Kostenlos

Neue Frauen

Text
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Sein edler Mannesstolz, den die Emanzipierten so schmählich heruntergedrückt hatten, schwoll wieder zu schöner Höhe. »Hörig!« Also in diesem tollen Getriebe doch wenigstens eine, die die Welt recht verstand. . . . Nun mochte die Emanzipation ihren lärmenden Zug weiter nehmen – gab es doch immer noch reizende und kluge Frauen, die nichts Besseres verlangten, als dem Manne »hörig« zu sein. Er ergriff ihre Hand und küßte die weißlich abgeschabten Fingerspitzen.

»Nicht seine Hörige, seine Königin sind Sie! Kein Weib soll mehr sein wollen als ein Weib!«

In tiefer Rührung schwiegen sie wieder eine Weile. Wenn er jetzt überhaupt irgend einen Menschen auf der Welt beneidete, so war es ihr Mann oder –

»Gnädige Frau, darf ich Sie bitten, mich Ihrem Herrn Gemahl vorzustellen –«

Sie sah ihn groß an.

»Ich bin geschieden! Sie hätten übrigens nicht so viel Diplomatie aufzuwenden brauchen, um es zu erfahren! Sie reißen keine Wunde auf! Es war eine Trennung nach Übereinkommen!«

Diese Trennung an sich war ihm recht sympathisch, nur die sachliche Ruhe, mit der sie davon sprach, verletzte ihn ein wenig. Sie paßte auch nicht zu ihrem weiblichen Wesen. Weiblich! Das war das Zauberwort ihrer kleinen Person. Wie holder, berauschender Duft stieg es von ihr auf, umnebelte seinen Sinn. – – Von draußen klang die Polka immer quellender, immer süßer . . .

Mit einem Male wandte sie den Kopf zu ihm hin: »Ich möchte einmal mit Ihnen tanzen!«

Er zog ihren Arm in den seinen und führte sie hinaus in den Tanzsaal. Eine Sekunde lang standen sie sich noch mit schweigendem Erwartungslächeln gegenüber. Dann legte er seinen Arm um ihren schmalen, kinderhaften Leib – – dahin flogen sie!

Sie tanzte leicht und ohne Anstrengung. Das war nicht weiter erstaunlich. Erstaunlicher wäre es gewesen, wenn dies Nippesfigürchen schwer geatmet und schwer getanzt hätte. Entzückend aber war, daß ihr Tanz etwas sagte. Ohne auch nur mit der leisesten Bewegung die Grenzen des Schicklichen zu verletzen, fühlte er deutlich, daß sie ihm sagen wollte: »Ich bin dir gut.«

Sie hatte eine ganz besondere Art, sich fester in seine Arme zu schmiegen, den Kopf mit einem reizend vertraulichen Neigen an den Seidenaufschlag seines Fracks zu legen. Ihre flockigen Haare erreichten so gerade die Höhe seines Mundes. Wie zufällig senkte er seine Stirn und begrub seine Lippen in diesem wirren, goldstaubigen Gelocke . . .!

Der Tanz war zu Ende. Noch ruhte ihr Arm in dem seinen. Mit glänzenden Augen und fröhlich klopfendem Herzen sahen sie sich an. Sie lächelten wie nach einer ersten Liebesnacht. Ein wenig befangen . . . ein wenig verträumt . . . eine jauchzende Kraft in der Brust, daß man die Welt erobern möchte, und doch wieder eine müde Seligkeit, daß man beim ersten lauten Wort in Tränen ausbricht . . .

Sie bedeckte die Augen mit der freien Rechten.

»Ist Ihnen schwindelig, gnädige Frau?«

»Nein . . . . nein . . . Oder doch, ein wenig . . .«

Er führte sie wieder in das parfümierte Nestchen zurück, ließ sie behutsam in ihren Sessel gleiten.

»Bitt' schön!« sagte sie lächelnd und zeigte mit dem Kopf nach einer Spiegelkonsole. Dort lag ihre weiße Federnboa.

Hinter ihr stehend, legte er ihr das lichte Gekräusel um. Ehe er recht wußte, wie's geschah, hatte er mit der Boa auch seine Arme um ihr Hälschen geschlungen und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sie sagte kein Wort. Sie blickte ihn nur mit großen, schwimmenden Augen an.

Er hätte nicht geglaubt, daß in Deutschland überhaupt so geblickt wird, darum verwirrten diese Blicke ihn mehr, als sich eigentlich mit der Würde eines sturmerprobten Boulevardiers vereinen läßt. Er trat neben sie hin. Ergriff ihre Hände und preßte sie an seine glühenden Wangen.

»Wissen Sie, daß Sie einen toll machen mit diesen Augen?!«

»Ich hoffe es,« sagte sie leise. Um ihre Lippen spielte wieder ein kleines, spöttisches Lächeln. Aus ihren Augen aber, aus ihrer Stimme jagte es her wie ein heißer Windstoß – –

Sie sprachen nichts weiter. Alles andere war ja so selbstverständlich – – –

Kurz ehe sie aus dem Wagen stiegen, wurde er sentimental. Er bog ihr Köpfchen zurück, so daß der weiße Schein der elektrischen Straßenlampe grell über ihr Gesicht glitt. Küßte schier andächtig ihre Augen und fragte flüsternd: »Weißt du denn auch, warum ich dich gleich lieb gehabt habe? Vom ersten Augenblick an?«

Sie drückte ihren Kopf an seine Schulter und lächelte.

»Weil ich nicht zu den neuen Frauen gehöre, sondern zu den ganz uralten. Ja?!«

«Ja, ja!« rief er und küßte sie wieder.

Er riß das Wagenfenster auf, als wollt' er der stillen Nacht verkünden, welche Perle von einem Weibe er sich errungen hatte.

Am nächsten Tag, zu nicht gerade morgendlicher Stunde, erwachte »unser Pariser Berichterstatter« mit einem höchst respektablen Kater. Oder vielmehr, wirr war ihm der Kopf, total wirr. . . . Aus dieser Wirrnis hervor ragte etwas Peinliches, Quälendes . . . etwas, was da stand wie ein dunkler Klotz. Er versuchte, sich noch einmal auf die andere Seite zu legen, den Klotz zu ignorieren, wieder einzuschlafen . . . Es half nichts. Der Klotz blieb da. Das war ein schlimmes Zeichen. Sah beinahe aus wie ein böses Gewissen – –

So blieb ihm denn nichts übrig als aufzustehen. Mit kläglicher Miene hielt er sich die Schläfe, ächzte halb erstaunt, halb weinerlich: »Es ist zu dumm! Zu dumm!«

Die Einzelheiten der Toilette sogar – sonst eine Lieblingsbeschäftigung – vermochten nicht, dies verdüsterte Gemüt zu erheitern. Er brachte die eine Frage nicht aus dem Kopf: »Was war ihm gestern abend eigentlich eingefallen? Ihm, dem hartgesottenen Boulevardier?!«

Ja, hat sich was mit Boulevardier! Das Arrangement dieses ganzen Abenteuers freilich, das verriet Paris! Kommen – sehen – siegen! Er lächelte zufrieden. Gern hätt' er sich selbst auf die Schulter geklopft: »Patenter Kerl!«

Aber – ja, nun kam das Aber oder vielmehr der deutsche Hans Tapps zum Vorschein. Er, ein anständiger deutscher Mann, hatte in einem anständigen deutschen Hause eine anständige deutsche Frau aufgefaßt wie . . . wie . . . Na, er wollte lieber gar nicht erst erörtern wie! . . . Freilich, sie hatte ihrerseits auch nichts getan, um ihm eine andre Auffassung ihrer Persönlichkeit beizubringen. Immerhin aber hatte er die Initiative ergriffen, war er der Mann – – der Verführer!

»Der Verführer!!« Einen Augenblick lang überflutete ihn doch das Dämonische des Wortes. Doch schon im nächsten Moment lächelte er bitter. Er kannte ja seine Landsmänninnen so genau! Entweder reißen sie so viel vom Baum der Erkenntnis herab, daß man sie wegen Baumfrevels belangen könnte, oder – oder sie wollen gleich nach dem ersten Apfelhäppchen geheiratet werden! Zu den letzteren gehörte die goldgetünchte Henny zweifelsohne! »Alte Frauen« in ihren Jahren mit oft geputzten Handschuhen wollen geehelicht werden, im allgemeinen und in Deutschland im speziellen! Darum auch ihre sentimentalen Redensarten von »dem Manne hörig« sein und den »Müttern einer kommenden Generation« . . . Sie hielt ihn für einen Familiensimpel! Er war empört, im Tiefinnersten empört über diese Frau, die seine Wüstlingsseele so schmählich verkannte. Empört auch über sich selbst, daß er sie nicht gleich in ihrem spießbürgerlichen Unwert erblickt hatte und ihr ganz zutraulich auf den Leim gegangen war . . .

Wer war diese Frau überhaupt?

Nichts wußte er von ihr als den Namen und daß sie geschieden war. Wie nun, wenn diese geschiedene Frau Brüder besaß? Brüder, die Offiziere waren? Brüder, die sie zu Hilfe rief, wenn er sich weigerte, ihre Ehre wieder herzustellen?!

Er richtete sich hoch auf.

»Zwingen?! Niemals! Eher fließe mein Blut –«

Einstweilen floß nur der Kaffee und zwar dünn und unerfreulich. Er hatte ihn völlig lieblos zubereitet.

Er rührte in der Tasse.

Natürlich, zwingen, was man so zwingen hieß, konnte ihn niemand! Aber das Aufsehen, das eine solche Sache machen mußte . . . der Skandal. Skandal, kaum daß er den Fuß wieder in die Heimat gesetzt hatte! . . .

Er stöhnte. Verwünschte diesen gestrigen Abend hundertmal.

Nach und nach faßte er sich. Wer weiß, ob er nicht zu schwarz sah? Ob Henny sich nicht mit Versprechungen trösten ließ? Ob ihr selbst ein Eklat nicht peinlich wäre?