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3.1
Zweitspracherwerb

Ein beachtlicher Teil der in der Deutschschweiz lebenden Kinder lernt Deutsch als Zweitsprache.1 Dies geschieht in der frühen Kindheit vorwiegend in familienergänzenden Angeboten. Das Erlernen der Gesellschafts- beziehungsweise Schulsprache ist für einen gelingenden und chancengleichen Schulstart sehr bedeutsam (Stamm & Edelmann 2010).

In der Literatur zur kindlichen Mehrsprachigkeit wird unterschieden zwischen dem simultanen Erwerb und dem sukzessiven Erwerb zweier Sprachen in der Kindheit, auch kindlicher Zweitspracherwerb genannt. Von simultanem Spracherwerb wird dann gesprochen, wenn der Beginn des Erwerbs beider Sprachen vor Ende des zweiten Lebensjahres geschieht (Chilla et al. 2010). Eine zweisprachige Entwicklung in der frühen Kindheit verläuft demnach in der Aneignung der Grundstruktur bei beiden Sprachen wie eine einsprachige Entwicklung (Gogolin 2010). Die Entwicklung dieses strukturellen Grundgerüsts des bilingualen Spracherwerbs geschieht relativ losgelöst von sozioökonomischen Merkmalen und kulturellem Kapital der Herkunftsfamilie (Tracy 2007). Gemäß Klein (1992) wird der allgemeine Erwerb einer Zweitsprache hingegen durch den Antrieb, das individuelle Sprachvermögen und den Zugang zur Sprache beeinflusst. Wobei der Zugang zur Sprache durch Merkmale wie Regelmäßigkeit, Intensität und Qualität des Kontakts mit der Zweitsprache, der gesprochenen Familiensprache, der Erstsprache und deren Parallelen zur deutschen Sprache gekennzeichnet wird (Gasteiger-Klipcera et al. 2010).

Erwirbt ein Kind nach dem zweiten Lebensjahr eine weitere Sprache, so wird dies unter sukzessivem Erwerb zusammengefasst. Die meisten Kinder haben dann bereits die Grundzüge ihrer Erstsprache erworben. Der Wortschatzerwerb erfolgt bei diesen Kindern anders als im Erstspracherwerb (Chilla et al. 2010).

Bei zweisprachigen Kindern zeigt sich üblicherweise auch bei frühem Kontakt mit der Zweitsprache ein geringerer Wortschatzumfang in jeder der Sprachen als bei einsprachigen Kindern. Dies, so wird vermutet, hat damit zu tun, dass der Wortschatzerwerb vom konkreten Input abhängt, den ein Kind erhält. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass die Unterschiede im Wortschatzumfang auch bei einsprachigen Kindern enorm sind (Gogolin 2010).

3.2
Sprachförderung

Der Erwerb der Sprache wird zu einer der wichtigsten Entwicklungsaufgaben im frühen Kindesalter gezählt. Das Kind wächst in die menschliche Kultur hinein und bildet gleichzeitig eine persönliche und gesellschaftliche Identität aus. Dies gelingt ihm mit der zunehmenden Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten, zu verstehen und zu produzieren, immer besser und es kann eigene Bedürfnisse, Gedanken und Ziele ausdrücken und mit anderen interagieren (Grimm & Weinert 2002).

Eine positive Beeinflussung der kindlichen Sprachentwicklung ermöglicht dem Kind, sein angelegtes Sprachvermögen optimal zu entfalten. Allgemein kann zwischen integrierter (ganzheitlicher) Sprachförderung und allgemeiner Sprachförderung unterschieden werden (Fried 2009). Bei der in den (Kita-)Alltag integrierten Sprachförderung sind nicht nur die direkten Einzelkontakte zwischen Kind und Bezugsperson bedeutsam, sondern die gesamte sprachliche sowie materielle Lernumgebung. Becker (2010) konnte beispielsweise aufzeigen, dass eine gute Kitaausstattung – als Merkmal für eine anregungsreiche Umgebung und einen vielfältigen Sprachinput – zu einem signifikant größeren Wortschatzumfang führt. Das anspruchsvolle Material regt die kognitive Entwicklung an, die ihrerseits Auswirkungen auf den Wortschatzerwerb hat. Zudem werden reichhaltige Interaktions- und Sprachanlässe und eine differenziertere Begriffsbildung initiiert. Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass insbesondere der Interaktionsform des ‹sustained shared thinking› eine zentrale Bedeutung bei der Förderung der Sprachentwicklung zugesprochen werden kann (Sylva et al. 2004; Rogoff et al. 2003; Siraj-Blatchford et al. 2002). Pädagogisch gestaltete Interaktionen, die dem Prinzip des ‹sustained shared thinking› folgen, sind dialogisch ausgerichtet, wobei sich alle Beteiligten am Gedankenaustausch beteiligen und diesen auch weiterführen (Drieschner 2009; König 2007).

4
Die Untersuchung «Spielumwelten für Kinder unter zwei Jahren»

Die Erkenntnisse aus der Interessenforschung deuten darauf hin, dass situatives und überdauerndes Interesse durch Interaktionen mit der sozialen und materiellen Umwelt ausgelöst und aufgebaut wird. Wenn die Interaktionspartner dabei intensiv kommunizieren, ergibt sich zusätzlich eine Sprachumgebung, welche die Möglichkeit bietet, einen differenzierten Wortschatz aufzubauen.

Für die Studie «Spielumwelten für Kinder unter zwei Jahren» interessierte insbesondere, ob bereits in der frühesten Kindheit Unterschiede im Interesse sowie in der Sprachkompetenz zwischen Kindern aus privilegierten und aus nicht privilegierten Familien bestehen. Und weiter, inwiefern allfällige Unterschiede durch Lernumgebungen, welche die weiter oben erwähnten Bedingungen erfüllen, minimiert werden können.

Die Stichprobe umfasste 35 Kleinkinder, die zu Beginn des Pro­jekts zwischen 18 und 26 Monate alt waren (Durchschnittsalter lag bei knapp 22 Monaten). Die Geschlechterverteilung war mit 16 Mädchen und 19 Jungen beinahe ausgeglichen. Der sozioökonomische Status2 der Eltern variierte und wurde mittels Median-Split als ‹nicht privilegiert› (n = 17) und ‹privilegiert› (n = 16) definiert.3 Nach der Definition des eidgenössischen Bundesamts für Statistik (2013) besaßen 9 Kinder (25,7 Prozent) der Stichprobe einen Migra­tionshintergrund.


Abbildung 3: Projektablauf

Die Datenerhebung hat sich über fünf Monate erstreckt. Zu Beginn des Projekts wurde bei allen Kindern eine Sprachstanderhebung mit einem ergänzenden spezifischen Wortschatzteil zu den Erfahrungsfeldern ‹Technik› und ‹Bildnerisches Gestalten› durchgeführt.

Während der anschließenden zwei Interventionsphasen (Spielphasen) führten Interventionsleiterinnen4 in jeder Kita einmal wöchentlich in drei aufeinanderfolgenden Wochen Interventionen durch. Zudem wurden die Erzieherinnen gebeten, weitere Varianten der jeweiligen Intervention durchzuführen und die allfällige Teilnahme der Kinder auf einem Wochenplan festzuhalten sowie das Bespielen des Materials zu fotografieren oder zu filmen. Um die Wirkung der Interventionen zu erfassen, wurden die Kitas in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt Interventionen in Form von Spielumwelten im Erfahrungsfeld ‹Technik›, die andere im Erfahrungsfeld ‹Bildnerisches Gestalten›.

Nach Abschluss der Interventionsphasen erfolgte bei jedem Kind erneut eine Sprachstanderhebung, zudem wurde das aufgebaute individuelle Interesse überprüft. Die Datenauswertung basierte auf den Testdaten und dem Filmmaterial.5

5
Interessen entstehen durch Erfahrungen

Zur Beantwortung der Frage, wie situatives Interesse geweckt wird und welche Impulse aus der sozialen und materiellen Umgebung von den Kindern aufgenommen werden, wurden die ersten fünf Minuten jeder Intervention ausgewertet. Während dieser Zeit stand den Kindern eine Kiste mit Material für die Intervention zur Verfügung, wobei keine Animation durch die Interventionsleiterin erfolgte.


Abbildung 4: Kiste mit Material für die Intervention

Die Kinder haben unterschiedlich auf die Kiste und deren Inhalt reagiert. Insgesamt lässt sich festhalten, dass alle Kinder zu Beginn der ersten Interventionsphase zurückhaltend waren. Erst ab der zweiten beziehungsweise dritten Intervention gab es Kinder, die sofort zur Materialkiste hingingen und sich mit deren Inhalt beschäftigten. Einzelne Kinder haben über alle Interventionen hinweg die Materialkisten ignoriert.

Wo die Kinder situatives Interesse zeigten, können vier Muster beschrieben werden. Bei zwei Mustern spielt der soziale Kontakt mit anderen Kindern und/oder Erwachsenen eine bedeutende Rolle, damit ein Kind Interesse am Material zeigte und es erkundete oder bespielte. Bei den zwei anderen Mustern spielte das Material eine zentrale Rolle. Insbesondere die Materialkenntnis scheint ein gewichtiger Auslöser für situatives Interesse zu sein: Ein Kind, das bereits Handlungsideen/-möglichkeiten mit einem bestimmten Material aufgebaut hat, kann diese auch einsetzen und an neue Situationen anpassen.

Daraus lassen sich mindestens zwei Schlüsse ziehen: Wenn Kinder bereits über Interesse sowie Wissen in einem bestimmten Themenbereich verfügen, erkennen sie das Material auch in einer wenig attraktiv gestalteten Situation und lassen sich möglicherweise auf die Tätigkeit ein. Meist benötigen Kinder im Alter unter zwei Jahren aber eine ‹soziale Brücke›. Sie suchen sich Peers oder eine Bezugsperson, welche mit ihnen die neue Situation erkunden. Eine große Gruppe von Kindern braucht eine Form von sozialer Unterstützung: Dies kann eine bereits spielende Person sein, bei welcher die Kinder mitmachen können, oder ein direktes Angebot zum gemeinsamen Spiel.

Ob stabile individuelle Interessen durch inspirierende Spielumgebungen aufgebaut werden, ist aus pädagogischer Sicht eine zentrale Frage. Das aufgebaute individuelle Interesse wurde nach den Interventionen in den Spielumwelten überprüft, indem die Kinder aus einer Kiste zwischen ihnen bekanntem (aus der erlebten Intervention) und ihnen unbekanntem Material wählen und damit spielen konnten (maximale Spielzeit: 5 Minuten).

 

Abbildung 5: Das Kind spielt mit bekanntem Material aus der erlebten Intervention.

Einige Kinder spielten während der fünf Minuten des Post-Tests sowohl mit Material aus dem Bereich ‹Bildnerisches Gestalten› als auch mit dem ‹Technik›-Material. Andere Kinder spielten während der gesamten oder einem sehr großen Teil der Zeit nur mit Material aus einem der beiden Bereiche. Zudem gab es Kinder, welche das Material aus der Kiste räumten, ohne wirklich damit zu spielen. Die meisten dieser Kinder begannen etwas verzögert mit dem Spielen. Vereinzelt spielten Kinder auch mit der Kiste an sich und nicht mit deren Inhalt.


Abbildung 6: Übersicht über das aufgebaute individuelle Interesse

Die Entwicklung des situativen Interesses verläuft gemäß Hidi und Renninger (2006) über drei weitere Phasen, bis schließlich von überdauerndem oder aufgebautem individuellem Interesse gesprochen werden kann. Die Interessenentwicklung hängt dabei von den vorhandenen Möglichkeiten und von der sozialen Unterstützung ab. Sehr Ähnliches zeigte sich auch bei den untersuchten Kindern: Sie spielten während der Testzeit öfter mit Material aus dem ihnen bekannten Erfahrungsfeld. Ein Teil der Kinder kombinierte das bekannte Material mit Material aus dem andern Erfahrungsfeld. Tendenziell scheint also das in den Interventionen regelmäßig geweckte situative Interesse für ein bestimmtes Erfahrungsfeld zum Aufbau von überdauernden Interessen beigetragen zu haben, sodass sich der größere Teil der Kinder für bekanntes Material entschied. Jedoch ändern sich das Wissen und die Handlungsmöglichkeiten über einen Gegenstandsbereich bei Kindern in diesem Alter immerfort. Dies führt fast zwangsläufig dazu, dass Kinder ihr Interessengebiet ausweiten oder abwandeln. Dies könnte ein Erklärungsansatz dafür sein, weshalb sich gewisse Kinder mit Material aus beiden Bereichen beschäftigt haben und dieses im Gebrauch kombinierten.

6
Sprachfortschritte durch anregende Spielumwelten

Die folgende Abbildung bietet einen Überblick über die Familiensprachen der Stichprobenkinder in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status (N = 336). Sie gibt einen Überblick, ob das Kind in einer deutsch-,7 mehr- oder fremdsprachigen familiären Umgebung aufwächst. Unter mehrsprachig wird dabei verstanden, dass ein Elternteil zu Hause mit dem Kind Deutsch spricht und der andere Elternteil eine zweite Sprache. Als fremdsprachig wird in der Studie «Spielumwelten für Kinder unter zwei Jahren» ein Kind bezeichnet, dessen Eltern zu Hause eine andere Sprache als Deutsch bzw. Schweizerdeutsch sprechen.


Abbildung 7: Sprachen in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Hintergrund

Von den Kindern aus einem sozioökonomisch nicht privilegierten Elternhaus wächst die Mehrheit mehr- oder fremdsprachig auf (7 bzw. 5 Kinder). Anders sieht es bei den Kinder mit einem sozioökonomisch privilegierten Familienhintergrund aus: Die Mehrheit dieser Kinder wächst deutschsprachig auf. Fünf Kinder wachsen in einem mehrsprachigen Haushalt auf und kein Kind ist fremdsprachig. Von zwei Kindern fehlen die Angaben zu den Familiensprachen.

Ein Ziel des Projekts war es, aufzuzeigen, ob die Kinder in den beiden Erfahrungsfeldern sprachliche Fortschritte machen und ob sich Unterschiede zwischen den Kindern mit verschiedenem sozioökonomischem Hintergrund zeigen. Dahinter verbirgt sich die Frage, wie eine anregende Spielumwelt gestaltet werden soll, damit sie allenfalls auch Chancengerechtigkeit erhöhen kann.

Um Entwicklungsfortschritte im Sprachstand aufzeigen zu können, wurde dieser zu zwei Zeitpunkten erhoben, kurz vor der Interventionsphase und danach. Dafür wurde der SETK-2 (Grimm, Aktas & Frevert 2000) durch einen Untertest mit spezifischem Wortschatz aus den beiden Erfahrungsfeldern ‹Technik› (TECH) und ‹Bildnerisches Gestalten› (BG) erweitert.

Ausgewertet wurde der rezeptive Wortschatz (Verstehen von Wörtern) sowie der produktive Wortschatz (Produktion von Wörtern) der Kinder.


Tabelle 1: Mittelwerte der einzelnen Untertests zu Prä- und Post-Test

* Der Zuwachs von Prä- zum Post-Test im Untertest ‹Produktion von Wörtern› ist signifikant (p = .000)

Es konnte festgestellt werden, dass die Kinder der Stichprobe insgesamt in beiden Untertests einen Fortschritt erzielten. Die Kinder aus sozioökonomisch privilegierten Familien zeigten in den beiden Untertests einen größeren Zuwachs als diejenigen aus nicht privilegierten Elternhäusern. Einen besonders geringen Fortschritt verzeichneten diejenigen Kinder aus weniger privilegierten Familien, welche zu Hause kein Deutsch sprechen.


Tabelle 2: Mittelwerte der Untertests zum bereichsspezifischen Wortschatz zu Prä-und Post-Test

* Der Zuwachs von Prä- zum Post-Test ist signifikant (für ‹Wortschatz TECH› p = .011; für ‹Wortschatz BG› p = <.001)

Insgesamt haben die Kinder im bereichsspezifischen Wortschatz einen Fortschritt erzielt. Und auch hier zeigte sich, dass die Kinder, die aus sozioökonomisch privilegierten Familien stammen, in den beiden Untertests zum bereichsspezifischen Wortschatz jeweils besser abgeschnitten haben als die Kinder aus nicht privilegiertem Elternhaus.

Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Kinder der Stichprobe im Wortschatzerwerb einen messbaren Fortschritt erzielt haben. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da Kinder in diesem Alter täglich mehrere Wörter in ihren rezeptiven oder produktiven Wortschatz aufnehmen. Dass die Kinder auch im bereichsspezifischen Wortschatz einen Fortschritt erzielten, ist insofern erfreulich, als es aufzeigt, dass die Kinder nach den Interventionen in den beiden Erfahrungsfeldern mit einem signifikant höheren Wortschatz abschnitten. Der getestete Wortschatz – vor allem im Bereich ‹Technik› – ist so spezifisch (z.B. Zahnrad, Schraube), dass der Erwerb weitestgehend auf die Interventionen zurückgeführt werden kann. Dieses Ergebnis ist in Anbetracht der Interventionsdauer und -intensität beachtenswert. Daraus lässt sich, auch in Übereinstimmung mit der zitierten Literatur, schließen, dass der Inhalt und die Art der Kommunikation eine wichtige Rolle spielen.

Aufgrund der theoretischen und empirischen Grundlagen kann vermutet werden, dass die Kinder erfahrungsbasierte Fortschritte in den angebotenen Erfahrungsfeldern machen, die über das hinausgehen, was Kinder ohne diese Erfahrungen erleben und erlernen würden. Es ist anzunehmen, dass sich parallel mit dem Aufbau erfahrungsbasierter Fortschritte auch der damit verknüpfte Wortschatz erweitert. Unter Einbezug weiterer Auswertungen (z.B. zur Zusammensetzung der verschiedenen Kitagruppen, den Häufigkeiten der angebotenen Varianten) kristallisieren sich zusätzlich folgende Punkte heraus: In Kitas mit vielen privilegierten Familien werden deutlich mehr Aktivitäten in den Erfahrungsfeldern dokumentiert und der sprachliche Lernfortschritt im spezifischen Wortschatz fällt entsprechend höher aus als in den anderen Kitas. Das heißt, Kinder, die ein intensives ‹Sprachbad› erhalten – auch wenn jedes Kind unterschiedlich mit Angeboten umgeht – schaffen einen größeren sprachlichen Lernzuwachs. Auf dieser Basis sollen abschließend praxiserprobte und als positiv erlebte Spielideen vorgestellt werden, die, wie die Ergebnisse zeigen, sich mit (ebenfalls vorgestellten) Merksätzen zur Sprachförderung sinnvoll für die Sprachentwicklung der Kinder verbinden lassen.

7
Spielideen im Erfahrungsfeld ‹Technik›

Die vorgelegten Ergebnisse weisen darauf hin, dass Lernchancen für Kleinkinder stark mit der sozialen und materiellen Anregung des Umfeldes verknüpft sind. Soziale Interaktionen wecken beim jungen Kind situatives Interesse; spannende Erfahrungsmöglichkeiten mit sprachlicher Begleitung unterstützen den spezifischen Sprachaufbau und erweitern Handlungsmöglichkeiten.

Die Erzieherin spielt dabei mit den Kindern als gleichberechtigte Spielpartnerin. Sie beobachtet das Kind in seiner Aktivität, nimmt, wo das Kind dies einfordert und zulässt, Ideen und Versuche auf, um sie gemeinsam zu entwickeln. Es ist dabei wichtig, dass alle Kinder Beachtung finden (siehe auch den Beitrag von Walter-Laager, Pfiffner, Bruns & Schwarz in dieser Publikation).

Im Folgenden werden fünf Spielideen aus der Studie mit passenden Schlüsselwörtern dargestellt. Die Schlüsselwörter bilden während des Spiels eine wichtige Sprachgrundlage für die Erzieherinnen wie auch für die Kinder. Beim Ausprobieren, Spielen und Weiterentwickeln bieten sich sehr viele und vielfältige Sprachanlässe. Eine wichtige Aufgabe für die Erzieherin während des Spielens besteht darin, den im Vorfeld bestimmten Wortschatz (ausgewählte Schlüsselwörter) kontinuierlich zu verwenden. Mögliche Ergänzungen der Spielideen sowie Verbindungen zu anderen Spielfeldern sind sinnvoll und in vielerlei Hinsicht denkbar.

7.1
Spielsequenz «Achtung, fertig, los!»

Bewegungsarten von Gegenständen zu kennen, gehört zum Weltwissen im Erfahrungsfeld ‹Technik›. Schon sehr kleine Kinder können dazu durch Experimente Kenntnisse erlangen. Elemente wie eine schiefe Ebene und Gegenstände unterschiedlicher Form sind dabei hilfreich.

7.1.1
Schiefe Ebene

Zunächst werden von der Erzieherin verschiedene schiefe Ebenen gebaut, indem Holz- oder feste Kartonplatten in unterschiedlichen Breiten einseitig auf Holzkeile, Holzklötze oder Ähnliches gelegt werden. Die Kinder experimentieren mit verschiedenen Gegenständen wie z.B. Hüpftieren, Rückzugmäusen und -autos und finden heraus, wie diese – mit und ohne Rampe – watscheln, fahren, hüpfen (hinauf und hinunter), und erproben eigene Ideen für schiefe Ebenen.


Abbildung 8: Schiefe Ebene

Die Kinder können in einem weiteren Schritt verschiedene Kugeln und Blechdosen auf unterschiedlich steilen Ebenen rollen lassen. Das Ergebnis wird für die Kinder bei ausdauerndem Probieren offensichtlich: Je schiefer die Ebene, desto weiter rollen die Kugeln. Nur wenn die Ebenen klein sind und direkt nebeneinander liegen, können die Kinder Vergleiche vornehmen. Einfacher geht das, wenn man am Boden mit Malerabdeckband die Stelle markiert, bis wohin die erste Kugel gerollt ist. Die Kinder können auf diese Weise gemeinsam experimentieren und Vermutungen aufstellen, um diese durch Versuch und Irrtum weiterzuentwickeln. Oftmals kennt die Erzieherin bei solchen Experimenten der Kinder bereits die zu erwartenden Ergebnisse und umso schwieriger gestaltet es sich, nicht in eine aufgrund von Wissen belehrende Rolle zu verfallen. Andernfalls würden den Kindern viele Erfahrungsmöglichkeiten genommen und der eventuelle Aufbau von Interesse könnte gehemmt werden.

Schlüsselwörter (Beispiele): Auto, Kugel, Maus, «Achtung, fertig, los!», fahren, rollen, hüpfen

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