Die blaue Reiterin im Murnauer Moos

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Aus der Reihe: Malerei, Erotik, Spannung #2
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Anitra versucht Bilder in Schwabing zu verkaufen

Am Elisabethplatz, Mitten in Schwabing gab es einen privaten Kunstmarkt. Dorthin machte sie sich ab und zu auf, um Bilder von Marcsi und Wassy zu verkaufen. Das Geschäft mit Kunst war alles andere als boomend. Wer hatte schon übrige Kompensationseinheiten in Zeiten, wo das nackte Überleben im Vordergrund stand.

Sie wollte auch etwas beitragen und deshalb machte sie sich auf die mühsame Reise, die jedoch jetzt etwas einfacher war, nachdem die Gleise der Werdenfelsbahn wieder repariert werden konnten und selten, aber immerhin überhaupt, eine Bahn in die bayerische Hauptstadt fuhr.

Sie war nie ohne ihr Rad unterwegs, es sei denn sie ritt mit Ajax aus. Ihr altes schwarzes Herrenfahrrad. Mayr hatte es ihr für viele Kompensationseinheiten verkauft. Das Rad als Zeichen der Unabhängigkeit der Frau. Schon deswegen hatte sie es immer bei ihr. Diesmal hatte sie auch einen kleinen Anhänger angeklickt auf dem Klappstuhl und -tisch sowie einige eingepackte Bilder mit Stricken fest gesurrt waren.

Am Starnberger Kopfbahnhof spannte sie den Anhänger hinter das Rad und trat in die Pedale.

Am Elisabethplatz angekommen, baute sie ihren Stand auf. Heute war sie irgendwie etwas lethargisch und strotzte nicht gerade vor Energie. Dennoch war sie immer auf der Hut und horchte, ob nicht ein besonders dröhnendes Motorengeräusch zu hören war. Alle, die dort verkauften hatten Angst, der Warlord würde auftauchen, um sie zu Abgaben zu zwingen. Was noch die harmloseste Formulierung darstellt. Es gab ausreichend Berichte über die Foltermethoden, wenn diejenigen, die Umsätze erzielten nicht von sich aus kamen, um ihre Abgaben ordnungsgemäß 'anzumelden'.

Sie packte die Bilder aus und war innerlich schon wieder erbost: Städteansichten von Moskau nicht von München. Bilder aus denen die klirrende Kälte des russischen Winters heraus sprang, keine gelben oberbayerischen Löwenzahnwiesen vor dem Hintergrund der weit entfernten lieblichen Alpen und blauem Himmel. Dieses Idyll pur, ja das hätte sie vielleicht in Schwabing verkaufen können.

„Ich habe es dem Wassy schon so oft gesagt!“ murmelte sie vor sich hin. „Aber er hört nicht auf mich! Er will immer nur sich selbst verwirklichen! Aber wir müssen auch von etwas leben. Er dagegen redet vom Ursprung seiner künstlerischen Bestrebungen, seiner malerischen Stimmgabel. Moskau, er habe nie etwas anderes gemalt. Abschiedsszene im Winter im Hintergrund der Kreml. Das soll Frau verstehen!“

Widerwillig packte sie das Bild aus und drapierte es so, das es einigermaßen in gutem Licht stand.

Beim nächsten sagte sie laut zu sich: „Schon wieder schwarz! Immer malt er alles in Schwarz!“ dann etwas leiser: „Kein Wunder fährt er auf meiner schwarzen Reizwäsche immer so ab! So ein verrückter Kerl! Aber wie liebe ich ihn doch!“ Sie lächelte still in sich hinein, verspürte ein bekanntes Ziehen entlang ihrem ‚Y‘, erschrak aber ganz plötzlich und schaute sich ängstlich um, ob ihr jemand hatte zu hören können. Beruhigt, dass sie niemand in ihrer unmittelbaren Nähe war, baute sie ihren Stand weiter auf.

Heute waren fast keine Interessenten zugegen. Sie wartete, unterhielt sich mit andern Marktweibern und fiel mit ihnen in eine großes Sammellamento ein, wie schlecht die Konjunktur und der Markt im Speziellen sei. „Ja früher, als wir noch auf dem Viktualienmarkt waren... das waren noch Zeiten! Da hatten wir immer Kunden und Umsätze! Diese verdammte Katastrophe!“ klagten vor allem die ältesten zahnlosen Weiber.

Vielleicht war ein abnehmender Mond wie gerade heute eine schlechte Phase für gute Stimmung und somit auch Umsatz. Dagegen bedeutet zunehmender Mond meistens das Gegenteil.

Immer wenn sie erfolgreich war, ging sie ins Ali Baba, ein türkisches Restaurant, in der Schillerstraße gleich neben dem Hauptbahnhof. Stolz prangt ein rundes Schild mit dem Hinweis 'seit 1970'. Das war in der Tat eine lange Zeit und weiß der Teufel, wie die Besitzer es angestellt hatten, auch nach der Katastrophe war das Restaurant wieder offen und bot einfache gute türkische Gerichte zu kleinen Preisen an. Nicht nur die überlebenden Migranten aus dem islamisch arabischen Umfeld kamen hier her, nein auch bayrische Rentner, die sich hier eine Mahlzeiten gönnten, weil sie zu faul waren, selbst zu kochen.

Aber heute hatte sie wohl keine Einnahmen, um sich diesen Luxus zu gönnen.

Noch war der Markt in Schwabing 'unbeschützt' d.h. ein Warlord war noch nicht aufgetaucht, um seinen Obolus einzutreiben. Schwabing lag günstig, das sich hier mehrere Reviere trafen. Der Warlord von Freising war im Norden zuständig, der von Rosenheim im Osten und Lakencourt im Süden. Da wollte keiner eine klare Linie markieren, um die anderen nicht zu provozieren. Das wusste natürlich niemand außer den Dreien selbst.

In der Stadt hingegen hatte sich niemand etablieren können. Vielleicht war die Verstrahlung und die Zerstörung zu groß? Vielleicht waren die Straßen nicht ausreichend breit, um mit einem Leopard II Angst einflößend und herrschaftlich aufzutreten?

Dennoch hörte Anitra plötzlich ein lautes Motorengeräusch. Es kam näher und näher, wurde lauter und lauter. Plötzlich klang es, als ob es an der nächsten Straßenecke auftauchen sollte. Kam es aus Richtung Westen über die Schwere Reiter Straße? Sie ließ alle Bilder liegen und Stehen, nahm nur ihr Fahrrad und Anhänger. In panischer Angst radelte sie in die entgegengesetzte Richtung, aus der der Motorenlärm kam.

Plötzlich Musik: Wagners Walkürenritt! Spätestens jetzt flohen alle anderen Marktweiber. Einigen hatten nur noch Zeit, sich in die nächste Hausruine zu flüchten und suchten im Dunkel der Ruinen Schutz.

Auf dem verlassenen Elisabethplatz angekommen ließ Lakencourt anhalten. Er befahl einem seiner Leute mit einem MG durch die Luft zu ballern. Er wollte einen Akzent setzen, sein Revier wie ein Wolf, jedoch nur akkustisch markieren.

Dann stieg er verächtlich von seinem Thron und schaute sich die verlassenen Marktstände an: Neben Lebensmitteln, Obst, Gemüse, Fleisch fiel ihm ein Stand mit Gemälden auf. Er schaute sich alle für seine Verhältnisse gründlich an. Sagte ihm der düstere schwarze Kartonhintergrund der Bilder zu?

Ihm fiel eine Signatur auf, die er fast in jeder Ecke einer Leinwand sah: 'Wassy'

Er dachte nach. Hatte er das nicht schon einmal gesehen? Auf seinem Leo war eine Art Steckbrief auf das Blech geklebt, den er kürzlich von einem Apfelbaum entfernt hatte. Tatsächlich die Schrift war identisch!

„Hab ich dich!“ hörte man ihn schmunzelnd sagen.

Alexis, the greek teuton

Alexis nannte sich selbst und unter Lachen 'the greek teuton', der griechische Germane. Im Gegensatz zu Zorbas the Greek mit dem gleichen Vornamen, war er klein gewachsen. Zorbas hatte noch ein paar Stoppelhaare, aber unser Alexis hier eine Vollglatze, die immer glänzte. Seine Behausung war eine Villa oberhalb der Partnach, wo früher einmal Garmisch-Partenkirchen war. Die Hausruine konnte nach der Atomkatastrophe so wieder hergestellt werden, dass man auch im Winter gemütlich darin leben konnte und der kalte Wind nicht mehr durch die Risse der Wände pfiff. Der nach vorne umgefallene markante Erker wurde sogar wieder aufgebaut, allerdings war es zu schwierig das runde Original zu reproduzieren und deshalb ragte jetzt nur die Spitze eines Dreiecks ganz im modernen Stil des Bauhauses vor der Jahrtausendwende nach vorne, alles aus Holz und Folie gezimmert. Es sah aus, wie nach dem zweiten Weltkrieg in vielen deutschen Großstädte, als Bombenschäden, die als irreparabel eingestuft wurden, einfach abgerissen und schmucklose Kästen stattdessen erbaut wurden. Damals ging es Immobilien mit unklaren Besitzverhältnissen besser, denn die wurden zunächst unberührt gelassen oder bestenfalls als bewachter Parkplatz genutzt. In den 80er und 90er Jahren hat man diese dann bebaut und dann damals durchaus architektonische Kleinodien geschaffen, die aber die nächste Katastrophe auch nicht überlebt haben.

Gemütlich war für Alexis sehr wichtig. Seine zänkische Frau machte ihm da zwar oft einen Strich durch die Rechnung, aber wenn es gar zu schlimm wurde, schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein und versank in seiner Welt. Tauchte er wieder auf, half ihm sein sprunghaftes, launisches und nervöses Wesen einen Gegenpol zur Herrin seines Hauses zu setzen.

Alle drei bis vier Monate bekam Alexis Besuch. Das war immer dasselbe Ritual: Ein roter Paco-Paco mit Chauffeur fuhr vor. Im Heck saß ein älterer Mann mit hoher Stirn und einer runden Nickelbrille etwa wie John Lennon einmal eine trug. Kennen wir den Herrn? Ist das nicht...? Ja doch, er scheint es zu sein. Grinder war doch sein Name oder? Dieser Musiker, der nur etwas weiter nordwestlich von hier in Polling noch vor Jahren Orgel gespielt hatte. Oder erinnere ich mich doch nicht richtig? Aber damals war doch ein Knabe immer bei ihm. Wo ist der?

Ja meine Erinnerung trügt mich nicht. Es ist Grinder, der Musiker, der lebende Klon von Gustav Mahler, der auf italienische Konzertreisen ging und musikalische Erfolge nach der Katastrophe feierte. Er, der begann den Konzerttourismus wieder zu beleben. Eine Tradition die vor den Atombomben eine hohe Konjunktur hatte. Leider muss ich berichten, dass sein junger Genie, der Klon von Wolfgang Amadeus Mozart bereits gestorben war. Sein unsteter Lebenswandel, das Herumhuren, der Alkohol... Das hält selbst ein genetische hochgezüchteter Klon nicht lange aus.

Ist nicht auch das erste Klonschaf 'Dolly' früh gestorben? Hatte Prof. Baum noch einen Fehler gemacht und die Leben verkürzende Einflüsse von Telomeren und Oncogenen nicht richtig eingeschätzt?

 

Aber was macht Grinder hier bei diesem schrägen Alexis? Es dauert nie lange. Der mit der hohen Stirn geht mit einer ledernen schwarzen Aktentasche ins Haus und verlässt es kurz darauf wieder. Manchmal kann man erkennen, dass die Tasche so prall mit Papieren gefüllt ist, dass Grinder sie nicht ordentlich schließen konnte. Sehe ich ihn beim Einsteigen in den Paco manches mal lächeln? Es steht im eine Vorfreude ins Gesicht. Gelegentlich hat er ein Blatt vor sich aufgeschlagen und fuchtelt mit den Armen dirigierend durch die Luft, als ob die umliegenden Bäume und Sträucher sein neuestes Symphonie-Orcherster wären.

Ein Trojanisches Pferd in St. Marx

Verschlafen trat Gerstenmayer vor die Eingangstüre des Laborbunkers und gähnte. Davor stand der Transport-Paco für die Zellen mit dem leeren Stickstofftank in einem verschlossenen Ladeaufbau. Der böhmische Fahrer fuchtelte wild um sich, aber es war zu früh für den Herrn Assistenten, um die kryptische Pantomime deuten zu können. Er entriegelte die Tür des Laderaums und öffnete sie. Plötzlich sah er vier Schnellfeuer-Gewehre mit der Laufmündung auf ihn gerichtet. „Jetzt bitta schoen die Handerl aufi!“

Im Inneren waren vier Männern mit schwarzen Kapuzenmützen, die nur die Augen frei ließen. Sie hatten militärische gescheckte oliv-grüne Overalls an und Knarren in den Händen, auf seine Nase gerichtet. Im Hintergrund kauerten noch zwei Männer am Boden.

Einer sprang dann vom Paco, sicherte die Türe und hielt sie auf. Ein Zweiter hechtete nach vorne, zerrte den Fahrer aus der Kabine und in den Bunker. Der Dritte bog die Arme von Gerstenmayer nach hinten und schob ihn in den Eingang. Der Vierte blieb auf der Ladefläche und schloss die Ladetüren. Die ganze Aktion lief blitzschnell ab und war in ihrer Perfektion militärisch gedrillt.

Drinnen erklärte einer die neuen Spielregeln: „So und nun macht ihr alles genau so wie immer! Der einzige Unterschied ist, dass wir den Fahrer austauschen.“ Schon trat einer hinter den gutmütigen Böhmen und erdrosselte ihn mit einer dünnen Drahtschlinge wie im Lehrbuch für Nahkämpfer. Der schwere Mann sank tot in sich zusammen.

Gerstenmayer war entsetzt. Der Auftritt der 'Vier Glorreichen' hatte bei ihm Eindruck hinterlassen. Er spürte einerseits war mit denen nicht zu spaßen, andererseits war er sich bewusst, dass sein Know-How noch benötigt wurde und er deswegen nicht zuvörderst auf der Todesliste stand. Auch 'BJ' unten im Labor war nicht eigentlich gefährdet bei seinem Wissen.

„Also los einladen wie immer!“ sagte einer barsch. Schon kam 'BJ' mit dem schweren, vollen, rollenden Stickstofftank, der die Zellen beinhaltete und wunderte sich über den militärischen Empfang. Der Türaufhalter von Vorhin überwältigte 'BJ', legte ihm die Arme auf den Rücken und fesselte ihn mit einem Kabelbinder.

„No meine Heeerrn, woas hoam ma doan? Imma mid da Ruah! Mia könnä doch über ois reda!“ Das war die typische 'BJ' Reaktion. Ihn konnte nichts aus der Ruhe bringen in seiner Coolness.

'Woher hat der diese Charaktereigenschaft? Sein Vater oder sein Clone-Bruder – wer auch immer - war doch ganz und gar nicht so cool und so lässig! Man meint gerade, hier spiele die Verschmelzung mit einer haploiden weiblichen Eizelle mit! Hat er daher dieses Coole? ' fragte sich Gerstenmayer. 'Hat Baum in seinen alten Tagen noch bahnbrechende Technologien entwickelt, die ich nicht kenne? Wenn doch nur Christiane noch da wäre! Die wüsste vielleicht darüber Bescheid. Aber die tourt ja mit diesem Grinder herum und überall hört man von den bahnbrechenden Erfolge der Konzerte. Über alle Radiosender, aus alle Zeitungen.'

Ein Stoß in die Rippen ließ den Herrn Assistenten aufwachen. Sein Bewacher hat die Kalaschnikow umgedreht und ihn etwas gröber gestoßen, um den Ladevorgang zu beschleunigen. Sofort übernahm der Aufschreiende den Stickstofftank, rollte ihn draußen über eine schiefe Ebene auf die Ladefläche und zurrte sie mit den vorgesehen Riemen fest. Den leeren Tank rollte er hinunter ins Labor.

Einer der im Paco verbleibenden Männer hatte Zivilkleidung an, saß bereits am Steuer des laufenden Fahrzeugs und hatte Papiere im Fahrerhaus gefunden, die genauestens den Fahrweg beschrieben, der vor ihm lag. Von Wien nach Pilsen und dort kein Pilsner, sondern Biogas zu tanken, vielleicht auch beides? Dann über Augsburg nach Rothenstein bei Jena.

Vier der Sechs blieben im Bunker und der Fahrer und ein Bewacher im Laderaum fuhren los wie immer. Wer nicht genauestens aufgepasst hätte, würde die abweichende Routine nie bemerkt haben.

Der verdatterte Gerstenmayer fragte sich im Stillen nur: 'Von welchem Warlord waren diese Jungs? Vom Wianer Ferdl oder vom etwas entfernteren bayerischen Kollegen Lakencourt? Er sah es 'BJ' an seiner Mimik an, dass dieser denselben Gedanken verfolgte. Es war der einzig vernünftige Ansatz, den Kopf möglicherweise aus der Schlinge zu ziehen! Aber mit so einem einfachen Trick wie damals an der Schweizer Grenze noch bei Prof. Baum, konnten sie sich nicht befreien.

„Kömmt ea wega dea Schutzkohlä?“ versuchte 'BJ' vorsichtig zu fragen. Aber er erhielt nur auch einen Kolbenstoß in die Rippen und verstummte.

„Nur wir fragen! Ihr haltet die Klappe! Wichtigste Regel!“ hörten sie es dumpf unter der Maske hervor reden.

Anitra warnt Mayr

Sie kam mit Ajax in rasendem Galopp an gerast. Das Pferd war Schweiß nass und sie selbst keuchte wie eine Hündin. Überall am Horizont sah man weiße Rauchzeichen.

„Er kommt!“, stammelte sie außer Atem. „Er ist im Anmarsch! Mayr hauen sie ab!“ Dann brach sie ohnmächtig zusammen. Ihr Kreislauf versagte. Mayr hatte sich einen geheimen Verschlag in seinem Keller gemacht und zog die leblose Frau hinter sich hinunter. Dem Pferd gab er einen Klapp auf die Schenkel und es trabte alleine dort hin, wo es her kam.

Vor dem Eingang räumte er etwas Gerümpel aus dem Weg und öffnete eine Brettertür. Dahinter war eine dicke Betonwand. 'Schweizer Sicherheit für den Bunkerbau; Oerlikon' war auf der Tür in großen Buchstaben zu lesen. Mayr hatte für einen erneuten Atomschlag vorgesorgt. Kein Wunder bei seinen Gewinnen! Sein Bunker war von der feinsten Firma auf diesem Gebiet.

Er hörte im Hintergrund schon ein dröhnendes Motorengeräusch und beeilte sich, die verschwitzte Frau auf die bereitstehende Liege hinter der Betontür zu legen. Dann verschloss er den Eingang mit den schweren Eisenriegeln und zog an einer kleinen Schnur. Das war ein weiterer Trick, denn damit fiel draußen vor der Tür der Bretterverschlag wieder zu und man konnte die Bunkertür nicht sofort sehen.

Im Innern schimmerte jetzt ein gelblich-grünes Notlicht und tauchte den Raum in einen Dämmerzustand.

Anitra schlug die Augen auf und erwachte. Nur durch eine Erschütterung des Bodens spürte man dass er da war. Das tonnenschwere Gefährt im Anwesen von Mayr. Gedämpft hörte man auch den Motor säuseln. Sie wollte gerade den Mund auftun, da hob Mayr seinen Zeigefinger vor seinen Mund: „Psssst!“ zischelte er. Ihr blieb der Ton im Halse stecken. Mayr deutete mit dem Zeigefinger mehrmals nach oben. Ganz leise flüsterte er ihr ins Ohr: „Alarm! Lakencourt ist da! Ich hoffe, er entdeckt uns nicht. Wir sollten uns ganz ruhig verhalten. Vielleicht findet er uns dann nicht.“ Er setzte sich mit angezogenen Beinen auf den Fußboden neben sie. Gespenstische Stille! Seine Wampe war ihm im Weg. Auch er japste nach Luft und versuchte seinen Atem zu kontrollieren.

Plötzlich hörte das Dröhnen auf. Das leise Motorengeräusch, das noch herein drang war weg. Er musste angekommen sein. Jetzt würden sie aus schwärmen und ihn suchen. Angstschweiß bildete große Tropfen auf seiner Stirn. Anitra schaut ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Beide waren wie versteinert.

So blieben sie und starrten gebannt auf den Öffnungsmechanismus der Tür. Noch waren sie wohl unbemerkt und das Gestänge stand still. Mayr bewegte sich ganz vorsichtig in Richtung der Betonwand und versuchte sein Ohr dagegen zu pressen, um auch nur die leisesten Geräusche draußen erfassen zu können! 'Ein Stethoskop, ja irgendwo muss in meinem Magazin eines liegen, irgendwo', dachte er, 'das könnte ich jetzt gebrauchen, um durch die Wand zu hören.' Sein Ohr wurde kalt. Er konnte keinen Laut vernehmen. Die Zeit zerrann wie in einer Sanduhr. Wie lange mögen sie jetzt da unten schon ausharren?

Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Das musste eine Explosion gewesen sein! Mayrs Kopf flog von der Wand. Anitra schrie kurz auf! Hatten sie sich jetzt verraten? Wieder warteten sie angespannt und starrten auf den Öffnungs-riegel. Da... hatte er sich nicht gerade bewegt? Wieder vergingen die Sekunden. Die bleierne Zeit.

Mayr schaute auf seine Taschenuhr, die er aus seiner Lederhose zog. Sie waren schon Stunden da unten.

Dann ein leises Dröhnen und Erschütterungen auf dem Boden. Es wurde leiser und schien sich zu entfernen.

Sie warteten noch eine Stunde, in der es absolut ruhig blieb. Eine Grabesstille.

Dann sagte Mayr und seine Stimme versagte zunächst, so dass er stotterte: „I—i-ch“, er räusperte sich: „I-ch glaube sie sind weg und wir können öffnen!“ Anitra spürten den kalten Schweiß auf ihrer Haut und zog sich eine Schweizer Armee Decke um, die auf der Liege lag.

Mayr ging vorsichtig zur Tür und öffnete. Draußen war es dunkel. Lediglich die Reflexionen eines flackernden Lichtscheins waren an den Wänden dort zu sehen.

Lakencourt hatte Mayrs Gaslager gesprengt und es brannte überall lichterloh! Der Händler ließ es gewähren und war froh zunächst einmal mit dem Leben davon gekommen zu sein.

Anitra hatte sich auf der Liege ausgestreckt und war unter der Decke eingeschlafen.

Liebevoll schaute der dicke Alte sie an. Als sie wieder erwachte und zu sich kam, fragte er leise: „Gnäd'ge warum machen sie des?“ Anitra verstand ihn nicht. „Was, meinen sie mit 'des'?“ „Ja mir zu hoifn und mich zu warnen“ Da verfinsterte sich ihre Miene und erfror zu einer bitteren Maske. „Ich habe schlechte Erfahrung gemacht mit dem!“ und zeigte in die Richtung Wolfratshausen. Mayr schaute sie voll Mitleid an. „Eana G'sicht soagt oals! Eana ean Gschbusi?“ Mayr wollte es genau wissen. „Nein mein lieber Mann!“ Dann brach sie in hemmungsloses Schluchzen aus. „Ean Moa? Sie san g'heirat?“ fragte Mayr, aber sie konnte nicht weiter reden und er spürte auch, dass seine Befragung jetzt nicht weiter kam.

„Eana Ross is scho z'haus! Ihr fahr sie z'ruck.“ Er nahm sie unterstützend am Arm und führte sie ins Führerhaus seines Paco-Paco.

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