Hurra! Ich bin kein Engel

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Das Normal?-Joch: Alles Ansichtssache

Wer hätte das gedacht, global ums Eck und so viel Kulturelles querverschoben? Der Flug über den Teich als Sprung in eine Welt, in der Telefone und Sirenen in ungewohnten Frequenzen erklingen, wo Busse zweistöckig daherkommen, knallrot sind und sich nicht um Fahrpläne scheren. Erst kommt ewig keiner, dann drei auf einmal, as a rule. Das FrageSprichwort ist auf Karten gedruckt why do buses come in threes? Nachtbusse lassen sie im Regen stehen bis sie lernt, dass Fuchteln und Hopsen sie zum Halten bewegt. Request stop. Autos kommen auf der falschen Straßenseite daher und machen jede Überquerung zum Abenteuer. Es ist erlaubt, Aufzählungen mit Ich großgeschrieben anzufangen und Geburtstage vorzufeiern. Das Händeschütteln ist auf Britisch nur beim ersten oder letzten Treffen erlaubt. Inselansässige sind stolz auf ihre pfundige Währung und betrachteten sich eher als zweiundfünfzigsten Staat der USA anstatt zum Kontinent gehörig. Mag die Landkarte das United Kingdom als Teil Europas ausweisen, die Inselmentalität ist stärker: I’m going to Europe ist stehender Ausdruck bei einer Reise auf‘s Festland. Schulklassen sind nicht alphabetisch durchnummeriert, sondern nach Namen der Klassenleitung bezeichnet, die beste Note heißt Doppel A, die schlechteste F für fail. Versagen ist erlaubt, aber niemand fällt je durch, ihre neue Lieblingsmetapher. Two beer hilft im Pub nicht weiter, sie muss Marken beim Namen nennen, nie das please, cheers und thanks a lot! vergessen und aufhören, als Beifahrerin auf der Fahrerseite einzusteigen.

Teebeutel haben weder Fäden noch Schildchen, sie dem Wasser zu entreißen bedeutet zum Löffel greifen oder Finger verbrühen. ‚Schwarztee’ gibt es nicht, nur hochspezialisierte Sorten, verwechseln auf eigene Gefahr. Als sie im ersten Kantinenjob einer Kundin Earl Grey statt English Breakfast serviert, bringt diese ihre Tasse entrüstet zurück. Andere Teefehler: zuerst Wasser eingießen und dann die Milch, das ist ebenfalls verboten – außer bei den Iren, Anhänger des ZuerstWasser-Lagers. Die Briten genießen ihre cuppa mit dem weißen Saft der Kuh, nicht mit dem sauren der Zitrone. Sie kippen Essig über Pommes, die sie chips nennen und Essig und Salz über salt and vinegar crisps. Ehemals feine Nachspeisen werden mit gelblichem Süßschleim übergossen, sie lernt to request politely: no custard please! Wieder eine essentielle Lebenskunst dazuerworben: ask for what you want.

Revolutionsvorschlag: change orders

Sie hat mit dem Spracherwerb alle Hände voll zu tun, aber der Broterwerb bittet ebenfalls um Aufmerksamkeit. Bei der Lektüre der Stellenanzeigen wundert sie sich, warum so oft unspezifisch nach einem chef gesucht wird? Die ersten Jobs sind wild. Putzen! Sie entdeckt den Aushang im Fenster des news agents, wählt die Nummer und steht im Morgengrauen am Treffpunkt. Alle improvisierten Reinigungskräfte in ein black cab gestapelt und ab zur Villa. Sie schrubbt, poliert oben, innen, außen und zieht den Hut vor Staub als dem ultimativen Pionier. Die schwergewichtige Chefin steht barfuß in der Wanne und braust, bis die letzten Fliesen den Widerstand aufgeben und zu glänzen beginnen.

Next: Temping im Privatkrankenhaus. Sie kann die Teppichböden nicht fassen und die Tatsache, dass alle Patienten eine eigene Krankenschwester haben. Ein chef bereitet Fünf-Gänge-Menüs nach Wahl, sie trägt Tabletts zur richtigen Zeit ins richtige Zimmer und lässt sich von der Zeitarbeitsfirma nicht zurückschicken. Der Mindestlohn ist noch nicht eingeführt, die Agentur kassiert mehr als die Hälfte ihrer Vergütung, wie viel zurückbehalten wird weiß sie nicht. Sie ist Migrantin, dankbar für Arbeit, für den Ausflug in ein Leben, das sie so zu Hause nicht mehr angetreten hätte. Reiht sich ein unter Menschen aus aller Welt, die in dieser Stadt gelandet sind, um ihr Glück zu machen. Um Miete, Essen, Fahrkarte und gelegentliche Vergnügungen finanzierbar zu halten.

Nächstes Abenteuer: Tabletts abräumen in der Cafeteria des Nobelkaufhauses, in der sie sich nach zwei Stunden Arbeit Kaffee und Kuchen leisten kann. Für Aushilfsjobs im Büro ist noch früheres Aufstehen angesagt, die offices wechseln allmorgendlich, Verlaufen im Dunkeln, Fragen, Umkehren kostet Zeit. Ein proper job muss her, mit stundenweisem Tippen oder Tellerwaschen kann sie sich das Leben mit der Neuen langfristig nicht leisten. Was tut man nicht alles für die Geliebte, selbst wenn sie eine Stadt ist. Sie kramt Schriftstücke hervor, auf denen Abschlüsse vermerkt sind, die sie vergessen wollte. Germanistik für Lehramt Gymnasium ist nicht Deutsch als Fremdsprache, aber solche Feinheiten müssen jetzt verschwiegen werden. Sie ruft eine Freundin in Deutschland an und borgt sich deren Erfahrungsberichte aus dem DaF-Universum. Stülpt sie sich über und verliert den Halt zwischen ihren Luftschlössern. Sie sitzen nicht wie angegossen, aber in zu groß ausgefallenen Lebensentwürfen hat sie mehr Spielraum. No risk no fun. Sie recherchiert die feine englische Art des CV, improvisiert mit der nur als Rohstoff tauglichen deutschen Version und krempelt ihre Biografie um. Verkehrtherum schreibt sich das auf der Insel, chronologisch von heute nach früher. Keine Zeugnisse, Referenzen sind in der Form von Telefonnummern gefragt, um der Geduld des Papiers gegebenenfalls Löcher in den Bauch zu fragen. Ihr Leben liest sich anders in NichtDeutschland, statt: Studium in Rekordzeit mit Top Ergebnis abgeschlossen – that old und nichts außer studiert bisher? Die erforderliche experience drängt sie dem Papier auf, als klar wird, dass es ohne dieses Schlüsselwort keine Einladung zum Bewerbungsgespräch geben wird, ever.

Ihr neuer Lebenslauf trägt die Überschrift German Tutor. Im Format der one-on-one tuition gilt es einen anfänglich interessierten Erwachsenen des Deutschen zu belehren. Der Enthusiasmus der Angestellten verfliegt, wenn es mit Buchaufklappen und Nachsprechen ungewohnter Laute nicht getan ist. Was als Abwechslung von der Schreibtischroutine angedacht war, artet in Arbeit aus! In Sisyphusarbeit, wenn das Buch nur einmal wöchentlich auf- und zugeklappt wird, allen besten Vorsätzen zum Trotz. Wenn ihre Schützlinge auf Geschäftsreise in deutschen Landen herzklopfend ein GutenTag? auspacken, werden sie am Akzent überführt und mit einer Antwort auf Englisch entmutigt.

Die erste Generation ihrer students muss sich mit zweifelhaften Erklärungen begnügen, erst später kann sie begründen, warum es ich bin gefahren, aber ich habe gegessen heißt. Verben, die Bewegung ausdrücken oder einen change of state (sterben, wachsen, auftauen) bilden die Vergangenheitsform mit sein, der Rest mit haben, wer hätte das gedacht? Das Englische schert alle Lernenden über einen Kamm und bezeichnet sie pauschal als students, sogar die, die nur für’s Leben lernen. Die auf der Uni heißen undergraduates. Sie versucht, das für sich zu entwirren und dann ihren students zu erklären, dass in German Schüler keine Studenten sind. Sie lernt die false friends kennen: Worte die ähnlich klingen, aber andere Bedeutungen haben. Could I become some water? Unfreiwillige Komikerin war nie Berufswunsch, but hey lachen ist gesund, vielleicht bildet sie sich das mit dem AusgelachtWerden nur ein?

Der neue Job ist Lizenz zum Eintauchen in die Sprachenunterwelt, sie kriecht Satzkonstruktionen in den Bauch und leuchtet sie von innen aus. Das Deutsche bringt Begriffe in die Werkstatt, nimmt auseinander, setzt neu zusammen. Aus schreiben und Tisch macht die WortSchmiede den Schreibtisch, der Donaudampfschifffahrtskapitänsmützenknopf ist stolz präsentiertes Paradebeispiel charmanter Stapelfreude. Das Englische kann mit writing tables nichts anfangen und erfindet neue Vokabeln: desk. Die Macht der Buchstaben, einer stellt sich um, gesellt sich dazu, macht sich aus dem Staub: aus Mienen werden Minen, aus der Biene Beine. Eine verdrehte Buchstabenkombi kann alles urinieren. Sie entgeht ihnen nicht, den verführerischen Worten und ihren Fangnetzen, beyond hat es ihr angetan. Im Bewerbungsgespräch nach Gehaltswünschen gefragt, wirft sie gekonnt das wohlklingende not beyond ein. Auf dem Heimweg fällt ihr auf, dass sie damit das Gegenteil ihrer Wünsche geäußert hat: nicht mehr als zehn Pfund pro Stunde? Sie braucht mindestens zehn! Da der Rest des Gesprächs so weit grammatikalisch korrekt verläuft, wundert sich die Personalfrau über die seltsame Bescheidenheit, fragt aber nicht direkt nach, of course. Direktes Hineinfragen in ein Gegenüber gibt es im Land der respektvollen Verhaltenheit nur in Extremsituationen, also nie.

Die Freunde sind alle zu Hause geblieben, wie ohne sie überleben? Am besten neue finden oder besser gesagt machen make friends, dafür machen Briten keine Fotos, sondern nehmen sie take a picture. Nehmen sich dagegen keine Zeit, sondern machen sie wiederum, make time – anyway. Sie muss Freundeskreise gegen Zufallsbekanntschaften eintauschen und mit NächstBesten ins Kino gehen. Als sie der Einsamkeit zu erliegen beginnt, tritt sie in ihr Leben, Traumfrau und nächste beste Freundin: Frank, braunes Haar im ExtremkurzPony, den sie auf charmanteste Weise zurechtzuzupfen versteht. Sie lacht und raucht und lässt die Sonne aufgehen but sorry no, sie hat keine Zeit nächstes Wochenende, übernächstes auch nicht terribly busy I’m afraid! Die Liebe auf den ersten Blick ist verkehrt in ihrer Einseitigkeit. Sie hört auf zu fragen, verletzt von der Abfuhr, pfeift Hände zurück, die sich in Kurzhaar verirren wollen, in feingliedrige Finger verhaken. In ihrer neuen Welt erlaubt sie sich, die Schönheit von Frauen zu sehen, obwohl sie selbst eine ist. Vergisst, warum sie das nicht leben darf und verliebt sich in Entzückende, swinging both ways. Wacht auf neben einer Herzensdame, die gute Freundin bleiben möchte und versucht sich nicht verloren zu gehen in Akzent und Ablehnung. So akzeptieren Sie sich selbst! So nehmen Sie 12 Kilo in 4 Wochen ab! Die leckersten Tortenrezepte! In 28 Tagen zum Traum Body! Sie nippt am Getränk und blättert sich durch ihre HochglanzDosis Schizophrenie. Die Zeitschrift ist ein vertrautes Format, auch in der anderen Sprache. Die Vorher-Nachher Fotostrecke, praktische Ratgeber So verstehen Sie Männer, Frauen, Teenager und sich selbst. Nützliche Tips und Tricks, wie sie alles noch besser machen könnte und zur Abrundung WasLeichtes: echte Probleme von echten Lesern. Hilfe, mein Internet ist kaputt, ich kann mein Essen nicht posten! Bringen Fotos von Kindern oder Katzen mehr Likes? Mein Sohn isst seine Schokolade nicht auf, bin ich eine schlechte Mutter? Ehe sie sich’s versieht haben sich die Psychotests von Seite 128 Wie normal sind Sie? und 182 Ist das noch normal? verselbstständigt und im Gemüt eingenistet. Dabei ist normal nicht mehr als ein Mythos, von Gesellschaften in mühevoller Kleinarbeit zurechtgezimmert und alle paar Jahrzehnte rekonstruiert. Normal ist ein Chamäleon, das sich Gepflogenheiten anpasst, über den Sprachgebrauch in Köpfe und Herzen einschleicht, um sich dann erneut bis zur Unkenntlichkeit zu verwandeln. Der einzige trendunabhängige und daher zuverlässige Maßstab kommt aus dem Herzen: Was fühlt sich richtig an? Definitionen lösen sich auf, sobald sie nicht mehr aufrechtErhalten werden, wie alle künstlichen Begrenzungen. Sie muss den Kleinen ‚Homosexualität‘ erklären? Diese unglaublich schwierige, komplizierte und traumatische Erfahrung verläuft so: ‚Warum geht Onkel Peter überall mit Michael hin? – Weil sie sich liebhaben wie Mama und Papa. – Ok, kann ich einen Keks haben?‘ Alle Beteiligten gezeichnet für’s Leben!

 

Revolutionsvorschlag: Für mich soll’s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen!

Sie macht es so, andere machen es anders. Diese anarchistischnihilistische Relativierung aller Grundwerte und Traditionen heißt Toleranz. Niemand muss mitspielen, alle dürfen weiterhin ihre Lieblings-Grabenkämpfe ausfechten, aber sie hat sich von Grundsatzdiskussionen verabschiedet. Wo und ab wann darf in ländlichen Gegenden Weihnachtsbeleuchtung an Grünpflanzen und Außenfassaden angebracht werden? Hitzige Diskussionen liefern gute Unterhaltung, die Parteien lassen sich nicht einmal durch den Generationenkonflikt in ordentliche Lager trennen! Auch wenn keine Einigung erzielt wird, hat sich doch ein praktisches Kennzeichnungssystem herauskristallisiert: Sobald die Heiligen amerikanische Verhältnisse in Vorgarten oder Fensterrahmen ausmachen, können sie VomRechtenWegAbgekommene für unsachgemäße Handhabung der Winterbeleuchtung brandmarken. Heidenerkennung leichtgemacht, kein Schaden ohne Nutzen!

Sie legt Messlatten zum Alteisen und spielt statt RichtigFalsch-Markieren lieber NachdenSternengreifen. Das Glück der Erde? Pläne umschnitzen. Heimlich verehren. Erinnerungsperlen an Ketten aufreihen. Ideen einstampfen. Sich durchringen. Frivol! probieren, UnhandlichSein erlernen. GewinnBringendes verscherzen oder hinzufügen. Gras darüber wuchern lassen. Sich das jetzt gönnen, obwohl es nichts kostet. Die Anmeldung unverbindlich machen, mit dem Glück Eislaufen gehen. Flattern. Sich an den Perlen der Erinnerungskette erfreuen. Die Wolken die Wolken! Hinschlagen. Monde anheulen. Sich etwas hinter die Ohren schreiben, dann ausradieren. Die Grenzen des guten Geschmacks erweitern. Schachtelsätze in Dosen für einen guten Zweck versteigern.

Paranormal ist normal? Zu viel ist immer noch zu wenig? Wie fühlt sich genug an? Sie übt sich im Entscheidungen erspüren. Sie muss sich nur solange an guidelines entlanghangeln wie der Zugang zur inneren Weisheit verschüttet ist. Termine einhalten, Auflagen erfüllen, Richtlinien folgen, mit dem Stoff durchkommen – wer hat noch nicht, wer will nicht mehr? Mit leisen Gedanken Parolen übertönen geht, einfach Herzgegenden großflächig absperren und den bewertungsfreien Raum ausrufen. Goldene Regeln für Straßen- und Geschlechtsverkehr sind vielseitig verwendbar: Sie kann sie befolgen, in den Wind schlagen, wegwerfen, aufbewahren oder anbeißen. Auf der Zielgeraden des Tagesablaufs gibt es keinen Experten so unabhängig, so weise, so erfahren wie sie selbst. Sie läßt Damoklesschwerter baumeln, schert aus, höhlt Freiräume aus, spielt hinterfragen wagen: Ist normal eine Illusion, die es noch nie gab, die jedoch gerne als Synonym für so wie ich/wie sich das gehört? verwendet wird? Was normal für eine Spinne ist, ist Chaos für die Fliege. Wie auf dem Schild vor einem Londoner Pub: No Hipsters! TrendSklaven unerwünscht! Kommt hier nicht herein, mit euren haarigen Gesichtern, veganen Ernährungsgewohnheiten, euren winzigen Füßen und Betten aus Sägespänen. Oh sorry, hang on – hamster? No hamsters!

Sie lässt die BedenkenTräger ihre Last alleine weiterschleppen und geht auf Entdeckungsreise ins Paralleluniversum zwei Haltestellen weiter, wo sich unbekannte Lebensformen in Feuchtbiotopen, Kellerabteilen und Lagerhallen zusammenscharen: Ballerinas, Leseratten, Modelleisenbahner, Autobastler, Channeller, Ausstellungsbesichtiger, Pferdenarren, Wunderheiler, Cellopunks, Büchermenschen, Blechbläser, MusikLiebhaber, Pauschalreisende, Hacker, Altrocker, Kegler, Schachmeister, Botaniker, Biker, Blogger, Stricker und Häkler, Chormitglieder, Tüftler, Taucher, Berufsjugendliche, Gameboys, Cowgirls, Coder und Zocker treiben ihre jeweiligen Unwesen. In der Welt der Ballsportfanatiker ist ein Interview im Gange: „Sie haben heute alles gegeben, die ganze Mannschaft hat hervorragenden Sport gemacht, leider hat es nicht gereicht! Was waren die Gründe für die Niederlage? – Wir taten unser Bestes und erzielten viele Tore, aber die andere Mannschaft tat ebenfalls ihr Bestes und machte am Ende mehr Tore als wir. – Was ist Ihre Strategie für das nächste Spiel? – Die Gegenmannschaft muss daran gehindert werden, Tore zu erzielen, wohingegen wir selbst versuchen werden, möglichst viele zu machen! – Herzlichen Dank für diese Expertenanalyse, nun zurück ins Studio zur weiteren Berichterstattung!“ Nebenan im Musikuniversum sind Diskussionen über Komponisten, Coverdesigns und Neuerscheinungen im Gange. Jede LieblingsGalaxie darf ihr FachChinesisch selberbrauen, alle dürfen sich eine Partei, Religion oder ein anderes Hobby aussuchen und an Sport, Kunst, Literatur, Musik oder einen erneuten Untergang des Abendlandes glauben – Unermessliches soweit die Messgeräte reichen! Wie von Angesicht zu Angesicht mit schwarzen Löchern, Nebulas, Supernova Explosionen, Asteroiden, Magnetfeldern, Kometen, Sternenwelten – das Paradigma auf einen winzigen Globus einschrumpfen? Wo es Sonnensysteme zu bestaunen gäbe, Sternentore – Imagine!

Ein Blick ins Fotoalbum des Kosmos lädt ein in die Unwahrscheinlichkeitsrechnung. Obenunten, linksrechts, kleingroß, schwarzweiß, möglichunmöglich verliert für Kosmonauten an Bedeutung.

Let’s go cosmic.

Galaxy Quest.

Das Spiritualitäts-Joch: Ablass heißt jetzt Karma Cleanse

Die Weltreligionen begegnen ihr in London auf der Straße, tragen Turban, weite Gewänder, Hüte oder Käppchen. Trotz unterschiedlicher Dresscodes haben die Kernaussagen einiges gemeinsam. Taoismus: Sachen gibt’s. Hare Krishna: Hare hare ding dong, Saachen giiibt’s! Hinduismus: Sachen gibt’s, die gab’s schon vorher einmal. Buddhismus: Sachen gibt’s, aber ist das schlimm? Katholizismus: Sachen gibt’s – und ich bin schuld! Protestantismus: Sachen gibt’s, aber das bekommen wir hin, wenn ich mehr arbeite! Islam: Sachen gibt’s, nehmt vorsichtshalber eine Geisel. Rastafarianismus: Sachen gibt’s? Lasst uns erstmal eine rauchen. Zeugen Jehovas: Klingel, klopf klopf: Sachen gibt’s! Im Rahmen der internationalen Völkerverständigung hat sie Zen Buddhismus kürzlich in einen bayerischen Dreisatz übersetzt: East deama amoi nix. Dann miaßma moi schaugn. Dann weama‘s scho seng.

Trotz aller Toleranzvorschriften spielen Religionen gerne mit Ge- und Verboten, in denen sie vorschlagen was zu tun, unterlassen, denken, verdrängen, essen, fühlen und anzuziehen ist. Bei manchen Sekten heißen die Oberhäupter Guru, bei anderen Buddha, Papst, Steiner, Bundestrainer oder Vorstandsvorsitzender. Mitglieder der BackwahnSekte sind vor allem in der Vorweihnachtszeit aktiv. Glaubensgemeinschaften organisieren nicht nur Rituale, sondern auch Gruppenstunden, Fußballturniere, Morgentreffs, Benefizkonzerte, Meditationszirkel, Weltmeisterschaften, Chorwochenenden, Einkehrtage, Bazare und Zeltlager – und das alles für einen guten Zweck! Die Kirche erreicht nicht mehr alle Menschen mit ihrer frohen Hiobsbotschaft du bist ein geliebtes Wesen, nur noch nicht gut genug. Deshalb hat sie sich Verstärkung geholt bei ihrer Consultant Spiritualität. Die schließt Frauen nicht prinzipiell von Spitzenpositionen aus und geht mit der Zeit. Sie übersetzt angestaubte Dogmen auf NeuDeutschEnglisch, gießt alten Wein in neue Schläuche und updatet die Regelkataloge. Eines ihrer erfolgreichsten ReBrandings war die Ausweitung des WürdigSeinMüssens auf die Finanzwelt. Mensch muss jetzt KreditWürdigkeit nachweisen, der Wucherzins wurde in Platinum-Kreditkarte umgetauft und lässt sich nicht mehr durch Bittgottesdienste in Ordnung bringen. Den Rosenkranz kauft der Religion kaum mehr jemand ab, also wurde er als zeitgemäßer TrendZwang wiedergeboren, nicht im Himmel, sondern schon auf Erden. ‚Hast du heute schon meditiert!?‘ fragt die Spiritualität mit gespielter Toleranz. Das Ego hat sich trotz aller AnnullierungsRatgeberlektüre durch die Hintertür wieder eingeschlichen und schwurbelt seine höherschnellerachtsamerhauptsachebesser!als-Leier.

Auf dem Weg zur sagenumwobenen Spiritualität stolpert sie in niedliche selbstgehäkelte Fallen: Ich sollte! Täglich! Mindestens! 15/45/95 Minuten so sitzen, knien, achtsam atmen. Rücken gerade! Entspannen! Nicht verkrampfen! Lächeln! Zum Burn Out fehlt nicht mehr viel, da kommt die Spiritualität daher und halst ihr die nächste Fleißaufgabe auf: Das Ego transzendieren muss man, sagt sie. Sonst ist Mensch offiziell unerleuchtet und muss Fragen an Experten stellen? Das gute alte Ego ist ein Wesensanteil, der die Reise von Montag nach Samstag strukturiert, da kann es doch nichts dafür. Das Ego und der Rest vom Erdling: eine Symbiose, die sich sehen lassen kann! Alle Persönlichkeitsaspekte dürfen mal Solo singen, sogar nervige Perfektionisten und innere Kritiker, erst der ganze wunderbar schizophrene Chor macht die Musik. Die klare Grenze zwischen dem ganz normalen Wahnsinn und dem wahnsinnigen Wahnsinn ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Alles Einzelne ist eine Vielzahl, der Globus Exil für AndersArtige, einige Billionen davon in Menschengestalt. Ohne Stimmen aus Kopf und Herz ist das Leben eintönig!

Erleuchtung ansteuern geht mit gefalteten Händen oder gekreuzten Beinen in Bodennähe, sie macht’s per Sesselsitzen. Weitere Zutaten: ein Fenster zum Hinausstarren, gedankenVerlorenes Sinnieren, Il silentio.

Die Menschen wollen nicht mehr in Beichtstühlen sitzen und den Stellvertretern Gottes ihre Sünden aufzählen? Schuld und Sühne geht auch anders: Der hippe Karma Clearing Kurs kostet in etwa so viel, wie im Mittelalter direkt als Ablass zu berappen war. Bringen Sie Ihr Leben in Ordnung, mit diesem SiebenSchritteProgramm! Was, wenn schon alles in Ordnung ist, kein Karma abzutragen, keinerlei Erbsünden zu vergeben? Wenn sie nicht mehr mitmacht beim Angeblich-nie-gut-genug-Sein? Sich nicht mehr aus der Mitte reißen lässt, sondern Ausbaufähiges als Entwicklungspotenzial definiert und unglücklich machende Ambitionen zu Grabe trägt? Eigenlob riecht gut. Sogar bei den Volksreligionen Balljagd und FernSehen können bleibende Einsichten und positive Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden.

Revolutionsvorschlag: Selbst die Präsenz mag es nicht, wenn sie als Zwang vermarktet wird.

Sie nutzt die Aufgeschlossenheit ihrer neuen Heimatstadt und schaut in einer spiritualist church vorbei. Setzt sich in die hinterste Bank und darf mitansehen, wie MenschenMedien Botschaften der Verstorbenen an Hinterbliebene überbringen – jedes Ende ist ein Anfang. Das revolutionäre Ergebnis ihrer jahrzehntelangen Recherchen und Selbstversuche: alles überraschend unkompliziert, Kursgebühren und Anweisungen sanfter Stimmen optional. SichVergessen passiert beim Staubsaugen, jede Werk-Tätigkeit kann das UmsichselbstKreisen auflösen, Augenblicke lang, ganz ohne HaltungsvorschriftsEmpfehlungen. Sie verlegt den Himalaja in die Wohnung, erklärt das Sofa zum Luftkurort, Bingo. Ehe sie sich‘s versieht, gerät sie beim Wäschefalten in KontemplationsGegenden, rutscht ab in Dankbarkeitsorgien, lässt Blicke schweifen, denen nichts entgeht: dass sie Kleidungsstücke besitzt und einen Körper, der sie in die Welt hinausträgt. Dass ihre Welt so weit reicht, wie sie es zulässt. Sie lauscht den Geschichten, die Socken erzählen, Fäustlinge, Sommershorts und Sporttrikots. Wie Spiritualität und Leben auseinander dividieren: jetzt bin ich eineinhalb Stunden lang spirituell und dann lebe ich wieder?

 

Hinhören, was das Leben parat hat, hinsehen, was sich vor Augen abspielt, abgleiten in Lieblingsbilder, Eindrücke im Kopf zusammenkramen. Channelling geht ohne Kristall und schummriges Licht: Sinne entriegeln, Unbekanntes an sich heranlassen. Channeln ist jeder GlühbirnenMoment, in der Wanne, am See oder an anderen stillen Örtchen kommen als Ideen verkleidete Durchgaben. Wasser ist ein hervorragender GedankenblitzAbleiter, Bindemittel zwischen FrequenzWelten.

Sie hat die Kündigung eingereicht, sich von lieben Göttern der Gute-NachtGeschichten verabschiedet, ausgeklinkt aus Überliefertem; angefeuert von der Sehnsucht nach einem metaphysischen Alternativmodell ohne Hierarchien, denen sie nachbeten muss. Sie flattert durch Weltbilder, lässt sich auf den einladensten nieder für ein Weilchen, bis das nächste lockt. Blättert durch aktuell lieferbare Glaubenssysteme auf der Suche nach einem spirituellen Zuhause, nirgendwo findet sich das erhoffte mentale Fertighaus, maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse. Kein vorgefertigtes Nest, in das sich die suchende Seele einnisten könnte: akzeptieren, überstülpen, Licht aus, ewige Ruhe in Kopf und Herz, Om, Hosiannah? Sie bleibt Wanderer zwischen den Welten. Ein Puzzleteil, das sich nirgendwo für immer einfügen will, weil es sich einer ständigen Metamorphose unterzieht, aus freien Stücken. Ihre Heimat ist das Suchende-Entdecken. Die Weltsicht von Hand gezogen, von Natur aus durchlässig, wie in der Geografie: Direkt unter der politisch-menschengemachten liegt eine natürliche Landkarte, die sich nicht um Flaggen schert und weiß, dass jede Grenze in Wirklichkeit eine Wiese ist, eine Wüste oder Waldlichtung.

Neuland lässt sich gerne versehentlich entdecken, im gleichen Zimmer, im nächsten Atemzug? Jeder Mensch ist wireless, die Verbindung steht. AnRufe aus Nebenfrequenzen durchstellen und Eingebungen durchsickern lassen: ‚Mir kam diese Idee; das geht mir nicht mehr aus dem Kopf; ich wusste es einfach.’

Sie vereinbart einen Termin bei einer ChannelFrau, die ihre Intuition bereits zu WLAN ausgebaut hat und Nachrichten inspirierender Wesenheiten durchgibt. Sie sitzen sich gegenüber, in ein anregendes Gespräch verwickelt mit Gestaltlosen, für die das Medium ihre Stimme zur Verfügung stellt. Die Inspiration ist überirdisch. Everyone has a different flavour. Jenseitskontaktmedien sind allen imaginary friends eine große Stütze, sie sind Brücken zwischen FrequenzWelten, übermitteln Botschaften von Verstorbenen und anderen quicklebendigen Wesenheiten. Jedes Antlitz im Diesseits ein Interface ins Jenseits.

Herr ich bin nicht würdig, dass Du eingehest unter mein Dach? Draußen in der GroßenFreiheit gibt es keine GebetsVorlagen zum Festhalten, da heißt es Prioritäten selberbasteln und alleine entscheiden, was moralisch oder unmoralisch ist. Eine schwere Aufgabe. Woher die Zeit nehmen? Glücklicherweise ist auch hier die Arbeitsteilung eine Lösung: die internationalen Verbrecherorganisationen erledigen das mit der Steuerhinterziehung, sie macht den Abwasch. So haben alle etwas zu tun und niemand ist überfordert. Delegieren ist nicht einfach, vor allem, wenn sie die Sache selbst im Handumdrehen um Klassen besser erledigt hätte, als Mitmenschen, die ihre Assistenzgesuche erfolgreich ignorieren! Kinder, Heranwachsende, Teenager, Mitarbeiter und Alle-Anderen erweisen sich oft als delegationsresistent. Doch das Servicepersonal steht ihr jederzeit gerne zur Verfügung und auch Maschinen helfen widerstandlos. Sie wendet sich mit dem Abwasch an die Spülmaschine, bringt die Wäsche in die Reinigung und rückt der Freiheit auf die Pelle. Stellt sich den coffee to go selbst zusammen und den Glauben auch und sagt: Ich habe die gleiche Religion wie der Baum da drüben. Es gibt auch eine große Auswahl an FertigReligionen, über Jahrtausende gereift und verfeinert. Alle dürfen in Selbstbedienung auswählen und zugreifen, danach entweder glücklich bis ans Lebensende oder Deko und Überzeugung gelegentlich gegen fernöstlich Angehauchtes tauschen. Wenn Eltern oder andere Kontrollinstanzen zu Besuch kommen, geht das mit dem Umräumen ganz schnell. Kompliziert wird es erst, wenn mit Bezug auf heilige Schriften Meinungen bewiesen werden, schwarz auf weiß. Denn alle ihre Anhänger haben eine Gemeinsamkeit: Sie befinden sich im alleinigen Besitz der absoluten Wahrheit und besten Mannschaft! Meinungsverschiedenheiten der Wahrheitspächter schauen im Comic so aus: Eine Frau in Bikini und Sonnenbrille und eine tief verschleierte Frau gehen aneinander vorüber. In den Denkblasen ist zu lesen: ‚Alles bedeckt außer ihren Augen. Was für eine grausame, männerdominierte Kultur! – Nichts bedeckt außer ihren Augen. Was für eine grausame, männerdominierte Kultur!‘ Realität ist relativ zum Standpunkt der Betrachter und daher selten übertragbar. Dass Mensch etwas wird, indem ErSieEsWirIhrSie regelmäßig den gleichen Ort aufsuchen (gebildet – Schule, christlich – Kirche) wurde durch das Auto – Garage Beispiel glaubhaft widerlegt. Sie macht’s so, andere machen’s anders, finden inneren Halt beim Schmökern, Gärtnern, Wandern, bei Hand-Arbeit, Gebet oder Gemüseschnippeln. Die NeuZeit zelebriert die erfrischende Kommunikationskultur, AndersDenkende anders denken zu lassen. Enthaltsame, Unenthaltsame, OftundGernBeter, NieMeditierer, TeilzeitHeilige, Schmaucher, Abstinenzler, Fakire, WahllosGenießer und Asketen werden auf ihre Fasson selig. Gehen auf der Straße aneinander vorbei, trinken ein Tässchen zusammen, auf dem Dorf, in der Millionenstadt, im Billionenplanetarium.

Revolutionsvorschlag: Anderssein hat andere Vorteile!

Auch Atheisten sind gläubige Menschen. Sie nehmen neueste Forschungsergebnisse für bare Münze, ihre HimmelVäter heißen Statistik und Meister Zufall. Die Wissenschaft und der liebe Gott haben mehr gemeinsam als Doppelkonsonanten: sie residieren in heiligen Hallen, sind in Dogmen verheddert, mögen Rituale und hantieren mit Messgeräten. Ursprünglich methods of investigation haben sie sich zu belief systems verwachsen. Dabei lässt sich die gute alte Realität so ungern vermessen und besteht darauf, ein unübersichtlicher Wirrwarr verschiedenster Bewusstseinsebenen zu bleiben und unkooperativerweise nur zu einem geringen Teil aus Messbarem zu bestehen. Die Realität kann nichts dafür, dass sie zurückgestutzt wurde auf die Lichtfrequenz. BewusstseinsEinheiten, units of consciousness, sind auf den Zertrümmerungsmaschinen noch nicht aufgetaucht und daher auf keinem Radar der Ich glaube, was ich messen kann-Welt verzeichnet. Reichhaltiges Anschauungsmaterial für NachbarWelten liefern Quantenphysik, Science fiction, Fantasy, Mystik, NahtodErfahrungsberichte und KinderGeschichten. Sie wissen, was ein PolterGeist ist und wie er sich von einem richtigen Gespenst unterscheidet oder wie dematerialisieren funktioniert. Die Heimatgefilde der GestaltLosen sind eine andere Schwingungsebene, die lose mit 3D verwoben ist. Imaginary is the new real.

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