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Reise durch den Stillen Ozean

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Draussen ertönten die Lalis, und wir gingen zum Gottesdienst. Der Tui sass bereits in seinem Schaukelstuhl. Er wollte ihn grossmüthig und weniger ehrgeizig, als ich erwartet hatte, an mich abtreten, was ich jedoch nicht annahm.

Ich setzte mich auf den Boden zu den alten Männern in der bevorzugten Abtheilung hinter dem Tisch des Missionärs, dem Chor so zu sagen. Uns gegenüber sass die Gemeinde auf dem Boden, rechts von uns die weiblichen, links die männlichen Individuen, alle in frischgewaschenen weissen oder bunten Sulus. Die Weiber trugen sämmtlich den obligaten Pinafore. Nur ein Mädchen, das wahrscheinlich keinen besass, erschien mit unbedeckten Brüsten und suchte sich verlegen hinter die anderen zu verstecken. Ebenso wie der Tui hatten der Missionär und die Alten wohlgeglättete europäische Hemden und darüber den langen Sulu an. Sie sahen viel reinlicher aus als ich, dessen Kleider die Spuren des Regens und des schmutzigen Bootes zeigten. Die »Marama«, die Frau des Tui, kam etwas zu spät und sank in der vordersten Reihe mit derselben ostentativen Frömmigkeit, die bei noblen Damen in Europa Mode ist, zur Erde, das Antlitz tief gebeugt, um sich zu sammeln. Wo sie das wohl gelernt haben mochte. Heute hatte sie ein Hemd und einen gestickten Unterrock an und nahm sich darin affenartig läppisch aus. An Werktagen trägt sie gewöhnlich nur den Sulu.

Der Missionär voran, warfen sich Alle nieder, nicht blos auf die Kniee, sondern auch auf die Ellbogen, und jener sprach sehr ausdrucksvoll und laut ein Gebet.

Die dunkle Gemeinde, die seltsame, demüthige Stellung, in der sie insgesammt auf dem Boden lag, die leidenschaftliche Stimme des Priesters und sein eindringliches, heftiges Flehen, die fremdartigen, sonoren und kraftvollen Laute, von denen ich nur wenige Worte verstehen konnte, bezauberten mich höchst eigenthümlich, wie ich so über die Menschen vor mir hinsah, und ich zuckte nervös zusammen, als ein Hund zur Thüre neben mir hereinschnupperte und mich anbellte.

Die Erwachsenen schienen äusserst andächtig mitzubeten. Nur die liebe Jugend trieb Allotria. Gedankenlos lagen die kleinen braunen Bengel auf dem Bauch, schlegelten mit den Füssen in der Luft herum, musterten sorgfältig die Beine ihrer Vorderleute und zupften sich gegenseitig die Krusten von den zahlreichen Hautabschürfungen. Ein Kirchendiener der zornig hinter ihnen herumschlich und sie mit einem dünnen Drahtstab unsanft in die Weichen stupfte, um sie zur Sittsamkeit zu ermuntern, hatte nur wenig Erfolg. Man kicherte über ihn, sein Drahtstöckchen kam nie zur Ruhe, und draussen vor der Thüre fing ein winziger Nacktfrosch an, auf die Lalis zu trommeln, schleunigst die Flucht ergreifend, als jener mit wüthender Geberde hinaustauchte.

Das Gebet war zu Ende. Der Missionär stand auf, und auch die Gemeinde erhob sich in sitzende Stellung und begann einen wohlklingenden Gesang. Dann folgte eine Predigt. Während des Gebetes kniete der altersschwache Tui vor seinem Schaukelthron, mit ausgestreckten Armen sich an beiden Lehnen festhaltend, wie ein richtiger Asthmatiker, um das mühsame Athmen zu erleichtern. Jetzt setzte er sich in den Sessel, leise schaukelnd, indem er zuhörte.

Von dem Inhalt der Predigt blieb mir das Meiste unverständlich. Aber der leidenschaftliche und doch würdevolle Vortrag des Missionärs, der sonore, tiefe Wohlklang seiner Stimme, die Kraft der vokalreichen, melodiösen Sprache, die mir immer lautete wie italienisch, erbaute mich mehr, als alle in der Muttersprache genossenen Kanzelreden meiner Schulzeit. »Singai« und immer wieder »Singai« (nein) war der öfter wiederkehrende Schluss der Absätze einer längeren Periode, und »Duranga ni Papalang, Duranga ni Tonga, Duranga ni Viti« (der Herr Europa's, der Herr Tonga's, der Herr Viti's – diese drei Länder umfassen die ganze Geographie der Eingeborenen) waren ein paar andere der wenigen Worte, die ich verstand.

Als die Kirche aus war, musste ich noch mit dem Tui, seiner Frau und seiner hübschen Tochter in ihre Hütte treten, die zwar für einen so hohen Fürsten ziemlich eng und düster schien, aber einen grossartigen Moskitovorhang aus buntem europäischem Stoff besass. Da bei dem Mangel eines Interpreten auch diesmal die Konversation nicht recht gedeihen wollte, blieb ich nicht lange. Draussen lauerte bereits ein anderer meiner Freunde auf mich, bei dem ich ebenfalls eintreten musste. Dieser Freund war früher einige Jahre in Levuka gewesen und besass von dort her sein photographisches Konterfei in europäischer Kleidung, und nicht eher durfte ichs aus der Hand legen, als bis ich ihm und seiner Familie meine Bewunderung, was für ein nobler Herr er einstmals gewesen, durch die Geberdensprache verdeutlicht hatte. Er kredenzte mir, in ein Bananenblatt gewickelt, ein Stück langfaserigen gekochten Schildkrötenfleisches, dann gab ich ihm eine Zigarre und liess mir selbst eine von dem Burschen, der nächst dem Feuer hockte, anzünden. Bis sie wieder zu mir kam, ging sie durch drei oder vier Munde, indem jeder, der sie weiterreichte, erst einige Züge daraus für sich in Anspruch nahm.

Der Gottesdienst hatte einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, und beschäftigte lebhaft meine Gedanken, als ich wieder nach Hause fuhr.

Ich bin weit entfernt, ein Freund der Mucker zu sein. Mir ist keine Sorte von Europäern unsympathischer, als jene scheinheiligen Reverends mit ihren weissen Halsbinden, ihren glattgescheitelten Haaren und ihren himmlisch verklärten Gesichtern, denen man in der Südsee so oft begegnet. Es wäre sehr naiv, sich unter diesen Missionären der Südsee aszetische Gestalten, hagere, von Entbehrungen und von der heiligen Leidenschaft für ihren Glauben abgezehrte Märtyrer vorzustellen. Gerade das entgegengesetzte Bild ist in der Regel das richtige. Es lebt sich unter den Palmenhainen der sonnigen Inselwelt sehr angenehm, wenn man Geld genug hat, und daran scheint es den Wesleyanern, dank dem grossen Humanitätssinn und Reichthum Englands und dank den Steuern, die sie den Eingeborenen abzunehmen verstehen, niemals zu fehlen. Ich werde mich wohl hüten, all das zu wiederholen, was ich von Ansiedlern auf Viti und anderwärts über Missionäre habe erzählen hören. Aber wenn auch nur der zehnte Theil davon wahr ist – dies ist ungefähr der Quotient, den ich von den Erzählungen überseeischer Weisser zu glauben pflege – so genügt mir das vollständig, nicht für Missionäre zu schwärmen, so gerne ich das Gute derselben anerkenne. Wie unwürdig die verschiedenen Sekten sich um ihre Proselyten stritten, ist zu bekannt, als dass es einer Erwähnung bedürfte.

Dennoch bin ich überzeugt, dass die Missionäre grosse Verdienste um die Wohlfahrt der Eingeborenen sich erworben haben. Despotie und Kannibalismus des Adels, gegenseitige Furcht, Unsicherheit des Lebens und des Eigenthums, ein Kriegszustand Aller gegen Alle lag schwer ehemals auf der Bevölkerung. Jetzt, in der christlichen Zeit, ist Friede und Ordnung bei ihr eingekehrt. Wenn man auch nicht Alles buchstäblich zu glauben braucht, was in den Berichten der Missionäre steht, so ist doch nicht zu leugnen, dass die Zustände der Vitis in der vorchristlichen Zeit schlimm genug waren, und dass ihre Christianisirung einen höchst erfreulichen Fortschritt herbeigeführt hat. Und wenn die Muckerei sie glücklicher macht, warum sollte die Muckerei schlecht und zu tadeln sein?

Nur möchte ich rufen: Bis hieher und nicht weiter. Gegenwärtig scheinen mir die Vitis gerade auf jener glücklichen Mitte zu stehen, die ihnen noch viele von den Vorzügen ihres heiteren Naturzustandes und zugleich schon das Wesentlichste von den Wohlthaten europäischer Zivilisation zu Theil werden lässt. Trotzdem will man noch immer nicht aufhören, sie zu beglücken.

Man will sie den Lebensbedingungen der Europäer näher und näher bringen. Sie sollen arbeiten, sollen produziren und Steuern zahlen. Was man ihnen damit nützen will, ist mir unklar. Es scheint mir hinter der Maske der Philanthropie, welche diese sogenannten Zivilisationsbestrebungen zur Schau tragen, nur das pfiffige Gesicht des geldgierigen Kaufmanns, der seine schlechten europäischen Exportartikel absetzen will, oder des feisten Pfaffen, dem es um einträgliche Pfründen zu thun ist – bei den Wesleyanern beide in einer Person vereinigt – zu grinsen. Man will diesen glücklichen Menschen Bedürfnisse einflössen, um sie dann gegen Geld oder Geldeswerth zu befriedigen.

Oder sollte man etwa in Anbetracht der Möglichkeit, dass immer mehr Weisse nach den Inseln strömen werden, die Eingeborenen vorbereiten wollen, den Kampf der Konkurrenz aufzunehmen und nicht zu unterliegen? Wenn wirklich eine solche humane Vorsehung beabsichtigt sein sollte, so ist sie sehr verfrüht und sehr illusorisch. Dass ein starker Strom weisser Einwanderung stattfinden wird, ist bei der Abgelegenheit der Südsee-Inseln sehr unwahrscheinlich, und wenn auch, die verhältnissmässig arm bevölkerten Inseln haben Raum für eine zehnfache Menge. Und sollte wirklich innerhalb kurzer Zeit, noch innerhalb der nächsten hundert Jahre, eine thatsächliche Konkurrenz zwischen der weissen und braunen Rasse entstehen, so werden die Eingeborenen hinschwinden, und keine Macht der Erde wird sie daran hindern.

Zwei Elemente stehen sich auf Viti und anderwärts in der Südsee feindlich gegenüber, die Kaufleute und die Missionäre. Beide haben das gleiche Ziel, das herrliche Land und die arglosen Eingeborenen auszubeuten. Dass in diesem edlen Wettstreit auch unlautere Mittel in Anwendung kommen, und zwar auf beiden Seiten, versteht sich von selbst. Es däucht mir, eben, wie der Donna Blanca zu Toledo, dass der Jude und der Christ, dass sie alle beide – nicht viel werth sind.

Diese wesleyanischen Methodisten, die erste Macht der Südsee, haben ihre Hierarchie mit bewundernswerther Umsicht organisirt. Keine Gemeinde auf Kandavu, dessen Bewohner ja alle wesleyanische Christen sind, ist ohne seine Kirche »Hale ni Lotu« (Haus des Glaubens) geheissen. Nur in Richmond Settlement auf der Westseite der Namalatta Bucht ist ein weisser Oberpriester aus England. In den Dörfern versehen Eingeborene den Gottesdienst als Prediger und Vorbeter. Meist wird von diesen nicht blos an Sonntagen mehrmals, sondern täglich ein- bis zweimal Betstunde und Predigt abgehalten.

 

Jedes Dorf hat seinen Häuptling, und alle Häuptlinge zusammen stehen unter einem Oberhäuptling, dem Tui Kandavu zu Wailevu, welcher von dem Gouverneur zu Levuka offiziell anerkannt ist und ein jährliches Gehalt als Staatsbeamter bezieht. Aber neben dem Häuptling herrscht in jedem Dorf auch noch ein brauner Missionär.

Es fehlt also keineswegs an Gelegenheiten zur Frömmigkeit, und es soll Prachtexemplare von Betschwestern unter den Wilden geben. Herr Kleinschmidt erzählte mir, dass er einst einen Diener gehabt, der nie anders als die Bibel unterm Arm mit ihm in den Busch ging, um während der Ruhepausen darin zu lesen. Religiöse Lauheit scheint indess häufiger zu sein. Jeden Sonntag kamen zu uns nach Gavatina eine Menge braune Bummler, welche die Kirche schwänzten und sich lieber mit unseren Affen unterhielten oder verdunkelnd ins Fenster hereingafften, bis Herr Kleinschmidt mit einem kräftigen Fluch sie von dannen scheuchte. Für die Insulaner gilt nur Eine grösste und schwerste Hauptsünde, nämlich am Sabath irgend etwas zu thun, was einer Arbeit ähnlich sieht. Dieses »Tabu« ist so stark, dass selbst Herr Kleinschmidt an Sonntagen sich der Jagd enthielt, um es nicht mit den Eingeborenen zu verderben.

An solchen Tagen der Ruhe machte ich mir manchmal ein Vergnügen eigener Art. Ich legte mich auf den Convolvulusteppich in den Schatten, schloss die Augen und zwang meine Phantasie in die Schrecken eines deutschen Novembers. Ich hörte das Rasseln des Regens und das Klappern des Windes in den flackernden Gaslaternen. Ein schlüpfriges Gemenge von Schmutz, Regen und Schnee bedeckte die Strassen. Mit nassen Füssen, den Regenschirm kurz gefasst und gegen den Wind ankämpfend drängte ich mich durch das Gewühl der anderen Menschen und Regenschirme. Alles war grau und düster, mürrisch und grob, die Häuser mit ihrem russigen Ueberzug, die Wagen, die mich mit Koth bespritzten, die Menschen, der Himmel, die kahlen Bäume. Nun öffnete ich wieder die Augen und erblickte die herrliche Wirklichkeit. Oben lachte der blaue Himmel, vor mir lachte das blaue Meer. Palmen wiegten sich im kühlenden Zephyr. Tausende von Zikaden zirpten, und hie und da flog ein Papagei mit heiserem Schrei über die Szene.

Oefters kreuzte draussen der englische Kriegsschooner vorüber, der sich eben mit Lothungen und Vermessungen zwischen Kandavu und Benga zu beschäftigen hatte, und eines Tages erhielten wir den Besuch eines Bootes mit einem Lieutenant und acht Matrosen. Sie trugen gewichste Stiefel an den Füssen und erschienen mir, der ich schon etwas verwildert war, dadurch als distinguirte Leute. Ihr Kommandant hatte allerdings ebenso wie ich schon längst den Gebrauch einer Taschenuhr sich abgewöhnt und schätzte die Stunden, wenn er vom Schiff weg war, nur mehr nach der Sonne.

Es war eine herrliche Zeit, die ich in Gavatina verlebte, und ich werde stets mit Freude und Sehnsucht an jenes ferne, stille winzige Thal der grossen Erde zurückdenken.

Allerdings fehlte es auch dort nicht an unangenehmen Beigaben des Naturgenusses. Moskitos und Fliegen suchten mir namentlich im Anfang das Dasein zu verbittern, bis ich täglich Gesicht und Hände mit Petroleum einrieb. Am lästigsten waren die Legionen von Fliegen, welche die Nähe der faulenden Abfälle unserer Sammlungen herbeizog, indem sie eine besondere Vorliebe und Geschicklichkeit bekundeten, schnell in die Nasenlöcher zu schwirren, wahrscheinlich in der an sich nicht tadelnswerthen Absicht, ihre Eier hineinzulegen. Mit grosser Bewunderung entdeckte ich an Herrn Kleinschmidt, dass er ruhig auf seinem Tisch fortarbeiten konnte, während ihm dichte Fliegenhaufen in beiden Augenwinkeln sassen, ungerechnet die einzelnen Plänkler, welche über das ganze Gesicht hin- und herstreiften. Nach einigen Tagen konnte ich es auch. Das ewige Schütteln wurde ermüdend und machte Kopfweh. Ich zog es schliesslich vor, die Fliegen gewähren zu lassen, und beschränkte mich, sie durch fortwährendes Blinzeln von dem Innern des Auges fern zu halten. Nur in den Nasenlöchern lernte ich sie nie ertragen.

Noch zwei andere Qualen, die zu den berechtigten Eigenthümlichkeiten aller heissen Gegenden zu gehören scheinen, nämlich Geschwüre und der bekannte Hitzausschlag, von den Seeleuten »rother Hund« geheissen, blieben mir nicht erspart. Gleich in den ersten Tagen hatte ich mir an den Knöcheln kleine Wunden gestossen, und die Fliegen nahmen sofort jede Gelegenheit wahr, sich mit ihnen zu beschäftigen. So lange ich auf Kandavu blieb, heilten diese Wunden nicht und wurden immer grösser und entzündeter, da ich mich nicht schonen konnte und wollte. Auch bei den Eingeborenen beobachtete ich häufig solche kleine eiternde Verletzungen. Gar viele Fälle von »Aussatz« in Reisebeschreibungen mögen zu dieser Kategorie zu rechnen sein. Merkwürdig war mir, dass ich nie einen Wilden sich kratzen sah, obwohl die Moskitos sie eben so wenig wie uns verschonten.

Die höchste Lufttemperatur, die ich während meines kurzen Aufenthaltes in Gavatina am Thermometer ablas, war 32 Zentigrade. Auf ziemlich heisse Tage folgten in der Regel kühle Nächte, so dass ich mich zum Schlafen wärmer ankleiden musste, da ich als Bett nur eine mit Farnkraut unterpolsterte Matte mit einer Decke und einem Moskitonetz darüber besass. Die hervorragendste Eigenthümlichkeit im Klima unseres allenthalben von Busch umgebenen Thales war ein exzessiver Reichthum atmosphärischer Feuchtigkeit. Es wollte mir kaum gelingen, Pflanzen zu trocknen, ohne Feuer oder den Bügelstahl zu Hülfe zu nehmen, und liess ich einmal meine Wäsche über Nacht vor dem Zelte draussen hängen, so war sie am Morgen nässer als vorher.

Frau Kleinschmidt sorgte mütterlich für uns, und wir nannten sie deshalb auch immer Mutter. Wenn wir auszogen aufs Riff oder in den Busch, blieb sie mit Ruma allein zu Hause und kochte für uns, und wenn wir am Abend ermüdet und hungrig zurückkehrten, wartete unser bereits ein würziges Mahl. Die Mutter verstand einen famosen Curry zu machen, und Curry mit Reis war eines der häufigsten Gerichte. Schweine und Hühner, Papageien und Tauben, Zwieback, Schokolade und Kaffe lieferten eine Mannichfaltigkeit des Speisezettels, die man in unserer Wüstenei kaum erwarten konnte.

Hatten wir auch keine Milchkuh, so hatten wir Kokosnüsse. Jeden Morgen mussten uns die Jungen etliche herunterholen und schlachten. Spannerraupen vergleichbar zogen und schoben sie ihre geschmeidigen mageren Körper ruckweise mit Armen und Beinen an den glatten Stämmen empor, kletterten in die Kronen und stiessen mit den Füssen die mächtigen Früchte los, dass sie schwer und dröhnend auf den Boden herabplumpsten. Um sie zu öffnen, wurde ein doppelt zugespitzter Pfahl in die Erde getrieben. Dann nahm man die Nuss in beide Hände und hieb sie kräftig gegen die freie Spitze des Pfahls, so dass er tief in die dicke noch grüne und saftige Faserhülse eindrang, stemmte das durchbohrte Segment derselben durch Hebelbewegungen weg, und wiederholte das Hauen und Stemmen bis die Hülse ringsherum abgerissen war. War so die innere harte Schale befreit, so nahm man einen Stein und schlug an dem unteren Ende kreisförmig eine Kappe los, klappte diese zurück und trank das süsse Wasser der Frucht, die sogenannte Kokosnussmilch, die indess durchaus nicht milchig sondern fast klar, nur wenig getrübt, wie frischer Traubensaft aussieht.

Um die eigentliche Milch zum Kaffe zu bereiten, wurde die Schale in Stücke zerschlagen, das an der Innenseite klebende dicke Fleisch mit gezähnelten Muscheln herausgeraspelt und durch ein Tuch gepresst, was eine köstliche Emulsion gab, schmackhafter als Kuhmilch. Dieses Schlachten der Kokosnüsse war täglich unsere erste Arbeit, bei der mich die hierin viel flinkeren Jungen, die gelegentlich auch ihre kräftigen Zähne zu Hülfe nahmen, regelmässig auslachten. Was von dem Fleisch der Nüsse übrig blieb, erhielten die Schweine und Hühner, die Hunde, die Affen und die Papageien, welche alle sehr gierig darauf waren. Die Affen rissen wüthend an ihren Ketten, die Hunde hörten nicht auf in die Höhe zu springen, die Hühner liefen gackernd zusammen, und freudig fingen die Schweine zu grunzen an, wenn man sich ihnen mit Kokosnuss näherte.

Auch die niedrigeren Thiere scheinen diese Nahrung über Alles zu lieben. Lässt man irgendwo ein Stückchen liegen, gleich ist ein Heer von Ameisen und eine grössere Gesellschaft bedächtiger Eremitenkrebse darum versammelt.

Die Kokospalme ist eine der grössten Wohlthaten der Südsee. Ist auch jetzt die schöne Zeit vorüber, wo der Insulaner Kokosnüsse zu seiner Nahrung verwenden durfte, indem jetzt die Missionäre und die Regierung sie als Steuer beanspruchen und deshalb »tambu« erklärt haben, so liefert sie ihm doch noch in ihren Zweigen das Hauptmaterial seiner Hütten, aus den faserigen Hülsen der Nüsse vortreffliche Stricke, die nicht gedreht, sondern wie Zöpfe dreitheilig geflochten werden, aus den Stämmen Brücken und Bauholz, aus den Nüssen Trinkgeschirre und Wasserbehälter, aus den Blättern Körbe, die überall improvisirt werden können. Braucht der Viti einen Korb, um Taro oder Apfelsinen heimzutragen, schnell hat er ihn zurecht gemacht aus einem einzigen Palmblatt. Die langen Fiedern der beiden Seiten werden gekreuzt fest ineinander geflochten, und ist dies geschehen, so schlitzt er den Blattstiel der Länge nach entzwei, und der Korb ist fertig, die beiden Hälften des Stieles bilden die Ränder.

Sehr viel Komfort gab es allerdings bei unseren Mahlzeiten nicht. Ueberall standen Kisten aufeinandergethürmt, und jedes horizontale Plätzchen war mit Spiritusgläsern und Vogelbälgen, mit Schachteln und Blechbüchsen, Büchern und Instrumenten bedeckt. Musste ja selbst das Bett im Hintergrunde der Hütte zugleich als Waarenlager dienen. Schrotbeutel und Säcke mit Glasperlen bildeten die Kopfkissen, Baumwollenzeug für Sulus die Matratze, und jeder Winkel war mit Pulverflaschen und Angelhaken gespickt. Die scharfe Kante einer Kiste oder ein umgestürzter Topf musste als Sitz genügen, auf den Knieen ruhte der Teller, und dass uns überall mit Arsenik vergiftete Bälge umgaben, störte uns wenig.

Die Hütte war viel zu eng, und schon die Thüre so niedrig, dass man sich bücken musste, um durchzukommen. Häufig auch stiess man mit dem Kopf an die Leichen von Hühnern oder Schweinen, welche zum Braten bestimmt, baumelnd dort hingen.

Wir lebten in der grössten Eintracht zusammen. Nur die Spärlichkeit des Raumes und gelegentliche Gebietsüberschreitungen veranlassten manchmal Grenzstreitigkeiten und Kompetenzzänkereien. Es war durchaus nicht gleichgiltig, wer von uns diese oder jene Büchse aus diesem oder jenem Winkel hervorreichen durfte. Der Nächstsitzende allein war hierzu berechtigt, und jeder hatte ein bestimmtes Sektorgebiet als sein Bereich unter sich. Sonst wurde nur zu leicht eine Kostbarkeit umgestossen.

Wenn wir des Abends so beisammen sassen, drehten sich unsere Gespräche gewöhnlich um die ferne Heimath, und da der Mensch sich immer am meisten nach jenen Dingen sehnt, die er nicht haben kann, so gedachten wir auch nicht selten seufzend des herrlichen Bieres, das es dort giebt. Doch ruhte selbst dann nicht der Sammeleifer. Angezogen durch den Schein unserer Lampe kamen immer eine Menge Insekten herein und fielen der grausamen Wissenschaft zum Opfer. Ueber und unter uns raschelten Ratten durch das Palmstroh der Hütte, und jeden Augenblick sprangen deshalb entrüstet die Hunde auf und suchten kläffend herum. Erwischt aber haben sie nie eine Ratte.

Ich theilte Herrn Kleinschmidts und seiner Gattin primitive Lebensweise nur kurze Zeit, und es gefiel mir. Ganz anders aber wäre es wahrscheinlich gewesen, hätte ich eben so wie sie Jahr aus Jahr ein mit den Beschwerden der tropischen Wildniss zu kämpfen gehabt.

Wenn wir zu Hause in unseren Naturalienkabinetten alle die schönen Thiere betrachten, wie wenig denken wir daran, welche Menge von Schweiss und saurer Arbeit, von Entbehrung und Mühseligkeiten sie gekostet haben, ehe wir uns an ihnen erfreuen können. Wie sehr sind die zahllosen Schwierigkeiten der Tropennatur geeignet, den Pionier der Forschung zu lähmen und verzweifeln zu lassen. Ich muss gestehen, dass Herr Kleinschmidt und seine treue Gattin mir die höchste Bewunderung abnöthigten und wie mit dem Glorienschein des Märtyrerthums umgeben erschienen.