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Aus der Reihe: Ein Riley Paige Krimi #3
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Wird gelesen Alashiya Gordes
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“Die Karte haben wir bei ihr gefunden”, erklärte Fowler. “Die Polizei hat sich mit Ishtar Escorts in Verbindung gesetzt und ihren richtigen Namen herausgefunden, was dann dazu geführt hat, dass sie als Halbschwester von Agent Holbrook identifiziert wurde.”

“Irgendeine Idee, wie sie erstickt wurde?” fragte Riley.

“Da sind Verletzungen an ihrem Hals”, sagte Fowler. “Der Mörder könnte ihr eine Plastiktüte über den Kopf gezogen haben.”

Riley sah sich die Verletzungen genauer an. Waren sie das Resultat eines schief gelaufenen Sexspiels oder ein Zeichen für vorsätzlicher Mord? Sie konnte es nicht sagen.

“Was hat sie getragen, als sie gefunden wurde?” fragte Riley.

Fowler öffnete eine Kiste, in der die Kleidung des Opfers lag. Sie hatte ein pinkfarbenes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt getragen – nicht wirklich seriös, dachte Riley, aber definitiv besser als typische Outfits von Straßenprostituierten. Es war das Kleid einer Frau, die sowohl sehr sexy, als auch passend für einen Nachtklub angezogen sein wollte.

Auf dem Kleid lag eine Asservatentüte mit Schmuck.

“Darf ich?” fragte Riley Fowler.

“Nur zu.”

Riley nahm die Tüte aus der Kiste und sah sich den Inhalt genauer an. Das meiste war recht geschmackvoller Schmuck – eine Perlenkette, ein Armband und einfache Ohrringe. Aber ein Gegenstand stach hervor. Es war ein schmaler Goldring mit einem eingefassten Diamanten. Sie zeigte ihn Bill.

“Echt?” fragte Bill.

“Ja”, erwiderte Fowler. “Echtes Gold und echter Diamant.”

“Der Mörder hat sich nicht die Mühe gemacht ihn mitzunehmen”, kommentierte Bill. “Also ging es nicht um Geld.”

Riley wandte sich an Morley. “Ich würde gerne sehen, wo die Leiche gefunden wurde”, sagte sie. “Jetzt gleich, solange es noch hell ist.”

Morley sah sie leicht verwundert an.

“Wir können Sie mit dem Hubschrauber hinbringen”, sagte er. “Aber ich weiß nicht, was Sie sich davon versprechen. Die Polizei und unsere Agenten haben alles durchkämmt.”

“Vertrauen Sie ihr”, sagte Bill wissend. “Sie findet etwas.”

Kapitel Acht

Die große Oberfläche des Nimbo Lake sah still und friedlich aus, als der Helikopter sich ihm näherte.

Aber Aussehen kann trügen, ermahnte Riley sich selbst. Sie wusste nur zu gut, welche dunklen Geheimnisse unter einer ruhigen Oberfläche liegen konnten.

Der Helikopter sank in Richtung Boden und schwebte einen Moment schwankend, auf der Suche nach einem Landeplatz. Rileys Magen rebellierte gegen die unstete Bewegung. Sie mochte Helikopter nicht besonders. Sie sah zu Bill, der neben ihr saß. Ihm schien es ähnlich zu gehen.

Aber als sie einen Blick auf Agent Holbrook warf, kam der ihr seltsam unbewegt vor. Er hatte kaum ein Wort gesprochen auf dem halbstündigen Flug von Phoenix. Riley wusste noch nicht, was sie von ihm halten sollte. Sie war es gewohnt Leute einfach lesen zu können – manchmal einfacher, als ihr lieb war. Aber Holbrook war ihr ein Rätsel.

Der Helikopter fand schließlich einen Platz zum Landen und alle drei FBI Agenten stiegen aus, während sie ihre Köpfe unter den noch rotierenden Hubschrauberrotoren duckten. Die Straße, auf der der Helikopter gelandet war, bestand aus nicht mehr, als parallelen Autospuren im Gras.

Riley bemerkte, dass die Straße nicht häufig genutzt zu werden schien. Trotzdem waren offenbar genug Fahrzeuge in der letzten Woche darüber gefahren, um jegliche Spuren zu verdecken, die auf das Fahrzeug des Mörders hätten schließen lassen können.

Der laute Helikoptermotor erstarb und erleichterte die Unterhaltung, während Riley und Bill Holbrook folgten.

“Was können Sie uns über diesen See erzählen?” fragte Riley Holbrook.

“Er ist einer von mehreren Reservoirs, die durch Staudämme entlang des Acacia Flusses erzeugt werden”, sagte Holbrook. “Das ist der kleinste der künstlichen Seen. Er ist mit Fischen besetzt und er ist ein beliebter Erholungsort, aber die öffentlichen Bereiche sind auf der anderen Seite des Sees. Die Leiche wurde von einem Teenager Pärchen entdeckt, die hier Marihuana geraucht haben. Ich zeige Ihnen die Stelle.”

Holbrook führte sie von der Straße zu einem Steinwall, der den See überblickte.

“Die Kinder waren genau hier, wo wir jetzt stehen”, sagte er. Er zeigte auf den Rand des Sees. “Sie haben dort etwas gesehen. Sie sagen, dass es einfach wie eine dunkle Form im Wasser aussah.”

“Zu welcher Tageszeit waren die Kinder hier?” fragte Riley.

“Etwas früher als jetzt”, sagte Holbrook. “Sie hatten die Schule geschwänzt, um Joints zu rauchen.”

Riley überblickte die Szene, die sich vor ihr ausbreitete. Die Sonne stand tief und die Spitzen der roten Steilwände auf der anderen Seite des Flusses leuchteten auf. Es waren einige Boote auf dem Wasser. Von dem Steinwall aus war es nicht weit bis zum Wasser – wahrscheinlich nicht mehr als drei Meter.

Holbrook zeigte auf einen Punkt in der Nähe, an dem der Abhang nicht so steil war.

“Die Kinder sind dort heruntergeklettert, um sich die Sache näher anzugucken”, sagte er. “Da haben sie herausgefunden, was es wirklich ist.”

Arme Kinder, dachte Riley. Es war fast zwanzig Jahre her, seit sie Marihuana im College versucht hatte. Trotzdem konnte sie sich den gesteigerten Schock vorstellen, den so eine Entdeckung unter dem Einfluss der Drogen ausgelöst haben musste.

“Willst du hinunterklettern und es dir näher ansehen?” fragte Bill.

“Nein, der Blick hier ist gut”, sagte Riley.

Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es genau der Ort war, an dem sie sein musste. Schließlich war es unwahrscheinlich, dass der Mörder die Leiche den gleichen Abhang hatte herunterrollen lassen, den die Kinder heruntergeklettert waren.

Nein, dachte sie. Er stand genau hier.

Es sah sogar so aus, als wäre die Vegetation hier noch immer etwas heruntergedrückt.

Sie atmete tief durch und versuchte sich in seinen Kopf zu versetzen. Er war zweifellos in der Nacht gekommen. Aber war es eine klare Nacht oder eine bewölkte? Zu dieser Jahreszeit in Arizona standen die Chancen gut, dass es eine klare Nacht gewesen war. Und sie erinnerte sich daran, dass der Mond eine Woche zuvor hell gewesen sein musste. Im Licht des Mondes und der Sterne hatte er vermutlich sehr gut sehen könne, was er tat – auch ohne eine Taschenlampe.

Sie stellte sich vor, wie er die Leiche hier ablegte. Aber was hatte er dann getan? Offenbar hatte er die Leiche über den Rand gerollt. Sie war direkt unter ihm in das seichte Wasser gefallen.

Aber etwas an dem Szenario kam Riley seltsam vor. Sie fragte sich wieder, wie er so unvorsichtig hatte sein können.

Sicher, von hier oben aus hatte er vermutlich nicht sehen können, dass die Leiche nicht tief gesunken ist. Die Kinder hatten den Müllsack als “dunkle Form im Wasser” beschrieben. Von dieser Höhe war der Sack wahrscheinlich nicht einmal in einer klaren Nacht sichtbar gewesen. Er hatte angenommen, dass die Leiche gesunken war, wie es frische Leichen in Süßwasser tun, vor allem, wenn sie mit Steinen beschwert sind.

Aber warum hatte er angenommen, dass das Wasser hier tief ist.

Sie blickte hinunter in das klare Wasser. In der späten Nachmittagssonne konnte sie leicht den Vorsprung sehen, auf dem die Leiche gelandet war. Es war eine kleine horizontale Fläche, nicht mehr, als die Spitze eines Felsens. Darum herum war das Wasser schwarz und tief.

Sie blickte über den See. Scharfe Felsen ragten überall aus dem Wasser. Sie konnte sehen, dass der Nimbo See ein tiefer Canyon gewesen war, bevor der Damm ihn mit Wasser gefüllt hatte. Es gab nur wenige Orte, an denen man am Ufer entlanggehen konnte. Die Seite der Steilwand fiel direkt in die Tiefe.

Zu ihrer Rechten und Linken sah Riley Steinwälle, die dem ähnelten, auf dem sie jetzt standen, etwa in der gleichen Höhe. Das Wasser unter diesen Abhängen war dunkel und zeigte keine Anzeichen von möglichen Felsvorsprüngen.

Sie spürte ein Kribbeln.

“Er hat das schon einmal getan”, sagte sie Bill und Holbrook. “In diesem See ist noch eine andere Leiche.”

*

Auf dem Helikopterflug zurück zum Hauptbüro der FBI Außenstelle in Phoenix sagte Holbrook, “Also denken Sie, dass es doch ein Serienmörder ist?”

“Ja, das denke ich”, erwiderte Riley.

Holbrook sagte, “Ich war mir nicht sicher. Ich wollte vor allem jemanden an den Fall bekommen, der gut ist. Aber was haben Sie gesehen, dass Sie überzeugt hat?”

“Da waren andere Steinwälle, die genauso aussahen, wie der, von dem er diese Leiche geworfen hat”, erklärte sie. “Er hat einen von ihnen schon vorher genutzt und die Leiche ist so gesunken, wie sie es sollte. Aber vielleicht hat er die gleiche Stelle nicht gefunden. Oder vielleicht dachte er, das ist die gleiche Stelle. Wie auch immer, er hat das gleiche Resultat erwartet. Er hat einen Fehler gemacht.”

Bill nickte anerkennend. “Ich habe Ihnen gesagt, Sie findet etwas.”

“Taucher werden den See absuchen müssen”, fügte Riley hinzu.

“Das wird dauern”, zögerte Holbrook.

“Es muss trotzdem gemacht werden. Da unten ist irgendwo eine andere Leiche. Darauf können Sie sich verlassen. Ich weiß nicht, wie lange die schon dort ist, aber sie ist da.”

Sie hielt inne und dachte darüber nach, was das über die Persönlichkeit des Mörders sagte. Er war fähig und kompetent. Das war kein armseliger Verlierer wie Eugene Fisk. Er war mehr wie Peterson, der Mörder, der sowohl sie, als auch April, gefangen gehalten und gefoltert hatte. Er war scharfsinnig und selbstbeherrscht, und er genoss es zu töten – eher ein Soziopath als ein Psychopath. Vor allem war er selbstsicher.

 

Vielleicht mehr als ihm gut tut, dachte Riley.

Das könnte seine Achillesferse sein.

Sie sagte, “Der Mann, nach dem wir suchen, ist kein kleiner Krimineller. Ich glaube, dass er ein normaler Bürger ist, recht gut ausgebildet, vielleicht mit Frau und Familie. Niemand, der ihn kennt, denkt, dass er ein Mörder ist.”

Riley beobachtete Holbrooks Gesicht, während sie sprach. Auch wenn sie jetzt etwas über den Fall wusste, was ihr vorher nicht bewusst gewesen war, kam ihr Holbrook immer noch vollkommen undurchdringlich vor.

Der Helikopter zirkelte über dem FBI Gebäude. Die Dämmerung hatte eingesetzt und die Fläche unter ihnen war hell erleuchtet.

“Schau mal”, sagte Bill und zeigte aus dem Fenster.

Riley sah nach unten. Sie war überrascht zu sehen, dass der Steingarten wie ein gigantischer Fingerabdruck aussah. Er erstreckte sich unter ihnen wie ein Willkommensschild. Ein ungewöhnlicher Landschaftsarchitekt hatte entschieden, dass dieses Bild aus Steinen besser zu dem neuen FBI Gebäude passte, als ein bepflanzter Garten. Hunderte von beträchtlichen Steinen waren sorgfältig in geschwungenen Reihen platziert worden, um die Illusion zu erzeugen.

“Wow”, hauchte Riley. “Wessen Fingerabdruck glaubst du, haben sie genutzt? Ich nehme an jemand bekanntes. Dillinger, vielleicht?”

“Oder vielleicht John Wayne Gacy. Oder Jeffrey Dahmer.”

Riley fand den Anblick seltsam beunruhigend. Auf dem Boden würde niemand annehmen, dass die Steine mehr waren, als ein bedeutungsloses Labyrinth.

Es kam ihr fast wie ein Zeichen und eine Warnung vor. Der Fall würde verlangen, dass sie die Dinge aus einer neuen und beunruhigenden Perspektive betrachtete. Sie würde Regionen der Dunkelheit erforschen müssen, die selbst sie sich nicht hätte vorstellen können.

Kapitel Neun

Dem Mann gefiel es, die Nutten auf der Straße zu beobachten. Er mochte es, wie sie zusammen in einer Ecke standen und auf dem Bürgersteig auf und ab stöckelten, meistens zu zweit. Sie waren lebhafter als Callgirls oder Escorts, zeigten schneller ihr Temperament.

Beispielsweise sah er jetzt gerade eine von ihnen eine Gruppe von ungehobelten jungen Kerlen verfluchen, die aus einem langsam fahrenden Auto heraus ein Foto von ihr gemacht hatten. Der Mann konnte ihr das nicht verübeln. Schließlich war sie zum Arbeiten hier, nicht als Verschönerung der Landschaft.

Wo bleibt da der Respekt? dachte er mit einem Grinsen. Die Jugend von heute.

Jetzt lachten die Typen sie aus und riefen Obszönitäten. Aber sie waren ihren farbenfrohen Antworten nicht gewachsen, einige davon in Spanisch. Er mochte ihren Stil.

Er mischte sich heute unter das gemeine Volk, parkte vor einer Reihe billiger Motels, bei denen sich die Straßenmädchen versammelten. Die anderen Mädchen waren im Vergleich zu der, die geflucht hatte, weniger lebendig. Ihre Versuche sexy auszusehen, wirkten eher peinlich und ihre Anmachen waren plump. Während er zusah, hob eine von ihnen ihren Rock hoch, um einem langsam vorbeifahrenden Fahrer ihre knappe Unterwäsche zu zeigen. Der Fahrer hielt nicht an.

Er behielt weiter das Mädchen im Auge, das ihm aufgefallen war. Sie stapfte verärgert herum und beschwerte sich bei den anderen.

Der Mann wusste, dass er sie haben könnte, wenn er wollte. Sie könnte sein nächstes Opfer sein. Alles was er tun musste, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, war langsam am Bordstein entlang auf sie zuzufahren.

Aber nein, das würde er nicht tun. Das tat er nie. Er näherte sich keinen Nutten auf der Straße. Es lag an ihnen zu ihm zu kommen. Es war das gleiche mit den Huren, die er durch eine Agentur oder ein Bordell traf. Er brachte sie dazu sich irgendwo alleine mit ihm zu treffen, ohne direkt danach zu fragen. Es schien immer ihre Idee zu sein.

Mit etwas Glück würde das lebhafte Mädchen sein teures Auto bemerken und in seine Richtung kommen. Sein Auto war wundervolle Beute. Genauso wie die Tatsache, dass er gut angezogen war.

Aber wie auch immer die Nacht endete, er musste vorsichtiger sein, als beim letzten Mal. Er war nachlässig gewesen, hatte die Leiche über die Kante gerollt und erwartet, dass sie sank.

Und was für einen Aufruhr sie verursacht hatte! Die Schwester eines FBI Agenten! Und sie hatten die schweren Geschütze aus Quantico eingeflogen. Das gefiel ihm nicht. Er hatte es nicht auf Bekanntheit oder Ruhm abgesehen. Alles was er wollte, war seinen Gelüsten nachzugeben.

Und hatte er nicht jedes Recht dazu? Welcher gesunde, erwachsene Mann hatte nicht dieses Verlangen?

Jetzt würden sie Taucher in den See schicken und dort nach Leichen suchen. Er wusste, was sie dort finden würden, selbst nach etwas mehr als drei Jahren. Das gefiel ihm gar nicht.

Es war nicht aus Sorge um sich selbst. Seltsamerweise hatte er ein schlechtes Gewissen dem See gegenüber. Der Gedanke an Taucher, die jede Spalte und Nische durchsuchten, erschien ihm obszön und aufdringlich, ein unentschuldbarer Übergriff. Schließlich hatte der See ja nichts falsch gemacht. Warum sollte er belästigt werden?

Wie auch immer, er machte sich keine Sorgen. Sie würden die beiden Opfer nie zu ihm zurückverfolgen können. Das würde einfach nicht passieren. Aber er war fertig mit dem See. Er hatte sich noch nicht entschieden, wo er das nächste Opfer beseitigen würde, aber er war sich sicher, dass er zu einer Entscheidung kommen würde, bevor die Nacht vorbei war.

Jetzt schaute das lebhafte Mädchen auf seinen Wagen. Sie fing an mit schwingenden Hüften auf ihn zuzukommen.

Er rollte das Beifahrerfenster herunter und sie steckte ihren Kopf herein. Sie war eine dunkelhäutige Latina, mit dickem Eyeliner, buntem Lidschatten und geschwungenen Augenbrauen, die tätowiert zu sein schienen. Ihre Ohrringe waren große, goldfarbene Kreuze.

“Netter Wagen”, sagte sie.

Er lächelte.

“Was macht ein nettes Mädchen wie du noch so spät hier draußen?” fragte er. “Ist es nicht schon längst Schlafenszeit?”

“Vielleicht möchtest du mich ins Bett bringen”, sagte sie lächelnd.

Ihre Zähne kamen ihm erstaunlich sauber und gerade vor. Tatsächlich sah sie insgesamt sehr gesund aus. Das war sehr selten hier auf der Straße, wo die meisten Frauen sich in variierenden Etappen einer Meth-Abhängigkeit befanden.

“Ich mag deinen Stil”, sagte er. “Sehr chola.”

Ihr Lächeln wurde breiter. Er konnte sehen, dass sie es als Kompliment auffasste ein Latina Gangbanger genannt zu werden.

“Wie heißt du?” fragte er.

“Soccoro.”

Ah, “socorro”, dachte er. Spanisch für “helfen”.

“Ich wette du bist großartig im socorro”, sagte er anzüglich.

Ihre dunkelbraunen Augen starrten genauso anzüglich zurück. “Du siehst aus, als könntest du gerade ein wenig socorro gebrauchen.”

“Vielleicht könnte ich das”, sagte er.

Aber bevor er einen Preis verhandeln konnte, hielt ein Wagen auf dem Platz neben ihm. Er hörte einen Mann aus dem Fahrersitz rufen.

“¡Socorro!” rief er. “¡Vente!”

Das Mädchen richtete sich auf, wobei sie wenig überzeugend einen genervten Gesichtsausdruck zeigte.

“¿Porqué?” rief sie zurück.

“Vente aquí, ¡puta!”

Der Mann entdeckte eine Spur von Angst in den Augen des Mädchens. Das lag sicher nicht daran, dass der Mann im Auto sie eine Hure genannt hatte. Er nahm an, dass der Mann ihr Zuhälter war und kontrollierte, wie viel Geld sie bis jetzt gemacht hatte.

“¡Pinche Pablo!” Sie murmelte die Beleidigung für jede Gelegenheit vor sich hin. Dann ging sie in Richtung des Autos.

Der Mann blieb sitzen und fragte sich, ob sie zurückkommen würde und noch mit ihm mitfahren wollte. So oder so, es gefiel ihm nicht. Warten war nicht sein Stil.

Sein Interesse an dem Mädchen schwand. Nein, er würde sich nicht die Mühe machen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Glück sie hatte.

Außerdem, was machte er hier überhaupt in dieser heruntergekommenen Ecke? Sein nächstes Opfer sollte stilvoller sein.

Chiffon, dachte er. Er hatte Chiffon schon fast vergessen. Aber vielleicht sollte ich sie mir lieber für eine besondere Gelegenheit aufsparen.

Er konnte warten. Es musste nicht heute sein. Er fuhr davon, suhlte sich in seiner Selbstbeherrschung, trotz der enormen Gelüste, die er verspürte. Er hielt das für eine seiner besten Eigenschaften.

Schließlich war er ein sehr zivilisierter Mann.

Kapitel Zehn

Die drei jungen Frauen im Befragungsraum sahen nicht so aus, wie Riley erwartet hatte. Sie hatte sie kurz durch den Einwegspiegel betrachtet. Sie waren geschmackvoll angezogen, fast wie gut bezahlte Sekretärinnen. Ihr war mitgeteilt worden, dass ihre Namen Mitzi, Koreen und Tantra waren. Natürlich war Riley sich sicher, damit nicht ihre richtigen Namen zu kennen.

Riley bezweifelte außerdem, dass sie sich genauso ordentlich anzogen, wenn sie arbeiteten. Für 250 Dollar pro Stunde hatten sie sicherlich in aufwendige Garderoben investiert, um die Fantasien von jedem Kunden erfüllen zu können. Sie waren Kolleginnen von Nancy “Nanette” Holbrook bei Ishtar Escorts. Die Kleidung, die Nancy Holbrook zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hatte, war deutlich weniger stilvoll gewesen. Aber, nahm Riley an, wenn sie nicht gerade bei der Arbeit waren, wollten die Frauen wahrscheinlich respektabel aussehen.

Auch wenn Prostituierte schon vorher in Fällen eine Rolle gespielt hatten, die Riley untersuchte, war es doch das erste Mal, dass sie so nah und unvermittelt mit ihnen zusammenarbeiten würde. Diese Frauen waren selber potenzielle Opfer. Sie könnten sogar potenzielle Verdächtige sein, auch wenn so gut wie alle Morde dieser Art von Männern ausgeführt wurden. Riley war sich sicher, dass keine dieser Frauen die Art von Monster waren, die sie jagte.

Es war später Sonntagnachmittag. Am Abend zuvor hatten Riley und Bill ihre separaten, gemütlichen Hotelzimmer bezogen, nicht weit vom FBI Gebäude entfernt. Riley hatte mit April telefoniert, die in einem Hotel in Washington, DC, angekommen war. April war fröhlich und aufgekratzt gewesen und hatte ihre Mutter gewarnt, dass sie nicht wirklich Zeit für Telefonanrufe hatte. “Ich texte dir Morgen”, hatte April gerufen und versucht das Stimmengewirr im Hintergrund zu übertönen.

Riley hatte das Gefühl, das bereits zu viel des Tages verschwendet worden war. Es hatte fast den ganzen Tag gedauert die Prostituierten ausfindig zu machen und ins Büro zu bringen. Riley hatte Spezialagent Elgin Morley gesagt, dass sie mit den Frauen alleine reden wollte. Vielleicht wären sie offener, wenn keine Männer zugegen waren. Jetzt wollte sie die Frauen zunächst beobachten und ihnen ungesehen zuhören, bevor sie den Raum betrat. Durch die Lautsprecher konnte sie die Unterhaltung hören.

Ihr Stil und ihre Persönlichkeiten waren markant. Die kleine, blonde, dralle Mitzi zeigte ein gewisses Kleinstadt-, Mädchen-von-nebenan-Image.

“Also, hat Kid dich gefragt?” wollte Mitzi von Koreen wissen.

“Noch nicht”, erwiderte Koreen mit einem verschwörerischen Lächeln. Sie war eine schlanke Brünette mit einem Hauch der Eleganz einer Ballerina. “Ich glaube aber, dass er den Ring gekauft hat.”

“Will er immer noch vier Kinder haben?” fragte Mitzi.

Koreen lachte laut auf. “Ich habe ihn auf drei heruntergehandelt. Aber nur unter uns, er bekommt nicht mehr als zwei.”

Mitzi stimmte in Koreen Lachen ein.

Tantra gab Koreen einen kleinen Schubs mit dem Ellbogen. Sie war eine große Afroamerikanerin mit einem hellen Teint. Sie schien die glamouröse Ausstrahlung eines Supermodels zu haben.

“Sorg' nur dafür, dass er nicht herausfindest, was du beruflich machst, Mädel”, sagte Tantra.

Alle drei Frauen lachten fröhlich. Riley war überrascht. Diese drei Prostituierten redeten darüber Familien zu haben, wie jede andere Frau beim Frisör. War diese Art von Normalität wirklich auch nur für eine von ihnen möglich? Sie konnte sich das nicht vorstellen.

Riley entschied, dass die Frauen lange genug gewartet hatten. Als sie den Raum betrat, konnte sie spüren, wie sich die entspannte Atmosphäre sofort zerschlug. Jetzt waren die Frauen sichtlich nervös.

“Ich bin Agentin Riley Paige”, sagte sie. “Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.”

Alle drei Frauen stöhnten auf.

 

“Oh Gott, nicht noch mehr Fragen!” sagte Mitzi. “Wir haben schon mit der Polizei geredet.”

“Ich stelle meine Fragen lieber selber, wenn es Ihnen nichts ausmacht”, sagte Riley.

Mitzi schüttelte den Kopf. “Das fühlt sich langsam an wie Belästigung”, sagte sie.

“Was wir machen ist vollkommen legal”, sagte Koreen.

“Es ist mir egal, was Sie machen”, sagte Riley. “Ich bin FBI Ermittlerin, kein Richter.”

Koreen murmelte kaum hörbar, “Als ob.”

Mitzi sah auf ihre Armbanduhr. “Können wir es kurz machen?” fragte sie. “Ich habe noch drei Klassen heute.”

“Wie viele Credits machst du dieses Semester?” fragte Koreen.

“Zwanzig”, erwiderte Mitzi.

Koreen sog scharf die Luft ein. “Das ist ‘ne ganz schöne Menge.”

“Ja, ich weiß, ich will meinen Abschluss so schnell wie möglich machen.”

Riley war wieder überrascht.

Mitzi geht aufs College, dachte sie.

Sie hatte gehört, dass Frauen, die eine höhere Ausbildung wollten, manchmal Prostitution wählten, um ihre Studiengebühren zu bezahlen. Mit dem Geld, was sie verdiente, würde sie vielleicht nicht so viele Schulden machen müssen. Trotzdem erschien Riley das Ganze seltsam beunruhigend.

“Ich versuche es kurz zu halten”, sagte Riley. “Ich will nur mehr über Nanette wissen.”

Koreens Gesichtsausdruck wurde plötzlich nachdenklich. “Arme Nanette”, sagte sie.

Aber Mitzi schien unbeeindruckt. “Was Nanette passiert ist, hat nichts mit uns zu tun”, sagte sie.

“Ich fürchte doch”, sagte Riley. “Wir haben gute Gründe anzunehmen, dass es sich bei dem Täter um einen Serienmörder handelt. Und ich kann Ihnen aus jahrelanger Erfahrung sagen, dass Serienmörder unerbittlich sind. Er wird wieder töten. Und eine von Ihnen könnte das nächste Opfer sein.”

Mitzi verzog verächtlich das Gesicht.

“Auf keinen Fall”, sagte sie. “Wir sind nicht wie Nanette.”

Jetzt war Riley geschockt. Konnten diese Frauen tatsächlich naiv genug sein zu denken, dass ihr Job eine sichere Arbeit war?

“Aber Sie arbeiten für die gleiche Agentur und machen die gleiche Arbeit”, hielt Riley dagegen.

Mitzi fing an sich zu verteidigen.

“Hey, ich dachte, Sie wollte uns nicht verurteilen”, sagte sie. “Sie können ihre Nase rümpfen so viel Sie wollen. Aber was wir tun, ist so respektabel, wie diese Sache nur sein kann. Und auch so sicher. Wir können Klienten ablehnen, die wir nicht mögen. Wir haben nur geschützten Sex und regelmäßige Kontrollen, also haben wir keine Krankheiten. Wenn ein Typ zu pervers oder gewalttätig wird, dann können wir gehen. Aber dazu kommt es normalerweise nicht.”

Riley wunderte sich über das Wort “normalerweise.” Sicherlich brachte ihr Job sie manchmal in recht dunkle Ecken. Und wie “sicher” konnte bezahlter Sex wirklich sein? Wie lange konnten sie weitermachen, ohne AIDS zu bekommen?

“Soweit es Nanette betrifft”, fuhr Mitzi fort, “war sie auf dem Weg nach unten. Sie hat ihre Klasse verloren. Sie hat Kunden außerhalb der Agentur getroffen, hat Drogen genommen und ihre Gesundheit und ihr Aussehen aufs Spiel gesetzt. Sie wäre nicht mehr lange bei Ishtars geblieben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie gefeuert wird.”

Riley machte sich Notizen und beobachtete die Frauen, im Versuch sie besser zu verstehen. Nach und nach spürte sie etwas hinter ihren gelassenen Gesichtern. Sie war sich sicher, dass es Verleugnung war. Sie weigerten sich zu akzeptieren, dass sie auf der Verliererseite des Lebens standen und dass sie früher oder später genauso absteigen würden wie Nanette. Ihre Träume von Familie, Ausbildung, und Erfolg waren letztendlich zum Scheitern verurteilt. Und tief drinnen wussten sie es.

Riley bemerkte, dass Tantra in die Leere starrte. Sie hatte etwas zu sagen, aber war offenbar noch nicht so weit.

Riley sagte, “Wir glauben, dass Nanette vor etwa einer Woche getötet wurde, wahrscheinlich am Samstag. Wissen Sie wer in dieser Nacht ihr Kunde war?”

Koreen zuckte mit den Achseln. “Keine Ahnung.”

“Ich auch nicht”, sagte Mitzi. “Das geht uns auch nichts an, da müssen Sie schon Ishtar fragen.”

Riley wusste, dass die örtlichen Agenten bereits nach der Betreiberin der Agentur suchten.

“Was ist mit anderen Arbeitsplätzen?” fragte Riley.

“Wir haben einen Vertrag mit Ishtar”, sagte Mitzi bestimmt. “Es ist uns nicht erlaubt Arbeit durch eine andere Agentur oder auf eigene Faust zu suchen.”

Die anderen beiden Frauen sahen auf den Boden und vermieden es Riley in die Augen zu sehen. Sie stellte die Frage direkter.

“Hat Nanette irgendwo anders gearbeitet? Ist sie jemals weggegangen, ohne die Verabredung durch Ishtar festgemacht zu haben?”

Im Raum herrschte Schweigen. Schließlich sagte Tantra kaum hörbar, “Sie hat mir gesagt, dass sie gerade angefangen hat bei Hank's Derby zu arbeiten.”

“Was?” rief Mitzi überrascht.

Sie wollte nicht, dass ich es jemandem erzähle”, sagte Tantra leise.

“Meine Güte”, sagte Mitzi. “Also hat sie sich in eine Rastplatzhure verwandelt. Sie war schon weiter unten, als ich dachte.”

Rileys Verstand summte vor lauter Fragen.

“Was ist eine 'Rastplatzhure'?” hakte sie nach.

“Das ist die unterste Klasse von Huren”, erklärte Koreen. “Sie arbeiten an LKW-Rastplätzen, wie Hank's Derby. Das ist wirklich der absolute Tiefpunkt.”

“Sie war einfach so auf Drogen”, sagte Tantra. “Sie bekam nicht mehr so viele Kunden von Ishtar wie früher. Sie hat mir gesagt, dass sie nicht genug verdient um sich zu kaufen, was sie braucht. Sie meinte, dass sie es nebenher macht. Ich habe ihr gesagt, wie gefährlich das ist. Ich meine, Straßenmädels verschwinden von Rastplätzen ohne Spur, das passiert immerzu. Aber sie wollte nicht auf mich hören.”

Eine dunkle Wolke senkte sie über die Frauen. Riley nahm nicht an, dass sie noch sehr viel mehr brauchbare Informationen für sie hatten. Sie hatten ihr bereits eine neue Spur gegeben.

“Das ist alles”, sagte Riley.

Aber als sie aufstanden, um zu gehen, fingen die Frauen wieder an sich zu unterhalten, als wäre nichts passiert.

Die verstehen es wirklich nicht, dachte Riley. Oder sie wollen es nicht verstehen.

“Hören Sie zu”, sagte sie deshalb, “der Mörder ist gefährlich. Und es gibt noch viele andere wie ihn da draußen. Sie machen sich selbst zur Zielscheibe. Wenn Sie glauben, dass das, was Sie tun sicher ist, dann lügen Sie sich nur selber an.”

“Und wie sicher ist Ihr Job, Agentin Paige?” fragte Mitzi.

Diese scharfe Erwiderung machte Riley sprachlos.

Vergleicht sie wirklich ihre Arbeit mit meiner?

Als sie den Frauen nach draußen folgte, verdüsterte sich Riley Stimmung. Die Situation der Frauen erschien ihr ebenso hoffnungslos, als wären sie gewöhnliche Straßenmädchen. Auf eine Weise schien es ihr sogar schlimmer. Der künstliche Anschein von Seriosität verdeckte ein Leben voller Erniedrigung, sogar vor ihnen selbst. Aber es gab nichts, was sie sagen oder tun konnte, um ihnen das bewusst zu machen.

Riley war sich sicher, dass der Mörder nicht aufhören würde Prostituierte zu töten. War sein nächstes Opfer gerade mit ihr in einem Raum gewesen, oder würde er ein anderes Mädchen packen, das Riley noch nicht getroffen und gewarnt hatte.

*

Riley suchte im Flur des Büros nach Bill, als ihr Handy vibrierte. Sie sah, dass es ein Anruf von Quentin Rosner war, dem Leiter des Taucherteams, das den Nimbo Lake durchsuchte.

Ihr Herz schlug schneller. Sicherlich hatten er und seine Taucher mittlerweile die zweite Leiche gefunden.

“Hallo, Herr Rosner”, antwortete sie eilig.

Die Stimme an der anderen Leitung sagte, “Ich habe Spezialagent Morley angerufen. Er meinte ich solle Ihnen direkt Bericht erstatten.”

“Gut”, sagte Riley. “Was haben Sie für mich? Haben Sie die andere Leiche im See gefunden?”

Sie hörte ein leises, stimmloses Grummeln, gefolgt von, “Agentin Paige, Sie werden nicht mögen, was ich Ihnen jetzt sage.”

“Also?”

“Da ist keine Leiche im See. Es ist ein großes Gebiet, aber wir haben alles abgesucht.”

Riley konnte ihren Ohren nicht trauen. Hatte sie falsch gelegen?

Nein, sie war sich sicher, dass Nancy Holbrooks Mörder schon vorher eine Leiche in diesem See entsorgt hatte. Das erklärte, warum er nicht zum Wasser gegangen war, um sicherzustellen, dass sein neuestes Opfer in den Tiefen des Sees verschwunden war.

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