Was Luther angerichtet hat

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Augsburg 1530

Karl hatte im Friedensschluss mit dem Papst (Barcelona 1529) versprochen, die Neugläubigen auf friedlichem Wege wieder zurückzubringen, und falls das nicht gelänge, seine Macht spielen zu lassen, „um die Schmach, die man Christo angetan, zu rächen“. Vor dem spanischen Staatsrat hatte er 1528 verkündet, das ketzerische Element müsse beseitigt werden, „so dass Historiker, die berichten, dass es während unserer Regierung begonnen hat, auch werden feststellen können, dass es mit meiner Hilfe und meiner Anstrengung zufolge ein Ende gefunden hat“.

Inzwischen war der Friede mit Frankreich siegreich geschlossen worden, Karl hatte sich nach Italien begeben, das er nunmehr so eindeutig dominierte, dass er dem Medici-Papst Clemens VII. den Wunsch erfüllen konnte, seine Familie wieder zur Herrschaft in Florenz zu bringen. Am 24. Februar 1530, dem fünften Jahrestag seines Sieges bei Pavia, ließ er sich vom Papst krönen, als letzter überhaupt in der Reihe der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Die Krönung fand in Bologna statt, kein deutscher Fürst war anwesend.

An diese ergingen unterdessen Einladungsschreiben zu einem Reichstag in Augsburg, die vom Willen zum friedlichen Ausgleich in Glaubenssachen kündeten. Karl wollte dazu helfen, „alle Meinungen zu einer einigen christlichen Wahrheit zu vergleichen und alles, so zu beiden Teilen nicht recht ausgelegt oder behandelt ist, abzutun“. Sofern der Kaiser sich insgeheim vorbehielt, die Protestanten mit Krieg zu überziehen, war das im Augenblick trotz der Grundlage, die er durch seine anderweitigen Siege gewonnen hatte, nicht opportun. Denn im Herbst 1529 war Sultan Süleyman erneut herangezogen, und diesmal war er bis zur Belagerung von Wien fortgeschritten. Auch wenn ihm diese misslang (am 14. Oktober zog er ab), war doch von nun an die habsburgische Ostflanke beständig schwer bedroht. Daher freundliches kaiserliches Gebaren gegenüber den Protestanten. Und da Karl das Reichsregiment nicht länger schätzte, musste er die Kurfürsten dazu bringen, seinen Bruder Ferdinand als Stellvertreter im Reich zu akzeptieren, was dessen Wahl zum „Römischen König“ bedingte, zum zukünftigen Nachfolger des Kaisers selbst.

Aber das Verfahren auf dem Reichstag war eher auf kaiserlichen Druck angelegt, unterstützt von der immer noch altgläubigen Mehrheit der Fürsten, als auf die versprochene friedliche Vergleichung. Am 25. Juni 1530 legten Sachsen, Ansbach, Lüneburg, Hessen, Anhalt, Nürnberg und Reutlingen die von Melanchthon systematisierte und redigierte Zusammenfassung der evangelischen Lehre in 28 Artikeln vor, die berühmte „Confessio Augustana“. Da die Protestanten mit den Zwinglianern uneins waren und das Gefecht von Kappel noch nicht stattgefunden hatte, fühlten sie sich eher zur Verteidigung als zum Angriff berechtigt. Es war daher bemerkenswert, was die „Confessio“ gerade nicht enthielt: keine Bestreitung des päpstlichen Primates, keine Reduzierung der Zahl der Sakramente, demnach auch keine Leugnung des character indelebilis, der lebenslang währenden Wirkung der Sakramente von Taufe, Firmung und Priesterweihe. Die weltliche Gewalt der geistlichen Fürsten wurde nicht in Zweifel gezogen. Andere Punkte mussten kontrovers bleiben, wie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und die Aufhebung des Zölibats, wofür man sogar ein zustimmendes Zitat bei Papst Pius II. (1458 – 1464) fand. Die zwinglianisch gesonnenen Reichsstädte Straßburg, Konstanz, Memmingen und Lindau legten ihre eigene „Confessio Tetrapolitana“ (Bekenntnis der vier Städte) vor.

Am 3. August wurde die katholische (den Ausdruck wollen wir von nun an verwenden) Antwort verlesen, genannt „Confutatio“ (Widerlegung). Die verharrte, außer bei einer Modifikation in der Lehre von der Rechtfertigung durch „gute Werke“, auf dem bisherigen kirchlichen Standpunkt: Die Ausgestaltung der Kirche auf Erden sei, einige Missbräuche hin und her, göttlichen Ursprungs.

Die katholische Mehrheit hielt die „Confutatio“ für ausreichend, um die Protestanten zur Rückkehr in den Schoß der Kirche aufzufordern. Das war das Gegenteil von gütlicher Diskussion; die Protestanten wurden nicht anders behandelt als einst Luther vor Kardinal Cajetan und auf dem Reichstag zu Worms. Allerdings blieben sie auch so fest bei ihren Überzeugungen wie Luther damals.

Melanchthon verfasste eine Antwort auf die „Confutatio“, deren Annahme der Kaiser ablehnte. Er war als überparteilicher Schlichter, falls er denn diese Rolle tatsächlich hätte annehmen wollen, gescheitert und ins Schlepptau der Katholiken geraten. Er mag die religiöse Wucht der Angelegenheit nicht genügend ernst genommen, den Glaubenskonflikt zu sehr von der politisch-formalen Seite her betrachtet und seine Autorität überschätzt haben. Am 14. November reisten die Vertreter des Landgrafen von Hessen und des Kurfürsten von Sachsen ab. Anschließend bestätigten die Verbliebenen der katholischen Mehrheit die Fortdauer der Wormser Reichsacht, verboten jegliche religiöse Neuerung und forderten die Rückgabe des bisher enteigneten Kirchenbesitzes. Zuwiderhandlung sollte als Bruch des Landfriedens gelten. Die Protestanten bekamen eine Frist bis zum 15. April 1531, sich diesen Beschlüssen zu beugen. Sie konnten zum damaligen Zeitpunkt nicht wissen, ob der Kaiser im Verweigerungsfalle nicht zum Krieg gegen sie entschlossen war.

Der Schmalkaldische Bund

Wegen des vermeintlich drohenden Angriffs des Kaisers trafen sich im Dezember 1530 zu Schmalkalden der Landgraf von Hessen, der Kurfürst von Sachsen, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg, der Herzog von Braunschweig-Grubenhagen, der Fürst von Anhalt-Köthen, die Grafen von Mansfeld. Auch die Städte Magdeburg und Bremen waren vertreten. Im Februar 1531 war eine Bundesakte fertig, die auch die „Confessio Augustana“ beinhaltete. Es kamen noch hinzu: Straßburg, Lübeck, Konstanz, Ulm, Reutlingen, Memmingen, Lindau, Biberach, Isny, Braunschweig, Goslar, Einbeck, Göttingen, Esslingen, Augsburg, Frankfurt am Main, Kempten, Hamburg, Hannover und weitere Fürsten. Nürnberg und der Markgraf von Ansbach hielten sich heraus. Unterstützung durch die Könige von England, Frankreich, Navarra, Polen, Dänemark und Schweden wurde anvisiert.

Das Bündnis sollte keinesfalls gegen den Kaiser gerichtet sein, sondern „allein zur Erhaltung christlicher Wahrheit und des Friedens im Heiligen Reich und deutscher Nation“ bestehen. Voraussetzung war, dass in dieser Hinsicht ein legitimes Widerstandsrecht nicht bestand. Denn Luther hatte grundsätzlich gelehrt, dass ein Christenmensch die ungerechte Obrigkeit erleiden müsse. Aber dem Bedrohungsszenario der Schmalkaldener verschloss er sich nicht. In Nürnberg entstand das Argument, das Reich sei eine „Konföderation“, und jeder Reichsstand habe Rechte und Pflichten, zu seinen Rechten gehöre auch, kaiserliche Gebote zurückzuweisen, denn das Reich, wie aus seinem Status einer „Konföderation“ folgte, stehe nicht in der absoluten Verfügungsgewalt des Kaisers.

Das waren Positionen zur weiteren Vertiefung der Spaltung im Reich, die unvergessen blieben, auch wenn die Kriegsgefahr sich bald wieder verzog. Nach dem Tod Zwinglis riet Ferdinand seinem Bruder zum Zuschlagen, doch der wusste, dass die Schmalkaldener auf Frankreich hofften, und wollte keine schlafenden Hunde wecken. Dazu traten erneute osmanische Kriegsrüstungen; anscheinend hatte der Sultan seine Niederlage vor Wien nicht verwunden. So kam es Anfang 1532 auf dem Reichstag zu Regensburg und nach weiteren Diskussionen im Juli 1532 zum „Nürnberger Anstand“. Darin griff man der Sache nach auf die Respektierung des Status quo von Speyer 1526 zurück, der unter dem Vorbehalt eines einzuberufenden Konzils stand. Von dem aber wusste man, dass der Papst es nach wie vor perhorreszierte. Diese Ablehnung versteckte er, durchsichtig genug, indem er zur Vorbedingung dessen Zusammentreten in Italien machte und dass die Protestanten bis dahin den ursprünglichen kirchlichen Zustand wieder herstellten.

Die Alternative wäre gewesen, dass der Kaiser es seinerseits einberief und dazu den Schulterschluss mit den deutschen Fürsten suchte. Doch diesen Wagemut brachte er nicht auf. Er hätte mit dieser Initiative den Papst verprellt, und das, während die Osmanen angriffen und die Haltung von Frankreich unsicher war. Zudem wären die Protestanten ein sehr eigenwilliger Partner gewesen, wie sich wieder in Augsburg gezeigt hatte. Der Erfolg des „Nürnberger Anstandes“ war immerhin, dass die Protestanten Heeresfolge gegen den Sultan versprachen und dann auch leisteten. Dass dabei militärisch nichts herauskam, für den Sultan übrigens auch nicht, war einzig den Unwägbarkeiten zuzuschreiben, die kriegerischen Operationen in allen Zeiten nun einmal anhaften. Aber spätere Interpretatoren haben die Sache auf die Spitze getrieben, indem sie meinten, ohne den schrecklichen Druck der Osmanen wäre das Reich damals unter dem Konflikt von Alt- und Neugläubigen auseinandergebrochen.

Katholische Bünde

Der Schmalkaldische Bund konnte nicht ohne Gegenwirkung der katholischen Fürsten bleiben, die politische Konfrontation war das Pendant der religiösen. Dabei nahm das Herzogtum Bayern eine zentrale Rolle ein. Die Bayern waren schon immer auf die Habsburger eifersüchtig gewesen, was dadurch nicht gemindert wurde, dass die Herzöge von München entschlossen auf der katholischen Seite standen. Herzog Wilhelm IV. hatte der Ausbreitung lutherischen Gedankenguts zwischen Lech, Donau und Hausruck nach Luthers Thesenanschlag zusehen müssen. An des Herzogs katholischer Ausrichtung bestand nicht der geringste Zweifel. Dass in der Kirche Missstände eingerissen waren, das versuchte er den Bischöfen seines Territoriums und auch dem Erzbischof von Salzburg einzuschärfen, wenn auch ohne Erfolg, da diese Prälaten zu Recht argwöhnten, er wolle durch eine gemeinsam durchzuführende Disziplinierung den weltlichen Rechtsbereich in den kirchlichen hinein ausweiten.

 

Als besonders gefährlich galten die Anhänger der Wiedertäufer, die die von Luther beibehaltene Kindertaufe verwarfen. Das herzogliche Motto lautete: „Es wird keiner ein Wiedertäufer, er sei denn zuvor lutherisch!“ Daran stimmte, dass Luthers Sturm auf die kirchlichen Autoritäten geistliche Bewegungen freigesetzt hatte, die man von Wittenberg aus unmöglich kontrollieren konnte. Dass Wittenberg am Bauernkrieg schuld war, galt auch bei Hofe in München als ausgemachte Sache. Ab 1527 wurde das Herzogtum von einer Verfolgungswelle gegen die Neugläubigen heimgesucht, die bis dahin beispiellos war.

Das Verhältnis zu Habsburg gestaltete sich eher nachteilig, da Ferdinand 1526 an dem wittelsbachischen Aspiranten vorbei die böhmische Königskrone gewonnen hatte und da der Herzog auch mit dem Bestreben nicht zum Zuge kam, anstelle Ferdinands zum Römischen König gekürt zu werden.

Der Ingolstädter Professor Johannes Eck war für den Reichstag von Augsburg maßgeblich an der Abfassung der „Confutatio“ beteiligt. Wenn der Kaiser am Rande des Reichstages versuchte, den Papst zur Einberufung eines Konzils zu bewegen, dann stand München insofern zu der ablehnenden Haltung Roms. München war auch nicht daran gelegen, dass der Kaiser in Augsburg einen Erfolg als überparteilicher Schlichter errang, denn das hätte ihn zum Herrn im Reich gemacht, und der besondere Kontakt Bayerns zu Rom wäre dann wertlos geworden. Die Interpreten haben sogar darüber nachgegrübelt, ob Bayern diesen Kontakt nicht überschätzt hat und stattdessen die Reformation im Herzogtum hätte einführen sollen, zumal die administrativen Kapazitäten dazu durchaus ausreichend waren.

Wilhelm IV. war in seiner Eifersucht auf die Habsburger so wenig von Vorurteilen gehemmt, dass er auch mit dem Schmalkaldischen Bund paktierte (Vertrag von Saalfeld, Herbst 1531). Da kam man überein, sich gemeinsam nach auswärtigen Partnern umzusehen, mit dem Ergebnis des bayerisch-französischen Paktes von Scheyern (1532), in dem Franz I. Unterstützung des schmalkaldischen militärischen Apparates versprach.

Dann wieder nützten die Schmalkaldener mit einer entschlossenen Initiative Philipps von Hessen die Chance, die ihnen die bayerische Annäherung bot, denn durch diese wurden die Aspirationen der Wittelsbacher auf Übernahme des von Habsburg 1519/20 übernommenen Herzogtums Württemberg neutralisiert. Und Philipp führte 1534 mit kriegerischer Hand den 1519 gestürzten Herzog Ulrich an den Neckar zurück. Ulrich bedankte sich, indem er anschließend seine obrigkeitlichen Kräfte zur Reformation im Herzogtum sehr erfolgreich einsetzte.

Wilhelm IV. blieb aber nichts anderes übrig, als sich nach Habsburg umzuorientieren. So kam es zum „Kaiserlichen Bund“ von 1535, an dem der Herzog, der Kaiser, König Ferdinand, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Eichstätt und Augsburg, das Fürstentum Pfalz-Neuburg sowie Ansbach, das durch die Schmalkaldener nicht gebunden war, teilnahmen. Auch Protestanten durften also beitreten. Es war ein Versuch, doch es war auch kaum ein Schaden, als sich der „Kaiserliche Bund“ 1543/44 sang- und klanglos auflöste.

Anders stand es um den „Nürnberger Bund“ vom Juni 1538. In dem schlossen sich die weltlichen und geistlichen Herren des bayerischen Reichskreises zusammen, damit sie, wie sie sagten, vor den Schmalkaldenern geschützt seien, denn nur unter dieser Voraussetzung seien sie imstande, dem Kaiser gegen die Osmanen Hilfe zu leisten. Auch das albertinische Herzogtum Sachsen und das immer noch katholische Braunschweig-Wolfenbüttel waren dabei. Der Kaiser trat bei, hatte aber eher die Absicht, mit den Protestanten zu einer gütlichen Einigung zu kommen, wieder einmal, da ihn Frankreich und die Osmanen gleichzeitig, wenn auch nicht richtig koordiniert, bedrängten. Zudem wollte er sich von fürstlichen katholischen Eiferern nicht seine Politik im Reich diktieren lassen. Er dachte zwar beständig an den Krieg gegen die Protestanten, aber nur als eine ultima ratio.

Der Papst, nunmehr Paul III. (1534 – 1549, aus dem Hause Farnese), legte auch keinen Wert auf die anti-schmalkaldische Ausrichtung des Bundes, da er der kaiserlichen Ausgleichspolitik mit den Protestanten eine Chance geben wollte, um damit im nicht auszuschließenden Erfolgsfall die Idee eines allgemeinen Konzils überflüssig zu machen.

Weitere Fortschritte der Reformation

Dem Kaiser musste desto mehr an hinhaltender oder vielleicht sogar entspannender Glaubenspolitik im Reich gelegen sein, als in den 1530-er Jahren dort der Protestantismus weitere Fortschritte machte. Das Kurfürstentum Brandenburg fiel ihm anheim, und auch das albertinische Sachsen. In dieser Entwicklung schadete es der Sache Luthers nichts, dass fanatische Wiedertäufer, deren Position in der „Confessio Augustana“ klar abgelehnt worden war, 1534/35 in Münster die Macht an sich rissen und für kurze Zeit ein groteskes Stadtregiment errichteten, das von den Landsknechten des Bischofs mit großer Anstrengung blutig niedergeworfen werden musste. Aber die Reformation war in den Händen der sie begünstigenden Fürsten und Reichsstädte gut aufgehoben.

Kurfürst Joachim I. von Brandenburg († 1535) war dem alten Glauben treu geblieben, und die von ihm 1506 gegründete Universität von Frankfurt an der Oder enttäuschte ihn darin nicht. Das Luthertum schätzte er nur insoweit, als es versprach, einer immer mal drohenden kaiserlichen Übermacht im Reich entgegen zu wirken. Dass in Augsburg 1530 kein Ausgleich zustande kam, begrüßte er. Inzwischen war das Luthertum auch in die Mark Brandenburg eingedrungen, wie es denn überhaupt charakteristisch für die reformatorische Bewegung war, dass sie die Kabinettspolitik hinter sich herzog. Joachim II., der Sohn des katholisch gebliebenen Kurfürsten, tendierte am Anfang zu einem Religionsvergleich, und der den Zeitläuften gegenüber aufgeschlossene Bischof von Brandenburg unterstützte ihn darin sogar. Damit waren aber im Lande die Schleusen der Reformation erst recht geöffnet. Der Kaiser war einverstanden, da der Kurfürst ihm versprochen hatte, in keinerlei Bündnis einzutreten, will heißen: auch nicht in ein religiös betontes, wie es das Schmalkaldische Bündnis war.

1538 folgte die Reformation in Braunschweig-Kalenberg, vermittelt durch die dort verheiratete Schwester des brandenburgischen Kurfürsten. Im Erzbistum Magdeburg wurden die Untertanen lutherisch, und Erzbischof Albrecht von Hohenzollern, der auch in Mainz residierte und einst den Ablasshändler Tetzel hatte gewähren lassen, war machtlos dagegen. Auch die Reichsabtei Quedlinburg kam 1539 zu Fall, indem die Äbtissin selbst reformatorisches Personal einlud.

Das albertinische Sachsen umfasste nach der Erbteilung im Hause Wettin von 1485 etwa einen nördlichen Streifen von Thüringen, dazu Weißenfels und Leipzig, sowie, durch ernestinisches Gebiet getrennt, die Mark Meißen an der Elbe von Mühlberg bis zum Erzgebirge, die Bergbaustadt Freiberg und Chemnitz. Eine unnatürliche Einteilung, aber deren gab es im Heiligen Römischen Reich zuhauf. Allerdings hatten die Wettiner sich 1485 selbst der Möglichkeit beraubt, im Reich eine ähnlich bedeutende Rolle zu spielen wie die Habsburger, Hohenzollern und Wittelsbacher. Herzog Georg, der Konkurrent des wettinischen Verwandten in Wittenberg, war bis zu seinem Tode im April 1539 eisern katholisch geblieben, aber seine Untertanen und sogar seine Familienmitglieder waren ihm schon davongelaufen.

Doch unter seinem Bruder und Nachfolger Heinrich änderte sich die Situation in wenigen Monaten. Luther kam, um in Leipzig zu predigen, der Bischof von Meißen, der sich beim Kaiser darüber beschwerte, drang nicht durch, und eine Kirchenvisitation nach dem Muster des ernestinischen Sachsen fand statt.

Im Kurfürstentum Pfalz machte es Eindruck, dass Melanchthon in dessen Exklave Bretten geboren worden war, auf lokaler Ebene wurden die Lutheraner auch von den Staatsbeamten begünstigt, 1535 bezeichnete der päpstliche Nuntius Heidelberg als eine der lutherischsten Gegenden Deutschlands. 1538 regte Friedrich II., der Bruder des Kurfürsten und Statthalter in der Oberpfalz (die erst durch den Westfälischen Frieden von 1648 endgültig an die Münchner Wittelsbacher fiel), für das Gesamtgebiet an, die Berufung lutherischer Prediger sowie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zuzulassen. Sobald Friedrich II. im Jahre 1544 selbst Kurfürst geworden war, begann er mit der systematischen Lutherisierung.

Papst Paul III. hatte für 1537 ein Konzil nach Mantua einberufen. Das brachte die Schmalkaldener in Verlegenheit, da sie dem Papst zwar mit Recht nicht trauten, andererseits aber Gesprächsbereitschaft zeigen mussten. Konnte man an die Einberufung eines „Gegenkonzils“ denken? Wenn der Kaiser sich in Mantua beteiligte, war dann Widerstand gegen ihn noch legitimierbar?

Luther fasste, zu eventueller Vorlage auf dem Konzil, seine Glaubenssätze zusammen. Sie wurden den Schmalkaldener Verbündeten im Februar 1537 vorgelegt. Noch einmal und unverzichtbar die Rechtfertigungslehre sola fide: „Und auf diesem Artikel steht alles, was wir gegen den Papst, Teufel und Welt leben und lehren.“ Ablehnung der katholischen Auffassung der Messe als eines „guten Werkes“, dann der Passus, der sicherlich nicht zum Vortrag in Mantua geeignet war: „Dass der Papst nicht iure divino oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit sei, denn das gehört einem allein zu, der heißt Jesus Christus.“ Die Schmalkaldener lehnten die Verlesung der Artikel vor den Päpstlichen als sinnlos ab, die Fahrt nach Mantua ebenso (der Kaiser wäre einverstanden gewesen), das Konzil kam nicht zustande.

Die Artikel aber wurden in den Kanon der lutherischen Bekenntnisschriften aufgenommen, zusammen mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis (dem „Credo“), dem der Konzile von Nicäa (325) und Konstantinopel (381), im Konzil von Chalkedon (451) öffentlich verkündet, dazu noch dem Glaubensbekenntnis, das ursprünglich dem Kirchenvater Athanasius zugeschrieben wurde. Schließlich die „Confessio Augustana“ und deren Apologie, Luthers Kleiner und Großer Katechismus von 1529. Die Konkordienformel als Ausgleichsversuch der verschiedenen Nuancen des Luthertums nach dem Tode des Meisters und Melanchthons folgte erst 1577.