Seewölfe Paket 27

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2.

Dank des Regens war also die Trinkwasserversorgung an Bord der „Santa Barbara“ sichergestellt. Alle Fässer hatten gefüllt werden können. Nur – an diesem schönen Regentag und auch am nächsten Tag blieb der Wind mal wieder aus, oder er dröselte so ein bißchen herum, als lege er’s darauf an, die Arwenacks raten zu lassen, aus welcher Richtung er endgültig zu wehen geruhe.

Scheißspiel, lautete der Kommentar Edwin Carberrys.

Indessen bahnte sich etwas anderes an, und das hing mit den Hühnern an Bord der „Santa Barbara“ zusammen. Diese Hühner befanden sich seit der Abfahrt von Ponape auf der „Santa Barbara“ – zwanzig Eierleger und ein Hahn, untergebracht in einem Verschlag, den Ferris Tucker gezimmert hatte.

Daß diese Gackerer und Eierleger an Bord waren, das hatten die Arwenacks der Vor- und Fürsorge des Kutschers zu verdanken, der sich für das leibliche Wohl der Mannen verantwortlich fühlte, vor allem seit der Durst- und Hungerstrecke nach Verlassen des Golfes von Tehuantepec.

Einerseits waren die Eier, gebraten oder gekocht oder als Rührei zubereitet, nun wirklich eine paradiesische Speisezugabe im täglichen Bordverzehr. Andererseits jedoch fühlten sich einige Arwenacks genervt, weil ihnen das übliche Palaver der Eierleger auf den Geist ging. Dazu gehörte insbesondere der morgendliche Hahnschrei, mit dem Don Philipp seinen Harem zu begrüßen pflegte, wenn die Sonne kurz unter der Kimm stand.

Don Philipp war sinnigerweise der Hahn von den Arwenacks getauft worden, weil sie meinten, er spreize sich genauso wie die Allerkatholischste Majestät. Es war schon merkwürdig, wie die Mannen des Seewolfs ihr Bordgetier manchmal vermenschlichten.

Aber weiter im Text.

Wenn Don Philipp mit Flügelschlagen und gerecktem Hals den neuen Morgen bekräht hatte – ihm war eine kräftige Stimme eigen –, dann folgte als nächstes prompt und zuverlässig eine geharnischte Schimpfkanonade Sir Johns, und wenn der losplärrte, dann wurde auch der letzte Schläfer aus der Koje gescheucht. Er war dann keineswegs fröhlich, mitnichten, er hatte Mordgelüste. Und er schwor zumeist, entweder Don Philipp oder Sir John oder beiden den Hals umzudrehen. Doch der mörderische Vorsatz war vergessen, sobald sich der herrliche Duft von gebratenen Eiern mit Speck aus der Kombüse über die Decks verteilte.

Übrigens versorgte Mac Pellew das Hühnervolk. Na klar doch, hatte er doch einst beim Hühnervolk der „Golden Hen“ tatsächlich goldene Eier aus dem Gelege geangelt, von denen er bis heute nicht wußte, daß sie ihm „sein lieber Freund“ Carberry untergejubelt hatte.

Mac Pellew gehörte auch nicht jener Gruppe an, denen das Palaver des Hühnervolks oder das Gekrähe Don Philipps auf den Geist ging. Und auch der Profos fühlte sich nicht genervt – konnte er gar nicht, weil sein „Sir Jöhnchen“ der andere Nervtöter vom Dienst an Bord der „Santa Barbara“ war. Außerdem war der Profos viel zu versessen auf Eier – vor allem auf gebratene –, um über das Hühnervolk samt Hahn zu motzen. So waren denn Mac Pellew und der Profos traut vereint im Kampf gegen jene, die dem Hühnervolk an die Federn wollten.

Speerspitze der genervten Gruppe war Smoky, der Decksälteste. Dies war nicht weiter verwunderlich: Ein unverbrieftes Gesetz auf den Segelschiffen aller seefahrenden Länder besagte, der Decksälteste als König über das Vorschiffsvolk habe das Recht, auch fünf bis zehn Minuten nach dem Wecken noch der Ruhe in der Koje zu pflegen.

Von gepflegter Ruhe für Smoky nach dem Hahnschrei Don Philipps und dem Gekreische Sir Johns konnte überhaupt keine Rede mehr sein. Außerdem schien bei ihm irgendein Nerv, vielleicht bei einem Backenzahn, bloßzulegen, weil er bereits zusammenzuckte und den Kopf einzog, sobald nur eins der Hühner tagsüber ein bißchen anfing, herumzupalavern.

Sicher doch, solche Laute vom Federvieh klingen tranig oder nölig oder auch aufreizend – je nach Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs.

So ein anderes „Sensibelchen“ war außerdem Old Donegal Daniel O’Flynn, was bei dem jedoch auch nicht weiter verwunderlich war, denn der reagierte ja bereits, sobald eine Kakerlake hustete oder Schluckauf hatte.

Wenn sich Smoky lediglich über das Glucken, Glucksen oder Kollern aufregte – alles Laute des Wohlbehagens beim Federvieh –, dann deutete Old Donegal solche Äußerungen der Eierleger bereits als Vorboten drohenden Unheils.

Was Don Philipp betraf, da verkündete Old Donegal an diesem Morgen nach dem Regentag, der habe anders gekräht als sonst.

„Wie anders?“ erkundigte sich der Profos.

Old Donegal hatte seinen sinnentrückten Blick drauf – den düsteren – und murmelte: „Es klang, als schwane ihm was!“

„Mein lieber Schwan“, sagte der Profos grinsend.

Aber Old Donegal ignorierte diese unpassende Bemerkung. Er hatte jetzt die Augen zusammengekniffen, den Kopf vorgereckt und lauschte zum Hühnerverschlag.

„Sie gackern auch anders“, sagte er mit dumpfer Stimme, „anders als sonst.“

„Dann haben sie ebenfalls Schwanungen“, sagte der Profos.

Old Donegal drehte den Kopf zum Profos und wirkte irritiert. „Was haben die?“

„Schwanungen.“

„Was soll das denn sein?“

„Schwanung“, erklärte der Profos mit belehrendem Ton, „ist das Hauptwort von schwanen. Wenn einem was schwant, dann hat er Schwanungen. Ist doch ganz klar, was, wie?“

„So ein Quatsch!“ schnappte Old Donegal. „Das Wort gibt’s überhaupt nicht. Einer, der träumt, hat auch keine Träumungen.“

„Nein, der hat Träume, da fällt das ‚Ungen‘ weg“, sagte der Profos ungerührt, „aber einer, bei dem sich was bläht, der hat Blähungen.“

„Kolossal geistreich!“ fauchte Old Donegal.

„Bin ich immer“, sagte der Profos freundlich.

In diesem Moment stimmte Don Philipp einen weiteren Weckruf an, und da lauschte nun auch der Profos ein wenig verwundert, denn das klang wie eine zornige Kampfansage.

Old Donegal frohlockte. „Hast du’s jetzt gehört?“

„Bin ja nun wirklich nicht taub“, brummte der Profos und bestätigte damit, daß er gestern kaltblütig geflunkert hatte. Das fiel ihm in diesem Augenblick auch ein, aber Old Donegal griff diesen Faden gottlob nicht auf, der war viel zu versessen auf seinen schwanenden Don Philipp.

Bevor Old Donegal nunmehr ein Orakel verkünden konnte, schoß Smoky aus dem Vordeck wie ein angesengter Affe und brüllte: „Ich schwör’s – ich erwürg das Vieh, das verdammte! Kaum hat man sich mal schlafen gelegt, da muß dieser dusselige Gockel schon wieder loskrakeelen. Ich halt das nicht mehr aus!“

„Smoky“, sagte der Profos und dehnte die breite Brust, so daß das neue Hemd spannte, „Smoky, das will ich überhört haben – von wegen, du hättest dich kaum schlafen gelegt! Du hattest keine Wache und hast von gestern abend acht Uhr an bis heute morgen durchgepennt und geschnarcht, daß ich’s bis in meine Kammer gehört habe.“

„Ich schnarche überhaupt nicht!“ empörte sich Smoky.

„Und ob du schnarchst, du schnarchst wie ein Wildeber in der Suhle“, verkündete der Profos.

„Stimmt!“ sagte Mac Pellew, der die Kombüse verlassen hatte und mit einer Holzschüssel unter dem Arm den Hühnerschlag ansteuerte, um wie jeden Morgen die gelegten Eier einzusammeln. „Stimmt genau, Ed“, bekräftigte er, „dieser Mister Smoky schnarcht wie ein Wildeber in der Suhle oder wie’n Bulle, der von der Kuh verführt wird.“

Mac nickte grämlich zu seinen eigenen Worten, doch dann geschah das, was Smoky schon befürchtete, weil’s ihn gleichfalls nervte: Macs Gesicht nahm einen Ausdruck an, den Smoky bereits mehrere Male mit „bescheuert“ bezeichnet hatte, und er setzte zur morgendlichen Begrüßung des Federviehs an.

Das spielte sich wie folgt ab: Mac begann zu glucksen und zu kollern und ruckte auch den Kopf vor und zurück wie ein Huhn.

„Gack-gack-gack!“ tönte er. „Ei-ei, wo sind denn meine Gackileins – gluck-gluck-gluck? Haben sie feine Eierchen gelegt – gicks-gicks-gicks? Und gut geschlafen – girre-gurre-garre? Und Don Philippchen – tuck-tuck-tuck – krä-krä-krä …“

„Uaahh!“ röhrte Smoky. „Dieser Blödmann! Jetzt geht das wieder los, dieses Gelaber! Kriech doch gleich selber in den Verschlag und spiel Hahn und Henne, du beknackter Transack!“

Old Donegal kicherte. „Der bringt’s glatt fertig und legt Eier, ei-ei-ei-gicks-gacks-gucks!“

Schon wollte Carberry loslegen, um seinen Freund Mac zu verteidigen, doch er zögerte, denn Mac starrte so merkwürdig in den Verschlag. Und jetzt drehte er sich um und sagte leise: „Ed!“

„Ja? Was ist los?“

„Komm mal! Schau dir das an!“ Mac deutete in den Verschlag.

Kein Zweifel, Hahn und Hühnervolk waren irgendwie unruhig. Und warum das?

Carberry fluchte, als er entdeckte, was Mac meinte.

Da lag ein totes Huhn am Boden des Verschlags. Die Kehle war blutig und sah zerfetzt aus. Das war aber noch nicht alles: überall lagen zerborstene Eier herum, zum Teil ausgelaufen, zum Teil aber auch geradezu säuberlich abgeputzt.

Auch Old Donegal und Smoky starrten.

Und schon legte Old Donegal los: „Ich hab’s geahnt, ich hab’s gewußt! Das Unheil nimmt seinen Lauf, wehe-wehe!“ Und er deklamierte mit erhobenem Zeigefinger, den er wie einen Taktstock bewegte: „Wo des Morgens laut die Hähne schrei’n, da wird Gevatter Tod zur Stelle sein!“

„Hoffentlich holt er dich als ersten!“ fuhr ihn Carberry an, bekam plötzlich schmale Augen und fragte gefährlich leise: „Steckt ihr etwa dahinter?“

„Hinter was?“ Smoky fragte das.

„Hinter dieser Sauerei hier.“

„Du meinst, Old Donegal und ich hätten diese Gackerschnepfe abgemurkst und die Eier zertöppert?“ fragte Smoky.

 

„Liegt doch nahe, oder? Vor allem bei dir. Wer sauste denn eben wie ein Verrückter an Deck und verkündete – er schwor’s sogar –, Don Philipp zu erwürgen, he? Warst du das nicht, Mister Smoky?“

Smoky wurde frech. „Na und? Ist der Gockel erwürgt? Ist er nicht. Außerdem habe ich geschlafen – du hast mich sogar schnarchen hören.“

„Vielleicht hast du einen von den Kerlen bestochen, das Huhn abzumurksen“, sagte Carberry lauernd. „Wie wär’s denn mit Luke Morgan, der plustert sich doch auch dauernd über das Gegacker auf, sobald du nur das Maul aufreißt, na?“

„Du hast ja Bollen im Schädel!“ erklärte Smoky wild.

Carberrys Rechte zuckte vor, verkrallte sich in Smokys Hemd und drehte ihm den Kragen zu. Das ging sehr schnell, und im Nu hatte Smoky einen roten Kopf und dicke Augen. Und er begann in dem mörderischen Griff Carberrys zu zappeln.

„Halt mal, Ed!“ rief Mac Pellew. „Ich hab was entdeckt! Ein Loch! In der Rückwand!“

Carberry stieß Smoky von sich, so daß der rückwärts törnte und gegen die Nagelbank vom Großmast prallte, wo er sich das Kreuz verbog. Ed wandte sich wieder dem Verschlag zu.

Mac hatte recht. Dort war ein Loch, wie gefräst sah das aus, fast kreisrund. Gestern war es noch nicht dagewesen.

Mac und Carberry blickten sich an.

„Was meinst du, Mac?“ fragte Carberry.

„Ratten“, erwiderte Mac zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er zischte es heraus wie Gift und Galle. „Wir hatten heute nacht alle Luken und Schotts auf, um das Schiff durchzulüften. Da müssen die Biester an Deck gehuscht und beigegangen sein, den Verschlag durchzunagen. Scheiße, verdammte!“

Carberry nickte, drehte sich langsam zu Smoky um, der sich das Kreuz rieb und noch an der Nagelbank stand, und sagte: „Wer hatte heute nacht Wache?“

„Wieso?“

„Frag nicht so dämlich!“ brüllte Carberry. „Ich will wissen, wer heute nacht Wache hatte, verdammt noch mal!“ Der Profos war in Braß, und wie er in Braß war!

Smoky legte die Ohren an und sagte: „Von acht bis zwölf hatte Gary Andrews Wache, von zwölf bis vier Paddy Rogers und von vier bis acht Sam Roskill.“

„Hol sie her, alle drei!“ Und als Smoky dumm glotzte, brüllte der Profos: „Wird’s bald, Mister Deckältester?“

Smoky sauste ab. Jetzt war wirklich Gefahr im Verzug. Dieses Monstrum von Profos hatte noch mehr als nur voll aufgebraßt. Eine Minute später bauten sich die drei Arwenacks vor ihrem Profos auf der Kuhl auf, Sam Roskill noch verschlafen, aber er hatte ja auch bis acht Uhr die Morgenwache gehabt und nur eine halbe Stunde auf dem Ohr gelegen.

„In die Achterwand des Hühnerverschlags“, begann Carberry mit grollender Stimme, „haben heute nacht Ratten ein Loch genagt, sind über die Eier hergefallen und haben einem Huhn die Kehle durchgebissen.“ Der Profos musterte die drei Kerle, als habe er die Absicht, ihnen ebenfalls die Kehlen durchzubeißen. „Einer von euch“, sagte er lauernd, „muß auf seiner Wache Klüsen und Lauscher dichtgeklappt und verdammt getorft haben. Wer wohl?“

Die drei Arwenacks starrten verdutzt.

Dann sagte Gary Andrews: „Bei mir nicht, Profos. Ich war hier auf der Kuhl. In diesen vier Stunden hat sich im Hühnerverschlag nichts getan, gar nichts.“

„Bei mir auch nicht“, sagte Sam Roskill. „Bei den Hühnern war alles ruhig.“ Er grinste. „Allerdings hielt ich es nicht für nötig, zu kontrollieren, ob sie schlafen. Also habe ich auch nicht hineingeschaut.“

Paddy Rogers war dran, Paddy, der so gerne aß – auch Spiegeleier wie der Profos –, jedoch meist hinterherhinkte, wenn schnelles Denken gefordert wurde. Wie jetzt. O Gott, was war da passiert? Kehle durchgebissen?

Paddy starrte den Profos unglücklich an, kratzte sich hinter dem linken Ohr, zupfte an der Nase, schielte dann zum Verschlag und druckste herum.

„Ja“, murmelte er, „ja doch.“ Jetzt begann er, seine Finger langzuziehen. Als es knackte, zuckte auch der Profos zusammen, Smoky sowieso, aber bei ihm lagen ja schon seit einigen Tagen die Nerven bloß.

„Laß das!“ fuhr der Profos den guten Paddy an.

Paddy versteckte hastig seine Hände hinter dem Rücken und sah noch unglücklicher aus.

Der Profos wurde ungeduldig.

„Wenn du ’ne Maulsperre hast, kann ich dir die Luke ja mal mit ’nem Kuhfuß aufhebeln“, sagte er ruppig.

Jack Finnegan, Paddys Freund, tauchte auf. Er hatte gehört, was der Profos gerade gesagt hatte. Außerdem hatte sich sehr schnell herumgesprochen, was passiert war. Die Mannen versammelten sich auf der Kuhl. Es lag ja sonst nichts an, allenfalls das morgendliche Reinschiff. Zu segeln gab’s nichts, die Segel flappten, die „Santa Barbara“ wurde bekalmt.

Auf dem Achterdeck erschien Philip Hasard Killigrew.

Jack Finnegan sagte: „Mister Profos, wenn du Paddy an die Wäsche gehst, dann hast du’s mit zwei Kerlen zu tun – der zweite bin ich, damit du klar siehst.“

Der Profos schnappte verblüfft nach Luft.

Jack Finnegan beachtete ihn nicht weiter, wandte sich seinem Freund Paddy zu und sagte: „Erzähl mal, Paddy. Hast du während deiner Wache was bemerkt?“

Paddy nickte eifrig. „Jaja, da war mal was.“

„Und was?“

„Ich hörte was im Verschlag. Nach den zwei Glasen um ein Uhr war das. Aber was Genaues hab ich nicht gehört, weil – weil der Mister Smoky so laut schnarchte. Waren ja alle Luken auf, nicht? Und ich stand auf der Back. Ja, und dann …“ Paddy verstummte.

„Ja? Dann?“ fragte Jack freundlich.

Paddy knautschte an seinem Ohr herum, dieses Mal am rechten.

„Ja, dann rappelte es noch mal im Verschlag“, sagte Paddy. „Diese dummen Hühner, dachte ich, vielleicht war da eins im Schlaf von der Stange gefallen, nicht? Und das hat die anderen geärgert, weil sie aufgeweckt wurden, nicht? Ich ärgere mich auch immer, wenn ich aus dem tiefsten Schlaf gescheucht werde. Das weißt du doch, Jack, nicht?“

„Ja, das weiß ich“, sagte Jack sanft. „Und weiter?“

„Weiter? Ach so, ja, da hab ich von der Back aus mal kurz aufs Dach vom Verschlag gehämmert, mit ’ner Spillspake – bumm-bumm-bumm! Und von da an war Ruhe. Mehr weiß ich auch nicht.“

Jack Finnegan nickte, drehte sich langsam zu Carberry um und sagte: „Das war’s wohl, Mister Profos. Damit dürfte wohl klar sein, daß Paddy auf Wache nicht geschlafen hat.“

„Das nicht“, grollte der Profos, „aber er hat sich dämlich verhalten – klopft mit ’ner Spillspake aufs Dach von dem Kasten! So ein Käse!“

„Ach ja?“ sagte Jack Finnegan so ein bißchen ironisch. „Was hättest du denn getan, Mister Profos? Den Hühnerchen ein Schlaflied gesungen oder was?“

„Werd’ nicht kiebig, Mister Finnegan“, sagte der Profos scharf. „Ich hätte zumindest nachgeschaut, was da los ist.“

„Es war ja nichts mehr los. Nach dem Pochen von Paddy herrschte Ruhe“, entgegnete Jack Finnegan. „Na schön, du hättest also nachgeschaut – und festgestellt, was passiert ist. Und dann? Hättest du noch etwas ändern können? Wärst du noch in der Nacht auf Rattenjagd gegangen? Doch wohl kaum. Jetzt nimm mal einen anderen Fall an. Nimm an, irgendwelche Kerle wollen die ‚Santa Barbara‘ entern, aber der Posten auf der Back stört sie. Was tun sie? Sie locken ihn mittels irgendwelcher Geräusche auf die Kuhl. Und da hauen sie dir einen Knüppel über den Schädel!“

„Wieso mir?“

„Du mußtest ja unbedingt nachschauen, nicht?“

Der Profos schnappte ein zweites Mal nach Luft. „Mann, das ist doch an den Haaren herbeigezogen!“

„Finde ich nicht!“ Philip Hasard Killigrew stieg über den Niedergang vom Achterdeck zur Kuhl hinunter. Er hatte bisher schweigend zugehört, informiert war er inzwischen. „Es empfiehlt sich immer, vor allem nachts auf Wache, unüblichen oder außergewöhnlichen Geräuschen gegenüber mißtrauisch zu sein. Zu schnelle Neugier kann sich tödlich auswirken – das ist es, was Jack mit seinem Beispiel sagen wollte. Die Verhaltensweise von Paddy, mein lieber Ed, war keineswegs verkehrt. Er hat von der Back aus mit der Spillspake für Ruhe gesorgt. In Ordnung. Ich glaube, daß er damit die Ratten verjagt hat. Aber daß es Ratten waren, das hätte wohl keiner von uns für möglich gehalten. Ich schätze, daß sie’s auf die Eier abgesehen hatten. Vermutlich hockte die Henne, die getötet wurde, noch auf ihrem Gelege und wurde wild. Gleichviel, wir können es nicht mehr ändern. Aber wir werden erstens das Loch wieder abdichten, zweitens die untere Umwandung verstärken und drittens zur Jagd blasen. Alles klar, Ed?“

„Aye, Sir, alles klar!“ schmetterte der Profos und rieb sich die mächtigen Pranken, als könne er’s kaum erwarten, den Ratten zum Tänzchen aufzuspielen.

„Nach dem Frühstück, Ed“, sagte Hasard. „Bei der Flaute haben wir mal wieder viel Zeit.“

„Heute gibt’s keine Eier zum Frühstück“, maulte Mac Pellew und starrte düster in den Verschlag. „Da könnt ihr euch bei den verdammten Ratten beschweren, Leute.“

Es war gut, daß Mac darauf hinwies. Das heizte die Jagdstimmung an. Sie schauten alle ziemlich grimmig drein, die Arwenacks.

Das änderte sich auch nicht, als der Kutscher erklärte, diese Eierfresserei sei sowieso ungesund, jedenfalls auf Dauer, das habe auch Doc Freemont immer gesagt.

„Und was gibt’s zum Frühstück?“ erkundigte sich Paddy Rogers. Er sah fast so grämlich aus wie Mac. Und das wollte viel heißen.

Mac musterte ihn von oben bis unten und zurück und erwiderte: „Ich geb dir Zucker, Mister Rogers, den kannst du mit der Eierpampe hier im Verschlag verrühren, dann hast du leckeres Zuckerei. Das stärkt die Manneskraft, und du erfüllst einen guten Zweck.“

„Guten Zweck?“ fragte Paddy.

„Richtig, dann wird nämlich gleich der Verschlag gereinigt, und anschließend darfst du das tote Hühnchen rupfen, das der Kutscher und ich heute mittag zu ’ner chinesischen Hühnersuppe verarbeiten werden. Won Ton heißt die.“

Mit einem Räuspern sagte der Kutscher: „Ich schlage Mulligatawny-soup vor, Mac, nicht Won Ton. Die Mulligatawny-soup gibt mehr her. Die Zutaten haben wir – Rüben, Zwiebel, Sellerie, Curry und so weiter und so weiter.“

„Du meinst die indische Geflügel-Creme-Suppe?“ fragte Mac.

„Genau die.“

Paddy Rogers blickte lüstern. „Ist dieses Mulli-Dings scharf?“

„Scharf wie Nachbars Wau-wau!“ sagte Mac Pellew. „Und Nachbars Wau-wau ist noch jedem Schnapphähnchen an die Hose gegangen.“

Da war Paddy endlich beruhigt – und daß die anderen grinsten, berührte ihn nicht. Er reinigte den Verschlag. Und wenn Paddy etwas anpackte, dann tat er das gründlich und gewissenhaft. Außerdem war er ein feiner Kerl, nur eben ein bißchen verfressen und etwas hintenan, wenn schwere Denkarbeit gefordert wurde. Allerdings hatte er die Arwenacks schon einmal mit seinen Rechenkünsten in Erstaunen versetzt.

Im übrigen gab’s zum Frühstück gebratene Speckscheiben und dazu geröstete Bataten. Natürlich futterte Paddy kein „leckeres Zuckerei“, von lecker konnte bei den ausgelaufenen Eiern am Boden des Verschlags auch keine Rede sein. Schließlich pflegten Hühner wie jegliches Getier zu verdauen, und das Verdaute konnte Paddy schlecht mit Zucker, Eigelb und Eiweiß verquirlen. Eine schöne Eierspeise wäre das geworden! Pfui Teufel, Paddy kippte das ganze Zeug außenbords.