Was Luther angerichtet hat

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Letzte Ausgleichsversuche

Dann kam es im April 1539 zum „Frankfurter Anstand“, einem Stillhalteabkommen zwischen dem Kaiser, den katholischen und den protestantischen Fürsten. Denn die Schmalkaldener verhandelten mit dem protestantisch gewordenen Königreich Dänemark (siehe nächstes Kapitel) und gaben ihre für den Kaiser bedrohlichen Kontakte zu Franz I. von Frankreich nicht auf. Dazu wüteten die Osmanen im Mittelmeer; sie hatten im September 1538 vor Preveza (an der griechischen Küste zwischen Epirus und Akarnanien) die Flotte der „Heiligen Liga“ von Papst, Venedig und Kaiser so schwer mitgenommen, dass ihnen von da an die Vorherrschaft im Mittelmeer nicht mehr streitig gemacht werden konnte. So versprach, da in Europa alles zusammenhing, der Kaiser in Frankfurt die Einstellung der Prozesse des Reichskammergerichts, die gegen die protestantischen Enteignungen von Kirchengut angestrengt wurden. Und da die Karte des Konzils nicht stach, blieb nichts anderes übrig, als den Ausgleichswillen durch die Einleitung theologischer Kontroversen im, ideal gesehen, politik- und gewaltfreien Raum zu demonstrieren.

Das war einerseits eine Akademisierung des Glaubenskonfliktes, der damit zu der von Luther 1517 beabsichtigten Disputation über seine Ablass-Thesen zurückkehrte, andererseits der Versuch, ein anderes Vehikel als ein Konzil zu finden, in dem der Klerus dominiert hätte. So beschloss man zu Frankfurt die Wahl eines verhandelnden Ausschusses von Theologen und Laien, dem Bevollmächtigte Karls und Ferdinands zugeordnet werden sollten, und solche des Papstes nur, wenn der Kaiser einverstanden sei. Man erhoffte sich davon eine originelle Alternative zum „Nationalkonzil“. Wenn es noch eine Chance geben sollte, die streitenden Glaubensparteien friedlich zurückzuführen in die nach wie vor ersehnte Einheit der Kirche, dann gab es die nun.

Das erste Treffen fand im Juni 1540 in der Reichsstadt Hagenau (nunmehr Nordelsaß) statt. Man redete auf eine Weise aneinander vorbei, wie es bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges noch häufig geschehen sollte. Die katholische Mehrheit forderte die Rückgabe der enteigneten Kirchengüter, die evangelische Minderheit konterte, damit wären diese vielmehr ihrem ursprünglichen karitativen Zweck zurückgegeben worden. Man solle zuerst von den religiösen Differenzen reden. Die anwesenden Bischöfe waren durchaus konzessionsbereit, etwa was den Laienkelch, die Priesterehe und den Gottesdienst in deutscher Sprache betraf. Ferdinand, der in Hagenau moderierte, vertagte das Gespräch nach Worms. Dort sollte auch ein päpstlicher Nuntius beteiligt sein. Die Evangelischen waren unter der Bedingung einverstanden, dass dabei nicht der päpstliche Primat betont und dem Nuntius keine ausschlaggebende Autorität zuerkannt würde.

In Worms (ab November 1540) kam man überein, die Frage der kirchlichen Güter nicht zu behandeln. Des Kaisers Kanzler, der Burgunder Nicolas Perrenot de Granvelle (auch Granvella), betonte die Notwendigkeit der Einigung, denn die Spaltung diene ja doch nur dem Papst (da sie dem Kaiser im Reich Schwierigkeiten schaffte). Ferdinand hatte die elf Fürsten bezeichnet, die die katholische Majorität vertreten sollten – von denen galten Brandenburg, Kurpfalz und Kleve als Protestantismus-geneigt. Auf der Gegenseite traten ebenfalls elf Vertreter auf. Also musste der Nuntius befürchten, dass bei Mehrheitsabstimmungen die Evangelischen gewinnen würden, und verlegte sich auf eine Diskussion zur Verfahrensordnung, um ein solches Ergebnis zu verhindern. Die Protestanten gaben nach, und man einigte sich sogar, auf der einen Seite Melanchthon, auf der anderen Professor Johannes Eck, über eine gemeinsame Definition der Erbsünde.

Da erhielt Granvelle den kaiserlichen Auftrag, die Diskussionen auf dem nahenden Reichstag zu Regensburg fortzusetzen. Die päpstliche Seite war dem Kaiser in den Ohren gelegen, diese Wormser Versammlung werde von den Protestanten dominiert und werde zu einem unerhörten Schisma führen. Karl V. sah daran, dass Rom an einer gleichberechtigten Diskussion nicht interessiert war, und beschloss daher – ein letzter Versuch! –, die Sache in Regensburg persönlich in die Hand zu nehmen.

Regensburger Religionsgespräch 1541

Päpstlicher Nuntius wurde auf des Kaisers Wunsch der venezianische Kardinal Gasparo Contarini. Er wurde von Paul III. zum Vorstand einer Kommission ernannt, die 1537 einen „Ratschlag, wie die Kirche zu bessern sei“ erarbeitete – ohne praktische Folgen!

Am 5. April 1541 begannen die Beratungen in Regensburg. Karl und Contarini waren sich einig darin, über Priesterehe und Laienkelch mit sich reden zu lassen. Zentral war natürlich die Frage des päpstlichen Primats. Die Protestanten konzedierten, der Papst könne eine Art Oberaufseher der Kirche bleiben, dürfe aber die Bischöfe nicht an sich binden. Die kirchliche Hierarchie mag bestehen bleiben, aber die Unfähigen unter den Bischöfen müssten einen gelehrten Vikar zugeordnet bekommen.

Zur Einigung in den schwebenden Glaubensdifferenzen wurden neben Melanchthon und Johannes Eck die gemäßigtsten Theologen aufgeboten, die man auf beiden Seiten finden konnte. Den Vorsitz des Diskussionsgremiums sollten nach des Kaisers Willen der milde Pfalzgraf Friedrich und Granvelle übernehmen, Contarini blieb außen vor. Man einigte sich tatsächlich zu vier Hauptthemen, zum einen dem der menschlichen Natur: Der Mensch habe durch Adams und Evas Sündenfall den freien Willen verloren. Über die Erbsünde einigte man sich ebenso wie über die Erlösung und auch die Rechtfertigung: Diese geschehe ohne menschliches Verdienst durch den Glauben allein. Contarini ergänzte, so dass Melanchthon zustimmen konnte: Der Glaube müsse aber lebendig und tätig sein.

In Sachen Autorität der Kirche kam man sich ein wenig näher, doch über das Wesen der Eucharistie war der Dissens nicht auszuräumen. Die Lutheraner gingen von der realen Präsenz Christi bei Fortbestand der Substanz von Brot und Wein aus, während die Katholiken und auch Contarini darauf bestanden, dass die Transsubstantiation, die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi durch die priesterliche Konsekration, im Mittelpunkt der Messe stehe.

Der Kaiser legte die Protokolle dieser Gespräche den in der Nähe tagenden Reichsständen vor. Die Kurfürsten und auch die Städte befanden, sofern ein Vergleich zustande gekommen sei, solle er gelten bis zum nächsten Konzil oder einer „Nationalversammlung“ auf deutschem Boden. Bayern sprach sich dagegen aus. Ein Konzil müsse her. Dem Kaiser wurden daraufhin zwei sich widersprechende Gutachten präsentiert, das eine im Sinne der Kurfürsten und Städte, das andere lehnte die Annahme der Punkte, über die man sich geeinigt hatte, ab.

Karl hatte in Deutschland Harmonie herstellen wollen, aber gegen deren Gegner kam er nicht an, und daher auch nicht gegen den Willen des Papstes. Der vermisste in der Regensburger Eröffnungsrede des Kaisers den Hinweis darauf, dass die Einberufung eines Konzils allein dem Papst zustehe. Wollte Karl V. es etwa seinerseits einberufen, wie es die Protestanten wünschten? Davon hielten auch der Herzog von Bayern und der Erzbischof von Mainz nichts. Den Vorschlag des Kaisers, sich vorläufig an die erarbeiteten Übereinstimmungen zu halten, lehnte der Papst ab. Contarinis Ausgleichsbemühungen wurden vollständig desavouiert.

König Franz I., der in Regensburg hinter den Kulissen intrigiert hatte, war erfreut, dass Karls Harmonieversuch gescheitert war, denn dessen Erfolg hätte diesen zur bestimmenden Gestalt in ganz Deutschland gemacht. Auch Luther war dagegen, da er den erreichten Kompromissen zutiefst misstraute. Ranke formuliert in seiner „Geschichte der Päpste“ mit kritischem Unterton: „Er, der sich immer im Kampfe zwischen Himmel und Hölle erblickte, glaubte auch hier das Treiben des Satans zu erkennen.“

So war das Ergebnis der Regensburger Religionsgespräche nichts als einer der größten Sargnägel für die kirchliche Einheit des Abendlandes, und der Weg zur Unwiderruflichkeit der Spaltung ging weiter, woran beide Parteien ihren Anteil hatten.

Kapitel drei:
Die Reformation verbreitet sich in Europa
Dänemark

Ohne die von Wittenberg ausgehende Reformation ist diese Bewegung nicht nur im Deutschland des 16. Jahrhunderts, sondern auch anderswo in Europa nicht denkbar. Die dann einsetzende katholische Reaktion musste auch mit der Reformation in Skandinavien, Polen und anderswo den Kampf aufnehmen – ein Ausdruck, der nach damaligem Verständnis nicht allzu drastisch gewählt ist.

Die ersten evangelischen Prediger im Norden kamen aus Deutschland. Schon bald nach 1520 traten sie in den Herzogtümern Schleswig und Holstein auf, die durch Personalunion mit der Krone Dänemark verbunden waren. Es kam der Ausbreitung der neuen Lehre auch nördlich von Hadersleben entgegen, dass König Christian II. die Linie verfolgte, gegen den großen Adel und Klerus seines Landes sich auf das Bürger- und Bauerntum zu stützen, um an die Stelle der Selbstherrlichkeit der mächtigen Potentaten seine eigene zu setzen. Unter den Bürgern, den Kaufleuten und Bauern bestanden mannigfaltige Verbindungen nach Deutschland und in die Niederlande, deren mit dem biblischen Originaltext verbundener Humanismus Sympathien für neuartiges religiöses Denken begünstigte.

Christian II. lebte in der Tradition der „Kalmarer Union“ von 1397, die die personelle Einheit der drei Königskronen von Dänemark, Norwegen und Schweden begründete, wobei die dänische die Färöer, Island und Grönland einschloss, die schwedische Finnland, das zum Herzogtum wurde. Schweden verspielte Christian, da er in Stockholm unter den einheimischen Gegnern seiner Herrschaft ein verräterisches Blutbad anrichtete (November 1520). Die Opposition formierte sich unter dem jungen Gustav Wasa und trieb die Dänen bis 1523 aus dem Land, was das Ende der „Kalmarer Union“ bedeutete. Im selben Jahr vertrieben die adligen und klerikalen Potentaten, denen Christian so zugesetzt hatte, ihn auch aus Dänemark.

 

Christian begab sich mit seiner Gemahlin Isabella, die eine Schwester des Kaisers war, nach Wittenberg und verkehrte mit Luther und Melanchthon. Das königliche Paar empfing das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. 1524 erschien eine Übersetzung des Neuen Testaments ins Dänische und wurde nach Dänemark geschmuggelt. Luther nahm in seiner Schrift „Ob Kriegsleute auch im seligen Stande sein können“ Partei gegen diejenigen, die den König vertrieben hatten.

Christians Nachfolger in Dänemark wurde sein Onkel Friedrich, der schon als Herzog von Schleswig und Holstein nichts gegen die neue Lehre unternommen hatte. Dieser Haltung blieb er treu, obwohl er sich anlässlich seiner Wahl durch die Reichsstände verpflichtet hatte, seine Tendenz rückgängig zu machen. Das Gegenteil fand statt, bei nicht verfolgter evangelischer Predigt in breiten Kreisen der Bevölkerung. 1526 wurde auf einem Herrentag in Odense (Insel Fünen) beschlossen, die Bischöfe des Landes von nun an nicht mehr von Rom, sondern vom einheimischen Erzbischof, dem von Lund (in Schonen, damals dänisch), bestätigen zu lassen. Im gleichen Jahr hatte König Friedrich keine Bedenken, dass seine Tochter den Herzog Albrecht von Preußen heiratete, der sich soeben von seiner Stellung als Großmeister des Deutschen Ordens weg säkularisiert hatte.

Friedrichs Sohn Christian, der besonders beeindruckt war vom Auftreten Luthers in Worms, gründete in Hadersleben ein Seminar zur Ausbildung von evangelischen Pastoren. Hans Tausen, der in Wittenberg studiert hatte, predigte in der ehemaligen jütländischen Residenzstadt Viborg, genoss die Gunst von König Friedrich und brachte 1530 die „Confessio Hafnensis“ (Bekenntnis von Kopenhagen) heraus. Deren Inhalt war zwar nicht identisch mit der „Confessio Augustana“, aber die dänische Kirchenordnung von 1537, an der neben Hans Tausen auch der unermüdliche Johannes Bugenhagen mitwirkte, fand Luthers Zustimmung.

Friedrich I., dessen Gewährenlassen wesentlich für den Erfolg der Reformation in Dänemark gewesen sein dürfte, starb 1533. Da war bereits der Versuch Christians II. gescheitert, seinen Thron nach Rückkehr zum Katholizismus zurückzugewinnen, wonach der Gestürzte den noch langen Rest seines Lebens (bis 1559) in Gefangenschaft seiner Nachfolger verbringen musste. Karl V. hatte seinem Schwager in keiner Weise geholfen, nicht nur aus konfessionellem Misstrauen, sondern weil die Kaisermacht an Nord- und Ostsee schon seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr durchschlug.

Sobald Friedrichs Sohn Christian als der dritte dieses Namens den Thron bestiegen hatte (1534), nachträglich noch von Bugenhagen gekrönt, setzte er alle Bischöfe ab, zog deren Besitz ein und ordinierte an ihrer Stelle sieben protestantische Bischöfe. 1537 wurde die Universität Kopenhagen gemäß den von Melanchthon überarbeiteten Statuten der von Wittenberg erneut eröffnet. Die altgläubigen Pfarrer im Lande blieben auf ihren Stellen und passten ihre geistliche Bildung, die nicht groß gewesen sein muss, häufig den neuen Lehren an; die Klöster wurden allmählich aufgelöst, immer mehr Schriften Luthers wurden übersetzt. Insgesamt hatte sich in Dänemark die Reformation von unten in eine solche von oben verwandelt.

Norwegen

In Norwegen, Island und Schweden lief die Entwicklung anders herum. Zwar hatten deutsche Prediger, begünstigt durch weltoffenes Kaufmannsmilieu, nachweisbar schon ab 1526 in Bergen gewirkt, der damals wichtigsten Stadt Norwegens, und standen dabei unter dem Schutz von König Friedrich und seinem Statthalter. Aber die altgläubigen Bischöfe neigten zu dem vertriebenen König Christian II. Das Landvolk außerhalb der Metropole von Bergen verspürte wenig Bedürfnis, sich aus seinen liebgewordenen, mit uraltem Heidentum vermischten Ritualen herausreißen zu lassen. Der reformatorische Impetus, auch wenn 1539 die dänische Kirchenordnung ebenfalls für Norwegen dekretiert wurde, litt erheblich unter dem Mangel an Voraussetzungen, die ihm in Deutschland so sehr geholfen hatten: Es gab keine Landesuniversität, und nicht einmal eine einheimische Druckerpresse.

Die altgläubige Opposition in Norwegen ging einher mit den Bestrebungen, das Land aus seiner seit 1380 bestehenden dynastischen Verbindung mit Dänemark zu lösen. Zum Bannerträger dieser Bewegung machte sich die herkömmliche Stütze der alten Religion, der Erzbischof von Nidaros (Trondheim), dem geistlichen Zentrum des Landes. Erzbischof Olav Engelbrektsson entstammte den traditionell anti-dänischen Kreisen der einheimischen Großbauernschaft. Er hatte in der 1419 gegründeten Universität Rostock studiert und hatte, nachdem er Ende 1523 vom Papst zum Erzbischof von Nidaros konsekriert worden war, Christian II. seinen Treueid geleistet – eine Doppelstrategie, die des Königs prekäre Lage auszunützen schien. Doch sein Widerstand gegen den dritten Christian, der entschlossen war, die Krone von Norwegen zu behalten, war trotz der Sympathien des einheimischen Episkopats und trotz des Mangels an neugläubigem Feuer in der Bevölkerung erfolglos. 1537 musste er seine Heimat verlassen, 1538 starb er in den habsburgischen Niederlanden.

Island-Saga

Seine letzte Amtshandlung war die Weihe des Bischofs von Skalholt gewesen, eines der beiden Bistümer auf Island, das andere war Holar, nahe der Nordküste. Auch in diesem fernen Norden bewirkte die Anwesenheit deutscher Kaufleute, dass Luthers Lehren bekannt wurden. In Hafnarfjördur südlich von Reykjavik wurde sogar eine lutherische Kirche gegründet. Isländer kamen geschäftlich und teilweise auch zum Studium nach Deutschland. Das erste in isländischer Sprache überhaupt erscheinende Buch war das 1540 in Dänemark gedruckte Neue Testament.

Zum Konflikt zwischen Alt und Neu kam es, sobald sich die Reformation in Dänemark auch offiziell durchgesetzt hatte, also ab 1537. Die Tausen-Bugenhagensche Kirchenordnung von Kopenhagen verwarf der Bischof von Skalholt als Ketzerei. Nun sollte sich auch in Island zeigen, dass die Fürsten die Reformation zur Straffung der staatlichen Kontrolle instrumentalisierten. Christian III. entsandte einen Gouverneur, der auch militärisch gegen die Abspenstigen vorgehen und kirchliche Besitztümer beschlagnahmen sollte. Das war gefährlich, denn der Bischof hatte sehr gewaltbereite Anhänger. Auch das Parlament von Thingvellir, der Inbegriff isländischer Selbstverwaltung, stellte sich hinter den alten Glauben. Der neue Bischof von Skalholt, der unter königlicher Protektion zum Protestantismus neigte, arrangierte sich mit Jon Arason von Holar, dem Verfechter des alten Glaubens. Der schrieb Bittbriefe nach Rom und an den Kaiser, was für den König von Dänemark in der sich allmählich säkularisierenden Atmosphäre des europäischen Staatsrechts nichts anderes als Hochverrat mit der Folge der Rechtlos-Erklärung von Jon Arason bedeutete. Der war nun vogelfrei.

Jon Arason bestätigte seinen üblen Ruf, indem er Skalholt mit bewaffneter Mannschaft besetzte. Im Laufe der Auseinandersetzung nahmen ihn die Königstreuen gefangen, und in der Gefangenschaft wurde er umgebracht (1550). Seine Anhänger brachten daraufhin alle Dänen um, die an der Sache beteiligt gewesen waren, derart waren die religiösen Angelegenheiten verflochten mit dem Willen der Inselbewohner, gegen Kopenhagen ihre Freiheit zu wahren.

Aber im nächsten Jahr zwangen die aus Dänemark entsandten Leute des Königs die Einheimischen dazu, einen Gefolgschaftseid auf ihn zu leisten und das Prinzip der Reformation zu beschwören. Die Bistümer von Skalholt und Holar verloren ihre Einkünfte an die königliche Kasse. So genau hatte der König sein fernes Besitztum noch nie in der Hand gehabt. Das spätere, lutherisch geprägte Glaubensleben in Island hat vielerlei Früchte getragen, die zur Identität der modernen Nation gehören. Aber alles hatte gewaltsam und von oben kommandiert begonnen.

Schweden

In Schweden war die Einführung der Reformation das Verdienst des siegreichen Gustav Wasa, der 1523 zum König gewählt wurde. Er hatte die Dänen mit massiver Hilfe der Hansestadt Lübeck hinausgeworfen, und das hatte ihn in gewaltige Schulden gestürzt. So verfiel er auf den finanziellen Ausweg, die schwedischen Bistümer zu schröpfen. Gustav Wasa war religiös indifferent, irgendein Erweckungserlebnis durfte man bei ihm nicht suchen. Aber Olaus Petri, der ab 1516 bei Luther in Wittenberg studiert hatte und als dessen erster schwedischer Schüler gilt sowie ab 1524 in Stockholm predigte und das Neue Testament ins Schwedische übersetzte, machte den König auf die Legitimität der Säkularisierung geistlicher Güter aufmerksam.

Auf dem Reichstag von Västerås (1527, am Mälarsee) wurde all das Kirchengut als „überflüssig“ enteignet, das der König nach seinem eigenen Ermessen als überflüssig ansah. Die Burgen der Bischöfe wurden geschleift, die Bischöfe selbst aus dem Reichsrat eliminiert. Nach deutschem Vorbild veranstaltete König Gustav eine Disputation zwischen Alt- und Neugläubigen. Da zeigte es sich, dass Luthers Glaube noch nicht so recht mehrheitsfähig war, denn das Ergebnis der Disputation war lediglich, dass das Evangelium „rein“ gepredigt werden sollte. Es war auch mit den Bauern zu rechnen, die – im Heiligen Römischen Reich unvorstellbar – Sitz und Stimme auf dem schwedischen Reichstag hatten und die ihre „guten, alten Sitten“ auch in religiöser Hinsicht nicht angetastet wissen wollten.

1531 wurde Laurentius Petri, der jüngere Bruder des Olaus Petri, ebenfalls Student aus Wittenberg, Erzbischof von Uppsala. Ihn ordinierte der Bischof von Västerås, der seine Weihe noch in Rom empfangen hatte. Sobald sich 1537 die Reformation in Dänemark endgültig durchgesetzt hatte, zeigte König Gustavs Politik, dass auch das von der „Kalmarer Union“ befreite Schweden vom Einfluss des reicher entwickelten Nachbarn im Südwesten noch nicht frei war. Denn erst dann erfolgten in Schweden die Aufhebungen der Klöster und des Zölibats, wurde die Gottesdienstordnung des Olaus Petri zur verbindlichen Norm. Ab 1537 bestand für den schwedischen König kein Anlass mehr, bei sich die Leuchte des alten Glaubens hochzuhalten, denn allzu weit entfernt waren Kaiser, Spanien und Papst, um diesen in einem solchen Falle wirkungsvoll unterstützen zu können.

Ein auch katholisch inspirierter Aufstand in Südschweden (die „Grafenfehde“ von 1543) verlangsamte die Reformationsgeschwindigkeit des, wie gesagt, taktisch denkenden Gustav Wasa, indem die Ersetzung der Bistumsordnung durch königlich gesteuerte Super-Intendenten zurückgestellt wurde. Aber 1541 kam die „Gustav-Wasa-Bibel“ heraus, die sich eng an Luthers deutsche Übersetzung anlehnte. 1544 beschloss der Reichstag von Västerås geradezu ein Verbot des Katholizismus. Als der König 1560 starb, gab es in Schweden noch keine offizielle Kirchenordnung und auch keine offizielle Konfession. Aber die Richtung weg von den „guten, alten Sitten“ des Landvolks konnte als entschieden gelten. Die Reformation von oben fand also recht temperiert statt.