Die Bibliothek des Kurfürsten

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Der Pfarrer sah die elegante Frau an. »Verzeiht, Frau de Bonneville, meine Neuigkeiten sind für Frau Abele bestimmt.«

»Wie spannend.«

»Ich habe keine Geheimnisse vor Ernestine.«

Hermeskeils Miene verschloss sich noch mehr, sein gütiges Gesicht wurde beinahe finster. »Es ist Eure Entscheidung.«

Sophie ergriff Ernestines Hand. »Bitte bleib.«

Hermeskeil beschloss, es kurz zu machen. »Jakob Liebig ist in der Stadt.«

Sophie wurde leichenblass. »Oh«, machte sie endlich und tastete nach ihrem Glas. Ohne daraus zu trinken, hielt sie es an ihre Lippen. »Seid Ihr sicher?« Sie lachte zittrig. »Natürlich seid Ihr sicher. Oh Gott, warum?«

»Und wer ist dieser Herr Liebig?«, fragte Ernestine und strich ihren Ärmel glatt, den Sophie zerknittert hatte. Ihre Stimme drückte nur Anteilnahme aus, dennoch war Hermeskeil sicher, dass Untiefen darunter verborgen waren.

»Ein katholischer Agent im Dienste Herzog Maximilians«, entgegnete er knapp. »Und ein Jugendfreund Herrn Abeles.« Er legte den Kopf schief. »Der gerade eben die Treppe heraufkommt. Er wird diese Stufe wohl nie austauschen?«

»Nein«, flüsterte Sophie. »Wohl nicht.« Sie stellte das unberührte Glas ab. Als die Tür aufgerissen wurde, zwang sie sich zu einer freundlichen Miene. »Setz dich zu uns, Matthias, oder musst du gleich in die Backstube? Pfarrer Hermeskeil freut sich sicher über deine Gesellschaft.«

Matthias’ Gesicht war immer noch gerötet, seine Augen funkelten mordlustig. »Ich denke, ein Schluck Wein wird mir guttun«, presste er hervor. Er bediente sich im Stehen und stürzte das Glas hinunter.

»Du wirkst aufgebracht.«

Matthias füllte sein Glas ein zweites Mal. »Hirsch rät mir – in aller Freundschaft natürlich –, meine Bewerbung für den Rat ruhen zu lassen.«

»Das ist natürlich ärgerlich, aber, Matthias, wir haben Gäste.«

Er stutzte und strich sein Wams über dem Bauch glatt. »Verzeiht, Frau de Bonneville.« Er hauchte Ernestine einen unbeholfenen Kuss auf den Handrücken. »Führt Euch der Kuchen zu mir? Bitte greift zu!«

Hermeskeil sah auf den Teller, doch der Appetit war ihm vergangen. Am liebsten hätte er Matthias ein wenig Feingefühl in seinen Dickschädel gebläut, aber die stille Verzweiflung in Sophies Zügen hielt ihn zurück. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Ernestine sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob.

Sophie sprang ebenfalls auf. »Du willst gehen?«

»Ich denke, es ist an der Zeit. Du wirst mir bei anderer Gelegenheit erzählen, wer dieser … alte Freund ist, nicht wahr?«

Sophies Blick huschte zu Matthias. »Ja, ich … ja, natürlich.« Sie zupfte an ihren Spitzenmanschetten. »Ich begleite dich nach unten.«

»Warum übernimmt das nicht dein Mann? Wo er sich Emilie gegenüber schon als vollendeter Kavalier erwiesen hat.«

Matthias musterte die schöne Frau misstrauisch. Als er ihr den Arm bot, wirkte er noch unbeholfener. Sophie wandte den Kopf ab, während Ernestine ihre schmale Hand, schmucklos bis auf einen kostbaren Ehering, auf seinen mehlbestäubten Ärmel legte.

»Auf bald, liebe Freundin. Und Euch, Herr Pfarrer, werde ich ja am Sonntag im Gottesdienst sehen dürfen.«

Bei dem Wort »Gottesdienst« musste Hermeskeil an die Begegnung vor dem Haus denken. »Sagt, Frau Abele, kennt Ihr einen großen, zwielichtig aussehenden Burschen? Dunkel. Irgendwie verwegen. Er trieb sich vor Eurem Haus herum, als ich kam.«

Sophie hob die Schultern, doch Ernestine warf den Kopf zurück. »Sophie, du führst ja ein wildes Leben!«, rief sie mit einem spröden Lachen. »Du musst mir wirklich alles erzählen!«

»Aber ich kenne so einen Mann nicht.«

»Wie überaus schade!«

Jakob fuhr mit der Hand über seine rasierte Wange, während er zum Fenster trat. Er bedauerte, dass sein Gepäck noch nicht gebracht worden war, aber wenigstens hatte Hermeskeil Wort gehalten und den Drachen von Wirtschafterin angewiesen, ihm ein Bad herzurichten. Das lauwarme Wasser war ein Segen gewesen, doch jetzt, in seiner kleinen Kammer, kehrten die düsteren Gedanken zurück. In einem Anflug von kindischem Trotz wünschte er, Maxilius hätte ihn im Kerker sitzen lassen. Alles war besser als Karius’ grinsende Fratze unten auf der Straße. Der Leutnant schien von seinen anderen Pflichten entbunden und stand zufrieden in der Sonne. Jakob fasste einen Entschluss. Er streifte sein Lederwams über das verschwitzte Leinenhemd, glättete die Spitze an Kragen und Manschetten und trat in den engen Flur. Auf der Treppe begegnete ihm die Haushälterin. Das Erschrecken der ältlichen Frau stachelte seinen Ärger von Neuem an.

»Um Gottes willen, ich tue Euch nichts«, erklärte er ironisch.

»Der Herr Pfarrer hat gesagt, dass Ihr das Haus nicht verlassen dürft«, keifte sie, nachdem sie ihren Schrecken überwunden hatte. »Also geht zurück! Oder wollt Ihr mich in Schwierigkeiten bringen?«

Jakob fragte sich flüchtig, ob Übellaunigkeit in Heidelberg zwingend zum Wesen einer Haushälterin gehörte. »Mit Verlaub, ich kann mir den Herrn Pfarrer nicht mit der Gerte vorstellen, wie er Euch züchtigt. Daher bitte ich Euch, beiseitezutreten und mich meinen Geschäften nachgehen zu lassen. Sie sind wichtig.«

Die Frau warf ihm einen giftigen Blick zu, aber als Jakob einfach auf sie zuging, raffte sie ihre Röcke und flüchtete die Stufen hinunter. »Ich habe die Haustür abgeschlossen!«, rief sie und ließ die Schlüssel klimpern.

Statt einer Antwort suchte Jakob nach der Hintertür für die Dienstboten. Er fand sie ohne Schwierigkeiten und zu seiner Erleichterung war sie unverschlossen. Ohne auf das Zetern zu achten, gelangte er ins Freie. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er keinen Mantel mitgenommen hatte, doch die plötzliche Freiheit berauschte ihn. Entschlossen zog er die Tür hinter sich zu.

Er durchquerte das Gemüsegärtchen und trat durch das Holztor auf die Straße. Dort sah er sich nach rechts und links um, aber außer einer Horde lärmender Kinder war die Gasse leer. Jakob schmunzelte, als er an Karius dachte, der immer noch vor dem Haus herumlungerte. Dennoch galt es, sich zu beeilen, denn er wusste nicht, ob der Hausdrache auf die Idee kam, dem Leutnant von seiner Flucht zu berichten.

Beschwingt eilte Jakob zu dem Mietstall, in dem laut Hermeskeils Aussage seine Stute untergestellt war. Anstandslos zäumte der Knecht das Pferd auf, sattelte es und führte es aus dem Stall. Jakob warf dem Mann eine Münze zu. Der tippte sich an die Schläfe und Jakob war überrascht, wie gut die spontane Freundlichkeit tat, obwohl er vermutete, dass der Mann gar nicht wusste, dass er ein katholisches Pferd gesattelt hatte. Im Geiste sah er sich bereits in Reilings Hof, wo er endlich seinen Auftrag weiterverfolgen konnte, und damit meinte er nicht die Leiche, die ihm fast ebenso gleichgültig war wie offenbar dem Stadtkommandanten.

Er machte Anstalten, sich auf sein Pferd zu schwingen, als er an der Schulter herumgerissen wurde. Eine Faust traf ihn ins Gesicht. Jakob taumelte, gleichzeitig stieg die temperamentvolle Rappstute mit einem schrillen Wiehern auf die Hinterhand. Er versuchte, nach dem Zügel zu greifen, wurde aber an den Armen gepackt und zurückgeworfen.

»Um der Liebe Gottes willen, Ihr Herren«, schrie der Knecht, der zu ihnen rannte, »das Pferd!«

Im letzten Moment rollte Jakob sich weg, als die Hufe über seinem Kopf niedersausten. Ein Tritt traf ihn in die Eingeweide. Der Pferdeknecht zog das Tier beiseite, während Jakob sich auf die Knie kämpfte. Keuchend wischte er sich über den Mund und schüttelte den dröhnenden Kopf, ehe er aufsah. Über ihm stand Karius.

Mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, kam Jakob auf die Füße und klopfte den Schmutz von den Kleidern. »War das nötig?«, fragte er kalt, wenn auch etwas undeutlich. Behutsam tastete er mit der Zunge über die Zähne. Sie schienen festzusitzen.

»Scheißkatholik!«, knirschte Karius. »Du lebst nur noch, weil der Major es so will!«

»Der Major wünscht, dass ich einen Mord aufkläre. Ihr hindert mich daran mit Eurer vollkommen unsinnigen Wut. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich Befehl erhalten habe, Euch über meine Schritte zu informieren.« Jakob betonte das »Euch« geringschätzig und fragte sich, warum er den fanatischen Katholikenhasser auch noch reizte. Er zwang sich, nicht auf die krampfartig geschlossene Faust zu achten, die halb erhoben in der Luft schwebte. Stattdessen schaute er sich betont gelassen nach seinem Pferd um. Es stand mit zuckenden Ohren neben dem Pferdeknecht. Karius’ Stimme zwang ihn, sich wieder seinem Gegner zuzuwenden.

»Ich werde Euch jetzt dahin zurückbringen, wo Ihr hingehört. In den Kerker. Kommt gutwillig mit, sonst …«

»Ja? Ihr habt Euren Satz nicht zu Ende gesprochen. Seid Ihr sogar zum Reden zu feige?«, höhnte Jakob.

In den Augen des Soldaten loderte es. Jakob spannte die Muskeln an. Karius war größer, schwerer und wütender. Egal, was jetzt kam, schön würde es nicht werden.

Karius’ Faust schoss vor, aber diesmal wich Jakob zur Seite und der Schwung brachte den Leutnant aus dem Gleichgewicht. Jakob rammte ihm die Faust in die Rippen. Sein Widersacher taumelte, Jakob setzte nach, doch in diesem Moment bäumte sich sein Pferd erneut auf. Der winzige Augenblick genügte. Zum zweiten Mal traf Karius Jakobs Kinn. Der strauchelte, ließ sich fallen und rollte unbeholfen aus der Reichweite der Schläge. Als der Leutnant sich auf ihn stürzen wollte, trat Jakob blindlings nach oben.

Jede Finesse war überflüssig, eine brutale Schlägerei brach aus, wie es sonst nur zu später Stunde in Wirtshäusern vorkam. Beide bluteten aus Mund und Nase. Die Schläge wurden unsicherer, keiner war bereit, einen Fußbreit Boden aufzugeben. Jakobs Arme brannten, er atmete flach. Karius keuchte und schnaufte.

 

Das laute Klatschen zweier gegeneinanderschlagender Hände ließ die beiden zur Seite schauen. An einem Holzpfeiler lehnte ein großer Mann, umringt von neugierigen Kindern, und grinste spöttisch.

»Unentschieden, würde ich sagen«, urteilte Jiří und stieß sich ab. »Wenn ihr zwei euch totgeschlagen habt, ist es immer noch unentschieden. Was ist das eigentlich? Die Schlacht am Weißen Berg für Zwerge?«

Karius wischte sich das Blut ab und trat auf den Böhmen zu. »Halt dein Schandmaul, wenn du nicht verhaftet werden willst!«

»He, ich will keinen Ärger.« Jiří hob beide Hände. »Macht ruhig weiter. Ich schau bloß zu.«

»Ja, weiter!«, grölten die Jungen.

Jakob konnte nicht anders, er brach in schmerzhaftes Gelächter aus.

Karius fuhr zu ihm herum. »Dir vergeht gleich das Lachen!«

»Himmel, er hat ja recht«, murmelte Jakob und musterte seine aufgeschlagenen Knöchel, ehe er vorsichtig über sein Gesicht tastete. »Die Kinder da benehmen sich erwachsener als wir. Ich bitte Euch um Verzeihung für meine Unbeherrschtheit, Herr Leutnant.« Er streckte die Rechte aus. »Waffenstillstand?«

Karius stierte auf die schmale Hand. »Knecht! Ein Pferd! Und Ihr bleibt hier. Wagt nicht, Euch vom Fleck zu rühren!« Er stürmte in den Stall.

Jakob nahm die Zügel seiner Stute, da der Knecht hinter dem wütenden Offizier hereilte. »Wahrscheinlich sollte ich Euch danken. Nur frage ich mich, warum Ihr Euch eingemischt habt. Spioniert Ihr mir nach?«

»Wieso? Ich kenne Euch doch gar nicht.« Jiří deutete mit dem Daumen auf die Kinder, die unschlüssig wirkten, ob es noch etwas zu sehen gab, für das es sich zu bleiben lohnte. »Ich wollte nur wissen, was die Jungs hier so begeistert. Aber woher kennt Ihr mich?«

Jakob sah ein, dass sich der Fehler nicht mehr ausbügeln ließ. »Ihr seid eine Berühmtheit in Reilings Hof.«

Kurz blitzten die schwarzen Augen des Böhmen auf, aber der Glanz verblasste schnell zu dem alten spöttischen Funkeln. »Worum ging es denn?«

»Um den rechten Glauben.«

Jiří schnaubte durch die Nase.

In diesem Moment kam Karius mit einem hochbeinigen Rotfuchs zurück. Wenn er selbst nur halb so schlimm aussah, dachte Jakob, konnten sie beide eine Woche lang kleine Kinder erschrecken. Karius war anzusehen, dass er die letzten Worte gehört hatte. Seine geschwollenen Augen flammten schon wieder auf.

»Ich muss aufbrechen. Lebt wohl, Held vom Weißen Berg.«

»Wollt Ihr mir nicht sagen, mit wem ich das Vergnügen habe?«

Jakob lächelte ironisch. »Wenn Ihr das wirklich noch nicht wisst, bin ich sicher, dass Ihr es bald herausfinden werdet«, sagte er und zog sich mit schmerzenden Rippen auf sein Pferd. Mit unchristlicher Genugtuung sah er, dass auch Karius sich mühsam in den Sattel quälte. »Und jetzt?«

»Jetzt folgt Ihr mir.«

Jakob beschloss, vorerst den Mund zu halten. Im Sattel drehte er sich nach dem Böhmen um und sah gerade noch, wie dieser einen der Jungen am Ärmel erwischte, ehe der sich aus dem Staub machen konnte, und ihm etwas ins Ohr flüsterte.

»Schneller«, grollte Karius und wieder gehorchte Jakob.

Jiří hatte es nicht eilig, sein Pferd zu holen. Er war ziemlich sicher, dass der aalglatte Katholik und sein Bewacher zu Reilings Hof wollten, denn innerhalb der Stadtmauern benötigte man keine Pferde. Er griff in seine Tasche, förderte eine halbe Wurst zutage und genoss, an eine Mauer gelehnt, die warmen Sonnenstrahlen. Schließlich leckte er das Fett von den Fingern und folgte den beiden Männern zu Fuß.

Die Waldesstille umfing ihn, trockene Blätter knisterten, die letzten Vögel zwitscherten gegen den Herbst an. Als ein Rabe krächzte, machte Jiří geistesabwesend das Zeichen gegen den bösen Blick, versteckt allerdings, denn diese Calvinisten waren sehr streng, was den hussitischen Aberglauben seiner Großmutter anging. Der Gedanke an die weiße Hand, wütend geballt auf dem Weg, blitzte auf. Erst beim Anblick des friedlichen Gasthofes entspannte Jiří sich.

Aus dem Schankraum erklangen die gedämpften Stimmen der Gäste, die um diese Stunde ihr Mittagsmahl zusammen mit einem Bier genossen. Aus dem oberen Stockwerk erscholl ein spitzer Schrei. Jiří grinste dreckig. Die kleine Anni gewährte also wieder einmal einem der Gäste ihre Gunst. Er griff in die Tasche seines Lederwamses und klimperte mit den verbliebenen Malaygroschen, die ihn aus Böhmen hierherbegleitet hatten. Sie waren abgegriffen und nicht von großem Wert, aber das Mädchen hatte der silbrige Glanz zu Höchstleistungen angespornt. Leiser, als es seine Art war, betrat er die Schenke und stellte enttäuscht fest, dass statt Lena Gisbert am Ausschank stand. Die Schankmagd war wieder in Gesellschaft des Katholiken. Jiří drückte den Hut in die Stirn und schlenderte zu Gisbert. Der Wirt öffnete den Mund zu einer Begrüßung, doch Jiří legte den Finger auf die Lippen. »Bitte, mein Freund, kein Aufsehen. Gib mir einfach ein Bier.«

»Geht trotzdem aufs Haus«, brummte Gisbert und füllte einen Humpen. »Was führt dich her? Wieder Geschäfte?« Sein Lächeln war eine unangenehme Mischung aus Anzüglichkeit und Neugier.

Jiří winkte ab. »Nur Bier.«

Immer noch unbemerkt schob er sich in eine Ecke und fuhr fort, die drei an ihrem Tisch zu beobachten. Lena hatte sich nicht gesetzt, ihre Hände waren auf die zerschrammte Tischplatte gestützt. Ihre aufgekrempelten Ärmel gaben ihre vom Sommer noch sanft gebräunten Unterarme preis. Aus dem aufgesteckten braunen Haar hatten sich lange Strähnen gelöst und ringelten sich auf der einfachen Bluse. Sie schüttelte den Kopf, nickte, verstummte, und Jiří bildete sich ein, dass sie sich zunehmend unwohl fühlte. Wäre es nur um den Katholiken gegangen, wäre er sofort als ihr Retter aufgetreten, doch mit dem Leutnant wollte er sich nicht anlegen. Plötzlich erhob sich der Katholik und kam direkt auf ihn zu. Jiří biss sich auf die Lippen. Es kam nicht oft vor, dass er Menschen unterschätzte, aber der Kerl schien die ganze Zeit gewusst zu haben, dass er da war. Jiřís Grinsen fiel säuerlich aus, als der Katholik sich unaufgefordert zu ihm setzte.

»Also spioniert Ihr mir doch nach«, stellte er trocken fest. »Ich will es Euch einfach machen und mich vorstellen. Ich bin Jakob Liebig, Herr Němec.«

»Einfach Jiří«, brachte der hervor. Es konnte nicht schaden, dem gut gekleideten Fremden etwas zu schmeicheln. Und wenn der ihn weiter unterschätzte, umso besser. Er erwartete, dass der Katholik sein Angebot mit der Selbstverständlichkeit reicher Herren annehmen würde, doch er wurde überrascht.

Liebig lächelte hintergründig und sagte: »Nun, Herr Němec, weil ich Lena ersparen möchte, dass Ihr Euch später an sie heranmacht, um sie auszuhorchen, will ich Euch gleich einweihen. Ich untersuche zusammen mit dem Leutnant einen Mord.«

Jiří war stolz, dass er dem forschenden Blick standhielt. Nur die Hand auf seinem Oberschenkel verkrampfte sich. »Einen Mord?«

»Einen Mord an einem Unbekannten«, bestätigte Liebig. »Ein paar Jahre jünger als Ihr, kräftig, war oft an der Sonne, womöglich ein Soldat. Ist Euch so jemand begegnet?«

»Klar.«

Jakob hob die Brauen. »Er ist?«

Jiří zeigte wahllos auf einen der Gäste. »Da. Und da. Der da auch. Nee, der ist zu alt.« Er legte den Kopf schief und lächelte treuherzig.

Jakobs Mundwinkel zuckten, aber Jiří konnte nicht sagen, ob er verärgert oder belustigt war. Mehr denn je nahm er sich vor, etwas über diesen Menschen herauszufinden. »War das eine Hilfe?«

»Nicht wirklich, da keiner dieser Männer ein zertrümmertes Gesicht und eine durchgeschnittene Kehle hat.«

Jiřís Züge entgleisten. »Wär auch unpraktisch beim Trinken«, brachte er hervor. Wieder vollführte er unter dem Tisch das Zeichen gegen Dämonen und Hexen. »Wo wurde er denn gefunden?«

»Bei den Schanzen. Gestern am frühen Abend.«

»Unmöglich!«

Wieder wanderten die dunklen Brauen des Katholiken in die Höhe. »Wieso unmöglich?«

Jiří fasste sich und grinste. »Weil ich so etwas normalerweise als Erster erfahre. Wisst Ihr, die Leute reden gern mit mir.«

»Und Ihr mit ihnen. Wart Ihr wirklich am Weißen Berg dabei?«

»War ich«, entgegnete Jiří kurz und leerte sein Bier.

Der Katholik betrachtete es, dann Jiří, zuletzt hob er einen Finger. Lena nickte und ging zum Tresen.

»Danke«, sagte Jiří überrascht.

Liebig bedachte ihn mit einem undeutbaren Blick. »Nehmt es als Anzahlung für den Schlachtbericht, den ich später von Euch erwarte.« Er schob den Hocker zurück. »Die Wahrheit wäre allerdings schön.«

»Wirklich?«, entfuhr es Jiří.

Liebig antwortete nicht, sondern gesellte sich zu Karius, der aus einem Auge – das andere war komplett zugeschwollen – zu ihnen herüberstierte. Jiří widmete sich einem erfreulicheren Anblick: Lena und seinem Bier.

Diesmal gelang es ihm, ihre Finger beim Abstellen des Kruges zu erhaschen. »Du kennst den Kerl, nicht wahr?« Als sie ihn nur stumm anschaute, verschränkte er seine Finger mit ihren. »Hat er mit dir auch über diese Leiche gesprochen?«

»Ja«, gab sie einsilbig zurück und befreite ihre Hand.

»Wenn du in Schwierigkeiten bist …«

Lenas Augen weiteten sich, bevor sie in Gelächter ausbrach. Es war ein wunderschönes Geräusch. »Und da wollt ausgerechnet Ihr mir helfen, Herr Němec? Danke, aber nein danke.«

»Aber …«

»Ich danke Euch wirklich.« Sie berührte flüchtig seinen Handrücken. »Ich wollte mich nicht über Euch lustig machen. Aber ich denke nicht, dass mir von Herrn Liebig Schwierigkeiten drohen. Herr Němec …«

»Ja?«, fragte er etwas atemlos.

»Wenn Ihr Euch wirklich als Freund erweisen wollt, dann habt ein Auge auf Anni. Sie ist zu vertrauensselig.«

»Anni?«, murmelte Jiří. »Nun gut. Wenn ich dir damit eine Freude mache. Nennst du mich dann Jiří? Als Gegenleistung?«

Lena lachte, dieses Mal leise, und ging zum Tresen. Sein Blick saugte sich an ihren Hüften unter dem Leinenrock fest. Wenn der Weg zu dieser Frau über Anni führte, würde er sich nicht beklagen.

Während das Bier in die Steinkrüge gluckerte, beobachtete Lena die Gäste. Normalerweise liebte sie den Trubel der Schankstube, der sie von ihren eigenen düsteren Grübeleien abhielt, aber heute konnte sie kaum erwarten, bis der Raum sich leerte. Herr Liebig und der Leutnant waren vor einer Stunde gegangen, ersterer mit einem höflichen Lächeln, bei dem jeder Muskel seines Gesichtes geschmerzt haben musste. Lena hatte schon einige Schlägereien gesehen, doch den vornehmen Herrn Liebig konnte sie sich beim besten Willen nicht Fäuste schwingend vorstellen. Der Leutnant war etwas anderes. Selten hatte ein Mensch ihr solch eine Furcht eingejagt. Sie dachte an Anatol, ihren mörderischen Geliebten. Auch er war Leutnant gewesen. Hauptmann Maxilius und Jakob hatten ihn zur Strecke gebracht. Es war Sünde, dass ihr Herz noch heute manchmal zuckte, wenn sie an ihn dachte. Er war ein schlechter Mensch gewesen. Und sie eine dumme Gans! Ihr Blick huschte zu Anni, die endlich mit geröteten Wangen und keckem Hüftschwung nach unten gekommen war.

Lena seufzte. »Anni!«

Das Mädchen warf den Kopf in den Nacken und reckte die Stupsnase. »Ich hab nichts getan.«

Lena dachte an ihr Gespräch mit dem Böhmen und setzte eine strenge Miene auf. »Nur weil Herr Reiling es gutheißt, was du oben …« – ein warnender Laut Annis verriet ihr, dass der Wirt im Anmarsch war, aber sie ließ sich nicht beirren – »… treibst, heißt das nicht, dass es keine Sünde ist.«

In ihrem Rücken brummelte Gisbert etwas vor sich hin, aber er wies Lena nicht zurecht. Anni hingegen fuhr er unwirsch an: »Die Treppe muss gewischt werden. Und zwar nass. Nicht nur mal schnell mit dem Besen drüber wie beim letzten Mal.«

»Ich helfe ihr!«, rief Lena rasch, und ehe der Wirt Einwände erheben konnte, hatte sie Annis drallen Arm ergriffen und zog sie zur Tür.

Der Hof lag zwar in hellem Sonnenglanz, dennoch pfiff ein kalter Wind vom Wald her. Sie fröstelte in den dünnen Kleidern, doch genoss sie den Geruch nach Herbst und Laub, den der Wind herüberwehte.

Anni quietschte empört und riss sich los. »Das ist ja nett, dass du mir helfen willst …«

»Nimm den Eimer und lass dir nichts anmerken«, befahl Lena. »Los, mach schon.«

Während Anni den Eimer in den Brunnen hievte, musterte sie Lena aufmüpfig. »Was ist?«

»Erinnerst du dich an diesen dunkelhaarigen, jungen Mann – Kuno?«

Anni schoss die Röte ins Gesicht. »Kuno. Natürlich.« Sie kicherte. »Der ist ein stattliches Mannsbild. Ganz anders als der fette alte Mann, den ich eben … Aber er ist lieb. Seine Frau …«

 

»Anni«, zischte Lena. »Was kannst du mir über Kuno erzählen?«

»Er ist …« Anni schürzte trotzig die Lippen. »Aber das willst du ja doch nicht wissen. Eigentlich wollte er mich hier rausholen und zu seinen Leuten mitnehmen, das hat er mir versprochen. Dann hatten wir Streit und ich hab nichts mehr von ihm gehört. Wieso? Ist er wieder da? Dann könnten wir …«

Kurz war Lena in Versuchung, dem Mädchen eine kräftige Ohrfeige zu geben, aber sie packte sie nur an den Schultern und schüttelte sie leicht. »Beschreib ihn mir!«

»Wieso? Du weißt doch selber, wie er aussieht.«

»Gibt es irgendetwas an seinem Körper? Ein Mal oder …«

Anni schlug die Hand vor den Mund und kicherte albern. »Haare!«

»Haare?«

»Du, der Kuno ist wirklich behaart. Manchmal habe ich …« Anni sah, wie Lena die Hände faltete, und verstummte. »Was ist? Ist … ist etwas mit ihm?« Ihre Unterlippe begann zu beben. »Du machst mir Angst. Was ist passiert?«

»Etwas Schlimmes. Es tut mir so leid, ich fürchte, Kuno ist tot.«

Anni schrie auf.

Lena schloss sie fest in ihre Arme und wartete auf den Tränenstrom. Während sie mechanisch über Annis Haare strich, waren ihre Gedanken weit fort. Sie würde zu Major Maxilius gehen müssen. Sie schob das Mädchen von sich. »Anni, sieh mich an. Es ist ein Toter gefunden worden, und ich denke, es ist dein Kuno. Das müssen wir dem Stadtkommandanten sagen.«

Annis Unterkiefer klappte herunter, sie vergaß sogar zu schluchzen. »Dem Stadtkommandanten? Aber … aber da werden die uns nie vorlassen. Und ich will auch gar nicht. Du weißt doch nicht, ob er es wirklich ist. Mein Kuno!« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und begann, laut zu heulen.

Lena griff nach der Kurbel und holte den Eimer nach oben. Das Wasser schwappte über die Vorderseite ihres Kleides, doch sie hatte keine Zeit, darauf zu warten, dass Anni ihr half. Das Mädchen stieß immer noch unzusammenhängende Satzfetzen hervor.

»Wir gehen!«, befahl sie schließlich. »Jetzt. Und ja, der Stadtkommandant wird uns empfangen.«

»Wie kannst du da so sicher sein?«, begehrte Anni auf. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. »Du und er? Aber …« Sie verstummte, als Lena sie grob am Handgelenk packte und erneut schüttelte.

»Du nimmst jetzt den Eimer, putzt die Treppe, und wenn du fertig bist, brechen wir auf. Ich kläre das mit Herrn Reiling.«

»Du wolltest mir doch helfen«, schmollte Anni.

»Das tue ich. Glaub mir.« Lena drückte ihr den Eimer in die Hand und schubste sie zurück in die Schankstube.

Der Böhme hob sofort den Kopf, und Lena verwünschte das Wasser, das dafür sorgte, dass ihre Rundungen sich ungeschützt unter dem nassen Leinen abzeichneten. Er grinste, aber sie sah ihn so drohend an, dass er den Mund zuklappte. Reilings Einverständnis bekam sie rasch. Es war ein seltsames Gefühl, innerhalb dieser vier Wände so etwas wie Macht zu haben. Lena hatte schnell herausgefunden, dass Gisbert Reiling zwar gutes Bier braute und eine Nase für allerlei krumme Geschäfte hatte, viele der besseren Gäste jedoch ihretwegen kamen. Sie hob den Kopf etwas höher, während Anni lustlos auf der Treppe herumfuhrwerkte. Lena wusste, je mehr Lärm sie machte, desto schlampiger arbeitete sie. Plötzlich hielt Jiří einen Finger in die Höhe. Lena biss die Zähne zusammen. Konnte der Kerl nichts anderes als saufen? Ohne sich sonderliche Mühe zu geben, freundlich zu wirken, trat sie näher. »Noch ein Bier?«

»Eigentlich wollte ich meine Dienste anbieten.« Lena hob die Brauen. »Ich habe ganz durch Zufall mitbekommen, was du mit dem verehrten Herrn Reiling besprochen hast. Ich muss in die Stadt. Ich könnte dich begleiten. Ich sollte dich begleiten. Die Wege sind nicht sicher.« Bei den letzten Worten wirkte er ungewöhnlich ernst. Und leider hatte er recht. Als er ihr Zögern sah, blitzte seine alte Frechheit auf. »Und ich könnte …«

»Nein!«

»Wie … Nein?«

»Ihr könnt nicht. Ich nehme Euer Angebot an, weil es vernünftig ist. Aber Ihr könnt nicht. Egal, was es ist.«

Er zuckte die Achseln. »Du weißt nicht, was du verpasst. Ich warte hier. Und in der Zwischenzeit … Nein«, er lächelte schief, »kein Bier mehr.«

Wenig später befanden die drei sich auf der alten Straße nach Heidelberg. Lena versuchte heldenhaft, ihre Belustigung zu unterdrücken. Der arme Jiří ertrug die Enttäuschung tapfer, dass sie sich strikt geweigert hatte, sich vor ihn auf sein Schlachtross zu setzen. Anni hätte den Platz hinter ihm bekommen – das leichtfertige Ding war drauf und dran gewesen zuzusagen. Lena glaubte ihm, dass das Pferd die dreifache Belastung ausgehalten hätte, sie hatte das riesenhafte Biest im Stall gesehen, doch ansonsten glaubte sie ihm rein gar nichts. Also gingen sie zu Fuß durch den Wald. Nachdem es ihr gelungen war, Annis helle Stimme auszublenden, genoss sie den Marsch. In ein dickes Wolltuch gehüllt, raschelte sie durch das welke Laub, wie sie es als Kind getan hatte, während sich um sie herum alles Leben hartnäckig gegen den Winter wehrte. Vögel, Eichhörnchen und größeres Getier taten alles, die letzten Wochen zu feiern. Sie dachte an den Krieg. Ob Jiří wirklich beim Weißen Berg dabei gewesen war? Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlte, war ein Ausdruck in seinen Augen, der ihr Angst machte. In diesen Momenten glaubte sie ihm. Und sie fragte sich, was er verschwieg. Vor einem halben Jahr war er wie aus dem Nichts aufgetaucht, abgerissen und schmutzig. Jetzt hatte er Geld, Freunde und war ihr ein noch größeres Rätsel als zuvor. Lena bückte sich nach einem Tannenzapfen und ließ ihre Finger über das trockene Holz wandern.

»Ihr müsst uns nicht zur Garnison begleiten«, sagte sie in eine Gesprächspause hinein.

»Du willst wirklich zum Stadtkommandanten? Das war nicht nur eine Ausrede, um dem alten Schinder zu entkommen?«

Lena stöhnte gereizt. »Natürlich nicht. Und ja, ich muss zum Stadtkommandanten.«

»Dann geh zu den Schanzen. Da wirst du ihn eher antreffen als in der Garnison.«

»Woher wisst Ihr das denn schon wieder?«, entfuhr es ihr.

Er schmunzelte und nahm ihr den Tannenzapfen aus der Hand. Seine Finger waren warm und rau. Er zielte und warf. Ein wütendes Quieken im Unterholz war die Antwort. »Ratten«, murmelte er. »Die kriegen noch genug zu fressen, wenn es losgeht. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich weiß das, weil er dauernd da ist. Tag und Nacht. Man sagt, dass er nicht mehr schläft, dein Stadtkommandant.«

»Er ist nicht mein Stadtkommandant«, fauchte Lena.

Anni kicherte und Jiří zuckte die Schultern. »Gut für mich. Einer wie Spielvogel macht mir keine grauen Haare, aber ein Major …«

»Herr Němec, ich habe Euch nie irgendeine Ermutigung gegeben und ich …« Sie biss sich auf die Lippen, als der Schalk in seinen Augen aufblitzte. »Ihr seid unleidlich.«

»Aber ich habe dich zum Lachen gebracht. Gott hat es zu einem guten Tag gemacht.«

Sie hob die Hände zum Himmel und schnaubte. Die Stadtmauer tauchte in der Ferne auf. Überrascht stellte Lena fest, dass es ihr beinahe leidtat, dass sie am Ziel waren. Die Wache am Speyerer Tor machte sich kaum die Mühe, für zwei Frauen und einen Mann, alle zu Fuß, den Kopf zu heben. Der junge Soldat lehnte an der Mauer und hielt sein gerötetes Gesicht in die Sonne.

»Wir suchen den Stadtkommandanten!«, rief Jiří.

Statt misstrauisch zu werden, deutete der Mann an der Außenmauer entlang. »Der ist aber beschäftigt. Der halbe Rat ist bei ihm. Alles furchtbar wichtige Herren.«

»Danke.« Jiří sah die beiden Frauen an. »Sicher? Wir könnten auch …«

»Ganz sicher«, entgegnete Lena und fasste Annis Hand.

Je weiter sie kamen, desto lebhafter wurde das Treiben auf der Baustelle. Lena ließ ihre Gefährtin nicht los. Zuerst hatte sie sie beruhigen wollen, jetzt umklammerte sie ihre Finger warnend, denn sie wusste, wie gern Anni die guten Sitten fahren ließ. Die bewundernden Blicke der vielen Männer waren eine beinahe unwiderstehliche Versuchung für das Mädchen. Nach rechts und links den Hals drehend, stolperte sie neben ihrer Freundin her. Lena gab es ungern zu, aber hier war sie für Jiřís Anwesenheit ehrlich dankbar. Ein paar Scherze, mehr trauten sich die Männer nicht. Die Arbeit schien unglaublich schwer zu sein. Lena konnte sich nicht vorstellen, wie jemand diese Wälle würde überwinden können. Doch als sie in Jiřís Gesicht sah, erkannte sie nur abgrundtiefen Zynismus. Alle wärmeren Gefühle erstarben jäh. Umso eifriger schaute sie sich nach Maxilius um und schließlich entdeckte sie ihn. Inmitten einer Gruppe gut gekleideter Ratsherren wirkte er staubig und abgekämpft. Er war braun gebrannt, aber hager, und unter den Augen lagen dunkle Ringe, den speckigen Hut hielt er, wie er es gern tat, in der Hand und nutzte ihn, um in einem wütendem Rhythmus gegen seinen Oberschenkel zu schlagen. Sogar die Ratsherren schienen Abstand zu halten. Am Rand der Gruppe standen Jakob und der Leutnant, beide mit absurd zerschlagenen Gesichtern. Jakob sah im hellen Sonnenlicht noch schlimmer aus als in der gnädigen Beleuchtung der Schankstube. Lena wunderte sich, dass er sich überhaupt auf den Füßen halten konnte. Sie merkte, dass Jiří sie ansah, nicht auffordernd, eher neugierig. Sie hob das Kinn und trat auf die Männer zu. Als sie nahe genug war, dass Maxilius sie irgendwann sehen musste, blieb sie bescheiden stehen und wartete. Anni drängte sich an ihre Seite. Es war nicht der Stadtkommandant, sondern einer der Ratsherren, ein schlanker Mann in den Vierzigern, der sie schließlich bemerkte. Er musterte sie eine Weile, ehe er Maxilius mit einem diskreten Wink auf sie hinwies.