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Reise durch den Stillen Ozean

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Herr Kleinschmidt schacherte noch mit unserem Gastfreund um den Preis eines kunstvoll aus Schildpatt, Knochen und Perlmutter gefertigten Angelhakens, der von dessen Grossvater stammen sollte und den er nur ungern und zaudernd hergab. Aber der Glanz des schnöden Mammons war ihm unwiderstehlich, und er bat nur, nichts von dem Handel seinen Stammesgenossen verlauten zu lassen. Ein paar scharlachrothe Sulus wurden als Gastgeschenk verabreicht, unsere Burschen beluden sich mit dem Gepäck und wir nahmen Abschied. Manch hübsches Mädchen von gestern sah aus den niedrigen Hütten und winkte uns Grüsse nach »Sa yandre, sa yandre«.

Go Kandavu ist umgeben mit Tarosümpfen wie eine Festung und hat nur einen einzigen Zugang. Wir mussten es also auf demselben Wege verlassen, auf dem wir gekommen waren. Abermals über einen dickbewaldeten, hindernissreichen Berg, auf dessen Gipfel wir rasteten. Zwei ärmliche Hütten mit sehr schmutziger Einwohnerschaft standen in einer Lichtung, in welcher Bergtaro wuchs. So elend und verkommen wie diese Vitifamilie die hier hauste habe ich keine mehr sonst auf Kandavu jemals getroffen. Sie erinnerte an die schlechteste Sorte der Maoris von Neuseeland.

Endlich endlich kamen Zeichen, dass wir uns unserem Freund Charly näherten. Zuerst ein festgetretener Weg und etliche verwahrloste Baumwollenstauden. Der Wald hörte auf und eine sonnige Wiese breitete sich über den Abhang aus. In einem reinlich gejäteten Viereck waren zwischen grossen vulkanischen Felsen Ananasse in Reihen gepflanzt. Daneben Kaffegebüsch, aus welchem bereits die rothen Beeren blinkten.

Ein Haus und ein paar Hütten, wir waren am Ziele. Charly kam uns freundlich entgegen, und hinter ihm die drei grünen Landsleute und die zwei grossen Neufundländerhunde. Charly hatte mittlerweile wieder etwas Deutsch gelernt und war sehr stolz darauf. Er zeigte uns seine braune Gemahlin und seine vier hübschen halbbraunen Kinder. Was uns aber im Augenblick viel interessanter war, er gab uns zu essen, und zwar ein wunderbar duftiges Schweinchen. So gut wie bei Charly hatte ich schon lange nicht mehr gelebt. Und fehlte ihm auch jede Spur alkoholischer Flüssigkeit, so gab es bei ihm einen so ausgezeichneten Kaffe eigenen Gewächses wie ich niemals gekostet zu haben glaubte. Jetzt da ich den guten Kerl zum ersten mal nüchtern sah, machte er einen viel besseren Eindruck als damals in Wailevu.

Charly erzählte mir seine Lebensgeschichte. Er war vor zwanzig Jahren Matrose auf einem Walfischfänger gewesen und seinem Kapitän eines schönen Tages davongelaufen, um sich unter den Viti-Insulanern, die damals noch Menschen frassen, herumzutreiben. Nach vielen Abenteuern hatte er sich hier in Waidule niedergelassen, die Tochter eines benachbarten Dorfhäuptlings geheirathet und dadurch seine Besitzung erhalten. Verbrieft und nach den neuen englischen Gesetzen unzweifelhaft gültig war sein Titel darauf allerdings nicht. Aber er lebte davon. Er hatte Schweine und Hühner, und was er sonst brauchte, wuchs ihm ohne viel Mühe zu machen im Ueberfluss. Monatlich einmal, wenn die Postdampfer kamen, fuhr er mit seinem Boot nach Wailevu, verdiente durch Fährdienste etwas Geld und kaufte sich dafür einen tüchtigen Rausch, um dann in der frohen Erinnerung dieses und in der frohen Erwartung des nächsten die Zwischenzeit nüchtern und idyllisch zu verträumen.

Dieser Platz hier oben heisst Waidule. Unten am Ufer ist eine andere Ansiedelung von Weissen, Nawai mit Namen. Dort wohnte der andere seiner Muttersprache entfremdete Landsmann und ein Engländer, Mister Smith, ebenfalls mit farbigen Weibern zusammen. Es wurde nach ihnen geschickt, und sie kamen herauf, so dass wir bald zahlreiche Gesellschaft hatten.

Die drei grünen Deutschen machten lange Gesichter. Es schien ihnen zu dämmern, dass hier zu Lande doch nicht so leicht Geld zu verdienen sei. Mit der nächsten Post wollten sie nach Levuka gehen um Land zu kaufen, so sehr man ihnen auch allgemein abrieth und die Versicherung gab, dass sie doch wahrscheinlich keines bekämen. Die Regierung hatte in der letzten Zeit alle derartigen Geschäfte suspendirt. Da die Eingeborenen kein Eigenthum in unserem Sinne kannten, so gaben die bereits geschehenen Verkäufe und Verpachtungen von Land zwischen Häuptlingen und Weissen zu allen möglichen Zweifeln und Streitigkeiten Veranlassung. Diese sollten jetzt untersucht und geschlichtet werden, und bis dies geschehen, war kein neuer Vertrag gültig. Am übelsten fühlten sich wohl die beiden Neufundländerhunde auf Viti. Die Zungen hingen ihnen zum Halse heraus, sie sehnten sich offenbar nach dem kühleren Deutschland zurück.

Leider hatte sich Herr Kleinschmidt auf dem letzten Theil des Marsches verletzt und wollte nun mit Charlys Boot über Wailevu nach Hause zurück. Unsere schöne Partie fand somit rasch einen gewaltsamen Abschluss. Es traf sich merkwürdig dass auch Charly und seine Nachbarn die Absicht hatten, heute oder morgen Geschäfte halber dorthin zu fahren. Die ganze Flotte von Nawai, die aus zwei Böten bestand, wurde deshalb schleunig in Dienst gestellt und ausgerüstet.

Wir theilten uns in zwei Partieen. Herr Kleinschmidt und ich, unsere drei Burschen und zwei Leute zum Rudern besetzten das kleinere Boot, die Uebrigen folgten in dem grösseren.

Wir mussten bald einsehen, dass wir eine sehr schlechte Wahl getroffen hatten. Kaum waren wir aus der windgeschützten Bucht hinausgerudert, und kaum kamen die ersten Stösse des Passates um die linke Felsenecke in das Segel geflogen, als sich unser Fahrzeug jäh auf die Seite legte und sich dadurch so rank erwies, dass wir das Segel reffen mussten. Hierbei stellte sich heraus, dass die ganze Takelage in dem lotterigsten Zustand, und dass unsere braune Besatzung eben so ungeschickt als faul war. Mein Freund wurde nervös und hörte nicht mehr zu schelten auf. Zu unserem grössten Verdrusse segelte während dessen das andere Boot glatt an uns vorüber, wir blieben weit zurück und holten es nicht wieder ein.

Es giebt ein kostbares Wort auf Viti, welches den dort von Weissen und Braunen geübten süssen Schlendrian treffend bezeichnet, »Malloa« nämlich. Malloa heisst ursprünglich »Später« oder »Morgen«, jetzt wird es allgemein unter einem leisen Beiklang von Selbstironie angewendet, um mit der obligaten Saumseligkeit auszusöhnen. Drückt man seine Verwunderung aus über den herrschenden Mangel an Pünktlichkeit, frägt man nach dem Zeitpunkt einer zu leistenden Arbeit, dringt man ärgerlich auf rascheres Handeln, man hört stets denselben gemüthlichen Refrain »Malloa«. Auch jetzt mussten wir uns wieder mit »Malloa« vertrösten.

Die Fahrt nach Wailevu wurde ziemlich ungemüthlich, so schön auch der Anblick war, den die in der Abendbeleuchtung ruhenden prächtigen Berge zur Rechten und die an den Korallenriffen sich brechende See zur Linken gewährten. Wir segelten im ruhigen Wasser innerhalb der Riffbarren hin. Gleich einem hohen glänzenden Wall zieht sich draussen die Linie der Brandung parallel den Konturen der vielgebuchteten Insel entlang, rastlos toste und donnerte sie zu uns herüber. Manchmal kamen wir ihr so nahe, dass wir uns kaum noch verstanden. Wir sahen dann, wie jenseits die langen Wogen stetig hinter einander heranrückten, drohend uns zu verschlingen. Aber das Bollwerk stand unerschütterlich, und ohnmächtig zerstoben jene sich nach vorne überstürzend im schäumenden und brüllenden Getümmel.

Ein friedlicheres Bild boten die Palmenhaine und dicht bewaldeten Gründe zur Rechten. Rauchsäulen stiegen überall von den Thälern zum Himmel empor, groteske Felsen sprangen dazwischen zu uns heraus.

Die Nacht senkte sich hernieder, und wir waren noch ziemlich weit von Wailevu. Ueberall konnten Klippen verborgen sein, keiner von uns kannte die Gegend. Die fünf braunen Kerls waren zu nichts zu gebrauchen, und das Boot und die Takelage flössten wenig Vertrauen ein. Haifische sollten hier in Menge lauern, eine unerfreuliche Aussicht im Fall des jede Minute drohenden Kenterns. Ich lag vorne und guckte ins Wasser nach Riffen. Wie war es da anders möglich, als dass mir jede schwarze Stelle des höhlenreichen Grundes ein gefrässiger Haifisch dünkte, der unser Boot zu verfolgen schien.

Zum Glück war der Himmel klar, und die Sterne leuchteten freundlich auf uns herab. Vorne im Westen glühte der Schein eines Waldbrandes. Ich hielt ihn anfänglich für ein besonders schönes Zodiakallicht.

Bis wir in die Angaloa Bai einbogen und die Lichter des Hotels von Wailevu wieder erblickten und mühselig landeten, war es spät geworden. Die Anderen waren schon eine gute Stunde da und hatten bereits Zeit gehabt, sich zu betrinken. Mister Smith hatte sein Frauenzimmer, eine furienartige Erscheinung gemischter Rasse mit triefenden Augen, mitgebracht. Man sagte, er wolle sich ihrer entledigen, indem er sie auf den Kutter nach Levuka zu locken beabsichtige. Ich konnte ihm seinen hinterlistigen Plan bei Gott nicht verdenken. Auch in ihr wütheten die Dämonen des Schnapses. Sie war eben erst in Folge unpassenden Benehmens an die Luft gesetzt worden und durfte für den Augenblick das Wirthshaus nicht betreten. Deshalb lauerte sie draussen vor den Fenstern herum und heulte. Mister Smith, ihr süsser Gemahl, war einmal im Verlauf des Abends so unvorsichtig, hinauszugehen und nach ihr zu schauen. Ein heftiges Gekeife, laut schallende Ohrfeigen draussen im Dunkel der Nacht, und Mister Smith kam mit zerkratztem Gesicht wieder herein, goss sich schnell ein Weinglas voll Schnaps in den Magen und wischte sich langsam vor dem Spiegel das Blut von den Wangen ohne weiter ein Wort zu verlieren.

Am anderen Morgen hatte ich die Genugthuung, zu finden, dass die Brücke über den Bach mittlerweile fertig geworden war, im Gegensatz zu den sonst hier zu Lande allgemein üblichen Vorrichtungen dieser Art, die nur aus zwei drehrunden glatten und dünnen Palmstämmen gebildet sind, ein stolzes Bauwerk. Die beiden Aufgänge waren noch im Entstehen begriffen. Ein Dutzend brauner Bummler trug Steine und Erde herbei, ohne sich allzu sehr anzustrengen. Nach jedem Gang, der zwei faustgrosse Brocken als Resultat hatte, setzten sie sich nieder und bewunderten ihre Leistung. »Malloa«. Unweit davon hockten die Kinder des Dorfes in einer Reihe am Strande und kratzten mit ihren Fingerchen kleine essbare Muscheln aus dem feuchten Boden.

 

Während Herr Kleinschmidt ein Boot zu leihen nahm, um über den Yarambaly-Isthmus zu setzen und nach Hause zu fahren, denselben Weg, den wir zuerst gemacht, zog ich es vor, zu Fuss der vielfach gewundenen Küste entlang zu gehen. Ich passirte zuerst die Dörfer Nuku und Namalatta. Es war Ebbezeit, und die gesammte weibliche Bevölkerung von Namalatta trieb sich auf den blossgelegten Riffen herum und fischte. Einige alte Weiber sassen am Ufer und schuppten mit scharfen Muscheln unbarmherzig die zappelnden Fische, die ihnen kleine Jungen in Körben herbeitrugen.

Nach einem ermüdenden Marsch, abwechselnd durch weichen hässlich nachgiebigen Sand und über grosse schlüpfrige Blöcke, war ich am Nachmittag wieder in Gavatina. Vor allen Palmenhainen, an denen ich vorüberkam, staken drei oder vier lange Stangen in der Erde, an deren Spitze Strohbüschel hingen, das Zeichen des »Tambu«. Denn in Kokosnüssen haben die Eingeborenen ihren Zehnt an die Missionäre und ihre Steuer an die Regierung zu zahlen. Nicht leicht würde ein Viti sich erkühnen dieses Tambu zu brechen und von den verbotenen Früchten zu stehlen. In den meisten Dörfern kann man selbst gegen gute Bezahlung keine Kokosnüsse bekommen, obwohl sie überall in Fülle vorhanden sind. Ein unerschütterliches »Tambu, tambu« antwortet auf alle Bestechungsversuche, und dabei machen die schwarzen Kerls ein Gesicht, als ob ihnen schon die ganze Hölle im Nacken sässe.

XV
BESTEIGUNG DES BUKELEVU

Landung in Dangai. Mandrai und Arrowroot. Improvisirte Naturalienhändler. Ausflug nach Dalingele. Tonganer. Festessen und Kawagelage. Ein schwindsüchtiger Häuptling. Die heissen Quellen. Unfall und Nothzucht. Mühseligkeiten des Bukelevu. Hungersnoth und Kälte. Abstieg. Schneckenfrühstück in Lomadsche. Sonntagstoilette der Insulanerinnen.

Während wir die Partie nach Waidule machten, war Mister Daymac in dem Kutter nach Levuka gefahren, um eine mit der letzten Post von Hamburg über Sydney eingetroffene Sendung von Spiritus und anderen Ausrüstungsgegenständen zu holen. Als wir zurückkehrten war er schon wieder da. Er hatte sehr gutes Wetter gehabt, aber es war ihm das Unglück passirt, in der Nacht auf ein Riff zu stossen. Der Kutter hatte dadurch ein Leck bekommen und musste geflickt werden.

Herr Kleinschmidt requirirte vom Tui etliche zwanzig Burschen, um ihn aufs Trockene zu ziehen, und früh am folgenden Morgen, während ich noch in meinem Zelt auf der Matte lag, kamen dieselben in zwei Kanuus aus Sanima angerudert. Schon von ferne tönte ihr fröhlicher und melodischer Gesang in den herrlichen Morgen unseres stillen noch halb beschatteten Thales herein.

Es galt nun, rasch an die Arbeit zu gehen, ein Brett auf das Leck zu nageln, und schliesslich den ganzen Kutter zu kalfatern und mit Theer anzustreichen. Ein reisender Naturforscher in der Südsee hat sich auf all diese Dinge zu verstehen. Das Reisen ist dort mit Umständlichkeiten und Mühsalen verbunden, von denen man ohne eigene Anschauung nur schwer sich einen Begriff macht. Als der Kutter wieder flott war, zog sein Holz, ausgedörrt von der Sonne, so viel Wasser, dass Herr Kleinschmidt und sein Gehilfe mehrmals in der Nacht aufstehen und in der Jolle hinausfahren mussten, um auszupumpen.

Am 25. Juli endlich war es möglich die zweite Partie unseres Programms, die nach dem Bukelevu, anzutreten. Wir schifften uns auf dem Kutter ein und lichteten Anker. Auch Mister Daymac ging diesmal mit und ausser Niketi noch zwei Kerls von Sanima zum Rudern. Ein günstiger Wind brachte uns rasch über die Korallenriffe und in offene See. Die Ufer wichen zurück, der Bukelevu, der hohe westliche Pfeiler Kandavus, trat uns entgegen.

Allenthalben segelten Kanuus der Eingeborenen, und eines, vollbeladen mit Männern, Weibern und Kindern, fuhr so nahe in gleicher Richtung vorüber, dass ich es flüchtig skizziren konnte, aber auch so rasch, dass ich kaum damit fertig wurde. Der Kutter war ziemlich schwer und durfte es an Schnelligkeit nicht mit den leichten, fast körperlosen Vitifahrzeugen aufnehmen. In allen möglichen Stellungen lag und sass die ob unseres Zurückbleibens laut lachende Gesellschaft auf der Platform zwischen Kanuu und Ausleger vor und hinter dem nach vorne geneigten Mast, häufig von den hüpfenden Wellen bespült. Auf dem Hintertheil standen aufrecht zwei Männer und steuerten mit langen Riemen, die sie im Kielwasser nachschleppen liessen, und die Umrisse ihrer Gestalten zeichneten sich scharf wie Silhouetten gegen den klaren Horizont ab.

Weit im Norden schwammen die duftigen Berge der nächsten Inseln über der blauen Fläche. Links thürmten sich die dunklen Massen des Busches von Kandavu über dem glänzenden Muschelstrand, hie und da kreischten ein paar zänkische oder geschwätzige Papageien aus dem fernen Dickicht bis zu uns herüber. Die glühende Sonne und die frische Brise mischten sich zu einer angenehmen wohlthuenden Wärme. Es war ein Hochgenuss, so dahin zu segeln.

Aber nach kaum vier Seemeilen schlief der schöne vielversprechende Wind ein und machte einer tödtlichen Stille und einer versengenden Hitze Platz. Das Segel fiel von einer Seite zur anderen, und beständig mussten wir uns bücken, um nicht von dem haltlosen Besanbaum bald links bald rechts an den Kopf geschlagen zu werden.

Nun folgten einige recht langweilige Stunden, die wir mit vergeblichem Hoffen auf Wind und kurzen Ruderanstrengungen zubrachten, was aber bei der Schwerfälligkeit des Kutters und bei der Faulheit unserer Burschen nicht viel half. Auch die Eingeborenen in ihren Kanuus mussten jetzt das Segeln aufgeben und sich auf die Riemen werfen. Eines begegnete uns, mit acht grossen Kochtöpfen befrachtet. Hinten standen zwei Männer, jeder mit seinem langen Steuerriemen hin und her arbeitend, sie »frickten«, wie der Seemann sagt, und es sah sehr komisch aus, wie die beiden frei in der Luft stehenden Gestalten dabei gleichmässig hinum und herum wackelten.

Erst gegen Abend erhob sich ein leichtes Lüftchen und brachte uns langsam dem Ziele näher. Jenseits der Namalatta Bai passirten wir den Sitz des weissen Obermissionärs, Richmond Settlement, ein hübsches Gebäude europäischen Styles unter Palmen auf einem Hügel, hinter dem grosse kahle röthliche Flecken in die Berge gebrannt waren, vielleicht um dort Taro zu bauen. Der Bukelevu wurde immer höher und hüllte seinen Gipfel mit dem Sinken der Sonne immer dichter in Wolken. Ein kreisrundes Aussenriff, über welchem die See gleichsam athmend ihre Wogen in tosender Brandung hob und senkte, während wir selbst in unserem Fahrzeug ganz dicht daneben keine Bewegung fühlten, zwang uns zu einem grossen Umweg. Dann machten wir linksum und steuerten geradewegs in die Bucht von Taulalia hinein. Drei Dörfer, rechts Taulalia, links Tanawa und in der Mitte Dangai, lagen vor uns.

Freudig ob des nahen Endes der Fahrt hissten wir unsere deutsche Flagge. Doch wir freuten uns zu voreilig. Kaum waren wir in den Schatten des Bukelevu getreten, als heftige Windstösse vom Lande her in das Segel peitschten und den Kutter rückwärts trieben. Und nicht eher gelang es uns, wieder vorwärts zu kommen, als bis wir die kleine Jolle aussetzten und vorspannten, und alle, auch Herr Kleinschmidt und ich, aus Leibeskräften zu rudern begannen, trotz der unfehlbaren Einbusse die unsere Würde durch solch knechtische Arbeit in den Augen des am Strande versammelten Publikums erleiden musste.

Hinter einer vorspringenden Klippe konnten wir endlich Anker werfen und landen, zum grossen Gaudium des in aufgeregtester Erwartung und lebhaftester Heiterkeit unser harrenden Janhagels. Neugieriges Anstarren, Witze reissen, Kichern und Auslachen seitens der erwachsenen Insulaner, entsetztes Ausreissen der kleinen Nacktfrösche wie immer, einige Grobheiten seitens des Europäerthums. Ein paar Männer kamen, uns die Hände zu reichen und gleich darauf Taro zu unverschämten Preisen anzubieten.

Das Dorf Dangai, vor dem wir gelandet waren, darf sich rühmen, das schmutzigste und ärmlichste zu sein, das ich auf Kandavu gesehen habe. Nachdem wir uns überzeugt, dass in der Unreinlichkeit der Hütten kein Unterschied herrschte, quartierten wir uns in jener ein, die dem Strande am nächsten lag. Das Innere dieser Behausung war braunschwarz geräuchert wie lackirt. Dank dem Rauch, welcher uns die Augen thränen machte, gab es hier keine Moskitos. Dafür wimmelte es von Ameisen, welche sonach weniger empfindlich zu sein schienen und sogleich eifrig die Höhenzüge und Thäler unserer Personen explorirten. Dazu roch es, jedoch nicht nur hier, sondern überhaupt in dem ganzen Dorfe, wie nach einem Gemenge von faulem Käse und faulem Gemüse. Der Stoff, dem dieses scheussliche Odeur entquoll, war Mandrai, das landesübliche Brot, welches hergestellt wird, indem man die Nüsse des Iribaumes zu einem Brei zusammenbäckt und in Bananenblätter gewickelt auf einige Wochen in die Erde vergräbt, um ihn faulen zu lassen. Nur meiner Begeisterung für anthropologische Untersuchungen hatte diese höllische Nahrung es zu verdanken, dass ich meinen Ekel überwand und davon kostete. Der Geschmack war dem Geruch entsprechend.

Es wurde rasch dunkel, und ein langer Abend stand uns bevor. Wir hatten zwar eine Petroleumlampe mitgebracht, bei deren Licht wir lesen konnten, aber der Mandraigeruch trieb mich hinaus. Fröhliches Geschrei und das Fallen von Kokosnüssen lockte mich nach einer Stelle, von wo durch das Ricinusgebüsch unter den Palmen ein lodernder Feuerschein herüberdrang. Nach oftmaligem Stolpern fand ich den Weg dorthin.

Mehrere Männer waren beschäftigt, Arrowroot zu bereiten. In einem Korb lagen die kartoffelähnlichen Wurzelknollen der Amarantha, welche sie auf dem hierzu vortrefflich geeigneten Korallengerüst einer Fungia wie auf einem Reibeisen pulverisirten und in einem halb mit Wasser gefüllten ausgehöhlten Trog sammelten, um es zu schlemmen. Einer der Männer, welcher meine Wissbegierde begriff, zeigte mir die Bedeutung des Trogs, indem er mit der Hand hineinlangte und von dem Pulver heraufholte. Dazu assen sie Kokosnüsse und boten auch mir davon an.

Als ich in die Hütte zurückkam, war man mittlerweile zu dem unvermeidlichen Kawagelage geschritten. Trotz des Mangels an Sauberkeit, der überall auffällig war, that auch ich Bescheid. Hatte ich vorhin Mandrai gegessen, so konnte ich jetzt auch die zweifelhafteste Yankona trinken. Zum Glück wars zu dunkel, als dass ich von dem Vorgang des Brauens etwas zu sehen brauchte.

Lange noch, nachdem die neugierige Menge, die uns bisher Gesellschaft geleistet, sich verzogen, und wir selbst uns zum Schlafen niedergelegt hatten, sangen einige kräftige Stimmen drüben in der Nachbarhütte geistliche Lieder und hielten mich wach. Ich lauschte ihnen und fand abermals, dass die Kirchengesänge dieser Wilden entschieden mindestens ebenso melodisch klingen wie die unserer Bauern. Neugierig, wer denn die Urheber dieses Nachtkonzertes sein möchten, ging ich hinüber, kroch durch die Thüre und fand, als ich bei der spärlichen Beleuchtung die Gestalten allmälig erkannte, dass es unsere Burschen waren, die in sehr unandächtigen Stellungen, auf dem Rücken liegend, die Arme unter dem Nacken gekreuzt und mit den Beinen in der Luft herumgaukelnd ihre frommen Lieder zu Ehren meiner Erscheinung mit doppelter Kraft zu brüllen begannen, während zwei Mädchen daneben sassen und stillvergnügt und stumpfen Gesichtsausdruckes mit Maultrommeln musizirten.

Als ich am nächsten Morgen mich erhob und ausging einen Bach zum Baden zu suchen, antichambrirte bereits draussen vor der Thüre eine ganze Reihe von Männern und Weibern mit Töpfen, Flaschen und Bündeln, lauter improvisirte Naturalienhändler, die mit uns ein Geschäft machen wollten. Der eine hatte ein paar zerzauste, halbgerupfte Papageien, der andere Schmetterlinge, deren Flügel nur mehr aus einigen Fetzen bestanden, ein dritter in einem alten Senftopf, der nicht gereinigt war, eine lebende kleine Schlange, die heftig darin herumfuhr und sich über und über mit den Senfresten beschmierte. Vogeleier halb oder ganz zerdrückt, Nester mit Eiern die nicht dazu gehörten, und womit man Herrn Kleinschmidt naiver Weise zu täuschen beabsichtigte, Käfer und Schnecken, jedoch kein einziges Exemplar ohne Beschädigung, viele Dinge, die unverletzt werthvoll, aber in den Händen dieser achtlosen Sammler vollkommen unbrauchbar geworden waren, alles Mögliche boten sie uns feil. Ein paar Mädchen kamen schlau lächelnd herbei und trugen grosse Töpfe, sorgfältig die Deckel zuhaltend, und als sie öffneten, wimmelten und krabbelten hunderte von grossen, schwarzen Schaben darin. Und da sie nun an uns keine Käufer fanden, entledigten sie sich sogleich, indem sie ihre Töpfe ausleerten, der ekelhaften Thiere, die nun nichts eiligeres zu thun hatten, als schaarenweise in unsere Hütte zu flüchten.

 

Es gab einige seltene Vögel hier. Mister Daymac ging auf die Jagd und schickte durch Jungen die erlegten, sowie er einen geschossen, an Herrn Kleinschmidt, der sie sofort abbalgte. Wir hatten zu dieser Arbeit einen Tisch mitgebracht, aber das Wetter sah trübe aus, hie und da fing es an zu regnen, und häufig mussten wir uns ins Innere der Hütte flüchten, wo man nur auf dem Boden arbeiten konnte, da die Fenster so niedrig waren, dass sie höchstens die untere Fläche des Tisches beleuchteten.

Ich selbst lief einigen Schmetterlingen nach, und ein Eingeborener, der schon den ganzen Vormittag mir gefolgt war, von Zeit zu Zeit, wenn ich mich umdrehte, mich freundlich angrinsend, ohne ein Wort zu sprechen, unterstützte mich leider in meinen Bemühungen. Vergebens suchte ich ihm begreiflich zu machen, dass er mir das Schmetterlingfangen überlassen solle. Sein Eifer mir zu helfen war unabweisbar. Fast jedesmal kam er, gewandter und flinker als ich, mir zuvor und schnappte mit seinen Händen meine Beute weg, um sie dann äusserst befriedigt mir zu überreichen, aber nie ohne sie in seinen täppischen Fingern gründlich ruinirt zu haben.

An der anderen Seite des Dorfes stand ein Ndrallabaum in Blüthe, ein Baum, der im alten Kalender der Vitis eine grosse Rolle spielt. Er gehört zu den wenigen, die alle Jahre ihre Blätter abwerfen, und ehe diese wieder sprossen, treibt er zuerst seine traubenförmigen Blüthen. Sie sind von einer merkwürdig blutrothen Farbe, an die mich später auf Hawaii im Krater des Vulkans Kilauea die kochende Lava des Feuersees lebhaft zurückerinnerte, und prangend in kahlem Astwerk, geben sie mitten in der vollen grünen Vegetation und zwischen den wogenden Palmen einen eigenthümlich fesselnden Anblick. Die Blüthe des Ndrallabaumes bezeichnete ehemals für die Insulaner den Anfang eines neuen Jahres und noch jetzt die Zeit, zu welcher Yams gepflanzt werden muss.

Am Nachmittag unternahmen wir einen Ausflug nach der anderen südlichen Seite der Insel, wo heisse Quellen entspringen sollten. Eine kurze, aber mühselige Wanderung über das Felsengeröll des Ufers, welches den Fuss eines vorspringenden steilen Hügels bildet, brachte uns nach dem Nachbardorf Taulalia, dessen Kirche ebenso wie früher gesehene mit weissen Muschelguirlanden behangen ist. Dann ging es nach links und in südlicher Richtung eine Bergschlucht hinauf, in deren vor den Winden geschützten Tiefen Brotfrucht- und Farnbäume wuchsen, zu beiden Seiten des Weges kunstvoll angelegte Tarosümpfe, die ein geschwätzig murmelndes Wässerchen berieselte.

Hoch oben auf dem Bergsattel, dem Hauptstrebepfeiler des Bukelevu zu unserer Rechten, von wo aus wir wieder vor uns und hinter uns die blaue See mit den herrlich violetten und grünen Korallenriffen und den weissen Schaumlinien erblickten, winkte uns zwischen Bananen eine kleine Ansiedelung, Nambali (vielleicht verwandt mit »Yarambali«), zur wohlverdienten Rast. Zum ersten mal fand ich hier das Innere der Hütten durch nicht ganz bis oben reichende Wände aus Flechtwerk in mehrere Gemächer getheilt, eine höhere Stufe des Baustyls. Dann kam der Abstieg, und rasch gelangten wir auf steilen und engen Pfaden hinunter, theilweise durch einen Forst mit eingestreuten Baumfarnen, wie er schöner selbst in Neuseeland nicht gedacht werden konnte. Eine einsame Hütte, ein paar scheue Mädchen, die eilig ins Gebüsch entfliehen, noch ein Stückchen Wald, ein Palmenhain und wir sind in dem grossen Dorf Dalingele.

Dalingele ist das ansehnlichste und sauberste Vitidorf, welches ich je gesehen habe. Der Häuptling, ein stattlicher Mann von höchstens vierzig Jahren, nur mit dem braungemusterten Sulu aus Tapa bekleidet, kam uns zum Willkomm entgegen.

Von allen bisher kennengelernten Häuptlingen schien dieser am meisten auf seine Würde zu halten. Im Hintergrund seiner Hütte, die durch einen Querbalken und etwas höhere Polsterung unter den Matten von dem übrigen Theile abgesondert war, durften nur er und wir niedersitzen. Vorne sass ein Dutzend Männer jeglichen Alters, seiner Befehle gewärtig, mit denen er nicht sparsam umging, vielleicht nur um uns zu zeigen, wie flink seine Untergebenen gehorchten. Blos ein Junge von etwa zehn Jahren schien das Privilegium strafloser Ungezogenheit zu geniessen und molestirte alle Uebrigen, selbst das Oberhaupt mit seiner frechen, ruhelosen Zudringlichkeit, indem er hier einem den Tabak aus dem Ohrläppchen oder aus dem Turban stahl, dort mit einem Feuerbrand herumfuchtelte und das Gebäude anzuzünden drohte, Alles was er sah für sich in Anspruch nahm und schliesslich auch auf unser Gepäck sein Augenmerk richtete, was er indess nach einer entschiedenen Zurückweisung aufgab. Vielleicht war der ungezogene Junge ein Vasu, jener Neffe des Häuptlings, dem in früheren Zeiten nach einer äusserst merkwürdigen, alten Rechtsüberlieferung der Vitis Alles gehörte, was dem Häuptling untergeben ist. Nur Männer sassen mit uns zusammen, die Weiber des Häuptlings hatten ihre Hütte nebenan für sich, wo sie kochten.

Wir waren gerade zu guter Stunde nach Dalingele gekommen. Denn für denselben Abend war ein grosses Festessen in Vorbereitung. In allen Hütten wurde eifrig gekocht und gepantscht und dabei nicht minder eifrig gelacht und geklatscht. Kokosnüsse, Taroknollen und Tiriwurzeln, Schweine und Hühner sah man in grossen Massen an Stangen von je zwei Männern durch das Dorf tragen und hie und da ganze Kolonnen solcher Träger einherziehen. Weiber mit Haufen frischgewaschener weisser Sulus kamen vom Bache zurück.

Der Priester der Gemeinde war ein Tonganer, und an ihm und seiner Frau sowie an dem achtjährigen Mädchen des frommen Paares, welches allein unter allen Kindern vollständig nackt herumlief, fiel mir zuerst die helle Hautfarbe dieser fremden Einwanderer auf. Es gab überhaupt viele Tonganer hier, und einmal, als ich arglos um eine Ecke biegend plötzlich einer Gesellschaft tonganischer Weiber gegenüberstand, war ich sehr betroffen, da ihre vergleichsweise blassen, fast pomeranzengelben Körper mir momentan den Eindruck machten, als ob ich entkleidete Europäerinnen überrascht hätte. Auch in Bezug auf ihre Gesichtsbildung waren sie wesentlich verschieden von dem Typus der relativ niggerhaften papuanischen Vitis und näherten sich stark den Zügen arischer oder semitischer Rasse. Besonders lebhaft steht mir noch heute ein Mädchen in Erinnerung, das mich durch seine Aehnlichkeit mit jener jüdischen Ladenmamsell frappirte, bei der ich in Hamburg meine Handschuhe zu kaufen pflegte. Ich sah sie zuerst am nächsten Morgen in der Kirche, wo sie züchtiglich das vorgeschriebene Busenschürzchen trug. Als der Gottesdienst aus war, paradirte sie mit einem Bananenblatt ihr orientalisches Lockenköpfchen beschattend so lange vor mir herum, bis ich sie zeichnete, und warf kokett das Busenschürzchen über die Schultern zurück, um mir den Anblick ihrer jungfräulichen pomeranzengelben Formen ungeschmälert zu gönnen.

Ehe die Dunkelheit hereinbrach, ging ich nach dem Badeplatz am Meeresstrand, wo ich grosse Gesellschaft fand. Durch einen wirklichen, echten Wald von Brotfruchtbäumen, in dem ich zum ersten mal einige unreife Brotfrüchte sah, nicht grösser als Pomeranzen, während noch überall Blüthen hingen, schlängelte sich wenige Schritte entfernt ein Süsswasserfaden, sehr bequem gelegen, um nach dem Bad im Meere das Salz von den Gliedern zu spülen. Der ganze Strand war voll von Männern, welche sich nach des Tages Arbeit zum festlichen Mahle wuschen und mit frischen weissblinkenden Sulus schmückten. Sie thaten sehr schamhaft. Denn keinem fehlte ein wenn auch noch so geringfügiges Suspensorium aus schmalen Tapastreifen um die Lenden geschlungen, der »Malo«. Viele gingen mit dem alten schmutzigen Sulu ins Wasser, um ihn danach, sorgfältig wie Weiber sich umblickend, mit dem neuen zu vertauschen.