kichert sie.

Ich schlucke den Schmerz herunter. „Nein, das ist es nicht ... Ich brauche Geld."

Kurz herrscht Stille. „Geld? Warum?"

Ich reibe mir über die Stirn, kann meine Situation gerade nicht fassen. Ich bin so ein grausamer Mensch. „Ich habe Scheiße gebaut ... Richtig große Scheiße."

„Okay?", haucht sie. Ich höre ihre Missgunst. „Und wie viel brauchst du?"

„Neuntausend."

Sie schnappt nach Luft. „Neuntausend? Aiden, das ist zu viel!"

Ich atme tief ein und aus. „Nein, Mum, das ist nicht zu viel. Du musst an euer Sparkonto gehen." Ich hasse es. Ich hasse es so sehr.

„Aber ... Das ... Aiden, das ist für den Grabstein deiner Schwester. Wir sparen seit fast zehn Jahren dafür."

„Ich weiß ... Ich weiß. Aber ich brauche es. Wirklich. Du musst mir das Geld geben."

Meine Mutter schnieft und es bricht mir das Herz. „Okay", sagt sie leise. „Ich werde es dir geben. W-Wann brauchst du es?"

„Es tut mir so leid, Mum ...", bitte ich um Vergebung. „Ich brauche es in den nächsten 48 Stunden. Am besten gleich morgen Mittag. Ich werde dir meine Kontonummer schicken und du überweist es noch heute Abend."

Sie ist still, ich höre nur ein leises wimmern.

„Machst du das?", frage ich sie voller Reue.

„Ja", sagt sie leise. „Ich werde jetzt gleich zur Bank fahren ... Neuntausend waren es, richtig?"

„Ja, richtig."

„Mehr sind, glaube ich, sowieso nicht drauf." Sie muss sich das Weinen unterdrücken.

Ich wische mir durchs Gesicht, atme noch einmal tief ein. „Ich werde es euch zurückzahlen, ich verspreche es dir. Es tut mir wirklich leid, Mum, bitte sei nicht enttäuscht von mir."

„Ich bin nicht enttäuscht von dir", flüstert sie. „Du bist mein Sohn. Ich liebe dich, egal was du machst."

Ich verziehe schmerzvoll das Gesicht, kneife die Augen zu. Verdammt. „Ich liebe dich auch ... Ruf mich bitte an, wenn du das Geld überwiesen hast, ja?"

„Okay ..."

„Ich liebe dich, Mum. Wirklich."

„Ich dich auch."

Kapitel 3

Raven

„Und du bist dir sicher, dass er nicht da ist?", fragt Alec, als wir vor der Tür von Aidens Apartment stehen.

„Ich bin mir sicher. Er müsste schon seit zwei Stunden auf der Arbeit sein", versichere ich ihm und schließe die Tür auf.

Sofort kommt mir dieser wohlige Geruch von Zuhause entgegen und Erinnerungen, die ich eigentlich verdrängen möchte.

„Okay", sage ich und versuche meinen Schmerz zu überspielen. „Wir holen einfach meinen Pass und dann verschwinden wir wieder. Ich will hier nicht lange bleiben."

„Verstanden."

Alec folgt mir die Treppen nach oben und wir betreten unser ... Aidens Schlafzimmer. Ich muss den Kloß hinunter schlucken, als ich auf das Bett sehe. Es sieht noch genauso aus, wie ich es verlassen habe. Er scheint nicht darin geschlafen zu haben. Wahrscheinlich war er bei Angie und hatte seinen Spaß.

Ich gehe zu einer Schublade neben dem Nachtschränkchen und nehme meinen Pass und Personalausweis heraus. Das wird das letzte Mal sein, dass ich in dieser Wohnung sein werde. Ich hoffe, dass es das letzte Mal sein wird.

„Zieht Aiden auch aus?", fragt Alec, als ich gerade die Schublade schließe.

Ich runzle die Stirn. „Wie kommst du darauf?"

„Na, hier steht eine gepackte Tasche." Er zeigt auf eine große Sporttasche neben dem Bett.

Verwirrt gehe ich um das Bett herum und tatsächlich liegt dort seine Tasche, vollgepackt bis oben hin. „Ich weiß es nicht ...", sage ich. „Vielleicht sucht er sich eine neue Wohnung. Wer weiß das schon. Soll er doch machen." Ich verlasse das Schlafzimmer und versuche mir die Tränen zu unterdrücken.

Diese ganze Situation lässt mich einfach nicht los. Und jetzt hier in seinem Apartment zu sein, macht alles nur schlimmer. Es riecht hier alles nach ihm.

„Vielleicht geht er ja wieder nach England." Alec folgt mir ins Wohnzimmer.

„Wieso sollte er das tun? Er hat hier alles in Amerika, was er wollte."

 

„Vielleicht weil er dich liebt und nicht damit klarkommt, dass du ihn verlassen hast und das Land zu verlassen die einzige Möglichkeit für ihn ist auch nur einen Hauch einer Chance zu haben, über die Trennung hinweg zu kommen?"

Ich sehe ihn an und lege den Wohnungsschlüssel auf ein Regal neben der Tür. Ich brauche ihn jetzt nicht mehr. „Hör auf so etwas zu sagen. Er hat mich betrogen, nicht ich ihn. Ich bin diejenige, die am meisten verletzt wurde."

„Oder – Au!"

Ich drehe mich zu Alec um, als ich gerade die Tür öffnen will. „Was?"

„Das." Er deutet auf einen halbgeöffneten, kaputten Karton auf dem Boden, über den er gestolpert ist.

Ich runzle die Stirn. Das lag gestern definitiv noch nicht hier. „Was ist das?"

„Guck doch rein."

„Ich kann doch nicht einfach ... Das geht doch nicht."

Er verdreht die Augen. „Guck einfach rein. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte er es nicht einfach umhergefeuert."

Ich schlucke nachdenklich und starre auf den dunkelbraunen Karton. „Vielleicht mal ganz kurz", sage ich leise und knie mich zu der Kiste.

Neugierig hebe ich sie auf das Regal. Es ist auf jeden Fall an Aiden adressiert, doch den Ort, wo er es bestellt hat, kann ich nicht erkennen, weil der Deckel zerrissen ist.

„Los", hetzt Alec leise und beäugt neugierig die Kiste.

Vorsichtig öffne ich die erste aufgerissene Hälfte des Deckels, dann die andere. Ein Wirrwarr von Styropor und Papierschnipseln kommt uns entgegen. Es muss wohl etwas wertvolles sein, wenn es so eingepackt ist. Ich greife in den Haufen von Papier und wühle ein wenig darin herum, dann bekomme ich etwas zu fassen. Es fühlt sich hart und kantig an.

Aufgeregt ziehe ich es heraus.

Mein Herz erleidet einen kurzen Stillstand.

Mit aufgerissenen Augen betrachte ich das Buch in meinen Händen. Ich habe das Gefühl, ich verliere jeden Moment das Bewusstsein.

„Was ist das?", fragt Alec und nimmt es mir aus der Hand.

„Sei", sage ich leise mit heiserer Stimme. „Sei bitte vorsichtig."

Er sieht mich kurz argwöhnisch an und dreht dann das Buch in seinen Händen. „Partie Espoir", liest er den Titel und öffnet es. „Das sieht scheiße historisch aus. Was zur Hölle ist das?"

Ich starre auf den Karton vor mir, kann die Situation gerade nicht verstehen.

Aiden hat mir mein Lieblingsbuch aus der Mula gekauft. Partie Espoir lll. Es ist so gut wie unmöglich dort ein Buch zu kaufen, es sei denn ... Es sei denn du bezahlst eine Menge Geld.

Partie Espoir. Part Hoffnung.

Gibt es für Aiden und mich noch Hoffnung?

Wortlos nehme ich es Alec aus der Hand, lege es vorsichtig in meine, betrachte das Cover und den Einband ganz genau. Er hat es mir tatsächlich gekauft. Das ist bestimmt das Geburtstagsgeschenk, von dem er mir die ganze Zeit erzählt hat. Er meinte, es würde mich von den Socken hauen. Aber das haut mich nicht von den Socken, das bricht mir nur noch mehr das Herz.

Erst jetzt merke ich, dass eine Träne auf den braunen Einband tropft. Schnell wische ich sie weg und schniefe, atme aus. „D-Das ist mein Lieblingsbuch", erkläre ich Alec mit gebrochener Stimme. Ich öffne die erste Seite und streiche über das Papier.

Er hat es mir tatsächlich gekauft.

Doch da sticht mir noch etwas ins Auge. Eine Gravur in der unteren Ecke des Covers.

Auf die Ewigkeit. A.

Sofort beginne ich laut zu schluchzen und lasse das Buch wieder in den Karton fallen.

Alec schnappt nach Luft und nimmt mich sofort in den Arm. „Süße, bitte nicht weinen", sagt er leise, streichelt mir liebevoll über den Kopf. „Lass uns einfach gehen, okay? Hier zu sein tut dir nicht gut."

„A-Alec, ich will das nicht mehr", weine ich leise in seinen Pullover. „Wieso muss ich ihn nur so sehr lieben? Und wieso muss er mir das auch noch antun?"

„Ich kann dir nur tausend Mal sagen, dass er dich auch liebt. Es ist ganz allein deine Entscheidung, was du tust. Du könntest auch hier bleiben und warten bis er wieder kommt. Du könntest ihm verzeihen und wieder mit ihm zusammen sein."

Ich schüttle langsam den Kopf. „Ich – Ich kann nicht."

„Ich wollte es dir nur sagen", meint er ruhig und lässt mich los, streicht mir die Tränen von den Wangen. „Wir gehen, ja?"

Ich nicke nur schniefend, wende mich wieder an den Karton. Ich schließe ihn voller Trauer und Sehnsucht und lege ihn so hin, wie er lag, bevor wir gekommen sind.

Alec nimmt mich lächelnd an der Hand und öffnet die Tür.

Ein letztes Mal blicke ich in das Apartment, rieche seinen wundervollen Duft, schließe dann die Tür hinter mir.

Aiden

Ich starre an die Decke des wahrscheinlich schäbigsten Hotels aller Zeiten. Es stinkt widerlich nach totem Tier und ich kann ein paar Risse in den Ecken der Wände erkennen.

So muss es wohl aussehen, wenn man am Ende angekommen ist.

Mein einziger Trost ist, dass es mittlerweile spät abends ist und das Tageslicht mir nicht genau zeigen kann, wie abartig es hier tatsächlich aussieht. Was soll man auch für fünfundzwanzig Dollar pro Nacht verlangen? Eine Luxussuite werde ich mir wohl kaum noch leisten können. Brauche ich auch nicht. Das ist nur eine einzige Nacht. Morgen werde ich einfach das Geld bei der Polizei abgeben und verschwinden. Hoffentlich muss ich diese Stadt nie wieder sehen. Die Lust an New York ist mir vergangen, egal wie aufregend und schön die Zeit hier war. Sie war nur aufregend und schön, als ich mit Raven zusammen war.

Ich fahre mir durchs Gesicht. Es ist unmöglich Schlaf zu finden. Ich stemme mich auf, das alte Bett knarrt sofort und ich sehe aus dem kleinen Fenster, dann auf die Uhr meines Handys. Gerade einmal halb zwölf Uhr. Ich finde sowieso keinen Schlaf und mein Kopfschmerz plagt mich noch immer. Ich muss hier raus.

Ich ziehe mir meine Klamotten an, verlasse das grausame Hotel und laufe durch die Straßen von New York. Obwohl ich todmüde bin, schafft es mein Körper einfach nicht zu ruhen. Es ist momentan einfach zu viel, dass mich belastet und aufwühlt. Wie soll ich so einen freien Kopf bekommen?

Ich vergrabe meine Hände in den Taschen meines Mantels und lasse mich auf eine Bank am Straßenrand fallen. Es ist arschkalt und mein Kopfschmerz scheint nicht verschwinden zu wollen.

Ich würde jetzt gerne ihre Stimme hören. Fragen, wie es ihr geht, was sie so macht. Einfach nur wissen, ob es ihr besser geht als mir. Ich will ihren Geruch einatmen, ihren kleinen Körper an meinen pressen und mein Gesicht in ihrem Haar vergraben. Sie verdammt nochmal sehen können und ihr sagen, wie sehr ich sie liebe.

Verdammt, sie fehlt mir. Sie fehlt mir so verdammt sehr.

Ich lasse meinen Blick über die fast verlassenen Straßen gleiten und sehe in ein beleuchtetes Café. Ein Mann steht an der Kasse. Man könnte fast meinen es wäre Alec. Er trägt die gleiche Lederjacke, sogar die Statur ist identisch.

Ich sehe wieder weg. Jetzt bilde ich mir schon meine Möglichkeiten, sie wiederzusehen, ein. Das muss verdammt nochmal aufhören.

Ein leises klingeln kommt von der anderen Straßenseite und der Mann verlässt das Café.

Das ist Alec. Das ist verdammt nochmal Alec.

Sofort springe ich auf. „Alec!", rufe ich zu ihm herüber. Doch er scheint mich nicht gehört zu haben und läuft weiter um die Ecke. Scheiße, nein, ich kann diese Chance jetzt nicht verpassen. Ich muss wissen, wo Raven ist, egal wie beschissen mein Leben momentan aussieht. Schnell jogge ich über die Straße und laufe ihm hinterher. Ich sehe seine Silhouette schon von weitem. „Ey!", rufe ich erneut und komme ihm immer näher. „Alec!"

Jetzt dreht er sich zu mir um und bleibt verwirrt stehen. „Aiden", stellt er erschrocken fest, als ich bei ihm ankomme.

„Ja", sage ich schweratmend von dem Lauf. „Alec, bitte sag mir wo Raven ist."

Er hebt die Brauen. „Wow, kein freundliches Hallo? Kein nettes Wie geht's dir? Kein Was machst du so spät abends unterwegs?"

Ich funkele ihn böse an.

„Sie ist bei mir."

Ich atme erleichtert aus. Wenigstens weiß ich, dass es ihr bei ihm gut geht. „Gut ... Ich – Das war es auch schon. Ich wollte nur wissen, ob es ihr gut geht ..." Ich drehe mich etwas von ihm weg, mein Blick auf den Boden gerichtet. Ich bin so erschöpft, so scheiße erschöpft. „Ich werde wieder gehen. Mach's gut." Mit dem Gedanken, dass ich gerne wissen würde, wo er wohnt und dass ich sie gerne wieder sehen würde, lasse ich ihn wortlos dort stehen. Ich werde mich niemandem aufdrängen. Sie will meine Anrufe nicht annehmen, also will sie mich erst recht nicht sehen.

„Sie vermisst dich!", ruft Alec mir hinterher.

Ich bleibe stehen.

„Sie vermisst dich mehr, als du dir vorstellen kannst."

Ich drehe mich langsam zu ihm um.

Er sieht mir tief in die Augen. „Und sie liebt dich."

Ich muss schwer schlucken.

Alec kommt ein paar Schritte auf mich zu. „Ich weiß, dass du sie nicht betrogen hast."

„Woher willst du das wissen?"

„Ich kenne die Wahrheit nicht und wieso zur Hölle diese Frau auf dir saß, aber ich weiß einfach, dass du sie nicht betrogen hast." Sein Blick strahlt eine Mischung aus Mitleid und Herzlichkeit aus, dann setzt er sich auf eine Treppe vor einem Hochhaus. „Lass uns reden, Aiden. Du siehst echt beschissen aus. Erzähl mir die Wahrheit."

Ich hätte niemals gedacht, dass Alec tatsächlich zu so etwas fähig ist. Ich dachte, er würde mich genauso hassen, wie Raven es tut, weil er ihr Freund ist, doch dass er will, dass ich mit ihm reden, hätte ich niemals erwartet. Doch es tut gut.

Ich setze mich neben ihn auf die kalten Stufen und sehe auf den steinigen Boden. Einen kurzen Moment verweilen wir einfach in der stillen Dunkelheit, doch schließlich unterbreche ich die Stille. „Sie fehlt mir."

Ich spüre seinen Blick auf mir.

„Ich würde sie niemals betrügen", erzähle ich weiter. „Angie hat all diese Dinge, die Raven gesehen hat, gegen meinen Willen getan. Du musst mir glauben ... Wenigstens du. Ich würde sie niemals betrügen. Ich liebe sie."

Nach einer Pause, sagt er: „Ich glaube dir."

„Wieso glaubst du mir und sie nicht?"

„Sie liebt dich, ich dich nicht, Aiden. Sie hat das gesehen, wovor sie immer am meisten Angst hatte. Sie ist verwirrt, sie weiß nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen soll. Raven hat gesehen, wie du – angeblich – eine andere Frau begehrt hast. Sie ist verletzter als du dir vorstellen kannst."

„Ich weiß ... Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß scheiße nochmal nicht, was ich tun kann, damit sie mir glaubt. Sie nimmt meine Anrufe nicht an, ich weiß nicht einmal, wo du wohnst, um die Chance zu ergreifen, es ihr zu erklären."

„Es würde keinen Sinn machen, es ihr zu erklären. Gib ihr Zeit. Es geht ihr momentan sehr schlecht, sie weint sehr viel, kann sich auf nichts konzentrieren. Doch ich bin mir sicher, wenn du ihr einfach nur die Zeit gibst, die sie braucht, dann wird sie dir verzeihen und versuchen dir zuzuhören. Sie muss momentan einfach nur wissen, was sie will."

Ich verziehe das Gesicht. „Ich habe ihr verdammt nochmal alles versaut. Ich habe ihr den Traum vom Schriftsteller werden versaut. Ich habe ihr New York versaut."

„Du hast ihr nichts versaut. Aiden. Wenn sie bei dir ist, ist sie glücklicher, als sie es je zuvor in London oder Aldbury war. Sie wird das Schreiben nie aufgeben, welcher Schriftsteller könnte das? Du und sie, ihr seid perfekt füreinander und das weiß sie genauso wie du. Und ich bin mir sicher, dass sie innerlich weiß, dass du sie nicht mit Angie betrogen hast. Sie lebt momentan einfach noch mit diesem Schmerz, dass du sie belogen hast. Gib ihr einfach Zeit."

Ich vergrabe mein Gesicht verzweifelt in den Händen. „Ich will einfach nur, dass sie versteht, dass ich sie scheiße nochmal liebe."

Alec legt seine Hand beschwichtigend auf meine Schulter. „Das weiß sie, glaube mir, das weiß sie. Sie will es nicht wahr haben, doch sie weiß es."

„Vielleicht habe ich sie auch einfach nicht verdient. Vielleicht bin ich auch einfach nicht gut genug für sie."

„Wenn sie zu gut für dich ist, dann scheiße nochmal, Aiden, lass sie nicht los. Streng dich stattdessen an, gut genug für sie zu sein. Ich weiß nicht, was gestern und heute passiert ist, dass du neben mir sitzt und eine komplett andere Person zu sein scheinst, aber streng dich an. Fang bloß nicht an zu denken, dass du sie vergessen musst. Wenn du sie ignorierst, lehrst du sie nur, ohne dich zu leben und das ist, was sie nicht will."

 

Ich sehe ihn an. „Dann sag’ mir, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll."

Er atmet tief ein und aus, sieht auf den großen Baum am Straßenrand. „Ich weiß nicht, was du tun kannst. Aber ich bin mir sicher, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem du ganz genau weißt, wann der Zeitpunkt gekommen ist, sie wiederzusehen. Die Situation ist momentan einfach noch zu angespannt, sie will dich nicht sehen und das ist verständlich, denke ich ... Aber sie wird dir irgendwann zuhören und sie wird dich irgendwann verstehen. Wenn es das Schicksal so will, dann werdet ihr wieder zusammenfinden, egal wie."

„Ich glaube nicht ans Schicksal. Wenn es das Schicksal geben würde, wären wir nicht hier."

Er funkelt mich böse an. „Ich versuche dich gerade aufzubauen und du ziehst es ins Lächerliche?"

„Ich bin Realist."

„Dann sei ein verflixter Realist und realisiere, dass deine Zukunft ohne sie beschissen sein wird. Du siehst aus, als hättest du zwei Nächte nicht geschlafen und außerdem" – Er zeigt auf meinen Kiefer – „Was ist das? Hast du dich geprügelt?"

Ich lache leicht auf, fahre mir über die Kratzer, die Steven mir verpasst hat. „Nein, eine Frau hat mich geschlagen."

Alec hebt eine Braue. „Alles klar." Dann steht er auf, richtet sich die Lederjacke. „Ich werde jetzt gehen, Raven wird sich fragen, wo ich bin."

Ich nicke ihm zu. Meine Laune ist wieder am Tiefpunkt, wenn ich ihren Namen höre. „Verstehe."

Er scheint meine deprimierte Laune sofort zu verstehen. „Manchmal ist es besser ans Schicksal zu glauben, Aiden, denn manchmal ist es das letzte, das einem bleibt. Raven glaubt daran. Sieh zu, dass du euer Schicksal besiegelst und bemitleide dich nicht selbst."

Wenn er nur wüsste, was momentan bei mir alles falsch läuft.

„Eine Unterschrift hier", sagt der Gerichtsvollzieher von Black und zeigt auf ein kleines Feld auf dem Zettel, der mich bettelarm machen wird. „Und dann nochmal hier."

Ich nicke und unterschreibe beide Felder. 421.000,00 Dollar. Ich konnte gerade noch knapp 450,00 Dollar zusammenkratzen, um dem Flug nach England zu bezahlen. Ich werde sofort nach dem Akt hier bei BPE nach England zu meiner Mutter fliegen. Zum Glück habe ich meine Wohnung in London schon vor einem Monat gekündigt und dafür sorgen lassen, dass meine Sachen nach Holmes Chapel gebracht werden. Ein Problem weniger, das ich noch hätte beseitigen müssen.

„Sehr gut", seufzt der kleine Mann vor mir und schiebt den Zettel in einen Ordner. Dann greift er in seinen Aktenkoffer. „Ich fühle mich zwar nicht wohl, wenn ich das jetzt tue, doch Mister Black hat es von mir erwartet." Er zieht ein Buch aus dem Koffer und hält es mir hin. „Das soll ich Ihnen geben."

Stirnrunzelnd nehme ich ihm das Buch ab. Das ist mein Buch. „Was soll ich damit?" Ich betrachte es näher und dann fällt es mir auf. Mein Name steht nicht mehr darauf. Der Autor heißt jetzt Walter Hemmings. Ich schüttele nur verächtlich mit dem Kopf. „Black ist ein größeres Arschloch, als ich dachte."

Der Mann klappt den Koffer zu und richtet sein Jackett. „Er lässt nur nicht gerne mit sich spielen, Mister Bender. Es tut mir leid für Sie, dass Sie die Anerkennung für das Buch nicht bekommen werden, aber das haben Sie sich selbst eingebrockt." Er geht mit dem Koffer zur Tür. „Ich hoffe, Sie haben aus ihrem Fehler gelernt." Dann geht er.

Unglaubwürdig mustere ich das Buch in meinen Händen. Ich kenne nicht mal einen Walter Hemmings, wahrscheinlich existiert er nicht mal. Hauptsache Black bekommt das Geld. Doch das lasse ich jetzt hinter mir. Ich werde jetzt verschwinden und nie wieder kommen. Vielleicht ist es doch nicht mehr so abwegig in dem Baumarkt von Robin zu arbeiten. Anscheinend kann ich mit einer so großen Verantwortung wie bei Black Poe Enterprise nichts anfangen. Nicht mal mein Studium auf der ZOS kann ich weiter finanzieren.

Als ich gerade Black Poe verlassen will und innerlich damit abgeschlossen habe, werde ich gerufen. Ich drehe mich um und entdecke Steven und Stacy Sunshine.

„Willst du dich nicht wenigstens von uns verabschieden?", lächelt Stacy Sunshine und bleibt vor mir stehen.

„Sie hat Recht", lacht Steven. „Immerhin verliere ich jetzt meinen Knecht."

Ich kann nicht eine Sekunde ein Lächeln aufbringen. „Tut mir leid. Ich hatte viel um die Ohren."

„Wissen wir doch." Stevens Blick ist wieder mitleidiger. „Wir werden dich auch nicht lange aufhalten."

Plötzlich springt mir Stacy Sunshine um den Hals und drückt mich fest. „Wir werden dich vermissen, Aiden", murmelt sie traurig in meine Halsbeuge. „Du warst eine große Bereicherung."

Argwöhnisch klopfe ich ihr leicht auf den Rücken. „Ähm, danke Stacy."

Schniefend lässt sie mich los und wischt sich eine schwarze Träne von den Augen.

„Ich werde dich nicht umarmen", grunzt Steven.

„Das hoffe ich für dich."

Doch wieder ändert sich seine Miene ernsthaft. Er packt in sein Jackett und zieht einen Bündel Geld heraus. „Aber ich habe das hier für dich."

Ich sehe auf das Geld. „Vergiss es. Ich will dein Geld nicht."

Er verdreht die Augen. „Nimm es, Aiden. Das sind nur 200,00 Dollar, die werden mich nicht arm machen. Ich will nur wenigstens sicher sein können, dass du nicht auf dem Weg nach England verreckst, weil du dir nichts zu essen leisten kannst oder ein Taxi."

Zornig sehe ich weg. „Ich bin kein scheiß Penner, dem du Geld geben musst. Ich habe Geld."

„Wie viel? 450,00? Damit wirst du wohl kaum um die Runden kommen, wenn du erst mal den Flug bezahlt hast. Und jetzt nimm es, verdammte Scheiße." Er drückt es mir fest in die Hand. „Ich bin einmal im Leben nett, also lass mich jetzt hier nicht wie einen Idioten dastehen."

Widerwillig betrachte ich das Geld in meiner Hand. Ich fühle mich so verdammt hilflos und minderwertig. Ich war immer stolz nie bei anderen Leuten um Geld betteln zu müssen und jetzt beruhigt es mich, dass ich tatsächlich genug Geld habe, um den Weg nach England zu bestreiten.

„Und melde dich vielleicht mal, wenn du in England bist", fügt Steven noch hinzu, legt seine Hand auf meine Schulter. „Wenn ich dir noch irgendwie helfen kann, dann sag’ mir einfach Bescheid. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, wenn du in Amerika bist oder ich in England, wer weiß."

Ich nicke, stecke das Geld in meine Brusttasche. „Ja, vielleicht. Du bist ein besserer Freund, als du vorgibst zu sein."

Lachend schupst Steven mich zur Tür. „Halts Maul, das bleibt unser Geheimnis. Und jetzt sieh zu, dass du dein Leben wieder in den Griff bekommst!"

„Tschüss Aiden!", winkt Stacy Sunshine mir noch ein letztes Mal zu und ich gehe durch die Drehtür nach draußen.

Hoffentlich ist es jetzt wirklich das letzte Mal, dass ich durch diese Tür gehen muss.

Und keine zwei Stunden später sitze ich auch schon im Flieger nach England. In der zweiten Klasse. Eingeengt zwischen zwei alten Biertrinkern, die mir ihre dicken Bäuche in die Seiten pressen. Selbst diese sieben Stunden Flug zwischen zwei Gorillas habe ich verdient. Wie konnte ich auch so dumm sein und BPE stürmen? Was hatte ich erwartet? Dass Raven dadurch zurück kommt?

Damit ich keinen Herzstillstand erleide, wenn das Flugzeug startet, krame ich aus meinem Rucksack ein Buch hervor. Ich muss mich endlich auf was anderes konzentrieren, als auf meine missliche Lage.

Doch als ich gerade das Buch herausziehen will, sticht mir etwas anderes ins Auge. Mit pochendem Herzen ziehe ich das Bild mit dem schwarzen Rahmen aus dem Rucksack und setze mich wieder richtig hin.

Neben all meinen Erinnerungen, ist das das einzige Andenken, das ich noch an sie habe. Ich war kurz davor es ebenfalls an meine Wände zu schmeißen, doch ich konnte es nicht. Noch ist meine Hoffnung nicht aufgegeben.

Zu diesem Bild fällt mir immer nur ein verdammtes Zitat von Frida Kahlo ein. Nimm einen Geliebten, der dich ansieht, als wärst du Magie.

Und scheiße nochmal sie sieht mich auf diesem Bild an, als wäre ich gottverdammte Magie. Ihr Lächeln fehlt mir so unglaublich.

„Dat is' aber 'ne Hübsche", brummt der eine Kerl neben mir und sieht auf das Bild in meinen Händen.