Rohstoff-Trading mit System

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3.5Verschiedene Trading-Ansätze

Jeder Händler, egal ob diskretionär oder systematisch, legt seinen Handelsentscheidungen (hoffentlich) bestimmte Trading-Ansätze zugrunde. Die einen machen es bewusst, die anderen unbewusst. Das Wichtige ist, einen Trading-Ansatz zu haben. Ohne Plan regiert das Chaos. Und mit dem Chaos kommen oft die Panik und der Verlust im Portfolio. Wir stellen in diesem Kapitel Trading-Ansätze vor, die wir selbst ausprobiert haben – mehr oder weniger erfolgreich. Manche Ansätze haben wir komplett verworfen, aus anderen haben wir Teile beibehalten. Die Ansätze geben generell einen guten Hinweis darauf, wann man in einen Markt einsteigen soll. Die Schwierigkeiten, die sich in weiterer Folge ergeben, sind das Verwalten der Position und der geeignete Ausstieg. Oder anders gesagt: Timing ist an der Börse alles.

3.6„Gut Feeling“ – Handel aus dem Bauch heraus

Dies ist ein sehr beliebter Ansatz, da er extrem einfach umzusetzen ist. Der Händler vertraut bei Kauf- und Verkaufsentscheidungen seinem Bauchgefühl. Oft wirken Futures oder Aktien in den Charts optisch billig, wenn sie stark gefallen sind, oder aber nach einem rasanten Kursanstieg teuer. Dieser Ansatz erfordert extreme Disziplin, und es gibt sicherlich den einen oder anderen Trader, der ihn erfolgreich umsetzen kann. Gefahren lauern hier vor allem durch das schnelle Mitnehmen von Gewinnen und das Laufenlassen von Verlusten. Auch wird gern „nachgemischt“, was bedeutet, dass Long-Positionen zu noch niedrigeren Kursen oder Short-Positionen zu noch höheren Kursen vergrößert werden. Menschen neigen leider auch dazu, sich an die guten Trades zu erinnern und die schlechten zu vergessen. Ein klassisches Stammtischgespräch sind die Erfolge beim Handeln aus dem Bauch heraus. Bei entsprechender Bonität werden die „schnellen Schnäppchen“ dann zu strategischen Positionen für Kinder oder Enkel. Von diesem Ansatz haben wir uns vor langer Zeit verabschiedet.

3.7Fundamental – billig oder teuer?

Bei diesem Ansatz treffen logische und wirtschaftlich nachvollziehbare Bewertungskriterien auf die Logik des Marktes. Schon in dem Film „Wall Street“ hat Bud Fox nächtelang Unternehmen analysiert, nur um dann frustriert festzustellen, dass die Kurse anders gemacht werden. Beispiele gibt es ohne Ende: Volkswagen 2008, Bund-Future 2019, Crude Oil Future 2020 et cetera. Man liest die Analysen hoch bezahlter Analysten gern, um eine Begründung für Kauf oder Verkauf zu finden. Hedgefonds und große Anlagegesellschaften geben ein Vermögen für Research-Abteilungen aus. Meist sind diese nur für Kunden oder werden intern genutzt. Wir können Sie beruhigen: Wir haben mehr als 20 Jahre mit Analysten zusammengearbeitet, Sie verpassen nichts, wenn Sie nicht dabei sind.

3.8Breakouts – Ausbrüche

Now we’re talking. Dies ist der erste Trading-Ansatz, der konstant und statistisch nachweislich – siehe Kapitel 6.2 „Der erste Algorithmus: Breakout-System Global One“ – positive Renditen einbringt. Aber ohne Konzept funktioniert er nicht. Was passiert beim Breakout? Hier wird ein Ausbruch aus einem vorher definierten Kursbereich gehandelt. Gern definieren Trader markante Punkte im Markt, das können zum Beispiel Höchstkurse oder Tiefstkurse in einem bestimmten Zeitraum sein. Wird der Punkt überschritten, kauft der Händler, bei Unterschreiten der Marke wird verkauft. Oft kommt es bei solchen Kursbewegungen zu einer Erhöhung des Volumens. Das liegt daran, dass solche Punkte von vielen Marktteilnehmern beobachtet werden. Man spricht hier auch gern von der „self-fulfilling prophecy“ oder anders formuliert, der Handelsansatz wird in einem bestimmten Markt von so vielen Marktteilnehmern umgesetzt, dass die Bewegung in die „richtige“ Richtung zunächst stattfindet. Nimmt die Dynamik der Bewegung ab und es kommt wieder zu einer Kursreaktion in die „falsche“ Richtung, spricht man von einem Fehlausbruch. Wir haben unseren ersten Algorithmus mit Breakouts „gebaut“, für die erfolgreiche Umsetzung war aber auch das Risikomanagement entscheidend.

3.9Mean Reversion – zurück zur Mitte

Dies ist ein sehr interessantes Konzept, vor allem ist es logisch nachvollziehbar. Hier handelt der Trader, wenn sich der Kurs des Instruments zu weit von seinem Durchschnittspreis innerhalb einer bestimmten Zeitperiode entfernt. Geht der Kurs zu weit nach oben, wird verkauft, geht der Kurs zu weit nach unten, wird gekauft. Verglichen wird dabei der aktuelle Kurs des gehandelten Instruments mit der Größe der vergangenen durchschnittlichen Kursbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Die Idee ist, billig zu kaufen oder teuer zu verkaufen – in der Annahme, dass die extreme Preisveränderung sich wieder „normalisiert“ und zum Durchschnittspreis über einen bestimmten Zeitraum zurückkehrt. Diese Rückkehr zur „Normalität“ ist jedoch keinesfalls garantiert. Oft bleibt es über einen längeren Zeitraum bei größeren Preisbewegungen, und der Durchschnitt steigt somit auch. Uns ist es leider noch nicht gelungen, diesen Trading-Ansatz erfolgreich für uns umzusetzen.

3.10Trendfolge – es gibt kein Limit

Große Gewinne, geringe Erfolgswahrscheinlichkeit: Das ist Trend-Trading. Oft folgen Preisentwicklungen einem Trend. Es geht (langsam) über mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate nach oben oder nach unten. Händler machen sich diese Trendbewegungen zunutze, indem sie versuchen, den Anfang eines Trends zu erwischen und diesen so lange wie möglich „mitzunehmen“. Oft sind die Einstiegskriterien auch bestimmte Punkte in einem bereits laufenden Trend, zum Beispiel 52-Wochen-Hochs. Man folgt der Börsenweisheit „The trend is your friend“. Das klingt einfach, kann aber emotional sehr herausfordernd sein, weil langfristige Bewegungen auch immer von kurzen Korrekturen oder Erholungen gekennzeichnet sein können und Händler in diesen Phasen Positionen gern zu früh schließen. Das bekannteste Beispiel für erfolgreiche Trend-Trader ist die Gruppe der sogenannten „Turtle Trader“ in den 1980er-Jahren, die ein Trend-Trading-System mit klaren Regeln einsetzten und in den folgenden vier Jahren nach ihrer Gründung 80 Prozent und mehr Gewinn pro Jahr erzielen konnten. Trend-Trading hat heutzutage eine relativ geringe Gewinnwahrscheinlichkeit, und der Händler benötigt dafür einen langen Atem. Wir konnten Elemente des Trend-Tradings in unsere Handelsphilosophie einbauen, mehr dazu bei der Besprechung des ALGO-GT.

3.11Retracements und Extensions – Engineering

Man neigt dazu, die Dinge komplizierter zu machen, um stärkere Argumente für bestimmte Entscheidungen zu haben – so zumindest unsere Erfahrung mit Retracements und Extensions. Auf der Suche nach den optimalen Einstiegen und Vorhersagen wurden Trader in der Vergangenheit immer kreativer. Ein Ergebnis dieser Kreativität war ein Handelsansatz, bei dem der prozentuale Anteil einer Preisbewegung in Relation zur vorangegangenen entgegengesetzten Preisbewegung gemessen wird. Oft werden zur Ermittlung der Unterstützungs- und Widerstandsniveaus Zahlen aus der Fibonacci-Zahlenreihe verwendet. Das funktioniert für viele Trader bestimmt wunderbar, für uns allerdings nicht. Deswegen werden wir darauf auch nicht näher eingehen.

3.12Extrembeispiel für Handel ohne konkreten Trading-Ansatz: 2 Tage im September 2007

DER AKTIONÄR: Herr Stork, gab es bei Ihren Handelsaktivitäten in der Bank immer einen Handelsansatz, der strikt eigehalten wurde?

Stork: Im Team der sogenannten Block-Trader – das waren jene Händler, die für große institutionelle Kunden auf Anfrage verbindliche Geld- und Briefkurse stellen mussten – gab es klare Maßregeln, wer wie zu behandeln war. Die Kunden waren in Gruppen eingeteilt, je höher das „Ranking“ eines Kunden, desto besser waren die Preise, die er bekam. Diese Liste wurde circa zweimal im Jahr überprüft und angepasst. Wir errechneten im Trading sogenannte „Loss Ratios“, es wurde also gemessen, wie viel von der Kommission, die der Kunde der Bank bezahlt hatte, im Trading durch das Verarbeiten der Short- oder Long-Positionen wieder verloren wurde. Das war natürlich ein permanenter Streitpunkt. Oft verkauften Kunden Blöcke gleicher Größe an verschiedene Banken, und so kamen natürlich starke Kursbewegungen in den Märkten zustande. Der Ansatz war, möglichst viel Kommission zu „erhalten“ und möglichst wenig Geld im Block-Trading zu verlieren. Um diese vorhersehbaren Trading-Verluste aufzufangen, bauten wir eine „Backbook“-Trader-Gruppe auf, die damals noch völlig legal bestimmte Positionen, die wir von Kunden erhalten hatten, auf sogenannte Eigenhandelsbücher nahmen. Mit diesen Positionen wurde dann auf fallende oder steigende Kurse spekuliert und Geld verdient. In einem guten Jahr war es so, dass die Backbook-Trader mehr Trading-Gewinne auf den Büchern hatten als die Block-Trader Verluste, und wir so in der Lage waren, zusätzlich 100 Prozent der Kommission einzufahren.

 

DER AKTIONÄR: Das klingt ja eigentlich gut durchdacht, hat das immer so funktioniert?

Stork: Nein, natürlich gab es Ausnahmesituationen. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie hektisch es auf einem Trading Floor zuging, und Entscheidungen mussten oft in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Ich erinnere mich an eine der schlimmsten Wochen in der Trading-Abteilung im September 2007. Im Zuge der sich anbahnenden Finanzkrise hoben Kunden der Bank Northern Rock in England massiv Geld ab. Bereits am Wochenende standen die Menschen in London in Schlangen vor den Geldautomaten, um ihr Geld „zu retten“. Das alles verhieß nichts Gutes, und so war es auch. Wir mussten am Montag bereits vor Börsenstart für einen Kunden, der einen größeren Block verkaufen wollte, einen Preis für Northern-Rock-Aktien geben. Nachdem die Aktie bereits am Freitag 30 Prozent eingebrochen war, konnten wir nur grob schätzen, wo sie starten würde. Wir nahmen damals einen signifikanten Abschlag für unseren Kaufkurs, die Aktie verlor aber an diesem Tag weitere circa 30 Prozent und wir mit dem Trade einen siebenstelligen Betrag. Damit aber nicht genug. Die Backbook-Trader waren aufgrund der Umstände extrem negativ für den Markt eingestellt und hatten massive Short-Positionen vor allem in den Finanzwerten auf den Büchern und setzten so auf fallende Kurse. Diese Positionierung war aufgrund des negativen Sentiments im Finanzsektor sicher gerechtfertigt. Allerdings machte Ben Bernanke, der damalige Chef der Notenbank Fed, den Händlern einen Strich durch die Rechnung: Er senkte am Dienstag, dem 18. September, die Zinsen in den USA um 50 Basispunkte, und die Märkte dankten es ihm mit steigenden Kursen. Die Aktienmärkte schlossen circa 1,5 Prozent im Plus. Ich bekam damals jeden Abend einen Anruf und wurde über das Gesamtergebnis der Abteilung informiert. Den Anruf an diesem Dienstag erhielt ich ausgerechnet bei einem Abendessen mit meinem damaligen Chef, und die Nachrichten waren nicht gut: Am Montag schon einen schlimmen Tag gehabt und am Dienstag dann noch einmal einen obendrauf gesetzt. Aber so ist Börse: Du kannst alle deine Risikolimite einhalten und trotzdem aufgrund eines Events, das so noch nie da gewesen ist, eiskalt erwischt werden. Diese Eventualität muss bei allen Maßnahmen immer irgendwo im Hinterkopf abgespeichert sein.

KAPITEL 4


VERSCHIEDENE MARKTTEILNEHMER AN DEN BÖRSEN
4.1Der Arbitrageur

Ziel des Arbitrageurs ist es, einen Kursgewinn zu erzielen, indem er die Kursunterschiede zwischen verschiedenen Märkten ausnutzt. Beispielsweise kauft der Arbitrageur an der Börse Frankfurt 1.000 Daimler-Aktien zu 25,20 Euro und verkauft diese zur gleichen Zeit an der Börse Stuttgart zu 25,25 Euro. Mit der zunehmenden Ausbreitung des Computerhandels sowie der Vernetzung der Börsenplätze werden die Möglichkeiten für Arbitrage in den heutigen Zeiten jedoch immer weniger.

In der heutigen schnelllebigen Börsenzeit ist der HFT-Trader (High-Frequency Trading) gemessen am täglichen Volumen der größte Akteur. Diese Form des Tradings ist sicherlich eine der profitabelsten und gleichzeitig umstrittensten Arten des Handels. Im Nanosekundenbereich kauft und verkauft der programmierte Algorithmus Futures, Aktien oder Optionsscheine an den elektronischen Börsen weltweit. Üblicherweise hat der HFT-Trader keine Positionen über Nacht offen und ist am Ende jedes Handelstags flat. Die Meinungen, ob der ultraschnelle Börsenhandel der Finanzwelt eher schadet oder nutzt, gehen weit auseinander. Die Kritiker warnen vor der Übernahme der Kontrolle über den Menschen durch die Maschine, die Befürworter argumentieren, dass der schnelle Handel die Märkte effizienter mache. Fakt ist, dass mittlerweile mehr als 60 Prozent der täglichen Umsätze auf den Hochfrequenzhandel entfallen.

4.2Der Marketmaker

Er sorgt für Liquidität an den Börsen und steht anderen Marktteilnehmern als Kontrahent zur Verfügung. Durch Kauf- und Verkaufskurse wird sichergestellt, dass der Markt reibungslos funktioniert. In liquiden Märkten werden keine Marketmaker benötigt, anders als bei Derivaten an verschiedenen Finanzmärkten, zum Beispiel DAX-Optionen an der Eurex. Der Marketmaker ist in Abhängigkeit von dem Produkt, das er quotiert, verpflichtet, für eine gewisse Mindestanzahl von Wertpapieren Kauf- und Verkaufskurse zu stellen. In volatilen Märkten sollten Marketmaker als Stabilisatoren agieren. Idealerweise ist der Marketmaker am Ende des Tages „glatt“ und hat keine offene Position, was in der Realität aber nur sehr selten der Fall ist.

Eine weitere Form des Marketmakings ist das sogenannte Designated Sponsoring. Hier geht die Bank mit einer eher kleinen Aktiengesellschaft einen Vertrag ein, gemäß dem die Aktie der Gesellschaft jederzeit quotiert und jederzeit sichergestellt wird, dass die Aktie möglichst eng gehandelt werden kann. Je liquider eine Aktie ist, desto attraktiver wird sie für Investmentfonds, deshalb haben gerade kleinere Firmen ein großes Interesse daran, dass ihre Aktie aktiv gehandelt wird. Die jährliche Gebühr, die der Bank für diesen Service bezahlt wird, ist aber bei einer falschen Positionierung des Händlers schnell verloren.

4.3Der Spekulant

Anders als der klassische Investor wettet der Spekulant auch auf fallende Kurse und geht sowohl Long- als auch Short-Positionen ein. Ein Leerverkäufer sorgt somit auch dafür, dass überbewertete Spekulationsobjekte nicht unendlich weiter steigen, und garantiert einen Marktausgleich. Der Spekulant erhöht somit zu niedrige Preise und senkt zu hohe Preise, was letztendlich Preisschwankungen nivelliert und überhitzte Märkte beruhigt.

4.4Langfristiger Investor: Fonds, Hedgefonds, Notenbanken, Privatpersonen

Der Investmentfonds oder Hedgefonds sammelt im Auftrag vieler Investoren und Kleinanleger Kapital ein und verwaltet das Fondsvermögen normalerweise langfristig. Das Fondsvermögen besteht vor allem aus Aktien oder Anleihen, wobei in den letzten Jahren auch immer mehr Spezialfonds mit exotischen Investitionsanlagen entstanden sind.

Eine Notenbank hat als oberste Zielsetzung die Sicherung der Stabilität und die Verfügbarkeit der jeweiligen Währung. Notenbanken sind auch im Goldmarkt sehr aktiv und haben seit der Finanzkrise 2008 ihre Goldbestände massiv erhöht. Dass Notenbanken auch aktiv das Geschehen an den weltweiten Aktienmärkten mitbestimmen, ist am Beispiel der Schweizer Notenbank (SNB) gut zu beobachten. Bei vielen Marktteilnehmern gilt die SNB mittlerweile als gigantischer Hedgefonds. Da die SNB an der Schweizer Börse auch als Aktie gelistet ist, ist in der Bilanz zu erkennen, dass von ihren 850 Milliarden Franken Bilanzsumme rund 20 Prozent vornehmlich in US-Aktien investiert sind.

Noch extremer ist die Situation in Japan, dort hat die Bank of Japan (BoJ) zum jetzigen Zeitpunkt rund 80 Prozent aller ausstehenden ETFs gekauft. Die Verstaatlichung der japanischen Aktienmärkte geht weiter, denn die Obergrenze des von der Zentralbank festgelegten Ankaufvolumens wurde vor Kurzem wieder erhöht.

4.5Kurzfristiger Investor: Day-Trading in verschiedenen Zeitintervallen

Day-Trading ist bei vielen Händlern die am weitesten verbreitete Art, zu handeln. Man kann das Day-Trading als Königsdisziplin betrachten, denn je kürzer die Zeitintervalle beim Handeln sind, desto schwieriger ist es, damit langfristig erfolgreich zu sein. Es winkt auf der einen Seite die Hoffnung auf das schnelle Geld, auf der anderen Seite steht oft der Totalverlust, den der unerfahrene Trader realisieren muss. Der Day-Trader hält keine Positionen über Nacht und nutzt zur Maximierung seiner Gewinne oft einen Hebel, indem er CFD oder Futures handelt. Mit einem Hebel von 10 liegt der Vorteil auf der Hand, steigt/fällt das Underlying um ein Prozent, verdient/verliert der Trader zehn Prozent. Oft wird der Beruf des Day-Traders mit schnellem Reichtum gleichgesetzt, was aber nur bei sehr wenigen Händlern auch wirklich zutrifft, denn mehr als 75 Prozent der Kleinanlegerkonten verlieren Geld mit dem Handel bei CFD-Brokern. Nicht zu unterschätzen ist auch das hohe Suchtpotenzial, einer Spielsucht nicht unähnlich.

4.6Extrembeispiel für Handel mit institutionellen Kunden: The good, the bad and the ugly

Wie im echten Leben gibt es auch in der Banken- und Fondswelt die „Guten“, die „Schlechten“ und die „Hässlichen“. Wir hatten in all unseren Jahren als Händler für institutionelle Kunden die Gelegenheit, sowohl mit fairen als auch mit hinterhältigen Kunden und Kollegen zu arbeiten und zu handeln. Dass Hedgefonds im Volksmund auch gern als „Heuschrecken“ bezeichnet werden, können wir zu 100 Prozent unterstützen. Getrieben durch die Gier nach Performance und immer mehr Geld war es einigen Hedgefonds-Managern vollkommen egal, was mit dem Kontrahenten (nämlich dem Händler der Bank) und der offenen Position nach dem eingegangenen Trade passiert. Im Extremfall ließ sich der Hedgefonds bei mehreren Brokern gleichzeitig einen Kurs für beispielsweise 250.000 SAP-Aktien stellen und kaufte diese dann bei drei Banken. Jetzt musste man als Händler versuchen, möglichst schnell und ohne große Verluste die offene Position von 250.000 Aktien irgendwo zu kaufen. Idealerweise hatte man einen zweiten Kunden, der genau zu diesem Zeitpunkt bereit war, sich von 250.000 Stücken SAP zu trennen. Das wäre der Idealfall und die perfekte Form des Marketmakings, zweimal Kommission verdient und kein Risiko auf dem Handelsbuch. Doch Theorie und Praxis sind leider nur in der Fantasie gleich. In der rauen Börsenwelt war man eine Viertelmillion Aktien short und konnte mitansehen, wie jemand anderes alle SAP-Aktien wegriss und der Verlust auf die offene Short-Position im Minutentakt immer größer wurde. Einige Hedgefonds waren für solche Transaktionen bekannt, also klingelten schon alle Alarmglocken, wenn Kunde XY nach einem Risikopreis fragte. Der Salesmann, der den Hedgefonds betreute, konnte sich die Kommission gutschreiben und wies natürlich jede Schuld von sich, denn so etwas würde sein Kunde ja nie machen. Der Analyst, der den Hedgefonds mit seinem Research versorgte, schrieb sich auch die Kommission gut, aber so etwas würde ja auch sein Kunde nie machen. Am Ende des Tages wurde die Short-Position mit einem Verlust von 20.000 Euro eingedeckt, der Salesmann und der Analyst schrieben sich aber 5.000 Euro Kommission gut – willkommen in der perversen Welt des Investmentbankings. Richtig übel wurde es teilweise mit großen Positionen für Topkunden in illiquiden Aktien, bei denen man plötzlich einen Wochenumsatz long oder short war. Hier kam es teilweise vor, dass aus den ursprünglichen Kundenpositionen auf einmal langfristige Eigenhandelspositionen der Bank wurden. Dass solche Positionen oft nur mit großen Verlusten aufgelöst werden konnten, versteht sich von selbst.