Handbuch des Strafrechts

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3. Der Nötigungserfolg

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Als besonderen Nötigungserfolg muss der Täter das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigen. Auch diese Elemente entsprechen denjenigen der Nötigung, § 240 StGB, sodass an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.[155] Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass der Genötigte (nach dem Wortlaut des Gesetzes: ein „Mensch“) eine natürliche Person sein muss. Es genügt also nicht, wenn lediglich festgestellt wird, dass sich die Nötigung gegen eine juristische Person als solche gerichtet hat.[156] Andererseits kann sich die Erpressung aber auch gegen eine Mehrheit von Personen richten, sofern sich innerhalb eines bestimmten Personenkreises mehrere Personen durch die Drohung betroffen fühlen (sollen).[157] Eine solche Individualisierung ist jedoch stets erforderlich.

4. Die Vermögensverfügung

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Wie oben herausgearbeitet,[158] bedarf es – im Gegensatz zur Ansicht der Rechtsprechung – zur sinnvollen Abgrenzung von Raub, § 249 StGB, und (räuberischer) Erpressung, §§ 253, 255 StGB, einer Vermögensverfügung des Genötigten. Diese ist abzugrenzen von der Wegnahme, die zu einer Strafbarkeit wegen Raubes, § 249 StGB, führt. Diese Abgrenzung wird von der Rechtsprechung derart vorgenommen, dass allein auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt wird. Gibt das Opfer dem Täter die Sache, liegt eine (räuberische) Erpressung vor, nimmt sich der Täter hingegen die Sache, ist hierin eine Wegnahme zu sehen und ein Raub scheidet aus.[159] Diese Abgrenzung hat den Vorteil der Klarheit, basiert aber auf der Grundannahme der Rechtsprechung, die Erpressung sei als Grundtatbestand des Raubes anzusehen, womit ein „lückenloser“ Strafrechtsschutz gewährleistet sei.[160] Denn folgt man dieser Grundannahme, hat die Zuordnung eines Verhaltens als Raub oder (räuberische) Erpressung letztlich keine Konsequenzen, da stets ein vergleichbarer Tatbestand verwirklicht ist und die gleiche Strafe verhängt werden kann. Mehr Mühe auf die Abgrenzung muss man hingegen verwenden, wenn man, wie hier vorgeschlagen, für die (räuberische) Erpressung eine Vermögensverfügung fordert. Hier ist eine wertende Abgrenzung der Merkmale „Wegnahme“ und „Vermögensverfügung“ unter dem Aspekt der (bewussten) Selbstschädigung erforderlich, wie sie auch bei der Abgrenzung von Trickdiebstahl und Betrug[161] erfolgt. Insoweit entspricht die Vermögensverfügung bei § 253 StGB derjenigen des § 263 StGB.[162]

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Die konkreten Anforderungen, die an eine Wegnahme bzw. eine Vermögensverfügung zu stellen sind, sind dabei umstritten. Im Ergebnis ist eine Wegnahme dann anzunehmen, wenn es in der Zwangslage subjektiv für den Genötigten gleichgültig ist, wie er sich verhält, da die Sache unabhängig von seiner Mitwirkung dem Zugriff des Täters preisgegeben ist, eine Gewahrsamsübertragung also nicht zwingend seiner Mitwirkung bedarf.[163] Denn bleibt dem Opfer letztlich keine Wahl, bzw. kann er den Verlust des Gegenstandes ohnehin nicht verhindern, kann von einer (bewussten) Selbstschädigung, wie sie der Betrug oder die Erpressung nach der hier vertretenen Ansicht voraussetzen, nicht gesprochen werden. Eine Vermögensverfügung liegt hingegen vor, wenn das Opfer davon ausgeht, dass seine Mitwirkung zwingend erforderlich ist und durch die Inkaufnahme der angedrohten Repressalien der Vermögensnachteil abgewendet werden könnte. Insoweit liegt auch bei der Hingabe einer Sache eine Wegnahme (und keine Vermögensverfügung) vor, wenn es in der Zwangslage subjektiv für den Genötigten gleichgültig ist, wie er sich verhält, d.h. dass die Sache unabhängig von seiner Mitwirkung dem Zugriff des Täters preisgegeben ist. Andere stellen hingegen für die Annahme einer Erpressung darauf ab, ob das Opfer willentlich, d.h. mit seinem faktischen Einverständnis den Gewahrsam überträgt.[164] Dies ist aber problematisch, denn die Konstruktion eines wenn auch nur „faktischen“ Einverständnisses wirkt unnatürlich, da kaum einmal ein Opfer mit dem Vermögensverlust „einverstanden“ sein wird. Insoweit ist also für eine Vermögensverfügung darauf abzustellen, dass das Opfer den betreffenden Gegenstand in dem Wissen überträgt, dass es auf seine Mitwirkung gerade ankommt, das Opfer also eine Wahlmöglichkeit hat: Entweder es gibt dem Druck des Erpressers nach und verliert dadurch den Vermögensgegenstand oder es hält dem Druck des Erpressers stand, erträgt das angedrohte Übel und kann dadurch aber den Vermögensgegenstand behalten.

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Wenn in diesem Zusammenhang oft von einer „freiwilligen“ Vermögensverfügung des Opfers gesprochen wird, ist die „Freiwilligkeit“ im gerade genannten Sinne zu verstehen. Treffender wäre es freilich, hier von einer „willentlichen“ Vermögensverfügung zu sprechen,[165] denn der Begriff der „Freiwilligkeit“ scheidet in anderen Bereichen der Rechtsordnung, insbesondere bei der rechtfertigenden Einwilligung, gerade auch in denjenigen Fällen aus, in denen der Betreffende unter Drohung oder Zwang handelt.

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Die Abgrenzung soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:[166] Wenn der Täter seinem Opfer eine Waffe an die Schläfe hält und damit droht, es umzubringen, wenn er von ihm kein Geld erhalte, so liegt stets ein Raub vor, wenn der Täter den Erhalt des sich in der Manteltasche des Opfers befindenden Geldbeutels erstrebt. Hier kann nämlich das Opfer den Verlust des Geldbeutels letztlich nicht verhindern, denn wird der Geldbeutel nicht herausgegeben, ist es für den Täter problemlos möglich, sich den Geldbeutel selbst herauszunehmen. Insoweit liegt also auch bei einer Herausgabe, d.h. einem „Geben“, keine „freiwillige“, d.h. willentliche Vermögensverfügung vor. Die Rechtsprechung würde hier, da sie nur auf den Akt des Gebens oder Nehmens abstellt, bei einer unter Zwang bewirkten Herausgabe zu einer räuberischen Erpressung gelangen. Anders liegt hingegen der Fall, wenn der Täter vom Opfer verlangt, den Safe zu öffnen und ihm das darin befindliche Geld in eine Tasche zu packen. Denn hier kann sich das Opfer entscheiden, ob es der Forderung des Täters nachkommt oder nicht. Geht das Opfer hier auf die Forderungen des Täters nicht ein und hält der Drohung bzw. der Gewalt stand, hat dieser nämlich keine Möglichkeit, an das im Safe lagernde Geld zu kommen. Insoweit läge, erfüllt das Opfer die Forderung des Täters, eine „freiwillige“, d.h. willentliche Vermögensverfügung und damit eine räuberische Erpressung vor, da es sich hier aus der Sicht des Opfers um einen unerlässlichen Mitwirkungsakt handelt.[167]

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Umstritten sind in diesem Zusammenhang aber diejenigen Fälle, in denen sich der Täter nach der erzwungenen Preisgabe der Safekombination (bzw. der erzwungenen Preisgabe des Verstecks des Geldes) das Geld oder die Wertgegenstände selbst nimmt. Zwar liegt in der Preisgabe der Safekombination bereits eine Vermögensgefährdung, der endgültige Vermögensschaden wird allerdings erst durch die Wegnahme des Geldes erreicht, weshalb es bei der bloßen Preisgabe der Kombination an der Unmittelbarkeit von Vermögensverfügung und Vermögensschaden fehlt. Insoweit liegt in diesen Fällen keine räuberische Erpressung durch Abnötigen der Safekombination, sondern ein Raub durch spätere Wegnahme des Geldes oder der Wertgegenstände vor, sofern die Gewalt oder Drohung zu diesem Zeitpunkt noch fortwirkt.[168] Andere hingegen gehen in einer solchen Situation allerdings davon aus, dass in der Eröffnung der faktischen Zugriffsmöglichkeit auf das Geld bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zu sehen ist, mithin die Vermögensverfügung bereits zu einem Schaden führe und eine spätere Entnahme des Geldes keine Wegnahme mehr darstelle (insoweit läge nur eine räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB, vor).[169] Schließlich wäre eine Lösung auf Konkurrenzebene in der Weise möglich, dass sowohl eine räuberische Erpressung als auch ein nachfolgender Raub angenommen wird, wobei die räuberische Erpressung bei Vollendung des Raubes (d.h. bei einer späteren tatsächlichen Wegnahme) als mitbestrafte Vortat zurücktritt. Nach dieser Konkurrenzlösung würde es also auch dann zu einer Bestrafung (wegen vollendeter räuberischer Erpressung) kommen, wenn es nach Erlangung der Safekombination durch den Täter nicht zu einer Wegnahme kommt, sei es, dass der Täter freiwillig die spätere Wegnahme unterlässt (da die räuberische Erpressung bereits vollendet ist, läge hier kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB, sondern nur eine strafrechtlich irrelevante tätige Reue vor, die nur auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen wäre), sei es, dass der Täter zuvor von der Polizei gestellt wird.

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Probleme ergeben sich nach der hier vorgeschlagenen Lösung allerdings in manchen Fällen des Irrtums. Wenn der Täter glaubt, das Opfer habe eine Geldbörse in der Manteltasche und er das Opfer auffordert, ihm „das Geld“ zu geben, erstrebt er eine unfreiwillige Herausgabe und insofern einen Raub, § 249 StGB. Wenn das Opfer unter dem Eindruck der Drohung daraufhin überraschend zum Schreibtisch geht und das Geheimfach öffnet, in welchem sich das Geld befindet, so liegt objektiv eine freiwillige (im Sinne einer „willentlichen“) Vermögensverfügung und daher eine räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB, vor (denn der Täter hätte sich das Geld in Unkenntnis des Verstecks nicht nehmen können). Konsequenterweise ist in diesen Fällen nur eine Bestrafung wegen eines versuchten Raubes, §§ 249, 22 StGB, möglich.

 

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Auf eine weitere Besonderheit ist allerdings an dieser Stelle noch hinzuweisen: Zieht man bei der Abgrenzung von Raub (als Fremdschädigungsdelikt) und räuberischer Erpressung (als Selbstschädigungsdelikt) eine Parallele zur Abgrenzung von Diebstahl und Betrug und verlangt man insoweit sowohl für den Betrug als auch für die (räuberische) Erpressung eine (bewusste) Selbstschädigung, so ist es fraglich, ob dies nur für Sachen oder auch für Forderungen gilt, da für einen Forderungsbetrug (im Gegensatz zum Sachbetrug) gerade kein Verfügungsbewusstsein verlangt wird. Daher wollen manche bei der Forderungserpressung auf eine Vermögensverfügung verzichten,[170] während andere die bei § 263 StGB entwickelten Grundzüge über die unbewusste Selbstschädigung bei § 253 StGB für unanwendbar erklären.[171] Die Rechtsprechung geht hingegen davon aus, dass auch der erzwungene Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung, sofern diese tatsächlich besteht und werthaltig ist, eine Erpressung darstellen kann,[172] wobei in diesem Zusammenhang umstritten ist, ob eine Forderung bereits wegen einer Vermögenslosigkeit des Schuldners von vorne herein wertlos sein kann.[173]

5. Nötigungsziel: Vermögensschaden

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Im Gegensatz zur Nötigung erfordert der Erpressungstatbestand jedoch ein besonderes Nötigungsziel und weist somit einen konkreten Vermögensbezug auf: Erforderlich ist nämlich, dass durch die Nötigung dem Vermögen des Genötigten (oder eines anderen) ein Nachteil zugefügt wurde. Hier sind Parallelen zur Vermögensbeschädigung beim Betrug, § 263 StGB, und dem Nachteil bei der Untreue, § 266 StGB, erkennbar. Die Begriffe decken sich hier weitgehend.[174] Entscheidend ist, dass sich die Vermögenslage des Opfers nach der Tat unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als ungünstiger erweist als vorher. Da es sich bei § 253 StGB um ein Vermögensdelikt handelt, kommt es nicht auf das Abhandenkommen einzelner Sachen (im Sinne von körperlichen Gegenständen), sondern auf die Vermögenslage als Ganzes an. Insoweit kann auch bei der Erpressung die Vermögensminderung durch einen anderweitigen Vermögenszufluss im Wege der Gesamtsaldierung ausgeglichen werden.[175] Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn das Opfer durch Drohungen dazu genötigt wird, einen bestimmten Gegenstand zu kaufen, der sein Geld wert und für das Opfer auch nicht ganz unbrauchbar ist.[176]

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Gegenleistungen, die der Täter erbringt, stellen keinen saldierungsfähigen Vorteil für das Opfer dar, wenn der Täter zu einem entsprechenden Verhalten auch ohne Gegenleistung verpflichtet gewesen wäre. Wer also dem Opfer einen wertvollen Gegenstand (z.B. ein Kunstwerk) entwendet und diesen Gegenstand dem Opfer später gegen ein „Lösegeld“ zum Rückkauf anbietet, verbunden mit der Drohung, den Gegenstand andernfalls zu vernichten, begeht eine Erpressung, auch wenn der Gegenstand wesentlich mehr wert ist, als das erpresste „Lösegeld“.[177] Denn der Täter ist nach §§ 861, 985 BGB zur sofortigen unentgeltlichen Rückgabe des Gegenstandes verpflichtet (genau betrachtet liegt hier allerdings eine Einschränkung der wirtschaftlich-objektiven Betrachtung des Vermögens durch rechtliche Erwägungen vor!). Zweifelhaft ist, inwieweit dies auch bei der Rückgabe einer zuvor entwendeten Sache an eine Versicherung gilt, um einen von der Versicherung ausgelobten Betrag zu erlangen. Mit der Auslobung eines Betrages, der auch dem Dieb zugutekommen soll, bewegt sich die Versicherung nämlich am Rande des § 257 StGB. Eine Auslobung, die auf den Dieb zielt, ist normalerweise zwar keine wirklich freiwillige Leistung, doch ist eine Erpressung deshalb zweifelhaft, weil die Initiative zur Zahlung in diesen Fällen vom Opfer, d.h. der Versicherung ausgeht.

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Die Einschränkung des Vermögensschadens auf rechtlich geschütztes Vermögen hat zur Folge, dass eine Ganovenerpressung mit dem Ziel, eine Beuteteilung, eine Schmiergeldzahlung oder ähnliche auf Straftaten beruhende Vereinbarungen durchzusetzen, nicht unter § 253 StGB fällt. So führte der BGH aus, dass „bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mit zu berücksichtigen“ sei, dass der Vermögenszufluss beim unter Druck gesetzten Komplizen von vornherein mit dem Teilungs- oder Schmiergeldversprechen belastet sei.[178] Andererseits ist zu berücksichtigen, dass auch ein Vermögensgegenstand, der illegal erlangt wurde oder der von der Rechtsordnung nicht toleriert wird, einen Vermögenswert darstellen und daher Objekt einer Erpressung sein kann: Wer einen anderen dazu nötigt, von diesem illegal erlangte oder illegal besessene Betäubungsmittel oder kinderpornographische Darstellungen herauszugeben, kann sich daher wegen einer Erpressung strafbar machen, auch wenn die genannten Gegenstände rechtlich nicht verkehrsfähig sind.[179] An einem Vermögensschaden fehlt es auch dann, wenn eine Geldübergabe im Rahmen einer Erpressung von der Polizei überwacht wird, sodass dem Täter keine Möglichkeit bleibt, mit dem Geld zu entkommen.[180] Hier liegt lediglich ein Versuch vor.

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Erpresst der Täter vom Opfer eine Bankkarte samt dazugehöriger PIN[181]oder die Nennung der Tresorkombination, so kann dies zwar bereits einen Vermögensschaden darstellen, sofern mit wirtschaftlichen Nachteilen jedenfalls ernstlich zu rechnen ist,[182] im Hinblick auf eine räuberische Erpressung fehlt es in diesen Fällen aber, wie bereits oben angesprochen, an der Unmittelbarkeit der angestrebten Bereicherung, da der Täter diese erst durch eine weitere deliktische Tat erreichen will (Computerbetrug durch Abheben des Geldes, Diebstahl oder Raub beim „Leerräumen“ des Tresors, wenn Gewalt oder Drohung noch fortwirken).[183] Eine weitere Voraussetzung einer (räuberischen) Erpressung ist, dass die entsprechende Vermögensposition überhaupt (schon) besteht, was nach Auffassung des BGH etwa bei der Erpressung einer Prostituierten erst dann der Fall ist, „wenn die Leistung in Erwartung des zuvor vereinbarten Entgelts erbracht“ worden sei, da die Forderung nach § 1 S. 1 ProstG erst dann entsteht.[184]

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Ein Vermögensschaden wird allerdings in der Regel dann ausscheiden, wenn der Täter mit dem Unterlassen einer Handlung droht, zu der er nicht verpflichtet ist, z.B. dem Unterlassen des Abschlusses eines Vertrages.[185] Wer also die Anstellung einer Schauspielerin zu Dreharbeiten eines bestimmten Films oder die Vermietung eines Appartements an eine Studentin davon abhängig macht, dass diese mit ihm eine sexuelle Beziehung eingeht, begeht keine Erpressung. Denn es steht dem Täter hier frei, für seine Handlung einen Preis zu fordern (Autonomieprinzip) bzw. das Opfer hat nach dem Selbstverantwortungsprinzip zu entscheiden, ob es den geforderten „Preis“ bezahlen möchte oder nicht. Unter Berufung auf diese beiden fast deckungsgleichen Prinzipien kann man entweder die Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation leugnen oder bereits den Schaden ablehnen, weil das Opfer, geht es auf die Forderungen des Täters ein, durch dessen Leistung ein saldierungsfähiges Äquivalent erhalten hat (dagegen scheitert die Strafbarkeit hier nicht bereits am fehlenden Vorliegen einer Drohung mit einem empfindlichen Übel![186]). Es geht hier lediglich um Ausprägungen der Vertragsfreiheit, selbst wenn dabei Notlagen des Vertragspartners ausgenutzt werden. Die gröbsten Auswüchse einer solchen Ausbeutung des Opfers sind nicht mit § 253 StGB, sondern mit der Strafbestimmung gegen Wucher, § 291 StGB, zu ahnden. Der BGH hat diesen Grundsatz allerdings in denjenigen Fällen eingeschränkt, in denen der „Erpresste“ aufgrund der Unterlassung in existenzielle wirtschaftliche Not gerät und der Täter gerade diese Notlage ausnutzt, was jedenfalls bei länger andauernden Geschäftsverbindungen möglich sei.[187] Eine Erpressung sah der BGH auch in den DDR-Ausreisefällen nicht als gegeben an:[188] Der Täter hatte als offizieller, von den zuständigen Organen der DDR eingeschalteter „Vermittler“ Ausreisewilligen angeboten, ihnen eine Ausreise aus der DDR unter der (staatlich vorgegebenen und insoweit „üblichen“) Bedingung zu ermöglichen, dass sie ihr in der DDR gelegenes Grundstück einer „vom Staat begünstigten Person“ übereignen. Da das DDR-Recht seinen Bürgern keinen Anspruch auf eine Ausreisegenehmigung gewährte, gingen die Ausreisewilligen jeweils auf diese „Bedingung“ ein. Im konkreten Fall wurde das entsprechende Grundstück von den zuständigen staatlichen Organen der DDR dem Vermittler selbst zugeteilt. Der BGH führte aus, die Drohung mit dem Unterlassen einer Handlung, auf die der Bedrohte keinen Anspruch habe (hier: Ausreise aus der DDR), könne selbst dann, wenn der Täter hier eine unangemessene Gegenleistung fordern bzw. erwirken würde, lediglich als Wucher oder als Bestechlichkeit anzusehen sein, „eine Strafbarkeit wegen Nötigung oder Erpressung liegt hingegen eher fern“.[189]

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Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn der Handelnde zu einem entsprechenden Tun verpflichtet ist, so etwa in dem Fall, in dem ein Amtsträger damit droht, einen Antrag solange unbearbeitet zu lassen, bis er vom Antragsteller eine bestimmte Geldsumme erhält. Hier liegt neben einer Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit, §§ 331, 332 StGB, zugleich auch eine Erpressung, § 253 StGB, vor.[190]

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Die Tat ist vollendet, wenn der Vermögensschaden eingetreten ist. Eine entsprechende Bereicherung des Täters oder eines Dritten ist nicht erforderlich, diese muss lediglich beabsichtigt sein und ist daher ausschließlich im subjektiven Tatbestand zu berücksichtigen. Daher liegt eine vollendete Erpressung auch dann vor, wenn die erpresste Leistung weit hinter dem zurückbleibt, was sich der Täter erhofft oder was er verlangt hat.[191] Dies ist auch dann der Fall, wenn der Täter die erpresste Sache nach kurzer Begutachtung wieder zurückgibt, weil deren Wert nicht seinen Vorstellungen entspricht.[192] Soweit die Rechtsprechung dies teilweise anders gesehen hat,[193] ist dem nur insoweit zu folgen, als genau geprüft werden muss, ob in dem vorübergehenden Verlust der Sache bereits ein Vermögensschaden des Opfers zu erblicken ist. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn der Täter schon vor der Aushändigung des Gegenstandes fest dazu entschlossen war, diesen wieder zurückzugeben, sollte er seinen Ansprüchen nicht genügen.[194] Eine vollendete Erpressung kann hingegen ausscheiden, wenn aufgrund einer Überwachung der „Geldübergabe“ durch die Polizei ein dauerhafter Verlust der abgepressten Gegenstände von vorne herein ausgeschlossen ist.[195]