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Briefe aus Aulestad an seine Tochter Bergliot Ibsen

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Dein Freund Vater.
30. April 1890.

Mein lieber, süßer Schatz, wie schön ist es jetzt, einen Brief von Dir zu bekommen, weil Deinem Gemüt eine feste Hoffnung aufdämmert; Du wirst sicherer und stärker dadurch. Es ist, als wäre jeder Brief eine Meile näher dem Ziele geschrieben, es ist, als hättest Du jedesmal geloggt und nachgerechnet und die Fahrt für gut befunden. Und die Zeugnisse anderer sagen dasselbe. Wir warten und warten auf Dich wie auf die Frühlingsschwalbe. Möchtest Du nun auch Glück haben zur Lebensfahrt und nicht wie ich Gegenwind das ganze Leben, – obschon er die Flagge so fröhlich wehen läßt.

Jetzt sollst Du aber hören: ein Franzose, Crépieux-Jamin, ist Graphologe (Schriftdeuter), und hat aus Dänemark drei Handschriften zugesandt bekommen: die Mark Twains, der Gräfin Danner und meine. Ich habe den dänischen Übersetzer seines Buchs gebeten, Dir ein Exemplar zu schicken, und da kannst Du selbst sehen, was er über mich sagt nach der Handschrift. Mutter und ich sind ganz platt. Ja, Du wirst ja sehen!

Wir werden Dir Garborgs neues Buch schicken, oder Du kannst es lesen, wenn Du hierher kommst. „König Midas“ besitzen wir nicht. Wir erwarten heute Kristofersen und vielleicht Lunde. Immer noch liegt Schnee in allen Spalten und am Wald; aber der Tag ist schön, der Altan ein Schutzdach gegen frische Brise, und der Bau drüben reift im Verein mit den Bäumen dem Sommer entgegen. Jetzt haben wir unser Haus wieder für uns, die Küche wird renoviert, und es ist still hier. Ein Frühlingstag in Norwegen zwischen den Bergen ist reicher als jeder andere, weil die Seele, die wir ihm entgegenbringen, gewaltiger sich sehnt und mehr erhofft, als dies anderen Völkern in einer andern Natur möglich ist.

Gestern las ich eine schwedische Kritik über mein letztes Buch; ich glaube, ich sende sie Dir. Sie war glänzend. Es heißt dort (nach einem andern schwedischen Kritiker), daß B. B. der am wenigsten blasierte von allen nordischen Schriftstellern ist. Ich glaube selber, daß das wahr ist.

Hier auf dem Hofe laufen fünf bis sechs Ferkel herum, schneeweiß und voller Leben, und ich muß bei ihnen an Dich denken. Ich glaube, Du wärst solch ein Kleines, wenn Du ein Tier wärst. Und dabei noch etwas von einem Vogel, vielleicht einer Schwalbe. Kleines Ferkel und große Schwalbe, eins und das andre, ich muß lachen. – Mutter hat sich in der letzten Zeit herausgemacht, sie ist „rund un woll“, wie sie hier sagen; aber mit dem Gehör ist es zu dumm. Übrigens steht es ihr gut, so als Sibylle dazusitzen und von dem einen und von dem andern ein Wort hier, ein Wort da zu borgen. Wenn es doch bloß wieder besser würde mit ihr! Ich kann und kann die Hoffnung nicht aufgeben. – Ich hatte wirklich Angst, Du könntest nicht mehr leben, nachdem Cavlings abgereist waren; aber Gott sei Dank, Du schreibst, als habest Du die Absicht, auch ferner am Leben zu bleiben. – Ich möchte gern wissen, ob Du einmal „La légende des siècles“ von Victor Hugo auftreiben könntest; eine billige Ausgabe. In diesem Falle möchte ich es haben. Und vergiß nicht, mir den Namen des Bildhauers zu schreiben, so, daß ich ihn lesen kann; Donnerwetter ja, dies ewige Elend mit den Namen! – Brief von Hejde und Frau Hejde; es geht ihnen brillant. – Dagny hat sicher große Begabung für Musik; aber keinen Fleiß, obwohl ich allmählich glaube, wenn sie eine gute Lehrerin hätte, käme der auch. Sie ist ja im ganzen sehr flüchtig; aber so lieb und so begabt! Sie ist jetzt im Alter des Romanlesens und der ewigen Freundschaften. Marie Hansen ist das Höchste auf Erden. Das heißt, vielleicht daß Dagny nun doch anfängt, auch an ihr Kritik zu üben; damit ist sie sonst rasch bei der Hand. Anna ist wirklich reizend; so lebhaft und klug; und so wohl wie sie sich bei uns fühlt! – Meine liebe Bergliot, Dank für alle Deine Briefe und für alle guten Nachrichten! Bewahre Dir Deinen Humor, härte Dich ab gegen Kritik und Widrigkeiten, werde stark! Und grüße Deine gute Wirtin! Du wirst wohl auch nächstes Jahr dort wohnen? Hast Du in letzter Zeit Deine Freundin besucht, das Mädchen bei Deinem alten Hausdrachen? Hast Du Gouzien vorgesungen? Bist Du bei Sansots gewesen? Voilà! Leb’ wohl! In Frühling und Arbeit, in schmucken Kleidern und Sonnenschein, in guter Gesellschaft und Vergnügen, bei guter Lektüre und gesunden Gedanken!

Dein Freund Vater.
Aulestad, 27. April 1890.

Liebes Kind, Du mußt das alles selbst entscheiden, Du steckst in Deiner eigenen Haut und in Deinen eigenen Kleidern, Du allein kannst wissen, wie müde Du bist, und was Deiner Gesundheit neben Deinem Gesang, oder vielleicht gerade um dessentwillen nottut.

Du mußt sofort Mad. Marchesi sagen, wofür Du Dich entschlossen hast. In jedem Fall: bleib nicht so lange wie gewöhnlich, komm nicht so elend nach Hause, daß Du abreisen mußt, eh Du wieder Bergliot geworden bist. – Möchtest Du bis zum 1. Juni bleiben, dann meine ich, solltest Du schon am 15. Mai bis zum 1. Juni bezahlen. Dann wirst Du ja hören. Aber bezahle lieber voll, als Streit anzufangen. – Entschließest Du Dich, schon am 15. Mai aufzuhören, so vergiß nicht, daß zwischen der Witterung im Norden und in Frankreich ein Unterschied ist, der Dich nicht zu Dummheiten verleiten darf. Du mußt Dich jedenfalls danach anziehen. Den einen Tag ist es hier ganz warm, den andern halber Winter bis Mitte Juni; besonders aber im Mai. Dein Arbeitsplan wäre nicht so schwierig, wie er Dir scheint, wenn nicht diese verteufelten Reisen wären. Aber Paris ist ja ohne Eisenbahnen. Richte Dich für die Reise hierher beizeiten ein. Und verlobe Dich nicht unterwegs! Komm heim und sei Bergliot toute entière et toute seule. – Diese „Köbenhavn“ ist wirklich ein grausiges, ganz grausames Blatt. Ich muß dabei an das Grüne denken, das in den Windeln der Säuglinge liegt. Mich dünkt, daß „K.havn“ überhaupt nicht just das im Norden repräsentiert, was gesund und stark ist; sondern das Überfeinerte und Frivole. – In den Zeitungen und Zeichnungen, die Du aus Paris heimschickst, ist ein ganz andrer Zug. Da wird das Kleine nie groß, das Gleichgültige nie wichtig; wir haben keinen gesunden Maßstab. Octave Feuillets letztes Buch solltest Du aufzutreiben suchen, ebenso Maupassants; ich sehe, man lobt sie beide sehr. Du mußt es billiger kaufen können als für den Ladenpreis. Übrigens kannst Du es auch lassen. – Keines von uns sehnt sich mehr nach dem Sommer als ich. Ich kann nicht arbeiten, es sei denn, es wird besseres Wetter, und am liebsten bei offenen Fenstern. Bringst Du das gute Wetter mit? Hier ist es scheußlich jetzt.

Wir sind ein bißchen in Sorge um Erling, es könnte ihm schaden, daß er so ohne Arbeit in vermögende Verhältnisse gekommen ist. Besonders Mutter ist besorgt. Aber es kann ja gut gehen, auch wenn er noch nicht weiß, wie er im Sattel sitzen soll. Ich halte mich von ihm zurück; ich habe ja kein einziges Interesse mit ihm gemeinsam; denn bei dem einzigen, das ich haben könnte, dem Betrieb auf dem Hof und dem Bau, fragt er nie um Rat und erzählt nie davon. Er ist vollkommen, er ist Selbstherrscher. Nun, Du wirst ja selber sehen! – Hier ist es öde. Diese Zeit ist schrecklich. Graue Erde, grauer Laubwald, unheimlich finsterer Tannenwald, Schnee auf den Höhen und in den Spalten, kalter Regen, kalte grüne Ansätze hie und da. Nirgends ein Mensch. Die Bücher gleichfalls kalt. Kalte Kritiken in den Zeitungen, unerfreuliche Politik daheim und draußen, Unfruchtbarkeit und Mutlosigkeit der Mittelmäßigkeit überall. Ich langweile mich. Komm Du heim mit Sommer, mit Mut, mit Gesang, mit Zukunft! Dann bin ich in guter Laune, wie einer, der in einen dichterischen Zauberkreis gebannt wird, wo es nichts Graues gibt.

Dein Freund Vater.
4. Mai 1890.

Liebes Kind, Dank für Deinen langen Brief! Ja, jetzt ist er gekommen – in wenigen Tagen – voller, voller Sommer, alle Fenster und Türen auf, Sonne über dem Altan, Hähnekrähen und Vogelsang den lieben langen Tag, und Glocken und Hammerschlag und der Klang der Egge an den kleinen Steinen.

Also vermissen wir auf Aulestad jetzt nur noch eines, und das ist unser Pariser Singvogel. Das beherrscht in dem Grade meine Stimmung, daß ich nur mit der größten Überwindung an Dich schreiben kann. Du bist nicht dort, sondern hier. Und die Briefe sterben aus Sehnsucht nach dem Menschen.

Ich habe eben ein Buch bekommen: „Pepitas Hochzeit“ von Heidenstam (einem Schweden), das völlig übereinstimmt mit meinem Aufsatz „Die neue Kunst“. Ich möchte wissen, was z. B. von Garborg übrigbliebe, wenn die poetische Kraft, mit der hier geschildert wird, ausschlaggebend würde? Da würden nicht viele von diesen Matt in Matt-Kopien bestehen können. – Ich bin durchaus einverstanden, wenn geschrieben wird, daß jeder, was die Kunstform anlangt, seine eigene Art haben dürfe; – seine poetische Fülle, das Wesen und der Reichtum seiner Persönlichkeit seien es, die über den Eindruck entscheiden. Bin ganz einverstanden – nur nicht mit der Leichtfertigkeit. Man darf nicht um den Augenblick die Zukunft verkaufen. Ich verstehe auch die nicht, die, um fröhlich zu sein, absolut Punsch brauchen. Ich antworte immer: ich kann genau so fröhlich sein wie ihr, ohne daß ich Punsch trinke. Auch verstehe ich nicht, daß nicht zwei Verschiedengeartete fröhlich sein und sich aneinander freuen können, ohne daß sie sich sofort in die Haare geraten müssen. Wird nicht gerade durch die Kraft der Selbstbeherrschung die Freude etwas, das unser Leben bereichert, das Wesen der Persönlichkeit stärkt und die Selbstachtung und die Achtung anderer in eins verwandelt? Gib Dich hin da, wo Dein Herz Heimat und Zukunft gewählt hat; sei fröhlich ohne diese letzte Hingebung überall da, wo Menschen für dasselbe leben wie Du. – Übrigens sind das Dinge, über die man nicht zu streiten braucht, das Blut entscheidet hier; die Starken (weil sie selbstbeherrschend gewesen sind) erzeugen Starke, die Schwachen (weil sie Schweine gewesen sind) erzeugen Schwache. Und die Welt gehört den Starken.

 

Hier ist das allerherrlichste Wetter, Du! Aber wirst Du Dich auch hier wohl fühlen können ohne irgendwelche Abwechslung vier Monate im Jahr? Ich hätte an Sansots schreiben sollen; na, ich hol’ es nach. Sag’ ihnen, daß Ernest Tissot mir soeben ein Buch geschickt, das er herausgegeben hat: „Les évolutions de la critique française“. Es ist ausgezeichnet. Die Librairie académique Didier hat es herausgegeben. Das ist der Tissot, über den ich Sansots geschrieben habe, weil er an mich schrieb; er wünschte eine Studie über meine Werke zu schreiben. Ich sagte ihm zu, schien es.

Meine geliebte Bergliot, wir sehnen uns zu hören, was Du beschlossen hast. Du freust Dich selbst so sehr, daß auch wir unsre Freude auf das Wiedersehen aussprechen dürfen.

Dein Freund Vater.
8. Mai 1890.

Sonntag, nachdem ich vormittags an Dich geschrieben hatte, fuhren wir zu Amtmann Nielsens. Frits Hansens Kinder sollten den ganzen Tag dort sein. Aber während wir gerade gemütlich bei Nielsens saßen, kamen plötzlich Frits Hansen, Ingeborg Hansen und der Hauslehrer! Sie wußten, daß wir da waren. Ich ging sofort in den Garten, der Amtmann hinterdrein, und nun waren also zwei Parteien, eine im Garten und eine drinnen, Amtmanns völlig verzweifelt. Und nun alle Menschen (und Mutter nicht als letzte) auf Frits Hansen los, der sagte, er wäre einzig gekommen, um es wieder gut zu machen. Aber erst müsse er mich um Entschuldigung bitten. Und so kam er denn heraus in den Garten und machte es sehr nett, indem er immer wieder und wieder versicherte, es sei niemals seine Meinung gewesen, ich wäre ein weniger ehrenwerter Mann, als irgend einer von ihnen. Und er war überhaupt so überströmend liebenswürdig, daß ich mit Herz, Seele und Sinn mich ergab; und am andern Tag kam er hierher, den Tag darauf waren sie beide hier zu Annas Geburtstag und gestern wir bei ihnen oben zusammen mit allen Vonhejmsleuten. Es ist ein altes Wort: alte Liebe rostet nicht, und das hat sich wieder auf beiden Seiten bewahrheitet. – Wir sind sehr froh darüber allerseits, sehr, sehr froh.

Kristofer Kristofersen und Frau sind hier; sie sind so sehr gemütlich, besonders er. Schlicht, klar, warm. Sie lassen Dich herzlich grüßen. Sie wollen den Sommer über auf Solhejm wohnen. Überhaupt werden eine Menge prächtige Menschen hier sein im Sommer. Und ich will im Sommer nur Gedichte machen. Jeder Mensch muß zugeben, ich bin so jung an Kraft und Saft, als wäre ich (aufs Haar) knapp über 40. Wenn das so fort geht, dann muß ich ja ein sehr alter Knabe werden. – Denk Dir, heute wollen wir nach Sönstevold, um zu beschließen, daß in Gausdal Telephon gelegt wird! Telephon in Gausdal! Telephon bis in unsern Flur, und da stehen und mit Kristiania sprechen, so wird es enden!

Ob Du heute einen Brief von Mutter bekommst? Jedenfalls ist sie bei Dir mit allen ihren Gedanken. Ich war so erfüllt von der Frage, wann Du nach Hause kommen würdest, und sie nicht minder, daß ich nun voll Betrübnis Deinen Brief ihr zugehen lasse, zugleich mit diesem.

Wir wollen alle hinüber zu Peter Sletterud, deshalb beeile ich mich so. Sie warten alle auf mich. Wenn Du es bloß lesen kannst!

Dein Freund Vater.

Liebe Bergliot, Du hättest in Norwegen sein sollen und dies Winterauftauen sehen! Es erscheint mir gar nicht anders möglich, als daß in einem Volk, das unter diesen alljährlichen Eindrücken lebt, der Glaube wachsen muß, auch die schlimmsten Hindernisse und Schwierigkeiten müßten weichen vor einem frischen Frühlingswillen in uns selbst. Der Schnee ging den Leuten bis unter die Arme, sobald sie außerhalb der gebahnten Wege gingen; und die Wege vereist, um sich Arme und Beine zu brechen. Entsetzlich kalt manche Tage, ziemlich warm an anderen, niemals gleich, immer unsicher.

Und dann eines Tags ganz unvorhergesehene Wärmegrade; anfangs ein Tröpfeln von den Dächern, Rinnsale auf den Wegen, Ballen unter den Pferdehufen; aber dann Schneestürze von den Dächern, daß die Häuser erbeben, Bäche durch die Gehöfte und Wege, der Schnee geht scheffelweise jeden Tag, Schlamm und Eis ein Brei, und alles Wasser schwarz. Wo Du gehst, ein Murmeln von Bächen, Funkeln in der Luft, blauer Dämmer im Schnee und unter den Vögeln eine Lustigkeit – die Hühner kommen heraus, die Hähne krähen, die Schweine laufen wie wahnsinnig; die bisher noch nie draußen gewesen sind, stehen ganz still, die Köpfe aneinander gedrängt und getrauen sich keinen Fuß zu rühren; die Pferde wälzen sich und sausen vorüber in rasendem Trab, und die Menschen mit Hacken, Spaten, Schaufeln, Beilen, um die Wasserströme zu regulieren und ihnen Wege zu graben, daß sie nicht den ganzen Hof mit sich fortfegen. Die Luft so stark, daß einem schwach wird, wenn man zu lang darin bleibt.

Und nun muß ich ein Lied für Dich abschreiben:

 
Wann wird es wirklich Morgen?
Wenn goldner Strahlenglanz
Über Firnen hüpft im Tanz,
Tief in den Abgrund dringend,
Beschwingend
Den zum Lichte kletternden Stengel,
Daß er sich träumt als seligen Engel.
Dann ist es Morgen,
Wirklich, wirklich Morgen.
Doch wenn’s wettert und sprüht
Und krank mein Gemüt,
Kann das Morgen sein?
Nein.
Wohl ist es wirklich Morgen,
Wenn Blümlein im Frühlicht blinken,
Und Vöglein Tautropfen trinken
Und zwitschernd dem Baume zum Lohne
Eine Krone
Von jungfrischem Grün versprechen,
Vom Meere erzählen den sehnenden Bächen.
Dann ist es Morgen,
Wirklich, wirklich Morgen.
Doch wenn’s wettert und sprüht
Und krank mein Gemüt,
Kann das Morgen sein?
Nein.
Wann wird es wirklich Morgen?
Wenn die Kraft, die das Leid durchdringt,
Sonne der Seele bringt,
Wenn in Deinen Armen
Erwarmen
Alle die Menschen, groß und klein,
Dann gegen alle nur gut zu sein.
Dann ist es Morgen,
Wirklich, wirklich Morgen.
Die gefährliche Kraft,
Die das Höchste schafft,
Ist sie’s, die Dir nah?
Ja.
 

Grüße Griegs vielmals von uns und geh gleich zu ihnen.

Dein Freund Vater.
p. t. Lillehammer, 18. Mai 1890.

Liebe Bergliot, ich sitze hier bei Lundes, Sonntag, den 18. Mai, und schreibe ein paar Worte, damit Du nicht vergessen sein sollst. Wir fuhren gestern im herrlichsten Wetter hierher, der Wagen mit grünem Birkenlaub geschmückt, so daß wir in einem Zelt saßen, Erling auf dem Bock, Anna, Kristofersen und ich drinnen. Unsre seidne Flagge voran. Kein Mucks, weil ich dasaß und über meine Rede sann; aber alle, denen wir begegneten, wurden froher Laune, und in der Stadt große Freude. Auf dem Markt ein paar Tausend Menschen und die Stimmung gut. Am ersten Pfingsttag kommen die Rindalsleute, Gustums und einer von Svartum zu uns. Um Johanni soll ich hinunter nach Sarpsborg und dort im liberalen Verein des Smålener Bezirks reden. Vielleicht können wir uns dann auf Torö bei Frau Möller treffen. Du kommst ja diesmal auf dem Landweg und bleibst ein paar Tage bei Hegels? – Mutter will nicht vor dem Herbste hin, sie reist dann mit Dir. Ich wollte, der Teufel holte die Matinee in der Salle Erard! Deinen Brief mit den Montmartre-Schilderungen schicke ich Mutter. Dann ist ein lieber Brief von Ragna Kristensen eingetroffen, die Dagnys Lehrerin werden sollte und am liebsten sofort gekommen wäre; aber nun hat Jenny eine Stellung für sie gefunden als Gesellschaftsdame bei einem reichen Herrn, Dr. Rohde, der eine kranke Frau hat und ein Kind, mit denen er nach Paris will. Kennst Du Ragna? Ihr werdet sehr gute Freunde werden!

Dr. Georg Brandes ist in Kristiania. Sein Zweck ist lediglich, indirekt und direkt mich unmöglich zu machen. Thommessen sein getreuer Helfer. Aber seine Zeit ist vorbei.

Mein guter, lieber Schatz, Dein letzter Brief atmete Zuversicht und Freude, und es tat mir wohl, das zu lesen. Wärst Du nur bald bei uns! Ach, wie schön es jetzt hier ist! Nach einem starken Regen hat alles starke Fortschritte gemacht; ein Duft gestern von Vogelkirsche und Birke ohne Unterlaß, und die Sturzbäche dampften. Aller Frühling ist ein Bild des Starken. Ich schloß meine Rede gestern mit einem Bild von zwei Staren, die an der Südecke unsres Hauses sich ihr Nest gebaut haben. Das Männchen sitzt auf dem Knauf der Flaggenstange und singt ihr vor und spielt und unterhält sie, während sie sitzt und brütet. Und sein Spielen und Singen deute ich als die Festtage zwischen den Arbeitstagen; sie sangen und spielten auf für die Frühlingsarbeit im Land. – Aber komm nun auch Du und singe und spiele auf für die Frühlingsarbeit, die Zukunftssaat – erst in Deinem Vaterhaus und später für das ganze Land. So alt wir sind, wir haben den Glauben, daß es der Frühling ist, dem wir dienen, und die Arbeit ihr neues Lied verdient.

Dein Freund Vater.
22. Mai 1890.

Du Liebe, Liebe, um 11 Uhr gestern abend (denk Dir, erst um 11!) kamen Frau Karoline Björnson und John Lund (die sich unerwartet getroffen hatten) hier an, am Pfingstabend also, und heute, am Pfingstsonntag, habe ich die schöne Zeit verplaudert; vollständig vergessen, daß wir eine Bergliot in Paris haben; also dieser Brief wird nichts als eine Wurst sein. Aber fressen mußt Du sie doch, von einem Zipfel zum andern.

Du Liebe, Süße, wie hübsch Dein letzter Brief zu lesen war! Wenn Du Dich nur nicht in zu viel Geselligkeit verzettelst! Aber Du hast den Leuten gegenüber ja keine Verpflichtungen; Du kannst in Gesellschaft gehen und es lassen. Enfin! So wenig davon wie möglich. Und zugleich viel Freude und Vergnügen dazu! – Kein Mensch auf der Welt brächte mich dazu, in einer Matinee oder sonst wo etwas anderes zu singen, als was mir selber paßte. Kein Mensch! Ich würde diese Bedingung stellen und mich um keinen, keinen Preis davon abbringen lassen. – Hier ist das allerwundersamste Frühlingswetter, ein paar Tage lauter Sonnenschein, den nächsten Tag Regen, und das abwechselnd Wochen hindurch. Dieses Jahr muß, falls es lange so anhält, großartig werden. Gestern ließen wir die Kühe heraus. Einen so schmucken Viehbestand, wie unserer jetzt ist, haben wir noch nie gehabt. Es war ein schöner Anblick. Hansens und Kristofersens teilten ihn. Gestern badete ich auch zum erstenmal im Freien. Prächtig! – Mutter ist recht müde. Die Ärzte in Kopenhagen sind einstimmig der Ansicht, daß ihre Taubheit von Nervosität herrührt, und daß sie nur dann abnehmen oder wenigstens nicht weiterschreiten könnte, wenn ihre Nerven sich besserten.

Ich glaube, das ist anders; ich glaube, die Heilkunde muß hierin erst Fortschritte machen. Der Hypnotismus spielt unter anderm da eine große Rolle. Ferner müssen Instrumente erfunden werden, vermittelst derer schwache Ohren hören, wie vermittelst der Brillen schwache Augen sehen.

Lund und Mutter kommen mit den widerlichsten Erzählungen über die Bohêmerei heim, und ich muß schon sagen, solche Kerle sind nicht gefährlich.

Heute habe ich 13 – sage: dreizehn – Bauern zu Tisch und Mutter und John Lund als Extragäste. Karen ist rein aus dem Häuschen. Frau Hansen hat uns Fisch geschickt, so daß wir wohl über das Schlimmste wegkommen. – Gestern war ich oben und sah mir ein Fohlen von „Spellet“ an; Erling kaufte es auf dem Fleck, so entzückend war es. Nun warten wir auf „Musmärra“, auch bei ihr ist es bestimmt sehr bald soweit. In diesen warmen Tagen haben wir voll Mitleid an Dich gedacht; ich glaub’ es noch nicht recht, wenn Du sagst, Du seist gesund; es kann ein Umschlag kommen. – Das Haus ist nun fertig in Mädchenkammer und Küche und Speisekammer; alles andre mehr oder weniger unfertig, und dann fehlt die Holzverkleidung außen. Die Leute hatten mit der Frühjahrsbestellung zu tun, deshalb geht es so langsam mit dem Bau. – Schön wird es, wenn es fertig ist, und einen großen, flotten Hofraum gibt es rundum! – Anna ist ein prächtiges Mädchen; nie etwas Unangenehmes los mit ihr; sie hat es eigentlich früher nie in ihrem Leben recht gut gehabt, bis jetzt; das trägt auch dazu bei, daß sie so fröhlich ist. – Mutter erzählt, „Das neue System“ werde in Kopenhagen beständig vor vollen Häusern gegeben. „König Midas“ dagegen ist unwiderruflich abgetan. „Das neue System“ bezahlt ein gut Teil für Dich.

 

Sonst nichts zu berichten. Ich freue mich, daß Thaulows (und nicht Tauwlows) freundlich zu Dir sind. Ich halte große Stücke auf ihn; aber in einigen wesentlichen Punkten ist er nicht so, wie ich ihn haben möchte. Ich gehe indessen davon aus, daß eine solche Naturkraft so sein muß, wie er ist. Im Verhältnis zu mir fordere ich Treue, und die, denke ich, hat er. Ich meinte, er sei ein Freund von Chr. Krohg; aber seitdem ich hörte, daß er das nicht ist, ist alles andre mir gleichgültig, z. B. daß er mich Ramseth genannt hatte. Er ist ja ein großes Schwatzmaul. – John Lund sitzt hier und wartet auf mich, ich muß schließen.

Dein Freund Vater.

Ich meine, Du solltest über Kopenhagen fahren, um Hegel zu danken, der so gut gegen Dich ist. Dort haben wir gute Freunde, und die soll man festhalten. „Auf dem Wege zu Deinem Freund soll kein Gras wachsen.“

Aulestad, 22. April 1892.

Süße Bergliot, die Sache mit dem Gelde mußt Du nicht so tragisch nehmen. Du kannst Dir doch denken, daß Mutter und ich immer genug zum Leben haben werden, und könnt Ihr uns etwas wiedergeben, so ist es gut; könnt Ihr nicht, so ist es auch gut. Dafür leben wir doch nicht. Und am allerwenigsten ich, der den größten Teil seines Lebens für andere gelebt hat. Das ist ja die einzige Freude, die ich habe.

Deine Stimme läßt Dich noch immer bisweilen im Stich; – ich bin sicher, sie wird Dir eine Lebensfreude werden, wie sie in ihren guten Stunden die unsre ist. Wenige Menschen können so hell ins Leben schauen wie Du, die zweifellos großen Aufgaben und mancher schönen Tat entgegengeht.

Wir müssen unsern Lebensmut hüten, er ist unser höchster Schatz. Gut essen, gut schlafen, das Rechte tun, gute Menschen in unser Herz schließen und die Zerstörungslust der anderen hindern, das erhält den Mut in uns. So ausgerüstet und begabt und geliebt, wie Du bist, – Bergliot!

Du kannst überzeugt sein, ich leuchte Jonas Lie heim; denn ich habe Briefe gefunden, die alles bestätigen, was ich gesagt habe. Ich glaube nicht einmal, daß er es selbst erlebt haben kann; dazu war der Konflikt in Rom wegen der gleichen Angelegenheit zu heftig.

Grüß’ Ingeborg, an die ich niemals wieder schreiben darf, und Björn, der bereits seine Sommergage erhoben hat – wozu? Hier ist alles wohl; meine Herzbeschwerden gänzlich vorüber.

Dein Freund Vater.
Roma, Quattro Fontane 155. Sonnabend,
24. April 1894.

Ihr solltet uns in Schwaz treffen und mit uns weiter gehen nach Italien. – Ihr werdet nie Italien sehen, wenn Ihr es nicht jetzt seht. Das „nie“ meine ich nicht so bitter ernst; denn sicher kommt Ihr einmal hin. Aber nicht jetzt, nicht in Eurer Jugend, nicht zusammen mit so vielen guten Freunden, wie die, die wir hier um Euch versammeln, und dann zusammen mit Ejnar und uns; denn Ejnar kommt zum Herbst heim, wir hatten kürzlich einen Brief! Ihr solltet das unbedingt tun! Erst nach Tirol, dann nach Rom; – was sollten das für Tage werden! Und wie Ihr Euch nach einer Veränderung sehnen müßt! Selbst die alten Ibsens müssen Eure Sehnsucht verstehen – und auch unser Recht, Euch und den kleinen Buben einmal zu genießen. Und der Gedanke, den Du verlauten ließest, über Dagnys Gesang die Führung zu übernehmen, hat sich in mir festgesetzt. Sie hat Anlage für Musik; ich sehe das an ihren Fortschritten auf dem Klavier, obwohl sie kaum spielt. Und dann bedarf sie eines Anhalts. Sie zerfließt reineweg in bloßer Konversation. Ihre schwache Gesundheit hat bisher jede Regel und Anstrengung unmöglich gemacht; aber jetzt ist das anders; sie wird kräftiger. Sie macht hier großes Glück und ist selbst glücklich. Sie ist auch in allen Stücken ein braves, kluges Ding, und hübsch. Aber sie muß nun ein festes Interesse haben. Ich denke, es ist keinerlei Opfer für Euch, ihr dieses zu verschaffen; aber selbst wenn es das wäre, so ist sie es wohl wert. —

Der Maler Ross ist uns ein guter Freund. Er hat sich zu einem gutartigen (obwohl etwas scharfzüngigen) Weltmann entwickelt, ohne jede Spur von Unarten oder Snobismus; er gehört zu den angenehmsten und gefälligsten Bekanntschaften, die man haben kann; – und uns ist er außerdem, und ist es stets gewesen, der beste Freund. Ihr werdet beide Eure helle Freude an ihm haben. Seine Freunde hier sind auch die meinen, und edlere, natürlichere, gebildetere Männer und Damen hat das europäische Gesellschaftsleben nicht aufzuweisen – außer etwa in Kreisen, die ich nicht kenne. – Wir erfuhren gestern zu unserer Überraschung, daß „Die Neuvermählten“ am Montag, den 23. im Valle-Theater aufgeführt werden sollen! Man fragte mich, ob ich nicht der Generalprobe beiwohnen wolle, morgen – Sonntag – ! Die genieren sich nicht. „Ein Fallissement“ geht über ganz Italien und hat großartigen Erfolg. Nun sollen auch „Die Neuvermählten“ und „Geographie und Liebe“ folgen. Aber ich bekomme nicht einen Schilling. Das einzige, was ich davon habe, ist die Freundschaft des Übersetzers, eines vortrefflichen, liebenswürdigen Mannes. Ich habe auch in Rumänien einen liebenswürdigen Übersetzer gefunden; aber, wie gesagt, ihre Liebenswürdigkeit ist der ganze Gewinn. Ich hatte jetzt Gelegenheit, meine neue kleine Erzählung (sie ist in den Zeitungen angekündigt worden) ins Deutsche, Französische, Englische, Russische, Italienische, Ungarische, Rumänische, Tschechische, Littauische und Kroatische übersetzen zu lassen!! Ich habe laut aufgelacht über alle die Nein, die ich in die Welt hinaussenden mußte (außer an den Engländer), weil Hegel das ganze Buch, in dem die Erzählung stehen sollte, vertrödelt hat! Er hat es seit November, und hat jetzt vier – sage: vier – Bogen fertig gedruckt. – Mir ist solche Geschäftsordnung unbegreiflich.

Wir sind alle bei vorzüglicher Laune. Meine Krankheit unterbrach sie eine Weile; aber wir sind darüber weg, seitdem wir die nötige Vorsicht gelernt haben. Ich habe Schwindelanfälle, und ich vertrage nicht viel, ohne daß ich müde werde. Aber es geht gut vorwärts. Im übrigen stecke ich mitten in der größten Arbeit, die ich je vorhatte, und bin ungeduldig. Mutter sieht vorzüglich aus und erregt großes Aufsehen in den Gesellschaften, so hübsch ist sie; sie ist ungemein munter – außer wenn sie Briefe schreibt.

Entwirf nun einen klugen Kriegsplan, wonach Ihr ein Jahr lang mit uns hier unten zusammen sein könnt! Oder wenn es nur ein Besuch wird, bis Sigurd nach Hause berufen wird … Er und Du habt dann auf alle Fälle den Sommer in Tirol und den Oktober in Rom, die schönste Zeit für Italien! Küsse den kleinen Tankred, grüss’ Deinen Herzensmann und die alten Ibsens und andre Freunde von

Deinem Freund Vater.

Besonders Sörensens!

Bitte Sörensen, daß er mir noch eins von Utheims Büchern schickt, ich habe das erste zu Agitationszwecken weggegeben. Er verschickt sie wohl an Zeitungen und Reichstagsabgeordnete in Schweden?

Ich wäre ihm sehr dankbar, wenn er Sars’ Abhandlung und Utheims Buch an Prof. Fridtjof Holmgren in Upsala senden wollte. Er war neulich hier (auf dem Ärztekongreß), und ihm fehlten die Beweise für das Recht unsrer Sache. Einem Mann wie ihm dürfen sie nicht fehlen.

Dein Freund Vater.

Wie ich den Brief zusammenfalten will, erhalte ich folgendes Telegramm von L’Arronge, Direktor des „Deutschen Theaters“: „Außerordentlich beifällige Aufnahme. Habe mehrmals für Sie danken können. Alle großen Zeitungen voll Lob. Gruß, Glückwünsche. L’Arronge!“ Hurra, hurra; das bedeutet nämlich ganz Deutschland! Und für mich folglich ein ganzes Kapital.

Schwaz, Tirol, 29. Mai 1894.

Liebe Bergliot, Du kannst Dir denken, wie uns Deine Schilderung des 17. Mai ergötzt hat! Und daß ich einen Vertreter von meinem Fleisch und Blut und Temperament hatte, machte mir nicht am wenigsten Spaß.

Hierher kam an dem Tage – ohne an den Tag zu denken! – Z. mit Frau. Wir tranken „Vöslauer Schaumwein“, und vielleicht waren es Zeit und Ort und Stimmung, die es bewirkten; aber der beste Champagner behagt mir nicht so wie dieser. Es ist ein süßes Singen darin, ein Preislied auf Tirol an einem klaren Tag und das Echo dazu. Ihr müßt ihn, falls er aufzutreiben ist, kosten und ihn auf den Tiroler Sommer trinken, obwohl er ein Stück weit von Tirol geboren und gewachsen ist, aber doch in derselben Art Natur, wie man sagt. Z. war völlig der Alte, nur fand ich ihn noch häßlicher, schiefbeinig, buckelrückig, langarmig, und die fette Zunge immer vorne zwischen den Zähnen. Aber wie klug und anhänglich und treu er ist! Seine Frau hat ihn vom Vegetarianismus abgebracht; sie hat die Hosen an. Aber sie ist eine brave Person und so innig anhänglich an ihn, wie bloß eine erlöste Gouvernante es sein kann. Sie ist hübsch, „besonders wenn sie einen Schleier um hat“, fügen Dagny und Mutter hinzu. Für die, die besser sehen als ich, soll sie etwas Angejahrtes haben, wenn sie ihn heruntertut. Sie ist groß, schlank, dunkelhaarig, mit schönen Augen. Nun habe ich es so weit gebracht, daß ich französisch (mangelhaft) sprechen kann über Gott weiß was alles, und bis ich wieder nach Italien zurückkomme, werde ich es ebensoweit im Italienischen gebracht haben. In Rom mußte ich eine ganze Menge der neuesten Belletristik lesen, um mein Urteil abzugeben. Die italienische Jugend ist so naiv, frisch, poetisch, es ist eine Freude, mit ihr zu verkehren. Ich begreife vorläufig nicht, was der Grund ist, daß ihre sozialen und politischen Verhältnisse so bedauerlich im Rückstand sind. Daß kein großer Reformator ersteht. Ich glaube, Italien gibt zum drittenmal der Welt einen neuen Anfang, oder vielleicht besser: zum vierten Male, wenn das Papsttum ebenfalls als solcher gerechnet wird. Die Römerherrschaft, das Papsttum, die Renaissance. Kein andres Volk hat solchen Reichtum besessen, und wenn ich unter der Jugend bin, so habe ich den Eindruck, als sei er noch immer da.