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Reise durch den Stillen Ozean

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An ungezähmten Säugethieren gab es nur einige verwilderte Katzen und eine Menge Ratten, welche jenen zur Nahrung dienten. Beide stammten von europäischen Schiffen her. Mister Koral hielt sich ein paar Ziegen. Schafe durften nicht gehalten werden, weil ihre losgerissene Wolle Krankheitsstoffe nach Wellington führen konnte.

Weite Ausflüge waren auf der kleinen Insel allerdings nicht möglich. Doch boten Spaziergänge den steinigen Strand entlang oder Kletterpartieen über die Felsblöcke des Ufers stets grossen Genuss und zur Zeit der Ebbe reiche zoologische Beute.

Das am meisten zerklüftete Südufer wimmelte dann von natürlichen Aquarien jeder Grösse, welche die weichende Fluth in den Löchern und Tümpeln zurückgelassen hatte. Aktinien blühten da in allen Farben zwischen Meerlattich und Tang. Fische aller Art und steifbeinige Garneelen schossen in ihnen herum und suchten sich vergebens hinter Steine zu retten. Alles sass voll von Aszidien, Schnecken und Muscheln, in jeder Rille klebte ein schöner Chiton. Manch werthvolles Mollusk habe ich dort gesammelt. In den Höhlen und Klüften, die oft senkrecht zum dunklen Grunde hinabstürzten, überzogen hellviolette Kalkalgen das ganze Gestein, soweit es im Bereich der Fluth lag, und von oben hingen Farnornamente herunter und spiegelten sich in den Wellen. Unzählige Seesterne und Seeigel, seltener auch Holothurien, klammerten sich an die Wände des Grundes, und hie und da glitt ein mächtiger schwarzer Fisch durch die Tiefe.

Da wo an den äussersten vorgeschobenen Klippen die Wogen sich brachen, lebten dickschalige Bewohner der Brandung, derbe, faustgrosse Trochen und Turbonen und eine riesige Haliotis. Letztere saugten sich gewöhnlich so fest, dass sie nur mit dem Messer loszumachen waren, ebenso wie die Chitonen. Hie und da gelang es mir, schnell ehe sie sich duckten, die Fingerspitzen zwischen den Rand ihrer Schale und die sammtenen Fortsätze des Mantels zu schieben, und dann riss ich stets die blosse Schale vom Thier ab, während dieses selbst hartnäckig sitzen blieb.

Doch auch zu kulturgeschichtlichen Studien bot ein Spaziergang unten am Strande Gelegenheit. Von verschiedenen Schiffen, die vor uns auf der Insel in Quarantäne gewesen waren, lagen hier die Ueberreste ihrer Einrichtungen, ganze Berge von Kojenbrettern, um allmälig als Feuerungsmaterial aufgebraucht zu werden, und dazwischen zerstreut Deckhäuschen und Luckenkappen, Ventilationsröhren und Klosettbestandtheile. Es berührte mich unangenehm, einen auffallenden Unterschied zwischen den englischen und deutschen Artikeln dieser Art konstatiren zu müssen. Von den englischen Schiffen war Alles so solid und selbst elegant gearbeitet, dass ich mich schämte, unseren lotterigen deutschen Trödel daneben liegen zu sehen. Wie oft hatte ich von Engländern Anspielungen und Klagen über die schlechte Ausrüstung unserer Schiffe zu hören und ruhig hinzunehmen, ohne im Stand zu sein, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Auf der Südkante, dem Eingang von Port Nicholson und dem Ozean zugewendet, stand oben der Leuchtthurm. Zwei Wächter bewohnten ihn, von denen der jüngere eine Frau besass. Mit ihnen sowie mit Mister Koral und dessen Tochter, die von Wellington herübergekommen war, die Verbannung ihres alten Vaters zu erleichtern, habe ich manchen angenehmen Abend zugebracht. Waren auch die beiden Leuchtthurmwärter der Einsamkeit ihres Lebens entsprechend einsilbig genug, und kann ich mich auch nicht erinnern, von dem älteren derselben mehr als ein stereotypes tägliches »Good Morning Sir, nice Morning Sir« mit einer Betonung als ob ich das Gegentheil behauptet, gehört zu haben, so waren sie doch die liebenswürdigsten Menschen, die mir jeden Gefallen thaten. Wir fuhren zusammen zum Fischen oder machten Segelpartieen um unser Eiland.

An Gelegenheit zur Wasserjagd fehlte es niemals. Auf den Klippen ringsherum wimmelte es von Möven verschiedener Arten. Kormorane trieben sich dazwischen herum, waren aber nur schwer zum Schuss zu bekommen. Um auszuruhen, wählten sie immer die entferntesten Felsenspitzen, die eine weite Umschau gestatteten, und seltsam zeichnete sich oft ihre Silhouette vom Himmel ab, wenn sie regungslos auf einer Kante sassen, ihre nassen Flügel zum Trocknen ausgebreitet und schlaff herabhängend, nicht unähnlich einem zerzausten Preussischen Adler. Versuchte man sich ihnen zu nähern, flugs waren sie weg und verschwunden.

Das interessanteste Wild auf der Insel aber waren die zahlreichen Pinguine der kleinen blauen Art, die hier eine Hauptstation zu haben schienen.

Einmal in einer schönen Mondnacht schrieen sie so laut vom Strande herauf, dass ich sie durch die geschlossenen Fenster bis in mein Zimmer hörte. Es mussten mehrere Dutzend sein. Ich nahm meine Büchse, kletterte die mir wohlbekannten beschwerlichen Pfade hinab und setzte mich in den Schatten eines Felsblocks um zu lauern. Aber nichts liess sich blicken, obwohl ich fast zwei Stunden blieb.

Die Poesie der Umgebung entschädigte mich reichlich für jegliche Beute. Nur das Anschlagen der glitzernden Wellen gegen die Felsenthore und Klüfte des Ufers, deren groteske Formen im ungewissen bleichen Lichte des Mondes schwammen, unterbrach die feierliche Stille der Nacht. Oben strahlte das südliche Kreuz und weiter nördlich der Skorpion, der zwölf Stunden später auch auf die ferne Heimath herabsah. Geheimnissvolle Stimmen regten sich zuweilen draussen über dem Wasser. Schaaren von Möven schliefen dort auf einsamen Klippen, und häufig stritten sich ein paar von ihnen um die Plätze. Und plötzlich liessen sich dann auch die Pinguine hören, so nahe, dass ich sie sehen zu müssen glaubte. Zuerst begann einer allein sein hässliches Jauchzen und Gurren, andere antworteten ihm, und dann fiel der ganze Chor ein und gurrte und jauchzte so schauerlich und unnatürlich, als ob eine Schaar dämonischer Geschöpfe aus der Apokalypse hinter den nächsten Felsen versteckt war. Dann trat auf einmal wieder Stille ein und nur die Wellen plätscherten leise.

Erst nach langem Suchen gelang es mir, in einer der vielen Höhlen am Strande, in welchen sie sich während des Tages aufzuhalten schienen, drei Pinguine zu fangen. Sie verriethen ihre Anwesenheit durch dieselben gurrenden Töne, die ich schon öfter in der Nacht gehört, und die sie wahrscheinlich erschreckt durch das Geräusch, welches ich beim Herumklettern machte, ausstiessen.

Ich zündete eine Kerze an und kroch auf dem Bauch in die immer enger und niedriger werdende Höhle bis ich nicht mehr weiter konnte. Da sassen denn meine Vögel in einem nur fussbreiten Loch, kein Meter von mir entfernt aber unerreichbar für die Hand, und gurrten und fauchten so giftig, dass ich fürchtete, sie möchten mir ins Gesicht springen, was in meiner eingeklemmten Lage sehr unangenehm werden konnte. Ich blieb ruhig liegen und bohrte mein Licht in den Boden. Das Licht schien die Neugierde der Pinguine lebhaft zu reizen. Sie beruhigten sich und hörten auf zu gurren, da sie nur mehr das Licht beguckten.

Langsam kam jetzt einer heraus aus dem Loch, das seltsame Phänomen genauer zu untersuchen. Auf mich schienen sie ganz vergessen zu haben, da ich mich nicht regte und kaum zu athmen wagte. Immer näher und näher kam er der tückisch auf ihn lauernden Hand. Ein rascher Griff und ich hatte ihn beim Kragen. Er sträubte sich wüthend und biss heftig um sich, seine Kameraden fauchten und gurrten, ich rutschte zurück und steckte ihn draussen in einen mitgenommenen Sack. Ganz auf dieselbe Weise fing ich auch die zwei anderen. Nach zehn Minuten ruhigen Liegens hatten sie mich vergessen und schlichen hervor, das Licht zu begucken.

Den letzten liess ich frei und ins Wasser laufen, um seine Schwimmkunst zu beobachten. Eilig hüpfte er gleichbeinig über die Blöcke des Ufers, bis er das rettende Element erreichte. Dann tauchte er unter und blitzschnell, seine Vogelgestalt in die eines Fisches verwandelnd, war er verschwunden. Nach einer Minute tauchte er einen Büchsenschuss weit entfernt wieder auf, um zu athmen. Ich machte eine Bewegung und abermals war er weg.

Meine zwei Gefangenen brachte ich nach meiner Wohnung, wo ich ihnen eine helle, luftige Kammer einräumte. Trotz aller Bemühungen, ihnen ihren Aufenthalt so komfortabel als möglich zu machen, gelang es mir nicht sie zum Fressen zu bewegen. Ich liess für sie ein grosses Salzwasserbassin und einen kleinen Garten mit Ufergewächsen anlegen, ich gab ihnen lebende Fische und Würmer, ich versuchte sie gewaltsam zu füttern – sie bestanden hartnäckig auf dem Fasten.

In der Nacht fingen sie einmal, als der Mond zu ihnen hereinschien, zu fauchen und zu gurren an und versetzten meine Krankenwärterin, welche neben ihnen schlief, in die grösste Angst und Bestürzung. Das abergläubische Weib glaubte, es seien böse Geister, die ihren Spuk trieben. Da ich mittlerweile einsehen musste, dass alle meine Mühe mit ihnen vergeblich war, so tödtete ich die armen Thiere, um sie nicht länger leiden zu lassen, nachdem sie zwölf Tage gefastet hatten.

An den schönen warmen und windstillen Tagen, die auf die erste Periode der Stürme folgten, ruhte über unserer Insel eine idyllische Sabathruhe, welche, so wohlthuend sie im Anfang war, auf die Dauer langweilig wurde, und ich begann schliesslich mit dem Köter des Leuchtthurmwächters zu sympathisiren, dem unser Mangel an Ereignissen gleichfalls nicht zu behagen schien. Er war ein gutmüthiger struppiger Kerl, der keinem Menschen was zu Leide that. Aber er litt beständig an der schrecklichsten Beschäftigungslosigkeit und rannte oft Tage lang vom Leuchtthurm nach den Baracken und von diesen zum Leuchtthurm hin und her, um zu sehen, ob es nichts für ihn zu thun gäbe. Selbst mitten in der Nacht liess es ihm manchmal keine Rast, er konnte nicht schlafen und trabte dann regelmässig zu mir herauf, um vor meinem Fenster so lange zu heulen, bis ich aus dem Bett sprang und ihn mit einem Prügel den Berg hinabjagte, was indess unserer Freundschaft während des Tages keinen Abbruch that.

 

Bald trat eine zweite Periode der Stürme ein, und es herrschte wieder ein Wetter, wie es für den neuseeländischen Herbst charakteristisch sein soll. Dunkle Wolken flohen heftig über den Himmel, durch deren Lücken die Sonne feine Lichtblicke herabsandte. Ueber Wasser und Land, über Berg und Thal glitten diese als hellstrahlende Inseln dahin, verfolgt von düsteren schwarzen Regenschauern, ein nie aufhörender Wechsel in der Beleuchtung. Dann rüttelte wieder der Wind heulend an unseren leichtgebauten zitternden Häusern, und man war ins Zimmer gebannt.

Ich sah bereits mit Schmerzen meiner Erlösung entgegen, als mir eines Morgens gemeldet wurde, es sei ein Schiff mit der gelben Flagge im Grosstop hereingekommen und liege unten an der Insel vor Anker. Dies war mir keine sehr angenehme Ueberraschung. Denn ein Zuwachs von Kranken wäre gleichbedeutend mit einer Verlängerung meines Amtes gewesen. Uebrigens ging das Schiff am Nachmittag an die Stadt und mir fiel ein Stein vom Herzen.

Am 12. Mai schlug für mich endlich die ersehnte Stunde. Meine bis auf fünf Köpfe zusammengeschmolzenen Kranken waren so weit genesen, dass sie keiner täglichen ärztlichen Beaufsichtigung mehr bedurften. Ich wurde von der Barkasse der Kommissioners abgeholt und siedelte nach Wellington über. Ich war frei.

VI
WELLINGTON

Erste Eindrücke. Lage der Stadt. Sehenswürdigkeiten. Das Museum, der botanische Garten, das Athenäum, der Gerichtshof. Allgemeines über Neuseeland. Der Königin Geburtstag. Die Maoris. Mortalität auf Auswanderersegelschiffen.

Was mir an Wellington, der Metropole Neuseelands, zuerst auffiel, war, dass es durchaus nicht amerikanisch aussah, wie ich von einer so jungen Stadt erwartet hatte. Es fehlte vor Allem jenes Charakteristikum amerikanischer Städte, welches in der Lotterigkeit und Unreinlichkeit der Strassen, in einem gewissen Bombast der Architektur und in der bunten Farbenmenge der Aufschriften besteht. Die Häuser von Wellington sind klein, bescheiden und anmuthig, die Strassen sauber und zu beiden Seiten mit wohleingefassten Trottoiren versehen. Das Ganze trägt den Charakter Old Englands.

Eine Hügelkette tritt nahe ans Ufer vor und zwingt einen Theil der Stadt, sich sowohl terrassenförmig an ihr aufzubauen als auch den seichteren Partieen des Hafens Land abzugewinnen, womit Geröll herbeischleppende Eisenbahnzüge auf der nur wenige Kilometer am westlichen Rande der Bai hin nach einem Dorf namens Hutt River führenden Strecke fortwährend beschäftigt sind. Mag dieses auch viel Geld kosten, und wird auch deshalb viel wegen verfehlter Anlage geschimpft – und wo in der Welt wird nicht geschimpft – die Ansicht von Wellington ist durch solche Terrainschwierigkeiten nur um so hübscher. Der Tourist kümmert sich bekanntlich egoistischer Weise nicht um die Kosten, die eine schwierige Landschaft macht, wenn sie nur das Auge befriedigt.

Ein langes und mächtig breites Pier führt hinaus zum tieferen Wasser, wo die grossen Schiffe liegen. Ihm gegenüber steht das Zollgebäude und die Post. In Folge eines Erdbebens, welches vor etwa zwölf Jahren die Bevölkerung in einen noch jetzt nicht ganz verklungenen Schrecken gesetzt hat, sind alle Häuser von Holz bis auf zwei von Backstein, die deshalb als Merkwürdigkeiten gezeigt werden. Das Holz als Baumaterial thut übrigens dem Styl der Bauwerke keinen Eintrag. Das neue Regierungsgebäude ist ein stattlicher Palast in der gediegensten Renaissance, und die Hauptkirche täuscht dem Fremdling von ferne eine stolze gothische Kathedrale aus weissem Marmor vor, bis er näher tritt, und der Marmor in eitel Tünche sich auflöst. Ueberall sind Gärten zerstreut, in denen der zwar höchst dankbare und nützliche aber unschöne aus Australien importirte Eukalyptusbaum vorherrscht.

Die ersten Tage in Wellington vergingen mir wie die meisten ersten Tage in überseeischen Städten. Man wird von dem deutschen Bruder und Landsmann in Beschlag genommen und als neueste Merkwürdigkeit überall herumgezeigt, man lässt sich treaten und treatet zur Abwechselung selbst, und legt sich am Abend mit schwerem Kopf und mit dem Gedanken, dass es eigentlich sehr viel langweilige Menschen giebt, zu Bett. Das in allen jungen Ländern aufrechterhaltene schöne Prinzip der Ständegleichheit und der in Abstrakto gewiss unanfechtbaren Hochhaltung der Arbeit scheint im grossen Ganzen auf den deutschen Gevatter Schneider und Handschuhmacher nicht sehr vortheilhaft einzuwirken. Er wird leicht unverhältnissmässig selbstbewusst.

Man trägt in Wellington fast niemals Handschuhe und befleissigt sich einer löblichen Enthaltung von Luxus und Kleiderpracht. Rothbackige Kinder tummeln sich auf den freien Plätzen. Reiter mit Marktkörben sprengen vom Lande herein um Vorräthe zu kaufen. Zeitungsjungen schreien mit denselben gellenden Stimmen wie in England oder Amerika ihre Blätter aus.

Ganz besonders unangenehm sind hier die meteorologischen Eigenthümlichkeiten des stürmereichen neuseeländischen Herbstes wegen der Fülle von Staub, die der sandige Boden liefert. Die Windstösse kommen so plötzlich und heftig, dass man oft mehrere Schritte zurückgedrängt wird, und einmal sah ich den grossen Jagdhund meines Hotelwirths von einem solchen dermassen überrascht, dass er schleunig sich umwandte und entsetzt mit eingekniffenem Schwanze davon lief. Es werden schauerliche Geschichten von der Gewalt des Windes erzählt. Manchmal soll es nicht möglich sein das Landungspier zu betreten ohne Gefahr ins Wasser geweht zu werden.

Unter den Sehenswürdigkeiten der Metropole nimmt das Museum die erste Stelle ein. Wie alle derartigen Institute ausserhalb Europas ist dasselbe ziemlich universeller Art. Naturalien und Kunstgegenstände, lebende Thiere und ein Münzkabinett, Waffen und getrocknete Pflanzen, alles Mögliche findet sich neben einander aufgestellt. Von hervorragender Schönheit ist das Innere eines Maoriversammlungsgebäudes, aus stylvollen Holzschnitzereien zusammengesetzt. Unter den Münzen sah ich einen bairischen Sechser neben chinesischen und brasilianischen Geldstücken paradiren. Ein grosser botanischer Garten war erst im Entstehen begriffen. Vorläufig erinnerte in der Wildniss hinter der Stadt, welche diesen Namen trug, nichts als das Verbot Pflanzen abzureissen und Hunde mitzubringen an ihre Bestimmung.

Ich besuchte das Hospital, das Irrenhaus und die Kaserne für die Immigranten, in welcher diese von der Regierung verpflegt werden, bis sie Arbeit gefunden haben, und fand Alles sehr gut und zweckmässig eingerichtet. Meinem Hotel gegenüber lag der Gerichtshof, ein griechischer Säulentempel. Die Richter schwitzen hier unter denselben altmodischen Perrücken wie zu Hause in England. Es wurde eben ein Ehescheidungsprozess verhandelt. Ein Chinese, der erste und letzte, den ich in Neuseeland sah, liess sich von seiner abwesenden weissen Gemahlin, die mit einem Anderen durchgegangen war, trennen. Das zahlreiche Publikum benahm sich ernst und würdig, obwohl das sonderbare Pidschin English des Mongolen die Lachlust erregte, so oft er den Mund aufthat. Neben dem Gerichtshof ist das Athenäum, ein Lesesaal, in welchem alle möglichen Zeitschriften aufliegen. Jede noch so kleine Stadt Neuseelands hat ihr Athenäum, in welchem der gebildete Fremde als Gast stets willkommen ist. Auch einen feinen Klub besitzt Wellington, unser Konsul hatte die Güte mich dort einzuführen. Im grossen hölzernen Theater wurde nicht gespielt, weil keine Schauspieler vorhanden waren. Man erwartete eben aus Melbourne eine für den Winter engagirte amerikanische Mimengesellschaft mit etlichen »Stars«.

Neuseeland macht unter allen Ländern, die ich kenne, den solidesten Eindruck. Man sieht keine Bettler. Es scheint ein mehr allgemeiner Wohlstand zu herrschen ohne die Extreme von Reichthum und Armuth. Die servilen noch immer mit dem Stempel ihrer einstigen Leibeigenschaft gebrandmarkten Bauerngestalten fehlen gleichwie in Amerika. Jedermann ist sich bewusst, im grossen Ganzen eben so viel werth zu sein wie ein Anderer.

Die Hotels sind gut und billig, billiger als bei uns und unvergleichlich besser. Ich habe selten mehr als acht Mark pro Tag bezahlt. »Two Shillings for the Bed and for every Meal« ist der beinahe allgemein übliche in ganz Australien geltende mittlere Satz, wofür bis auf die Spirituosen Alles gewährt wird, was die täglichen Bedürfnisse eines anständigen Menschen verlangen. Dass zu diesen auch ein Badezimmer, bei uns leider noch als Luxusartikel betrachtet, gehört, versteht sich in jedem Lande englischer Zunge von selbst. Keinem Menschen fällt es ein, Trinkgelder zu geben, die einer höheren Kulturstufe überhaupt unwürdig sind. Das Aufwartepersonal wird vom Wirth so gehalten, dass es nicht zu betteln braucht. Die Rubriken für »Bougies« und »Service« und ähnliche schmähliche Prellereien sind unbekannte Dinge. Eine Prostitution weisser Rasse giebt es kaum, oder sie ist auf das menschenmöglichste Minimum reduzirt. Bei der stark überwiegenden Zahl der männlichen Bevölkerung hat jedes neuankommende Mädchen die beste Aussicht, zu heirathen. Weibliche Dienstboten sind deshalb ein äusserst gesuchter Artikel, und die Löhne und Anforderungen derselben dürften nach den Begriffen deutscher Hausfrauen haarsträubend zu nennen sein.

Der Königin Geburtstag (24. Mai), der in die Zeit meiner Anwesenheit fiel, gab mir Gelegenheit, einem militärischen Schauspiel beizuwohnen. Die gesammte Miliz Wellingtons, Infanterie und Artillerie, rückte zur Parade aus. Sie ist ganz eben so gekleidet und equipirt wie die englische. Dass sie im letzten Maorikrieg wenig Erfolge gewann, konnte nicht wundern, wenn man sie sah. Eine grössere Strammheit zeigte die sehr geschmackvoll uniformirte, dunkelgrüne Konstabulary Force, die stehende Söldlingsschaar der Kolonie. Sie rekrutirt sich hauptsächlich aus Mauvais Sujets – jene Menschensorte, die in Bezug auf ritterliche Erscheinung dem Spiessbürger allenthalben überlegen ist.

Meine grösste Aufmerksamkeit zogen natürlich die Maoris auf sich. Man begegnet ihnen in Wellington ziemlich häufig auf der Strasse, und in einem Wirthshaus Namens »Crown und Anchor Hotel«, das sie mit Vorliebe besuchen, um dem Schnapstrinken zu fröhnen, kann man jederzeit sicher sein, eingeborene Zecher zu finden, meist alte Häuptlinge, die hier ohne Beschäftigung von dem Ertrag ihrer Landverkäufe leben. Das Frappanteste bei ihrem ersten Anblick sind die kunstvollen Tätowirungen, in die Haut einziselirte Arabesken von hohem Kunstwerth, welche über und über ihr Gesicht bedecken, so dass es von ferne ganz blau zu sein scheint, und welche ihren harten und grossen Zügen einen starken Ausdruck von Wildheit verleihen. Einige hatten etwas Stolzes und Gebieterisches in ihrer Haltung und trugen den Stempel einer ursprünglich edlen und hochbegabten, jetzt aber immer mehr verkommenden Rasse. Ihre Kleidung ist im Ganzen die der weissen Kolonisten und variirt in allen Graden der Verluderung. Es soll auch Gentlemen unter ihnen geben, und drei davon sitzen im Parlament und sehen nach Photographien zu urtheilen ganz respektabel aus, trotz ihrer Tätowirung, die überhaupt keinem Maoriaristokraten älteren Datums fehlt.

Bei ihren Weibern sieht man zuweilen schöne wohlgebildete Gestalten, aber naturgemäss giebt sich bei diesen die Verkommenheit noch viel deutlicher kund als bei den Männern. Struppig hängen ihnen die ungekämmten Haare in die Stirn herein, ihr meist grellfarbiger Anzug ist unordentlich, und die europäischen Röcke stehen ihnen eben so abscheulich wie allen Wildinen. Häufig hocken sie betrunken auf der Strasse herum. Die Weiber höherer Abkunft sind kenntlich an eintätowirten blauen Ornamenten, die sich auf das Kinn und die Lippen beschränken. Die Sprache der Maoris klang mir äusserst wohllautend. Wenn sie sich unterhalten, so begleiten sie ihre Reden gewöhnlich mit einem sehr lebhaften Mienen- und Geberdenspiel, wie alle leicht erregbaren Menschen. Ihr Jähzorn ist bei den Kolonisten sprichwörtlich geworden, sie sagen von einem jähzornigen Menschen, er habe ein »Maori Temper«.

Man erzählte mir, dass sie noch immer die alte Begrüssungsform des Nasenreibens übten. Ich lauerte aber in Wellington vergebens darauf. Erst später in Tauranga war ich so glücklich, diese eigenthümliche Sitte zu beobachten.

Die Maoris von Wellington wohnen zerstreut in den äusseren ländlichen Theilen der Stadt ungefähr ebenso wie ihre europäischen Nachbarn. Nur im »Te Aro« Viertel sind noch die Ueberreste einer ehemals grösseren Maori-Ortschaft gleichen Namens sichtbar, etwa sechs oder acht erbärmliche schmutzige Holzhütten. Dorthin begleitete ich einst einen mir befreundeten Arzt um einen alten Häuptling, der an Lähmung litt, zu elektrisiren. Ein Dutzend brauner Kerls mit blauen Gesichtern liefen zusammen, Zeugen unserer Zauberei zu sein. Schliesslich formirten wir eine Kette und elektrisirten die ganze Gesellschaft. Es war höchst komisch wie furchtsam sie gegen die geheimnissvoll brummende Maschine sich benahmen, und wie sie überrascht und entsetzt zusammenfuhren, als sie ihre Wirkung fühlten. Obwohl der Strom so schwach war, dass wir beide ihn durchpassiren liessen, ohne einen nennenswerthen Schmerz zu empfinden, schnitten die braunen Kerls Grimassen und stöhnten als ob sie gefoltert würden.

 

Der anständigste und zivilisirteste Maori meiner Bekanntschaft blieb immer mein erster, jener Steuermann der Barkasse, welche bei unserer Ankunft die Hafenkommission an die Euphrosyne gebracht hatte und während meiner Quarantäne fast täglich nach Somes Island gekommen war. Als Staatsangestellter lebt er nüchtern und in geordneten Verhältnissen und pflegt an schönen Sonntagen nebst seiner braunen Gattin und zwei hübschen Kindern festlich geputzt spazieren zu gehen.

Da es mich interessirte, für die Mortalitätsziffer unserer Typhusepidemie an Bord der Euphrosyne einen Massstab zu haben, opferte ich etliche Tage, um in den Akten des Immigrationsamtes nach den entsprechenden Ziffern anderer vor uns angekommener Schiffe zu suchen. Leider war das durch diese gelieferte zweifellos sehr werthvolle statistische Material nicht des Aufhebens werth erachtet worden. Kein Mensch hatte sich darum gekümmert, es war verloren. Nicht einmal die Journale der Schiffsärzte waren vorhanden. Nur durch die Geldabrechnungen der Kassabeamten, die man mit der grössten Liebenswürdigkeit und Liberalität und ohne Bedenken mir durchzumustern gestattete, und nur durch den Umstand, dass kontraktmässig für die auf der Reise Gestorbenen kein Passagegeld gezahlt wird, weshalb jeder Todesfall auch in den Quittungen eine Rolle spielt, erfuhr ich einigermassen was ich wünschte.

Seit dem Beginn des gegenwärtigen Immigrationssystems im Juli 1871 waren im Ganzen 262 Segelschiffe (248 englische, 12 deutsche, 2 norwegische) mit 71 693 Einwanderern von Europa nach Neuseeland abgegangen und bereits verrechnet. Die mittlere Passagierzahl für das einzelne Schiff war 300, die geringste 6, die höchste 651 gewesen. Von diesen 262 Schiffen war eines, der Kospatrick, im November 1874 beim Kap der Guten Hoffnung mit sämmtlichen 429 Passagieren und der ganzen Mannschaft durch Feuer zu Grunde gegangen. Von den übrigen 261 Schiffen hatten einige in Folge von Havarie in Zwischenhäfen einlaufen müssen, wobei fast jedesmal etliche Passagiere desertirten, was dann immer eine Menge Schwierigkeiten, Requisitionen und Auseinandersetzungen für das Immigrationsamt herbeiführte. Nur 38 Schiffe hatten auf der ganzen Reise von 90 Tagen mittlerer Dauer keinen Todesfall zu verzeichnen gehabt. So glücklich waren aber fast nur solche mit weniger als 200 Passagieren und ein einziges mit mehr als 300 gewesen. Im Ganzen zählten die 261 Schiffe (ohne den Kospatrick) 1404 Todesfälle, worunter 588 Säuglinge, 648 Kinder von 1 bis 12 Jahren, 168 Personen über 12 Jahre, »Statute Adults« genannt. Ueber 10 Todte hatten 37, und über 20 Todte 9 Schiffe gehabt. Diese letzteren 9 Schiffe repräsentirten ein Sterblichkeitsverhältniss von 4 bis 10 Prozent. Doch mochten auch unter den übrigen noch genug ebenso schlimme relative Zahlen zu finden sein. Die zugleich relativ und absolut höchste Todtenziffer war 34 von 340 Passagieren, = 10 Prozent. Da unter den 588 gestorbenen Säuglingen viele gewesen sein mögen, die während der Reise geboren waren und deshalb nur als Abgänge nicht aber als Zugänge auf den Listen standen, so fehlt für diese jeder Anhaltspunkt, ihre Mortalität für sich zu beurtheilen. Und auch für die beiden anderen Alterskategorien lässt sich kein spezielles Verhältniss angeben, weil nirgends die gesammte Passagierzahl, sondern blos die Todesfälle nach solchen unterschieden waren.

Da wo eine auffallende Sterblichkeit unter den Kindern herrschte, mögen wohl Scharlach und Masernepidemieen, und wo die Erwachsenen sich überwiegend an der Sterblichkeit betheiligten, vielleicht Typhusepidemieen die Ursache derselben gewesen sein. Im Allgemeinen schien mir hervorzugehen, dass die Sterblichkeit unter gewöhnlichen Verhältnissen ziemlich wenig, durchschnittlich etwa 0,5 Prozent betrug, und dass da wo diese Ziffer erheblich übertroffen wurde, Epidemieen zu Grunde gelegen haben müssen. Immerhin konnte ich mit meiner Euphrosyne-Typhusmortalität von 1,7 Prozent (6 Erwachsene, 1 dreijähriges Kind, aus 397 Personen) den mindestens 9 Schiffen von 4 bis zu 10 Prozent gegenüber ganz beruhigt und zufrieden sein.

Mit dem Hospital sollte ich noch eine intimere Bekanntschaft machen als mir lieb war. Schon während ich die Akten des Immigrationsamtes für meine Mortalitätsstatistik durchmusterte, litt ich so sehr an Kopfweh, dass ich krank zu werden fürchtete, und als ich einige Tage darauf den 200 Meter hohen Mount Viktoria bestiegen hatte, auf welchem die Signalstation für die von draussen hereinkommenden Schiffe eine wundervolle Aussicht auf die Südinsel und den Ozean beherrscht, überfiel mich ein starker Schüttelfrost und eine Mattigkeit, dass ich kaum mehr nach Hause kam. Ich mass meine Temperatur und fand 40 Zentigrade. Dies bewog mich am nächsten Morgen aus dem Hotel ins Hospital überzusiedeln. Ich glaubte nun selbst den Typhus zu haben. Eine Woche später aber war ich wieder gesund und voll frischer Reiselust.

Es litt mich nicht länger mehr in Wellington. Meine anfängliche Absicht, einige der blühenden Städte auf der Südinsel zu besuchen, gab ich auf, da ich diese durch tagelange Dampferfahrten hätte erkaufen müssen. Von der See hatte ich vorläufig genug, und ich beschloss deshalb, durch das Innere der Nordinsel mit seinen berühmten Geysern und seiner zahlreichen Maoribevölkerung nach Auckland zu gehen.

Das Reisen in diesen Gegenden hat heutzutage keine Schwierigkeiten mehr. Poststrassen durchziehen die Wildniss, und fast überall findet man an den Nachtstationen gute Hotels. Eine Menge Touristen aus sämmtlichen Theilen Australiens treibt sich zu Fuss, zu Ross und zu Wagen dort herum.