Perfect Imperfections

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Sein Lächeln kam sofort als Reaktion auf Regs tiefe, fröhliche Stimme. »Ich ändere meine Meinung nicht. Wenn du früher herkommen könntest, wäre das großartig.«

»Wie viel früher?«

Jeremy rieb sich über sein Gesicht und blickte wieder zum Haus. »Jetzt?« Er hustete. »Ich scherze. Ich wünschte nur, du könntest hier sein, um mit meiner Mutter zu reden, anstatt mit mir zu reden, oder wenigstens um das Leid zu teilen, damit wir uns gemeinsam erholen können.«

»So schlimm kann es nicht sein. Deine Mutter scheint sehr nett zu sein.«

»Wegen der Interviews?« Er schnaubte. »Meine Mutter ist eine sehr, sehr gute Schauspielerin. Jedes Mal, wenn du sie im Fernsehen gesehen hast, kannst du darauf zählen, dass sie eine Rolle gespielt hat, auch wenn es die Rolle von Paula Radcliffe war. Im wirklichen Leben hat sie einen Nervenzusammenbruch, wenn sie denkt, dass ihre Angestellten reduzierte Diät-Cola anstelle von Vollpreis-Diät-Cola gekauft haben, weil sie sicher ist, dass sie verschieden schmecken.«

»Mann, ihr Reichen seid seltsam.«

»Nicht ich, sondern sie«, sagte Jeremy abwehrend. »Ich bin vollkommen nor…«

»Alter, sie ist deine Mom. Zieh deine Big-Boy-Hose an, betreib Smalltalk und zieh dann ab. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten und dreh nicht durch.«

Jeremy verzog frustriert die Lippen über Regs mangelndes Mitgefühl und dennoch völlig vernünftige Einschätzung der Situation und tat den ersten Schritt. »Gut. Aber du musst mich in genau fünfzehn Minuten anrufen, damit ich so tun kann, als gebe es einen Notfall, damit ich fliehen kann.«

»Wann hast du das letzte Mal mit deiner Mom rumgehangen?«

»Rumgehangen?« Er schnaubte. »Leute hängen nicht mit Paula Radcliffe herum.«

»Hör auf, ein eingebildetes Miststück zu sein, und beantworte meine Frage.«

Niemand hatte jemals so mit Jeremy gesprochen. Reg behandelte ihn wie einen Kumpel, einen Gleichgestellten, einen normalen Kerl. Er liebte es. »Ich weiß es nicht.« Er zuckte mit den Schultern, obwohl Reg ihn nicht sehen konnte. »Vor ein paar Monaten wahrscheinlich. Woher soll ich das wissen?«

»Ihr lebt beide in L.A. und habt euch seit Monaten nicht gesehen?« Reg klang entsetzt. »Nicht cool.«

»Du verstehst das nicht.«

»Ich habe auch eine Mutter, Superstar, und ich sehe sie mindestens ein paarmal pro Woche. Kneif die Arschbacken zusammen und benimm dich wie ein anständiger Sohn.«

»Gut.« Mit zusammengepressten Lippen stapfte Jeremy die Treppe hinauf. »Aber du rufst mich in fünfzehn Minuten an, oder?«

»Du hast deine Mutter seit Monaten nicht gesehen. Du hast Glück, wenn ich in einer Stunde anrufe. Hör auf, zu meckern, und mach hinne.«

»Aber …«

»Bis später.« Er legte auf.

Jeremy knurrte. »Verdammt.« Obwohl er sich umdrehen wollte, hatte sein Manager recht: Er musste mit seiner Mutter reden und die Schadensbegrenzung hinter der Kamera betreiben, damit sie ihr charmantes Selbst vor der Kamera präsentieren konnte, statt die besoffene, liebende Mutter. Außerdem würde Reg es ihm übel nehmen, wenn er sich vor dem Besuch drückte. »Auf geht’s«, murmelte er und joggte den Rest des Wegs über die roten Steine bis zur Haustür.

Nachdem er geklingelt hatte, wartete Jeremy, während das Glockenspiel ertönte, und hörte dann das gewohnte Klacken von Schuhen auf Saltillo-Fliesen, bevor die schwere Holztür aufschwang.

»Jeremy, hi. Paula sagte, du würdest vielleicht auf einen Besuch vorbeikommen.«

Jeremy starrte auf den gut gepflegten und etwas vertrauten Mann, der in der Tür seiner Mutter stand, und versuchte, ihn einzuordnen.

»Ich bin Harold West.« Er streckte eine Hand aus.

Jeremy schüttelte ihm die Hand. Der Name war ihm vage bekannt, genau wie sein Gesicht. »Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge, woher wir uns kennen«, bat Jeremy, als er ins Haus trat und Harold beiseiteschob, als er die Schwelle überschritt.

»Oh.« Harold klang überrascht. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir einander jemals offiziell vorgestellt wurden, aber Sie kennen mich wahrscheinlich von meiner Arbeit.«

Als er über die Schulter blickte und Harold noch an der Tür stehen sah, verengte Jeremy die Augen, runzelte die Stirn und sagte dann: »Nein. Keine Ahnung. Welche Arbeit?«

»Jeremy!« Seine Mutter kam in den Raum wie eine bunte Welle aus Stoff, Make-up und Parfüm. »Natürlich erinnerst du dich an Harold. Ein Film, an dem er arbeitete, wurde vor zwei Jahren beim Sundance Film Festival gezeigt.« Sie breitete die Arme aus und wartete darauf, dass Jeremy näher kam, aber nicht so nahe, dass er ihre Seidenbluse und ihren Pashmina zerknitterte. Sobald er an sie herangetreten war, lehnte sie sich nach vorn und gab ihm nur einen Beinahekuss, denn ein echter hätte ihr Make-up ohne Zweifel verschmiert. »Und er hat diese wunderbare Miniserie gedreht, die sie im Kabelfernsehen gezeigt haben.«

»Oh.« Das war alles an Aufregung, die er wegen des Fremden im Haus seiner Mutter aufbringen konnte. »Wie geht’s dir?«

»Großartig«, sagte sie, dehnte das Wort und warf auf eine Weise lächelnd ihr Haar zurück, die eine Kamera lieben würde, aber gegenüber realen Menschen aufgesetzt und peinlich aussah.

»Paula wird mit mir an einem neuen Film arbeiten«, sagte Harold. »Er wird mit einem großen Studio gedreht. Großes Budget.«

Er warf dem Mann einen weiteren Blick zu. Dieses Mal konzentrierte sich Jeremy ein wenig länger auf ihn. Er war älter, aber nicht viel; wahrscheinlich nahe an der Vierzig. Und er sah auf eine Art gut aus, mit der er nicht aus einer Menge herausstach und mit der man ihm nicht nachschaute, aber wenn er auftauchte und einen zum Essen einlud, dann konnte man schon mitgehen. Man musste ja essen, oder? Nun, da er ihm nähere Aufmerksamkeit schenkte, erkannte Jeremy, warum Harold vertraut aussah: Es waren seine Augen. Sie hatten einen Ausdruck von Hoffnung, vermischt mit Verzweiflung und Entschlossenheit, etwas, das Jeremy in vielen der Starlets gesehen hatte, wenn sie ihm vorgestellt worden waren. Zehn Dollar darauf, dass das der neue Typ war, der das Bett seiner Mutter wärmte, jetzt, wo sein jüngster Stiefvater weg war.

»Stimmt das?«, fragte Jeremy und widmete seine Aufmerksamkeit wieder seiner Mutter. »Harold wird deinen nächsten Film drehen?« Auf keinen Fall würde seine Mutter bei einem Projekt mitmachen, das von einem Unbekannten geleitet wurde. Die Menschen mussten eine ganze Reihe von erfolgreichen Filmen und respektablen Auszeichnungen vorweisen können, bevor Paula Radcliffe sie ihrer Stärke und ihrem Talent für würdig hielt.

»Also, Schatz, sag mir, was ich getan habe, um diesen wunderbaren Besuch zu verdienen.« Seine Mutter hakte sich bei ihm ein und führte ihn durch den weiß getäfelten Eingang, den Flur hinunter, der mit Fotos von ihr während ihrer Karriere überladen war, und in den Wintergarten. Jeremy war sich nie ganz sicher, warum sie ihn so nannte, wenn man bedachte, dass sie die Seidenvorhänge immer geschlossen hielt. »Setz dich doch.« Sie wies anmutig mit dem Arm zu den weißen Sesseln, die in einer Sitzgruppe in der Mitte des Raumes angeordnet waren, und ließ sich dann langsam auf einen der Sessel sinken, wobei sie die Haltung wahrte und ihre Beine an den Knöcheln kreuzte.

»Danke.« Jeremy nahm ihr gegenüber auf einem Sessel Platz und streckte seine Beine von sich.

Harold folgte ihnen, also war er der Letzte, der den Raum betrat.

»Oh, wie unhöflich von mir«, sagte Paula und ihre Augen weiteten sich. »Ich habe vergessen, dir einen Drink anzubieten.«

»Ich brauche keinen …«

»Harold, würdest du mir den Gefallen tun und Jeremy etwas zu trinken bringen? Ich bin mir sicher, er ist ausgetrocknet.« Sie winkte ab. »Es ist wärmer als für die Jahreszeit üblich, nicht wahr, mein Lieber?«

Nach einem Moment des Zögerns, nicht ohne Frustration, da war sich Jeremy sicher, sagte Harold »Klar« und verließ den Raum.

»Ich brauche keinen Drink«, sagte Jeremy. »Ich hatte einen Eiskaffee auf dem Weg hierher.«

»Harold hat nichts dagegen. Außerdem haben wir so Zeit, allein zu reden.« Sie lehnte sich nach vorn, ihr Ausdruck wechselte von ruhig und entspannt zu misstrauisch und wachsam. »Ich glaube nicht, dass du mich je angerufen und gebeten hast, vorbeikommen zu dürfen. Was ist los? Ich weiß, dass du kein Geld brauchst.«

Was stimmte, weil Jeremy einen Treuhandfonds von seinem Großvater besaß, das ganze Anwesen seines Vaters, das immer noch mehr einbrachte, als jeder Mensch im Leben nutzen könnte, und sein eigenes Einkommen, das, wie sein Manager sagte, bald das seines Vaters übertreffen würde. Geld war nichts, was er jemals von seiner Mutter bräuchte. Offenbar war das bei ihren Besuchen eine einzigartige Qualität. Untypische Schuld traf ihn. Reg hatte recht; Jeremy musste sie öfter besuchen. »Nein, ich brauche kein Geld.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Ich möchte dich wissen lassen, dass ich jemanden date.«

»Oh!« Das Gesicht seiner Mutter leuchtete auf. »Das ist wunderbar. Kenne ich sie? Oder fängt sie gerade erst an?«

»Eigentlich ist er nicht im Geschäft.«

Die Aussage hing in der Luft, keiner von ihnen bewegt sich oder sprach.

»Ich habe dir eine Rum-Cola mitgebracht.« Harold betrat den Raum und hielt ihm ein Glas hin. »Ich hoffe, das ist okay.«

Jeremy bewegte seinen Blick nach oben, um dem Mann ins Gesicht zu sehen, schüttelte den Kopf, und sagte: »Ich brauche nichts.« Dann wandte er sich wieder seiner Mutter zu. Er musste ihre Reaktion beurteilen, damit er einschätzen konnte, welche Maßnahmen er ergreifen musste, um damit umzugehen.

Sich scheinbar nicht bewusst, dass eine fast erstickende Spannung in der Luft lag, zuckte Harold mit den Schultern, hob das Glas an die Lippen, neigte es und schluckte die Flüssigkeit herunter. Sobald das Glas leer war, schlurfte er zu einem der Sessel und setzte sich hin. »So.« Er blickte zwischen Jeremy und seiner Mutter hin und her. »Was habe ich verpasst?«

 

Mit erhobenen Augenbrauen wartete Jeremy darauf, dass seine Mutter reagierte. Er war sich fast sicher, dass sie einen Anfall kriegen und schreien würde, aus welchem Grund auch immer, aber dann überraschte sie ihn, indem sie zufrieden aussah und sagte: »Jeremy fing gerade an, mir von seinem neuen Freund zu erzählen.«

»Jeremy Jameson ist schwul?«, fragte Harold kalt erwischt.

Ohne eine Pause entstehen zu lassen, wandte sich Jeremys Mutter zu ihm und sagte: »Liebling, was ist deine bevorzugte Bezeichnung? Wir wollen sicherstellen, dass wir es richtig ausdrücken, wenn die Presse fragt.« Sie hielt inne und schaute scharf zu Harold. »Nicht wahr, Harold?«

»Äh, ja.« Er nickte. »Richtig.«

»Und, bitte, verrate uns den Namen deines Freundes.«

Erleichtert darüber, dass er die Unterstützung seiner Mutter hatte, so ungewöhnlich das auch war, entspannte sich Jeremy langsam und begann, von Reg zu erzählen. Er war überrascht, immer noch Details mitzuteilen, als Reg eine Stunde später, wie versprochen, anrief. Anscheinend hatte er in der kurzen Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, viel mehr über den lässigen Mann erfahren, als er gedacht hatte.

Kapitel 4

»Hey, kleiner Mann!«, sagte Reg lachend, als sein Neffe nackt aus der Tür kam und seine Knie umarmte. »Warum hast du nichts an?«

»Onkel Reg ist hier!«, rief der vierjährige Presley und klammerte sich an sein Bein.

Reg wankte ins Haus.

»Onkel Reg ist hier!«

»Onkel Reg!« Die sechsjährige Danielle kam um die Ecke, hüpfte an sein freies Bein, umwickelte es wie ein Affe und fasste nach seinem Arm.

»Hey, Dani-Girl.« Reg drückte die Tür zu und setzte seinen Marsch durch das Haus fort, wobei er über Spielzeug und Kleidung stieg. »Was habt ihr an den Händen?«

Beide Kinder begannen sofort, zu plappern, also war es unmöglich, zu verstehen, was einer der beiden sagte.

»Jules? Ry?«, rief Reg. »Seid ihr zu Hause?«

»Nein«, rief sein Bruder Ryan aus der Küche. »Wir haben den Häftlingen die Irrenanstalt überlassen und sind zum Abendessen gegangen.«

»Du bist so lustig.« Mit einer Hand auf der Schulter jedes Kindes, damit sie nicht fielen, ging Reg durch das Zimmer. »Warum ist Presley nackt? Und warum ist Dani klebrig?«

Als er schließlich in die Küche kam, sank er auf einen der Stühle um den kleinen runden Tisch, den seine Schwägerin hellblau angemalt hatte. Letzten Monat war er rot gewesen. Davor grün. Reg konnte sich nicht mehr an den gesamten Farbverlauf des Tisches erinnern. Es ließ ihn an Jeremys Haare denken, und der Gedanke an Jeremy brachte ihn zum Lächeln.

»Was meinst du mit ‚klebrig’?«, fragte Jules und trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab. »Ich habe ihr vorhin die Hände gewaschen.« Sie drehte den Wasserhahn zu und kam zu ihm. »Es waren große Mengen Seife und fließendes Wasser im Spiel. Wir haben das Alphabet zusammen gesungen und gerubbelt.« Sie schälte das Mädchen von Regs Bein und zuckte zusammen, als sie ihre schmutzige Jeans sah. »Tut mir leid, Reg. Ich schwöre dir, sie erzeugen Chaos von ganz allein.«

»Mach dir keine Sorgen. Ich habe bei der Arbeit die ganze Zeit Sch…, äh, Zeug an mir dran. Der alte Thompson hat mich gestern Abend angekotzt.«

»Wie wundervoll«, kommentierte Jules.

»Er lebt noch?«, fragte Ryan, ohne sich vom Herd abzuwenden, wo er in etwas rührte, das überraschend gut roch.

»Mehr oder weniger.«

»Dani, wie ist es möglich, dass du schon wieder dreckig bist?« Jules seufzte und führte Dani zur Spüle. »Woher kommt das? Wir haben uns die Hände gewaschen, als es an der Tür geklingelt hat, und es gibt nichts Klebriges zwischen hier und da.«

»Selbes Spiel im Bett, das sie komplett einnehmen, obwohl sie weniger als achtzehn Kilo wiegen«, meinte Ryan.

Jules nickte und sagte: »So wahr.«

»Du bleibst zum Abendessen, oder?«, fragte Ryan.

»Sicher. Aber deshalb bin ich nicht hier.« Reg nahm einen tiefen Atemzug. »Der Grund, warum ich vorbeigekommen bin«, Jules wusch Danis Hände ab, Ryan rührte weiter und Presley blieb wie ein Klettverschluss an Regs Bein, »ist, weil ich euch wissen lassen wollte, dass ich umziehe.«

»Was?« Ryan wirbelte herum, den Löffel in der Hand, und schleuderte rote Soße auf die Wand und die Küchentheke.

»Warum?« Jules schaute ihn über ihre Schulter hinweg an, während sie Dani immer noch auf ihrem Knie balancierte und wütend Seife auf ihre Hände und Arme rieb.

»Wo willst du hin, Onkel Reg?«, fragte Presley und blickte mit riesigen Haselnussaugen zu ihm hoch.

»Überallhin.« Er lächelte seinen Neffen an und sah dann seinen Bruder an. »Ich habe einen tollen Typen getroffen. Er reist beruflich und bot mir an, mich mitzunehmen. Du weißt, dass es das ist, was ich schon immer machen wollte.« Er nahm einen weiteren Atemzug und ließ ihn raus. »Ich habe sein Angebot angenommen. Ich gehe nächste Woche.«

»Heilige Schei…«

»Ryan!«, ermahnte Jules ihn.

»Heilige Scheibe«, korrigierte sich Ryan. »Du gehst mit einem Kerl weg, den du gerade erst kennengelernt hast? Woher weißt du, dass er dich nicht in kleine Stücke zerlegt und deinen Körper in Ölfässern auf seinem abgelegenen Grundstück aufbewahrt?«

»Alter!«, erwiderte Reg. »Was zum Teufel? Du solltest so nicht vor den Kindern reden!«

»Ich möchte nicht einmal wissen, wie du auf dieses beunruhigende Szenario gekommen bist«, meinte Jules zu ihrem Mann. »Aber ich muss möglicherweise eine Kindersicherung in den Fernseher einbauen, um sicherzustellen, dass nichts passiert.« Sie wandte sich an Reg. »Ölfässer beiseite, Reg, das ist verrückt. Niemand haut mit jemandem ab, den er gerade erst getroffen hat.«

»Er ist ein guter Kerl und ich werde die Welt sehen. Ich wäre verrückt, nein zu sagen.«

Nachdem er mit Jules Blicke ausgetauscht hatte, sagte Ryan: »Wir werden ihn kennenlernen, bevor du gehst, richtig?«

»Äh, nein. Er ist nicht mehr hier. Er lebt in L.A. und ich treffe ihn dort, bevor wir losfliegen.«

»Ist er total alt oder so?«, wollte Ryan wissen. »Willst du deshalb nicht, dass wir ihn sehen?«

»Nein. Er ist etwas älter als ich. Eigentlich in deinem Alter.«

Jules setzte Dani ab. Bevor sie das Wasser abgestellt hatte, war das Mädchen auch schon durch die Küche gesaust und auf Regs Schoß geklettert.

»Wie ist sein Name?«, fragte Jules, lehnte sich gegen die Theke und trocknete ihre Hände ab. »Ernsthaft, Reg. Irgendein Typ kommt aus dem Nichts und bietet dir an, dich um die Welt zu führen. Wer ist er?«

»Äh.« Reg dachte darüber nach, wie er reagieren sollte. Jeremy meinte, er würde die Rolle eines Freundes vor der Presse spielen. Das bedeutete, dass Reg offen damit umgehen konnte, wer er war. »Jeremy Jameson.«

Ryan ließ den Löffel fallen, Jules ihren Kiefer. Danach gab es viel Gekreische und Chaos, aber wenigstens machte sich seine Familie keine Sorgen mehr um ihn. Er blieb zum Abendessen und für die Gutenachtgeschichten, versprach, viele Bilder zu schicken, und wünschte eine gute Nacht. Für den nächsten Morgen plante er, das gleiche Gespräch mit seiner Mutter zu führen.

***

»Hey, Mann, schön, dich zu sehen«, sagte Reg, als er am Dienstagnachmittag seinen Seesack auf Jeremys Rücksitz warf. Er schloss die Tür, kletterte auf den Beifahrersitz und fügte hinzu: »Sieht aus, als hast du es geschafft, die Abholung vom Flughafen auf die Reihe zu kriegen.«

Als Jeremy ihm gesagt hatte, dass er noch nie jemanden vom Flughafen abgeholt hatte, hatte Reg gelacht und ihm mitgeteilt, dass seine Glückssträhne zu Ende ginge.

»Ja, ja.« Jeremy ordnete sich in den Verkehr ein und verdrehte die Augen. »Wie war dein Flug?«

»Kurz.« Reg hielt inne. »Du hättest mir kein Erste-Klasse-Ticket kaufen müssen. Ich weiß, dass das ein Vermögen gekostet haben muss.«

Jeremy schwenkte seinen Blick zu Reg, lächelte und sagte: »Mach dir keine Sorgen. Ich verdiene ein Vermögen.«

»Ich schätze, das tust du.« Reg stellte seinen Sitz ganz nach hinten, um Platz für seine Beine zu schaffen, und entspannte sich. »Wir fahren morgen nach Minneapolis, richtig?«

»Ja.«

»Was haben wir bis dahin auf dem Plan?«

»Wenn du hungrig bist, können wir uns ein spätes Mittagessen holen. Abgesehen davon will mein Manager dich treffen, und dann sind wir für heute fertig. Wir können Pizza und Gemüse besorgen.« Er hielt inne und sagte dann mit einer angespannten Stimme: »Es sei denn, du möchtest ausgehen oder so.«

»Das Dodgers-Spiel läuft. Pizza, Bier und, wie ich vermute, ein Großbildfernseher. Klingt perfekt.« Er lehnte sich über die Konsole und verpasste Jeremy einen sanften Schlag gegen den Arm. »Und hör auf, etwas zu tun, was du eindeutig nicht tun willst, nur weil du denkst, dass es das ist, was ich tun will. Es ist unwahrscheinlich, dass das passieren wird. Ich denke, wir haben die gleiche Vorstellung von einer guten Zeit. Und außerdem bin ich hier, um dir die Dinge leichter zu machen, erinnerst du dich? Das heißt, wenn wir uns von der Couch erheben, dann weil wir entweder etwas tun, was wir mögen, was wir für deine Arbeit erledigen müssen oder was uns umbringen kann.«

»Äh, du hattest mich bis zum letzten Teil.«

»Bist du jemals beim Bungee-Jumping gewesen?«

»Nein.« Jeremy schüttelte den Kopf.

»Ich habe ein wenig recherchiert, was wir während der Tour-Stopps so machen könnten, wenn wir freie Zeit haben, und rate mal, was wir in der Schweiz machen werden.«

»Bungee-Jumping?«, krächzte Jeremy.

»Ja.« Reg nickte. »Der Verzasca-Staudamm. Nacht-Bungee-Jumping. Das habe ich noch nie gemacht. Das wird total genial.«

»Klingt großartig, aber, äh …« Jeremy schüttelte den Kopf. »Man kann nicht wirklich dabei sterben, oder? Ich meine, ein Unternehmen leitet es und sorgt dafür, dass es sicher ist, oder?«

»Wahrscheinlich.« Reg zuckte mit den Schultern. »So oder so, du schnallst dich an und springst.«

Tief durchatmend, nickte Jeremy. »Okay. Bungee-Jumping in der Schweiz. Was hast du noch für unsere Könnte-uns-umbringen-Exkursionen geplant?«

»Hm, mal sehen. In Italien gehen wir an der Sink of the Mughi Höhlenwandern, was fantastisch sein soll. In Mexiko gehen wir tauchen, aber erst, nachdem die Tour vorbei ist, denn wir müssen dir ein Zertifikat ausstellen lassen.« Er versuchte, sich an alle Ideen zu erinnern, die er aufgeschrieben hatte. »Oh! Deutschland. Autobahn. Sportwagen mieten. Das werden wir so was von machen.« Als Jeremy nicht reagierte, drehte sich Reg um, um ihn anzusehen. »Du bist ein bisschen blass, Alter. Was ist los? Du hast doch keine Angst, oder?«

»Natürlich habe ich Angst!« Jeremy kicherte. »Ich meine, ich werde es tun und ich bin aufgeregt deswegen. Aber Angst? Ja. Absolut.«

Zustimmend nickte Reg. »Das ist es, was es so cool macht.«

»Ich denke, du bist vielleicht etwas unausgeglichen.«

»Könnte sein.«

»Ich mag es.« Jeremy wackelte mit den Augenbrauen.

Lachend gab Reg ihm noch mal einen Schlag gegen den Arm. »In Ordnung. Ich habe eine ernste Frage.«

»Was?« Jeremys Stirn kräuselte sich.

»Was magst du auf deiner Pizza? Denn wenn wir dabei nicht kompatibel sind, können wir auf keinen Fall so tun, als seien wir anderswo kompatibel.«

»Das ist eine Menge Druck.« Jeremy leckte sich über seine Lippen und versuchte, ernst auszusehen. »Was, wenn ich das Falsche sage? Heißt das, wir können dann nicht mehr so tun, als würden wir miteinander ficken?«

»Ja. Was für dich total beschissen wäre, weil ich im Vortäuschen von Orgasmen toll bin. Also lass es mich hören: Lieblings-Pizza-Toppings.«

Als Jeremy den Mund öffnete, um zu antworten, schoss Regs Hand vor und bedeckte ihn.

»Warte!«, sagte er. »Ich habe eine bessere Idee.«

»Eine bessere Idee?«, fragte Jeremy, obwohl es gedämpft durch Regs Hand kam.

»Ja. Warte, bis wir im Büro deines Managers sind, und dann schickst du mir, welche deine Lieblingspizza ist, während ich dir schreibe, welche meine ist. So kann niemand betrügen.« Er sah Jeremy aufgeregt an. »Deal?«

»Ja.« Jeremy nickte. Als Reg seine Hand sinken ließ, kicherte er und sagte: »Du nimmst das mit der Pizza wirklich ernst.«

 

»Pizza ist das perfekte Essen«, meinte Reg vehement. »Es ist das beste Frühstücks-Mittags-Abend-Vierte-Mahlzeit-Essen, das es gibt.«

Jeremy musterte rasch Regs Körper und sagte: »Du siehst nicht so aus, als würdest du viel Pizza essen.«

»Danke.« Reg straffte ein wenig die Schultern. »Ich strample es ab.« Er kuschelte sich in seinen Sitz. »Sind wir gleich da? Ich will sehen, ob du ein Freak bist, der Zwiebeln und geröstete Paprika auf seiner Pizza isst.«

»Wie hast du das erraten?«, fragte Jeremy mit theatralischer Stimme.

»Ha, ha. Wie lange noch?«

»Es ist L.A. Hier ist nichts in der Nähe und alles dauert ewig, weil der Verkehr stockt.« Er seufzte. »Aber wenn wir Glück haben, könnten wir in eine Autoverfolgungsjagd geraten«, meinte er sarkastisch.

»Ernsthaft?«

»Könnte passieren.«

»Cool.« Reg grinste und sah aufgeregt aus, was Jeremy zum Lachen brachte.

Obwohl die Verfolgungsjagd nicht passierte, machte der Rest der Fahrt Spaß, trotz des stockenden Verkehrs. Als sie auf den Parkplatz von Jeremys Manager fuhren, hatten sie sich auf den neusten Stand gebracht.

»Hast du mir schon gesagt, warum ich deinen Manager treffen muss?«

»Er ist ein Kontrollfreak, wenn es um jede verdammte Sache geht, die ich tue, also muss er dich kennenlernen.« Jeremy stellte den Motor ab und zog die Schlüssel heraus. »Mach dir keine Sorgen. Es ist nur Bill, der Bill ist.«

Er öffnete gerade die Autotür, als Reg sagte: »Warte. Wir müssen die Pizzasache erledigen.«

»Oh, richtig.« Jeremy lächelte breit und liebte es, wie Reg das Alltägliche in etwas Spaßiges verwandelte. Er schnappte sich sein Handy und fing an, zu tippen. »Sag mir, wenn du so weit bist.«

»Jetzt!« Reg starrte auf sein Handy und als der Text ein paar Sekunden später kam, keuchte er. Hei-li-ge Schei-ße.« Er starrte Jeremy an. »Deine Lieblingspizza ist auch mit Pilzen und schwarzen Oliven?« Er schluckte. »Du weißt, was das bedeutet, oder?«

»Ähm, wir werden eine Menge Pizza essen?«, riet Jeremy.

»Ja!« Reg nickte. »Es ist, als würdest du meine Gedanken lesen.« Er hielt kurz inne und dann verschwand sein benommener Ausdruck und er lachte. »Scherz, Mann, aber ernsthaft, mit der Pizza passt alles. Ich hatte Angst, dass du sagen würdest, dass du Ananas mit kanadischem Speck magst, denn jeder weiß, dass Ananas nur auf einer Pizza sein darf, wenn man auch noch …«

»Jalapeños dazutut«, sagten sie gleichzeitig.

»Wow«, äußerte Reg trocken. »Wir sind das beste Paar, das es je gab. Ich denke, wir werden so tun, als ob wir heiraten werden und zwei angebliche Kinder haben, und einen Hund namens Rover.«

»Rover?«

»Auf jeden Fall.«

»Großartig. Wir können Bill Bescheid sagen, damit er es planen kann. Bist du bereit, ihn zu treffen?«

»Sicher. Auf geht’s.«

***

Das Treffen mit Bill dauerte gerade lange genug, um Namen auszutauschen. Dann hatte Bill Jeremy irgendwohin mitgenommen, um ein angeblich großes Problem im Zusammenhang mit der Tour zu besprechen, und ließ Reg mit einem Mann allein, den er als Francis, einer von Jeremys Publizisten, vorgestellt hatte. Ohne Reg anzuschauen, hatte der Publizist seinen Laptop geöffnet und angefangen, Fragen zu stellen.

»Sagen Sie mir, was ich wissen muss«, sagte Francis.

»Sicher.« Reg hielt inne. »Was meinen Sie?«

Er schaute zu Reg und antwortete: »Alles, was in einem Interview auftauchen und Jeremy unvorbereitet treffen oder auf der TMZ oder der Titelseite der People landen könnte.« Er konzentrierte sich wieder auf seinen Computer, die Finger waren bereit. »Im Grunde alles, was die Presse über Ihre Vergangenheit erfahren könnte.«

Seine Vergangenheit bestand daraus, ein anständiger Athlet, ein mehr als anständiger Student, ein gestresster Buchhalter und zuletzt ein ziemlich glücklicher Barkeeper gewesen zu sein. »So interessant bin ich nicht.«

»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte Francis. »Aber das ist nicht das, was ich wissen will.« Er schaute Reg an und begann, Dinge an den Fingern abzuzählen. »Vorstrafen, die bei unserer Hintergrundkontrolle nicht herausgekommen sind?«

»Sie haben einen Backgroundcheck bei mir gemacht?«, fragte Reg ungläubig.

»Das ist keine Amateurstunde. Denken Sie, wir lassen Sie mit unserem größten Kunden auf Tour gehen, ohne einen Backgroundcheck durchzuführen?«

»Nein, ich schätze, nicht. Ich habe keine Vorstrafen.«

»Irgendwas anderes?« Er hielt noch einen Finger hoch. »Schulden Sie Leuten Geld?«

Reg schüttelte den Kopf.

»Irgendeine Ex-Freundin, die aus dem Nichts auftauchen und behaupten könnte, dass Sie ihr Kind gezeugt oder sie verprügelt haben?« Zwei Finger gingen in kurzer Reihenfolge hoch.

»Ex-Freund. Und, verdammt, nein!«

»Freund? Wirklich?«

»Ja. Warum, ist das eine Überraschung?«

Den Blick abwendend, begann Francis, zu tippen. »Ich habe Sie nicht für homosexuell gehalten.«

»Ich sitze hier und werde verhört, weil ich mit Ihrem größten Kunden zusammen bin, erinnern Sie sich? Ihnen ist klar, dass Jeremy Jameson einen Schwanz hat, oder?«

»Sehr lustig«, erwiderte Francis, ohne einen einzigen Hinweis in seinem Ton oder Ausdruck zu liefern, dass er diesen Kommentar oder irgendetwas anderes witzig fand. »Ich sage nur, dass Sie nicht schwul aussehen.«

»Alter, das würden Sie nicht sagen, wenn Sie eine Kamera in meinem Schlafzimmer hätten.«

Das Geräusch von jemandem, der schnaubte, ließ beide die Köpfe in Richtung Bürotür rucken, wo Jeremys Manager stand.

»Warum lachst du, Bill?«

»Weil dein Kommentar dämlich war und Reggie lustig ist.« Er spazierte zu seinem Schreibtisch, fing an, auf seinem Computer herumzutippen, und sagte: »Du kannst gehen, Francis. Ich habe das hier im Griff.«

Ohne Protest oder Abschied stand Francis auf und ging aus dem Büro.

Nach ein paar Sekunden trat Bill zur Tür, schloss und verriegelte sie, lehnte sich dann gegen sie und starrte Reg an. »So.« Bills Ausdruck wurde plötzlich anzüglich. »Reggie.« Von Jeremys Manager angemacht zu werden, war so weit außerhalb von Regs Erwartungen, dass es länger als üblich dauerte, bis er erkannte, dass es passierte. »Ich verstehe, warum Jeremy so von Ihnen eingenommen ist.« Er stolzierte zu Regs Stuhl. »Sogar in diesem Hemd«, er streckte die Hand aus und strich langsam mit dem Finger über Regs Brust, »sind Ihre Muskeln offensichtlich. Groß.« Er sah Reg in die Augen. »Sind Sie überall groß?« Er fiel auf die Knie und umfasste Regs Schwanz durch die Hose. »Ich wette, schon.«

»Alter! Was zum Teufel?« Reg rutschte rückwärts und versuchte, aufzustehen, ohne Bill umzuwerfen.

»Entspannen Sie sich.« Bill lehnte sich herab, sein Mund war Zentimeter von Regs Schwanz entfernt. »Ich will nur ein bisschen Spaß haben.«

»Hören Sie, Mann, ich will Sie nicht verletzen, aber ich bin nicht interessiert. Gehen Sie verdammt noch mal sofort weg oder ich sorge dafür, dass Sie es tun.«

Langsam kam Bill auf die Füße und zeigte auf Regs Leistengegend. »Das da sagt, Sie sind sehr wohl interessiert.«

In der Sekunde, in der er Platz genug hatte, um aufzustehen, sprang Reg auf und trat beiseite. »Das Einzige, was ein harter Schwanz aussagt, ist, dass ich ein Mensch bin. Ein gut aussehender Kerl geht vor mir auf die Knie und nimmt praktisch meinen Schwanz in den Mund. Klar werde ich da hart. Das heißt nicht, dass ich interessiert bin.«

»Warum nicht?«

»Weil ich einen Freund habe!« Reg fing an, zu verstehen, warum Jeremy ihn so verzweifelt in der Nähe haben wollte. Alle anderen Menschen im Leben dieses Mannes waren durchgeknallt.

»Jeremy Jameson ist Ihr Freund?«

»Ja!«

»Interessant.« Bill rieb sich die Nase, trat nonchalant an seinen Schreibtisch, drückte ein paar Tasten auf seiner Tastatur und drehte dann seinen Bildschirm herum.

»Was ist das?«, fragte er, als er ein Video der letzten Augenblicke auf dem Bildschirm sah. »Sie haben uns gefilmt?«

»Ja.«

»Warum haben Sie das gemacht?« Es gab nur einen Grund, der ihm einfiel. »Sie versuchen, mich in eine Falle zu locken.«

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