Handbuch des Strafrechts

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C. Vermögensschützende Tatbestände

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Vermögensschützende Tatbestände enthält das StGB vor allem in den Abschnitten 19 bis 27: Diebstahl und Unterschlagung (19.), Raub und Erpressung (20.), Begünstigung und Hehlerei (21.), Betrug und Untreue (22.), Insolvenzstraftaten (24.), Strafbarer Eigennutz (25.), Straftaten gegen den Wettbewerb (26.) sowie Sachbeschädigung (27.).[68] Mit wenigen Ausnahmen – §§ 283 Abs. 4, 5 oder 283b Abs. 2 StGB[69] – werden allein vorsätzliche Angriffe auf das Vermögen unter Strafe gestellt.

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Eine klare Trennung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensdelikten existiert im StGB allerdings nicht. So stehen die Delikte des 23. Abschnitts (Urkundenfälschung) häufig in einem faktischen Zusammenhang mit Vermögensstraftaten, schützen aber mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs ein anderes Rechtsgut.[70] Auch in den übrigen Abschnitten finden sich Tatbestände, die nicht auf den Schutz von Vermögen gerichtet sind, wie etwa die Strafvereitelung (§§ 258, 258a StGB) und die Geldwäsche (jedenfalls § 261 Abs. 1 StGB). Diese Taten können zwar die Verdeckung einer Vermögensstraftat oder die Sicherung von Vermögensvorteilen bezwecken; ihre Sanktionierung dient jedoch maßgeblich dem Schutz der staatlichen Rechtspflege.[71]

I. Indirekt paternalistischer Vermögensschutz

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Umstritten ist der vermögensschützende Charakter von § 284 StGB (Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels). In erster Linie dient das Verbot dem Schutz des Vertrauens in die Gewährleistung einer manipulationsfreien Spielchance.[72] Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die Norm die wirtschaftliche Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft des Publikums bestrafe[73] und damit auch die Vermögensinteressen des einzelnen Spielers schütze. Hiergegen ist eingewandt worden, dass es nicht Aufgabe des Strafrechts sei, „das Vermögen des Einzelnen vor einer eigenverantwortlichen Minderung zu schützen“; anderenfalls müssten auch „ein verschwenderischer Lebensstil oder teure Hobbys“ unter Strafe gestellt werden.[74] Einen solch indirekt paternalistischen Vermögensschutz kennt das deutsche Strafrecht allerdings durchaus.[75] So bestraft etwa § 291 StGB (Wucher) denjenigen, der die Schwäche eines anderen zur eigenen unangemessenen Bereicherung ausnutzt.[76] Eine einvernehmliche Vermögensschädigung kann dem Strafrecht also unterfallen, wenn eine strukturelle Ungleichheit zwischen den Beteiligten besteht.[77] Sieht man in den Folgen der Spielleidenschaft eine der Zwangslage, Unerfahrenheit oder der mangelnden Urteils- und Willenskraft vergleichbare Schwäche, so lässt sich das Verbot unerlaubter Glücksspiele – ebenso wie § 291 StGB – mit dem Schutz der unterlegenen Partei vor Ausbeutung legitimieren.

II. Kumulative Schutzzwecke

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Häufig schützen Tatbestände neben dem Vermögen noch weitere, meist kollektive und institutionelle Rechtsgüter. So bezweckt etwa § 265 StGB (Versicherungsmissbrauch) nach verbreiteter Ansicht nicht nur den Schutz des Versicherervermögens, sondern auch den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft.[78] Eine doppelte Schutzrichtung weist die wohl herrschende Meinung auch dem § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) zu: Geschützt wird das Vermögen der Anleger und zugleich die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.[79]

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Während in §§ 265, 264a StGB der Vermögensschutz im Vordergrund steht, dienen andere Tatbestände vor- oder zumindest gleichrangig der Wahrung institutioneller Interessen. Mit der Einführung von § 265c StGB (Sportwettbetrug) und § 265d StGB (Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben) sollen nicht nur das Vermögen von Wettanbietern und -teilnehmern bzw. von Sportlern und Vereinen,[80] sondern vor allem auch das Allgemeinrechtsgut der „Integrität des Sports“ geschützt werden.[81]

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Ähnlich verhält es sich mit den Straftaten gegen den Wettbewerb im 26. Abschnitt des StGB. Die §§ 298–300 StGB schützen den freien und lauteren Wettbewerb als Institution des Wirtschaftslebens.[82] Der Wettbewerb wird dabei nicht nur als abstrakte Institution in seiner Bedeutung für Ökonomie und Gesellschaft gewährleistet, sondern zugleich als Raum individueller wirtschaftlicher Handlungsfreiheit.[83] Der Schutz fairer Wettbewerbsbedingungen erfolgt damit auch im Interesse der beteiligten Akteure und dient der Wahrung ihrer Vermögensinteressen.[84] Gegen die Anerkennung individuellen Vermögens als Rechtsgut der §§ 298 ff. StGB wird teilweise vorgebracht, dass die Tatbestände nicht den Nachweis eines Vermögensnachteils voraussetzen.[85] Gerade im Bereich des Vermögensstrafrechts ist der Beleg eines Schadens aufgrund der Unvorhersehbarkeit ökonomischer Prozesse allerdings oft schwierig; der Gesetzgeber tendiert daher zunehmend zur Sanktionierung riskanten und üblicherweise schädlichen Verhaltens durch die Formulierung abstrakter Gefährdungsdelikte (Rn. 40 ff.).[86] Dadurch, dass bereits eine typische Risikohandlung und nicht erst die tatsächlich eingetretene Verletzung unter Strafe gestellt wird, verändert sich jedoch nicht der Rechtsgüterschutz. Die §§ 298 ff. StGB schützen den Wettbewerb nicht allein als institutionellen Selbstzweck, sondern als Basis individuellen Vermögenseinsatzes und richten sich damit unmittelbar auf den Vermögensschutz der Beteiligten (der lauteren Mitbewerber bzw. in § 298 StGB des Veranstalters der Ausschreibung).

III. Vermögensschützende Delikte außerhalb der Abschnitte 19 bis 27

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Während einige Delikte innerhalb der Abschnitte 19 bis 27 nicht oder nicht primär dem Vermögensschutz dienen, finden sich in anderen Abschnitten des StGB wiederum Tatbestände mit vermögensbezogener Schutzrichtung. So ist § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) nach fast einhelliger Ansicht im Abschnitt über Straftaten gegen die öffentliche Ordnung falsch verortet.[87] Die Strafnorm dient der Dokumentation des Unfallgeschehens im Straßenverkehr zur „Sicherung berechtigter und zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche“[88] und somit dem Schutz der privaten Vermögensinteressen von Geschädigten und Unfallbeteiligten.[89]

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Den Schutz von Vermögen und Eigentum bezweckt auch § 316a StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer).[90] Trotz ihrer deutlichen Nähe zu den Raubdelikten steht die Vorschrift aus historischen Gründen und wegen ihres Bezugs zum Straßenverkehr im Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten.[91] Ebenso verhält es sich bei § 306 StGB (Brandstiftung), der nach allgemeiner Auffassung das Eigentum an den gesetzlich enumerierten Tatobjekten schützt und als qualifizierte Sachbeschädigung zu deuten ist.[92] Die systematische Einordnung des Deliktes ist auch hier nicht rechtsgutsorientiert, sondern erfolgt nach kriminologischen Gesichtspunkten im Bereich der gemeingefährlichen Straftaten.

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Eine Doppelnatur haben auch solche Delikte des 28. und 29. Abschnitts, die fremde Sachen (von bedeutendem Wert) vor spezifischen Gefahren – wie Explosionen (§ 308 StGB), Strahlungen (§ 311 StGB) oder Luftverunreinigungen (§ 325 StGB) – schützen. Ein praxisrelevantes Beispiel sind die Straßenverkehrsdelikte in §§ 315b und 315c StGB. Ihr zweifacher Schutzzweck bildet sich in der Struktur des Tatbestandes ab: Vorausgesetzt wird zum einen eine abstrakte Gefahr für das Allgemeinrechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs und zum anderen die konkrete Gefährdung eines Individualrechtsgutes.[93]

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Der 8. Abschnitt (Geld- und Wertzeichenfälschung) schützt das Vermögen nicht als individuelles Rechtsgut, sichert aber das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Zahlungsverkehr.[94] Die Gewährleistung der Integrität des Verkehrs mit Geld, Wertzeichen und Wertpapieren sowie des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bildet die Basis für wirtschaftliche Transaktionen[95] und steht damit – trotz der kollektiven Schutzrichtung der Tatbestände – in der Nähe des Vermögensschutzes.

 

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 28 Der Schutz des Vermögens im deutschen Strafrecht › D. Systematik und Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes

D. Systematik und Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes

I. Kategorien strafrechtlichen Vermögensschutzes

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Das Vermögensstrafrecht des StGB lässt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten systematisieren.[96] Eine erste Einteilung kann anhand der geschützten Vermögenspositionen vorgenommen werden.[97] Wie oben dargelegt (Rn. 6 f.), kennt das StGB Tatbestände zum Schutz von Eigentum (§§ 242, 303 StGB) und des Vermögens als Ganzen (§§ 253, 263, 266 StGB), zudem von bestimmten Sicherungs-, Nutzungs- und Aneignungsrechten an beweglichen Sachen (§§ 289, 292 StGB).[98] Ferner schützt das Strafrecht das Vermögen und seine Bestandteile vor unterschiedlichen Angriffsformen. Strafbar sind etwa


Wegnahme mit (§ 249 StGB) und ohne Gewalt oder Drohung (§ 242 StGB) sowie die schlichte „Aneignung“ (§§ 246, 248c StGB),
unbefugte Nutzung (§§ 248b, 290 StGB),
Drohung (§ 253 StGB),
Täuschung (§ 263 StGB),
Erschleichen (§ 265a StGB),
Missbrauch eingeräumter Befugnisse (§§ 266, 266b StGB),
Zerstörung und Beschädigung (§ 303 StGB),
Vereitelung (§ 288 StGB) oder Beeinträchtigung von Ansprüchen (§§ 142, 283 ff. StGB),
Ausübung fremder Rechte (§§ 292, 293 StGB),
Perpetuierung einer rechtswidrigen Vermögenslage (§ 259 StGB),
Ausbeutung der Schwäche eines Anderen (§ 291 StGB),

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Die vom Gesetzgeber als Überschrift des 25. Abschnitts gewählte Modalität des „strafbaren Eigennutzes“ bildet hingegen keine sinnvolle Kategorie gegen das Vermögen gerichteter Handlungsmodalitäten.[100] Sie lässt die Frage offen, unter welchen Voraussetzungen das – gerade im Bereich der Wirtschaft akzeptierte – Streben nach persönlichen Vorteilen ausnahmsweise strafbar sein soll. Ein gemeinsamer Nenner lässt sich im 25. Abschnitt, der eine bunte Mischung verschiedener Delikte (von der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels bis hin zur Fischwilderei) versammelt, nicht finden.[101]

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Die Vermögensdelikte lassen sich auch nach den verschiedenen Folgen der Beeinträchtigung vermögensrelevanter Positionen einteilen. Das Eigentum kann durch Verletzung seiner Substanz (§ 303 StGB), die Entziehung der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis (§§ 242, 249 StGB) oder – in Ausnahmefällen – die vorübergehende Entziehung der Nutzungsmöglichkeit (§ 248b StGB) verletzt werden. Das Vermögen wird vor Schäden (§§ 263, 266 StGB) und vor Gefährdungen (§§ 265, 265b StGB) geschützt.

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Ein anderes Einteilungsprinzip unterscheidet Schädigungs- von Bereicherungsdelikten und knüpft damit an die Motive für den Rechtsgutsangriff an.[102] Das StGB behandelt die Kategorien überwiegend gleich; so werden etwa in §§ 283, 292 und 293 StGB die Varianten der Schädigung und der Verschiebung von Vermögen als gleichwertige Alternativen erfasst. Allerdings bestraft § 242 StGB den Diebstahl einer Sache schwerer als § 303 StGB ihre Zerstörung. Deutlich wird der Unterschied auch in § 248c StGB: Die rechtswidrige Zueignung elektrischer Energie unterliegt einer höheren Strafandrohung als ihre bloße Entziehung zur Schadenszufügung. Die partielle Privilegierung von Schädigungsdelikten im StGB ist rechtsdogmatisch inkonsequent und in ihrer Bewertung der Tatschwere nicht überzeugend.[103] Eine destruktive Motivation des Täters, der Vermögen aus „Rache, Schadenfreude, Neid oder Muthwillen“[104] entzieht, erscheint gegenüber der Absicht eigener oder fremder Bereicherung (die etwa in Fällen wirtschaftlicher Not menschlich nachvollziehbar sein kann) kaum als geringeres subjektives Unrecht. Kein anderes Bild ergibt sich mit Blick auf den Verletzten der Tat: Für ihn birgt die bloße Verschiebung seines Vermögens durch das Bereicherungsdelikt immerhin die Möglichkeit einer Rückerlangung, während es im Falle der Schädigung unwiederbringlich verloren ist.[105] Trotz ihrer Widersprüchlichkeit darf diese Wertung des StGB nicht durch eine Umdeutung von Sachbeschädigungs- in Diebstahlsunrecht umgangen werden. Eine im Rahmen der Gebrauchsanmaßung eingetretene Sachwertminderung stuft die Tat nicht zum Zueignungsdelikt hoch (Rn. 9).[106]

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Nachfolgend sollen zwei Aspekte des Vermögensstrafrechts herausgegriffen werden, die für seine Struktur in besonderer Weise prägend sind: Die Einteilung in Vermögens- und Eigentumsdelikte (Rn. 30 f.) sowie die Behandlung von Schäden, Gefährdungen und Eingriffen in die Dispositionsfreiheit (Rn. 32 ff.).

II. Unterschiedliche Angriffsformen bei Vermögens- und Eigentumsdelikten

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Es wurde bereits beschrieben, dass das Eigentum an beweglichen Sachen im deutschen Recht vor anderen Angriffsformen geschützt wird als das Vermögen im Allgemeinen. Durch die unterschiedliche Gestaltung der Tatbestände ergeben sich verschiedene Diskrepanzen in der strafrechtlichen Erfassung vermögensrelevanter Beeinträchtigungen:

(1) Die Eigentumsdelikte schützen nicht vor Täuschungen. Der täuschungsbedingte Verlust einer beweglichen Sache bleibt daher straflos, wenn sie keinen materiellen, sondern nur ideellen Wert hat.

(2) Die Vermögensdelikte der §§ 263, 253 StGB schützen das Vermögen vor Täuschung und Drohung, nicht aber vor Wegnahme. Diese Lücke wird durch die Eigentumstatbestände dann nicht aufgefangen, wenn der betroffene Vermögenswert keine „fremde bewegliche Sache“ darstellt (vgl. Strafbarkeitslücke beim Entzug elektrischer Energie bis zur Einführung von § 248c StGB).

(3) Mit Ausnahme von § 248b StGB schützen die Eigentumsdelikte den Besitz als solchen nicht. Die Entziehung des Besitzes durch Wegnahme ist also straflos, wenn die Sache zurückgegeben werden soll, selbst wenn der Besitz für den Betroffenen von hohem Wert ist.[107] Gleiches gilt für Pfandflaschen: wer einem anderen eine sogenannte „Individualflasche“ wegnimmt, negiert bei ihrer Rückgabe nicht das Eigentum des Herstellers und macht sich – wenn ihm eine gegenteilige Absicht nicht nachweisbar ist – nicht strafbar.[108] Diese Rechtsprechung führt zu dem wenig nachvollziehbaren Ergebnis, dass in einem Beutel mit Pfandflaschen einige dem Eigentumsschutz unterfallen, andere hingegen nicht.[109]

(4) Die herrschende Lehre, die Raub und räuberische Erpressung als einander ausschließende, in einem Exklusivitätsverhältnis stehende Delikte begreift,[110] kann den Täter, der eine Sache ohne Zueignungsabsicht gewaltsam wegnimmt, nicht nach § 249 StGB bestrafen; lässt er sich die Sache hingegen geben, kann im erzwungenen Besitzverlust ein Schaden liegen, so dass §§ 253, 255 StGB eingreifen.

(5) Eine an die vollendete Wegnahme anschließende Gewaltanwendung zur Besitzerhaltung wird als räuberischer Diebstahl nach § 252 StGB bestraft. Wird hingegen die Rückforderung einer durch Täuschung entzogenen Sache mit Gewalt verhindert, so handelt es sich mangels weiteren Vermögensschadens regelmäßig um eine straflose Sicherungserpressung.[111]

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Sachliche Gründe für diese Selektivität des Vermögensschutzes sind nicht ersichtlich. So werden an die Strafbarkeit von Raub und räuberischer Erpressung (Konstellation 2) unterschiedliche Anforderungen gestellt (Zueignungsabsicht des Täters für § 249 StGB und ein negativer Gesamtvermögenssaldo für §§ 253, 255 StGB), obwohl sich die Tathandlungen in ihrem Unrechtsgehalt nicht unterscheiden und ihre Abgrenzung in der Regel von zufälligen situativen Umständen abhängt. Dass es sich hier um ungewollte Wertungswidersprüche handelt, zeigen die Bestrebungen, auftretende „Lücken“ durch weite Auslegung[112] oder die Schaffung neuer Tatbestände[113] zu schließen. Die im StGB vorgenommene Trennung zwischen Eigentum an beweglichen Sachen und sonstigen Vermögenspositionen ist keineswegs zwingend. So findet sich eine solche Unterscheidung etwa im US-amerikanischen Recht nicht: Bewegliches und unbewegliches Eigentum kann nach Sec. 223.2. des Model Penal Codes gleichermaßen Gegenstand des Diebstahls („theft“) sein.[114] Eine einheitliche Regelung von Angriffen gegen verschiedene Eigentums- und Vermögenspositionen vermeidet die Divergenzen, die im deutschen Recht durch die unterschiedliche Formulierung von §§ 242, 249 StGB und §§ 263, 253, 255 StGB entstehen. Die Gestaltung des deutschen Vermögensstrafrechts beruht hier auf einer tradierten, naturalistischen Unterscheidung von Vermögenswerten und folgt keiner überzeugenden normativen Logik.

 
III. Strafbare Beeinträchtigungen des Vermögens

1. Vermögensschaden und Dispositionsfreiheit

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Tatbestände zum Schutz des Vermögens im engeren Sinne setzen voraus, dass dem Opfer ein Vermögensschaden zugefügt wird (vgl. §§ 253, 263, 266 StGB). Die Bestimmung des Vermögensschadens ist in Rechtsprechung und Schrifttum hoch umstritten. Uneinigkeit besteht hier sowohl mit Blick auf die grundlegende Interpretation des Vermögensbegriffs (Rn. 11 ff.) als auch hinsichtlich einer Vielzahl von Einzelfragen der Saldierung und der Anerkennung spezieller Schadensarten, etwa beim Sportwettbetrug, dem Erfüllungs- oder dem Anstellungsbetrug.[115]

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Nach fast einhelliger Meinung ist der Vermögensschaden objektiv zu bemessen: Ein Schaden ist anzunehmen, wenn nach einer Saldierung der vermögenswerten Zu- und Abflüsse eine Minderung des Gesamtvermögens eingetreten ist.[116] Von §§ 263, 266 StGB nicht geschützt ist damit die Dispositionsfreiheit des Betroffenen über sein Vermögen,[117] solange kein negativer Saldo entsteht oder der Zugriff auf das Vermögen vollständig entzogen[118] wird. Das Erfordernis einer rechnerischen Vermögenseinbuße führt zu nicht unwesentlichen Einschränkungen des strafrechtlichen Schutzes vor Täuschungen. Veranlasst der Täter einen Anderen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Abschluss eines Vertrages, so macht er sich nach § 263 StGB nur strafbar, wenn sich Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich nicht entsprechen. Die Täuschung über Umstände, die den Verkehrswert der Sache entscheidend mitbestimmen, erfüllt daher für sich genommen nicht den Tatbestand des Betruges. Verkauft der Täter etwa ein Plagiat als Original,[119] so liegt ein Schaden allein dann vor, wenn die übergebene Sache den vereinbarten Preis nicht wert ist; dass sie im Wert hinter dem versprochenen Original zurückbleibt, ist hingegen irrelevant, da das Ausbleiben eines erhofften Gewinns keinen Schaden darstellt.[120] Damit sind Geschäftsmodelle strafrechtlich nicht zu beanstanden, bei denen dem Kunden bewusst irreführend ein besonders günstiges Angebot suggeriert, aber das Produkt letztlich zum marktüblichen Preis verkauft wird.

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Dieses Ergebnis wird von den Vertretern der personalen Vermögenslehre zu Recht bestritten.[121] Sie verstehen Vermögen als das einer Person zustehende wirtschaftliche Entfaltungspotenzial und damit als Grundlage für die Freiheitsausübung durch finanzielle Mittel.[122] Auf diese Weise verschiebt die personale Vermögenslehre den Schwerpunkt des Vermögensschutzes von dem Erhalt des wirtschaftlichen Bestandes zu einer Gewährleistung individueller Dispositionsfreiheit.[123] Folgerichtig wird der Vermögensschaden nicht auf einen objektiven materiellen Verlust beschränkt, sondern bezieht auch Ausgaben ein, die aus Sicht des Vermögensträgers den vereinbarten Zweck verfehlen. Bei Lieferung eines Aliud wird die verfügungsbedingte Einbuße an wirtschaftlicher Potenz nicht durch einen für den Träger relevanten Gegenwert kompensiert. Seine Ausgabe bleibt eine Fehlinvestition, auch wenn er im Austausch eine zwar finanziell angemessene, aber von ihm nicht gewünschte Gegenleistung erhält.[124]

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Obwohl die herrschende wirtschaftliche Lehre den personalen Vermögensbetriff ablehnt, korrigiert sie in besonders gravierenden Fällen die Ergebnisse der objektiven Saldierung durch den Gedanken des „persönlichen Schadenseinschlags“.[125] Trotz eines marktgerechten Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung soll ein Vermögensschaden dann vorliegen, wenn (1) „dem Opfer Mittel entzogen werden, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind“, (2) „das Opfer zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird“ oder (3) „das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann.“[126] Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beschränken sich jedoch auf wenige Ausnahmekonstellationen. So soll es auch bei dem Erwerb ungeeigneter Leistungen (Fallgruppe 3) an einem Vermögensschaden fehlen, wenn der Geschädigte für eine ihm unter Androhung von Gewalt verkaufte Sache „mit zumutbarem Einsatz“ einen kompensatorischen Gegenwert erzielen könnte.[127] Damit wird aber dem Opfer der Tat aufgegeben, den ihm zugefügten Nachteil durch eigeninitiative Weiterveräußerung des für seine Zwecke nutzlosen Gegenstandes abzuwenden.

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Der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre wird vorgehalten, dass sie durch die Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag entgegen ihrer theoretischen Grundannahme die individuelle Dispositionsfreiheit schützen.[128] Zwar rekurriert das Modell auf wirtschaftliche Elemente, letztlich wird der Vermögensschaden jedoch durch die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Geschädigten subjektiviert; die gleiche Verfügung kann bei einer Person als Herbeiführung eines Schadens bewertet werden (etwa wenn sie zur Finanzierung einen Kredit aufnehmen muss), bei einer anderen hingegen nicht.[129] Durch die Korrektur der rein wirtschaftlichen Schadensbestimmung hat die Rechtsprechung die Prämissen der Saldierungstheorie partiell aufgegeben, ohne dass sie sich jedoch zu einer konsequenten Neudeutung und Erweiterung des Schadensbegriffs hätte entschließen können.